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Posts Tagged ‘Blickfang’

Blickfang: Abandoned warship

28 Jan

Den großen und schweren Bildband „XL Photography 3. Art Collection Deutsche Börse“* hatte ich mir eigentlich wegen einer Arbeit von Sibylle Bergemann angeschafft, bin beim Durchsehen der ganz unterschiedlichen Serien dann aber am eindrucksvollen Bild eines verlassenen Kriegsschiffes hängen geblieben.

In der Buchreihe „XL Photography“ gibt die Gruppe Deutsche Börse Einblicke in den Bestand ihrer Fotosammlung, die in den letzten Jahren vor allem um großformatige Werke zeitgenössischer Künstler erweitert wurde. Im dritten Band werden 17 Künstler mit ihren Arbeiten sowie jeweils Einführungstexten und Kurzbiografien vorgestellt.

Darunter ist auch Simon Roberts, der sich als Brite, der erst 16 Jahre alt war, als die Sowjetunion zerbrach, mit dem „großen und geheimnisvollen Land“ Russland fotografisch auseinandersetzte. Dabei hatte er sich viel vorgenommen: Über ein Jahr lang bereiste er abseits der russischen Ballungszentren das Land, um eine „Bestandsaufnahme des modernen Russlands“ anzufertigen.

Aber selbst ein Jahr ist zu kurz für so ein großes Land: Roberts hat sich in Russland sehr wohlgefühlt, aber bei Weitem nicht alles gesehen, was es dort zu sehen gibt. Am Ende ist daraus unter dem Titel „Motherland“* ein 153 Bilder umfassendes Buch geworden, das inzwischen ausverkauft, aber noch gebraucht ab ca. 70 € oder als PDF-Download für 1 £ zu haben ist.

Abandoned warship, Kola Bay, Murmansk, 2005 © Simon Roberts in XL Photography 3

Am Bild dieses aufgegebenen Kriegsschiffes, das in der Kola-Bucht bei Murmansk liegt, blieb mein Blick beim Blättern dann erst einmal hängen, während ich alle anderen Bilder davor und danach innerhalb weniger Sekunden erfasst und durchschaut zu haben meinte. Aber das tiefe Blau der Szene nahm mich länger gefangen.

Die ganze Kulisse ist von einem so winterlichen Blau, dass die Kälte wie eine Welle eisiger Luft aus dem Bild zu mir herauszuschwappen scheint. Natürlich wird das Gefühl noch vom im Bild sichtbaren Schnee, Eis und der hinter den Schiffsleichen stehenden Nebelwand unterstützt.

Keine Menschenseele ist zu sehen. Ich stelle mir vor, wie Simon Roberts allein neben den Schiffswracks stand – nein, eigentlich – wie ich in der absoluten Stille der überfrorenen, in Winterschlaf gezwungenen Szene die schneidend kalte, russische Winternebelluft einatme. Mich faszinieren die eisigen Blautöne, die von tiefstem Fastschwarz auf der Schiffswand bis hin zu klarem Weiß im Schnee reichen.

Und die vielen Details, die ich mit den Augen erkunden kann: Von hier nach dort verlaufende Seile, überfrorene Leitern waren einmal Wege und auf der Schiffshaut liegt eine scheinbar nur ganz dünne Raureifschicht, die in mir die Vorstellung auslöst, dass sie unter der Berührung meiner warmen Finger wegschmelzen würde, wie ich es von Eisblumen auf Autolack in unseren milden europäischen Wintern kenne.

Mehr aus der sehr sehenswerten Serie von Roberts’ Russland-Projekt gibt es auf seiner Webseite zu lesen und zu sehen. Neben beeindruckenden Landschaften, für unsere Augen seltsam anmutender Architektur und Alltagsszenen gibt es auch viele, sehr unterschiedliche Portraits der Menschen zu sehen.

Auch Roberts’ andere Serien sind spannend und einige sehr experimentell. Seine Webseite ist definitiv ein Ort, an dem man sich mit einer Tasse Tee oder Kaffee mal für ein paar Stunden sehr gepflegt verlieren kann, was ich Euch hiermit sehr ans Herz lege.

 

Informationen zum Buch

„XL Photography 3. Art Collection Deutsche Börse“*
Fotografen: Paul Almasy, Jessica Backhaus, Sibylle Bergemann, Pietro Donzelli, Alberto Garcia Alix, Seydou Keï ta, Yoon Jean Lee, Boris Mikhailov, Simon Norfolk, Martin Parr, Simon Roberts, Ricarda Roggan, Wilhelm Schürmann, Alfred Seiland, Malick Sidibé, Alec Soth, Joel Sternfeld
Verlag: Hatje Cantz
Seiten: 144
Sprache: Englisch und Deutsch
Maße: 32,1 x 31,7 x 2,1 cm
Einband: Hardocver, gebunden
Preis: neu 49,80 €, gebraucht ab ca. 14 €

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Blickfang: The Seagull

21 Jan

Das Bild mit dem Titel „The Seagull“ stammt aus dem dritten Buch der fünfbändigen Retrospektive „Sarah Moon – 12345“*. In den Bänden werden die unterschiedlichen fotografischen Stationen der Fotografin gezeigt. Im fünften Buch schließt der Band mit dem Film „Mississipi One“ ab.

Schon einmal machte ich in einem Artikel auf die Künstlerin aufmerksam. Doch dieses Mal soll nur ein einziges Bild im Mittelpunkt stehen.

Zu sehen ist eine Möwe. Doch als ich die Seite mit dem Bild das erste Mal aufschlug, war ich entsetzt. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Was ich sah, war kein Vogel, sondern ein weißes, knochenartiges Wesen. Seltsam verzerrt und doch in mich starrend.

Da war nicht der Stolz und die Schönheit dieser Vogelart, sondern etwas ganz Anderes wurde für mich hier sichtbar. Ein Geistervogel, der bis dahin nur in meinem Kopf existierte. Wie kann es sein, dass dieser nun hier vor mir liegt und mich anschaut und seine Flügel wie zum Gruß bewegt?

The Seagull © Sarah Moon

Auch heute noch macht mir dieses Bild ein wenig Angst. Aber die Angst verwandelt sich eher in einen wohligen Schauer. Vielleicht ist es auch genau das, was ich meine, wenn ich sage oder schreibe, dass Bilder poetisch sein können. Sie sind wie Zerrbilder einer Geschichte, ein kurzes Aufblinken in einem Film. Kaum da, schon wieder weg.

Und jedes Fotobuch in meinem Schrank besitzt solche Bilder, die mehr sind als nur das Papier, auf das sie gedruckt sind.

 

Informationen zum Buch

Sarah Moon 12345 (Slipcase)
486 Seiten
in englischer Sprache
29,8 x 29,6 x 7,6 cm
ISBN: 978-0500287835

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Blickfang: Cucurbita

14 Jan

Cucurbita ist der lateinische Name für Kürbis. Denkt man an diese große, schwere Pflanze, würde man nicht auf die Idee kommen, dass ihre Ranken unglaublich grazil und ästhetisch aussehen können. Karl Blossfeldts Aufnahmen zeigen immer wieder die Schönheit der Natur.

Seine Fotos entstanden eigentlich als Unterrichtsmaterial. Die Fotografie war für ihn nur ein Werkzeug, dennoch gilt er als Vertreter der Neuen Sachlichkeit in der Fotografie. Seine Schüler im Fach „Modellieren nach Pflanzen“ zeichneten die Bilder ab, sie dienten als Vorlagen für Ornamente in der Kunstgießerei.

Curcubita © Karl Blossfeldt

Meine Pflanzenurkunden sollen dazu beitragen, die Verbindung mit der Natur wieder herzustellen. Sie sollen den Sinn für die Natur wieder wecken, auf den überreichen Formenschatz in der Natur hinweisen und zu eigener Beobachtung unserer heimischen Pflanzenwelt anregen.

Dies schreibt er im Vorwort zu seinem Buch „Wundergarten der Natur“. Ich selbst besitze die günstige Alternative aus dem Verlag TASCHEN*. In ihr wird das Gesamtwerk Blossfeldts gezeigt. Es beinhaltet „Die Urformen der Kunst“ von 1928, „Wundergarten der Natur“ von 1932 und „Wunder in der Natur“, das erst nach seinem Tod 1942 erschien.

Blossfeldts schwarzweiße Fotgrafien von Pflanzen lassen mich die Natur anders betrachten. Immer, wenn ich das Buch zur Hand nehme, bekomme ich Lust, mich an Stillleben zu versuchen, rauszugehen und nach den schönsten, symmetrischsten Blüten Ausschau zu halten. Ich achte mehr auf Details und die Schönheit der kleinen Dinge.
 
Informationen zum Buch

Karl Blossfeldt: The Complete Published Work*
Seiten: 255
Abbildungen: schwarzweiß
Sprache: Deutsch / Englisch / Französisch
Verlag: Taschen
Preis: 9,99 €
 
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Blickfang: Half Life

26 Nov

Als ich die von Bilder Michael Ackerman letztes Jahr erstmals in Berlin vor mir sah, ohne Rahmen und versetzt an der weißen Galeriewand befestigt, hatte es mich gepackt, geschüttelt und getroffen.

Ich musste mir den Fotoband „Half Life“* unbedingt zulegen, ganz egal, was mein Konto dazu sagte. Nennen wir es reflexartige Überlebensreaktion. Seitdem atme ich ein wenig ruhiger und merke es bei einem der Bilder besonders.

Blumenvase © Michael-Ackerman

Kürzlich las ich, dass die Betrachtung eines Bildes immer von den eigenen Erfahrungen und der Sensibilität für bestimmte Themen abhängig ist.

Betrachte ich das Bild, passiert etwas mit mir. Mein Gedankenkonglomerat kippt sich aus und setzt alte Bilder in mir frei. Ich bin ein DDR-Kind und mit meinen Eltern oft weggefahren. Ich kann mich an farblose Unterkünfte erinnern, an leere und große Speiseräume mit Deckchen und jeweils einer Vase und Blumen bestückt.

An die Menschen erinnere ich mich nur schemenhaft, so schenmenhaft wie die Menschen in Ackermans Buch dargestellt sind. Immerhin war ich erst sieben oder acht Jahre alt, da fühlt man sich klein, verletzlich und vor allem unwichtig zwischen all den großen Menschen, die doch immer viel klüger sind und das Kind nicht groß beachten.

Dies ist also mein Bild, obwohl ein fremdes, denn ich bestücke es mit meiner Erinnerung, die versteckt irgendwo in meinem Kopf saß und darauf wartete, hervorgeholt zu werden. Darüber hinaus kann ich diesen Fotoband aber allen ans Herz legen, die Schwarzweißwelten lieben und auch keine Angst haben, gedanklich mit ihnen in die Tiefe zu fallen.

Informationen zum Buch:

Michael Ackerman: „Half Life“
Seiten: 168 (Gebundene Ausgabe)
Abbildungen: schwarzweiß
Sprache: Englisch
Verlag: Dewi Lewis Publishing

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Blickfang: The Hard Way

19 Nov

Das Leben ist verdammt hart. Aber auch verdammt schön.

So könnte man zusammenfassen, was man in den Bildern von Vitas Luckus sehen kann. Und dass man sie heute überhaupt sehen kann, ist eine große Sache, denn Vitas Luckus war ein „verbotener“ Künstler.

Der litauische Fotograf lebte von 1943 bis 1987, wurde also gerade einmal 44 Jahre alt. Ich weiß wirklich nicht mehr, woher ich den Bildband „The Hard Way“* habe, wahrscheinlich einfach ein glücklicher Flohmarktfund und Spontankauf.

Der Band präsentiert eine Auswahl des fotografischen Lebenswerkes, das vom Künstler selbst noch kurz vor seinem Tod zusammengestellt wurde. Seine Frau hat die Arbeit am Buch danach weiter betreut.

Vitas Luckus hat das Leben in seinem Heimatland Litauen und Ländern wie Aserbaidschan, Estland und Georgien, die er bereiste, in seiner rohen Form festgehalten. Straßenszenen, Freunde und Fremde in ihren Wohnungen. Kinder beim Spielen und Erwachsene bei gesellschaftlichen Anlässen.

Dabei hat er immer versucht, den Ausdruck der absoluten Wahrheit ins Zentrum seiner Bilder zu rücken. Herkömmliche Kompositionen und Gestaltungsrichtlinien hat er gnadenlos über Bord geworfen, denn er sah sie als Hürden auf dem Weg zum wahren Realismus.

Er wollte seine fotografische Sprache perfektionieren. Dieses Ziel verfolgte er hartnäckig und experimentierte sowie übte dadurch mit schier unerschöpflicher Energie. Vielleicht hatte er damit die Energie für sein ganzes Leben schneller verbraucht als andere.

In fact he regarded photography as a laconic language for communicating many things simultaneously. In order to say everything he wanted, he aimed to master it perfectly.

Aber:

The world seemed to open up and speak to him without a medium; it was speech itself. […] The Baltic wind shaking petals and blowing sweepings […] says a lot to those wo can listen. This was a shock to Luckus. It was not he who had something to say to the world – he merely had to listen, and his purified language was only necessary for asking his questions correctly.

Vitas Luckus - The Hard Way © Aileen Wessely

Gemein ist fast all seinen Fotos, dass die Lebensfreude in den Gesichtern die ebenfalls sichtbare Traurigkeit überwiegt. Beides ist wahrzunehmen, oft auch die Härte der Umstände, in denen die Menschen leben. Aber sie lieben ihr Leben von ganzem Herzen.

Sie sind einfallsreich: Einige Männer spielen wie oben zu sehen trotz und mit Krücken Eishockey. Ein anderer Mann lässt sich von einem Handtrockner den Mundraum fönen. Paare tanzen ausgelassen in kargen Räumen. Dreckige Hände verrichten Feldarbeit.

Und fast alle von ihnen lachen in die Kamera. Einige scherzen miteinander. Die Zuversicht quillt aus allen Ritzen, durch die auch der Wind pfeift. Die Lebenslust spricht aus den Zahnlücken, durch die auch das nur selten üppige Essen rutscht.

Vitas Luckus’ Witwe Tanya Luckiene hat dem Buch folgendes Zitat von Jelena Sergejevna Bulgakova vorangestellt, das in Worte fasst, was man in Vitas Luckus’ Fotos sehen kann:

In spite of everything, in spite of the fact that there were dark clouds, horrifying clouds, if you were to suggest that we led a tragic life I would react by saying that we didn’t. It was the most beautiful and buoyant, the most joyful life you can imagine. The world has never seen a happier woman that I was at the time.

So wurde Vitas Luckus von energischen Menschen, dynamischen Situationen und der Lebensfreude der Welt an sich angezogen. Für seine Art, diese Bilder aufzunehmen, gab es nur keinen Raum in der damaligen Kunstszene, weshalb er ins Abseits geriet.

Zu seiner Lebenszeit gab es nur zwei Ausstellungen seiner Arbeiten in Litauen. Seine erste internationale Publikation im tschechischen Magazin „Photography Review“ wurde zum Skandal, sodass die gesamte russische Auflage eingestampft wurde.

Heute gibt es über Vitas Luckus nicht einmal einen deutschen oder englischen Eintrag in der Wikipedia und nur die eine Buchveröffentlichung. So stark wirkt die Unterdrückung der Verbreitung seiner Bilder also immer noch nach. Das sollte sich ändern. „The Hard Way“ ist gebraucht für 10 – 20 € zu haben. Also los.

Informationen zum Buch
„Vitas Luckus, Photographer, Lithuania 1943 – 1987. The Hard Way“
Seiten: 144
Abbildungen: 116, schwarzweiß
Sprache: Englisch
Vorwort von Laima Skeiviene, Biografie, Nachwort von Herman Hoeneveld
Verlag: Edition Stemmle

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Blickfang: Traumexpress

12 Nov

Anke Merzbach nennt sich selbst Bildermacherin, denn den Begriff Fotografin hält sie für ihre Bilder nicht für den richtigen. Und ihre Fotos wirken durch ihre Ideen und starke Bearbeitung auch eher wie Gemälde. Eines dieser Gemälde ist „Der Traumexpress.“

Eine junge Frau sieht wehmütig aus dem Bild, am Betracher vorbei, aus einem Zugfenster hinaus. Sie trägt ein antikes Kleid und einen alten Hut. Auch der Zug scheint älter, denn die Farbe um das Fenster herum blättert hier und da langsam ab. In den geschlossenen Zugfenstern spiegeln sich gespenstisch Winterbäume, deren Äste sich beim näheren Betrachen auf seltsame Weise mit den Kabeln um das Fenster verbinden und so in das offene Fenster hineinwachsen.

Traumexpress von Anke Merzbach

Das Bild könnte einem alten Gruselfilm entsprungen sein und ich frage mich, wie die Geschichte weitergeht. Wohin fährt diese Frau oder kommt sie gerade an, in diese finstere Gegend mit den Gespensterbäumen? Wohin sieht sie? Der Titel Traumexpress gibt einen kleinen Hinweis. Vielleicht zeigt das Bild einen Albtraum, ist nicht real.

Die Bilder von Anke Merzbach sind alle sehr surreal und erzählen kleine Märchen, werfen Fragen auf und sind nicht einfach zu verstehen. Aber das müssen sie auch nicht, denn es würde doch schnell langweilig werden.

Das Modell im Bild ist die schöne Alice Grinda. Mehr über die Fotografin könnt Ihr auf ihrer Homepage erfahren. Das Buch ist über sie für 32,50 € inklusive Versand erhältlich.


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Blickfang: France, June 6, 1944

05 Nov

Robert Capa. Kennt Ihr diesen Namen? Falls nein: Er wäre letzte Woche 100 Jahre alt geworden. Capa war der Kriegsfotograf seiner Zeit, Mitgründer der Fotoagentur Magnum Photos und ein unverbesserlicher Frauenheld. Heute stelle ich ein Foto von ihm vor, das mich schon lange beschäftigt.

Dabei handelt es ich um ein Bild, das der gebürtige Ungar Robert „Bob“ Capa am 6. Juni 1944  fotografierte, als die ersten amerikanischen Streitkräfte an der Küste der Normandie eintrafen, um Frankreich zu befreien.

France, June 6, 1944 © Robert Capa

Ich sehe amerikanische Soldaten, wie sie vollgepackt zur Küste rennen. Das Wasser schäumt auf und mein Blick fällt zuerst auf den letzten Soldaten, dem das Wasser noch bis zu den Oberschenkeln reicht. Des öfteren habe ich mich gefragt, ob dem Mann eine Hand fehlt, aber dafür wäre der Arm zu lang.

Ich frage mich, was wohl in den Soldaten vor sich geht. Sie werden aufgeregt sein, Herzklopfen haben und vielleicht hoffen, nicht schon in den ersten Sekunden zu sterben. Das Adrenalin pumpt sich in Bahnen durchs Blut und mit dem Sprung ins Wasser ist erst einmal alles davon durchdrungen.

Es ist 6.30 Uhr (GMT+2) morgens. Das Wasser ist kalt und so auch der nahende Tod. Hat man vielleicht vorher noch gescherzt oder voreinander geprahlt, hört hier der Spaß auf. Auf der anderen Seite sind deutsche Soldaten. Es ist der Feind, dem Einhalt zu gebieten ist.

~

Den Fotografen sieht man bekanntlich nicht. Aber sein Standpunkt verrät, dass er sich nicht auf den Schiffen verkriecht, sondern sich mitten ins Geschehen begibt. Und sich somit auch der Gefahr aussetzt, selbst im Getümmel als Soldat erkannt und von den Schützen per Kopfschuss getötet zu werden.

Doch das ist kein Zufall. Während sein Kollege George Rodger an Land an einem ruhigen Strand fotografierte, entschied Capa, mit zwei Contax-Kameras bestückt bei der allerersten Welle der Amerikaner in „Omaha“ dabei zu sein, die zu den blutigsten gehörte. 2000 amerikanische Soldaten sollten dort fallen.

Von den 106 Aufnahmen der blutigen Schlacht blieben jedoch nur 8 übrig1. Capa war im Auftrag des LIFE Magazines vor Ort, dessen Dunkelkammer-Assistent so aufgeregt war, dass er den Trocknungsprozess durch die Anhebung der Hitze beschleunigen wollte und somit fast alle Aufnahmen zerstörte. Capa erfuhr eine Woche später davon, jedoch drohte er dem Magazin überraschenderweise die Kündigung an, sollten sie den Assistenten feuern.

Eine dieser Aufnahmen ist das oben gezeigte Foto. Als Life die Aufnahmen veröffentlichte, wurde die Qualität der Bilder damit erklärt, dass Capa durch die Hitze der Schlacht wohl nicht richtig fokussieren konnte. Was Capa wiederum so stinksauer machte, dass er seine Autobiografie provokant „Slightly Out Of Focus“* nannte.

~

Robert Capa, geboren am 22. Oktober 1913 in Budapest, starb am 25. Mai 1954 in Thai-Binh, als er auf eine Mine trat. Er gilt bis heute als einer der bedeutendsten Fotografen und hinterließ ein Erbe von 70.000 Negativen.

Informationen zum Bildband

„Robert Capa: The Definitive Collection“*. 572 Seiten, 937 Abbildungen, Englisch. Erschienen am 1. November 2004, Phaidon Press. Preis: 39,95 €. Größe: 4,3 x 24,8 x 24,8 cm.

1 Meine Quellen unterscheiden sich in der Aussage. Russel Miller spricht in der Magnum-Biografie von 8 geretteten und 106 gemachten Aufnahmen, Capa-Biograf Whelan spricht im angepriesenen Band von 11 gerretteten und 72 gemachten Aufnahmen.

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Blickfang: Tankstellen

29 Oct

Tankstellen haben ja oft etwas Schäbiges an sich und wenn man nachts noch schnell Chips oder Schokolade braucht, dann hält man sich dort nicht länger als nötig auf. Die Architektur dieser Orte habe ich bis zum Bildband „Experimentelle Wege zum Bild“* von Tim Hölscher noch nie beachtet.

Tim fotografierte historische Tankstellen und bearbeitete sie digital zurück in ihren Originalzustand. Zusätzlich löste er sie aus dem urbanen Kontext und retuschierte Hintergründe und störende Elemente weg. Zurück blieb meist ein kleines Häuschen mit eigentümlichem Dach und der Beweis, dass Tankstellenarchitektur durchaus spannend sein kann.

„So soll die bauliche Vision des Architekten, die heute durch die Umnutzung in den meisten Fällen nur noch zu erahnen ist, wieder in den Mittelpunkt gestellt werden“, heißt es in der Projektbeschreibung.

Tankstelle Hannover aus Tim Hölschers Buch "Experimentelle Wege zum Bild"

Diese Tankstelle zum Beispiel steht in Hannover. Auf dem grauem Beton und mit dem geschwungenen Dach sieht sie surreal und unwirklich aus. Die weißen und dunkelgrünen Fliesen am Haus erinnern jedoch wieder an die 60er Jahre und das wahre Alter der Tankstelle.

Unter dem Bild ist vermerkt: Lambdaprint, 125 cm x 75 cm, 2008. In dieser Größe ist es sicher noch beeindruckender. Neben diesem Foto gibt es fünf weitere aus der Serie „Tankstellen“. Sie entstanden zwischen 2008 und 2011.

Der Bildband „Experimentelle Wege zum Bild“* zeigt auch die bei uns bereits vorgestellte Serie „Albanische Landschaften – Lochkamerafotografie mit Bunkern“ sowie weitere Projekte des Fotografen. Auch ein Blick auf seine Homepage ist sehr lohnenswert.

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Blickfang: Transformation

22 Oct

In meinem Bücherschrank bin ich vor Kurzem mal wieder über einen echten Klassiker gestolpert: „The Polaroid Book“* von TASCHEN. Wann immer ich einfach mal in der unendlich vielfältigen Bandbreite kreativer Polaroids schmökern möchte, nimmt mich diese Auswahl der Bilder aus der Polaroid-Sammlung gern für ein paar Stunden gefangen.

Barbara Hitchcock beschreibt in dem im Buch enthaltenen Essay „Als Land auf Adams traf“, wie der Erfinder der Polaroid-Technologie, Edwin Land, den als herausragendster Landschaftsfotograf unserer Zeit geltenden Ansel Adams kennenlernt. Aus dieser Freundschaft entstand die Idee und Umsetzung der Polaroid Collections of Photography.

Dabei kaufte Polaroid selbst Werke von Fotografen an oder stattete auch bis dato unbekannte Künstler mit Kameras und Filmmaterial aus. Damit konnten sie nach Herzenslust experimentieren, wenn sie dafür im Gegenzug einige ihrer besten Bilder für die Polaroid Collection zur Verfügung stellten.

Joyce Tenneson in The Polaroid Book by TASCHEN

Beim letzten Streifzug durch diesen Ziegelstein an Buch, das mehr als ein Kilogramm auf die Waage bringt, war ich auf der Suche nach dem Bild, das mich am meisten gefangen nimmt. Hängen geblieben bin ich dann bei dieser Arbeit ohne Titel der amerikanischen Fotografin Joyce Tenneson. Vom Stil her passt es zu ihren anderen Arbeiten im Portfolio Transformations, auch wenn ich das gleichnamige Buch leider nicht besitze.

Zu sehen ist ein Kind mit freiem Oberkörper, einem Tuch um die Hüften, einer großen weißen Mitra auf dem Kopf sowie halbtransparentem Schleier und Umhang. Den Hintergrund bildet eine gemalte Säule, wahrscheinlich handelt es sich um eine Motiv(lein)wand im Studio, die auch in weiteren Arbeiten von Tenneson zu finden ist.

Gefangen nimmt hier mich der undefinierbare Blick des Kindes, der durch eine Art Doppelbelichtung besonders entrückt wirkt. Diese Überlagerung ist vor allem am Kopf deutlich zu sehen, auch wenn man sie ebenfalls links am Umhang und unten am Tuch ausmachen kann. Wenn man genau hinsieht, lassen sich die zwei Aufnahmen aber zumindest so gut unterscheiden, dass klar wird, dass der gesamte Gesichtsausdruck bei beiden Belichtungen sehr leer war.

Mich fasziniert, wie Tenneson hier mit dem sehr einfachen Mittel der Doppelbelichtung und einem minimalistischen Bildaufbau ein ganz surreales Werk geschaffen hat. Der Hintergrund mit seinen weichen Linien, etwas Struktur und den unterschiedlichen Durchsichtigkeiten des Umhangs tragen dazu bei. Gleichzeitig herrscht eine bestechende Klarheit: Man sieht genau, was abgebildet wurde, es herrscht kein Wischiwaschi.

Bis hierhin bin ich schon vollkommen vom Bild eingenommen und habe noch gar nicht von den sanften Farben geschwärmt oder mich mit der Frage beschäftigt, warum hier überhaupt ein halbnacktes Kind mit seltsamem Blick abgebildet ist, das dank Mitra sofort an einen christlichen Würdenträger denken lässt.

Joyce Tenneson wurde 1945 in Massachusetts geboren und ist heute für ihre Fine-Art-Fotografien bekannt. Ihre Arbeiten wurden in mehr als 100 Ausstellungen überall auf der Welt gezeigt und sie hat für einige bekannte Magazine das Titelbild beigesteuert. Ihre bevorzugte Kamera ist eine Großformat-Polaroid – womit sich der Kreis zum Buch schließt.

Enden möchte ich diesen Blickfang mit einem Zitat von Joyce Tenneson, das mich ebenso wie das titellose Bild dazu anspornt, endlich eine eigene, surreale Bildsprache zu entwickeln:

Ich glaube sehr stark daran, dass, wenn Du zurück zu Deinen Wurzeln gehst, wenn Du in diesem inneren Land gräbst, Du etwas zutage fördern kannst, das dauerhaft Du selbst und authentisch ist – wie Dein Fingerabdruck. Es wird Deinen Stil haben, weil es niemanden gibt, der genauso ist wie Du.

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Blickfang: Buchhandlung in Laugharne

17 Oct

Bob Dylan hat sich angeblich seinen Künstlernamen nach ihm ausgesucht, Paul McCartney sagt, dass John Lennon nur wegen ihm angefangen habe, Songs zu schreiben. Trotzdem kennen nur wenige Menschen Dylan Thomas, den Waliser, Dichter und Trinker, der mit nur 36 Jahren verstarb.

„Anfangen, wo es anfängt.“

Auf seine Spuren haben sich die Schriftstellerin Elke Heidenreich und der Hamburger Fotograf Tom Krausz gemacht, die in einem sehr sehens- und lesenswerten Buch* nicht nur das Leben des Ausnahmeschreibers nachzeichnen, sondern auch Fotografien der Orte und natürlich Texte von Dylan Thomas zeigen.

Ausschnitte aus seinem Theaterstück „Under Milk Wood“, die Lebensstationen durch Städte in Wales bis zum Tod in New York City werden gezeigt und mit beeindruckenden Schwarzweißbildern von Landschaften, Architektur und immer wieder auch intimen, privaten Orten begleitet, wie dem nur notdürftig ausgebauten Bootsschuppen am Wasser, in dem Dylan Thomas über Jahre bis zu seinem Tod lebte.

Dylan Thomas Bookshop

„Die Stadt war noch nicht wach.“

Das Bild aus dem Foto-, Gedicht- und Biografieband „Dylan Thomas“, das ich vorstellen möchte, hat keinen expliziten Titel, es zeigt eine Buchhandlung in Laugharne, der Heimatstadt des Dichters. Ein verwittertes, altes Haus, drinnen Bücher in verschiedensten Formen und Farben, sowie Plakate in charmantem Chaos in Regalen liegend und am Fenster klebend.

Alles wirkt so, als wäre die kleine Buchhandlung, über der auch eine Wohnung zu liegen scheint, komplett aus der Zeit gefallen. Man kann sich vorstellen, dass hier noch immer alles ist, wie es vor 100 Jahren zur Zeit von Dylan Thomas’ Geburt war: Dass in der kleinen Stadt die Moderne noch nicht angekommen ist und das Haus einem trotzdem so gute Geschichten wie die hier verkauften Bücher erzählen könnte.

„Die Zeit vergeht. Horch. Die Zeit vergeht.“

„Do not go gentle into that good night, / rage, rage against the dying of the light“. Geh nicht gelassen in die Nacht, kämpfe, wüte gegen den Tod des Lichts, heißt es in einem seiner meistzitierten Gedichte. Es sind Gedichte, die immer auch mit Worten und mit Phonetik spielen, deren Rhytmus wie das Wasser fließt, was sie geradezu dazu prädestiniert, laut vorgelesen, ja sogar gesungen zu werden. Es ist Dylan Thomas am Ende mit der Hilfe seiner Worte gelungen, nicht einfach still zu gehen.

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