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Posts Tagged ‘Bildvorstellung’

Bildvorstellung: why do birds…?

24 Jun

Wie entsteht ein Bild? Aus gegebenem Anlass konnte ich den Prozess einmal genau verfolgen und in Form eines Kurztagebuches festhalten.

Montag, 17. Juni: Heute erscheint die vorletzte Bildvorstellung unserer kleinen Serie. In einer Woche bin ich dran und aus verschiedenen Gründen habe ich noch gar kein Bild dafür parat.

Die letzten Monate waren vor allem mit anderen Dingen gefüllt, aber nicht mit Fotografie. Und wenn ich fotografiert habe, dann kleinere Aufträge, um eine Kamera zu testen oder ich fotografierte eine Serie. Überhaupt fertige ich nur sehr selten Einzelbilder an, von Schnappschüssen mal abgesehen, ich denke und arbeite eher in Serien.

Dienstag, 18. Juni: In meinem Ideenbuch gibt es allerdings genug zusammenhanglose Ideen, von denen sich einige auch für Einzelbilder eignen, anstatt sie, meiner Gewohnheit folgend, zu einer kleinen Serie „aufzublasen“. Ich blättere darin herum, greife ein paar heraus und überlege, welcher ich zugeneigt bin und welche überhaupt in den wenigen Tagen noch schnell und gut umsetzbar sind.

Eine davon ist, mit Materialien zu arbeiten, die von unserer Hochzeit – der Hauptgrund, warum ich monatelang nicht zum Fotografieren kam – vor drei Monaten übrig geblieben sind. Mein Brautstrauß ließ sich beispielsweise nicht als Ganzes trocknen, daher habe ich die Blütenblätter und andere Einzelteile getrocknet und aufbewahrt.

© Aileen Wessely

Mittwoch, 19. Juni: Während ich programmiere, korrigiere und andere alltägliche Dinge erledige, entwickelt sich der Ansatz einer Idee weiter, es formt sich ein Bild aus den in Frage kommenden Teilen. Am Wochenende habe ich Fotos von Räumen zusammengesetzt und habe jetzt sowieso das überschwängliche Gefühl, in Photoshop alles Beliebige zusammenbasteln zu können.

Dazu kommt meine Begeisterung der letzten Zeit für großartige Fotocollagen, die sich nicht nur auf die Fotografie beschränken, sondern bei Bedarf auch Zeichnung, Malerei, Strukturen und sonstige Elemente mit einbeziehen. Meistens schwarzweiß gehalten, recht dramatisch. So etwas möchte ich auch machen.

Donnerstag, 20. Juni: Dabei sein sollen: Ich im Selbstportrait, der Satinstoff mit den Rostflecken vom Drahtgestell des Brautstraußes, getrocknete Blütenblätter aus dem Strauß und mein Hochzeitskleid. Letzteres wahrscheinlich invertiert, also schwarz.

Für den Hintergrund könnte ich meine Wandtafel benutzen, auf der sich über die Zeit durch ständiges Beschriften und wieder abwischen eine nette, zufällige Kreidestruktur abgesetzt hat. In meiner Vorstellung ist die Komposition dunkel und symmetrisch ausgerichtet. Vielleicht mit einer Art Mehrfachbelichtung, damit es nicht so statisch ist.

© Aileen Wessely

Freitag, 21. Juni: Wie geplant baue ich die Kamera mit Stativ gegenüber der Wandtafel auf und probiere eine Weile herum, bis ich eine gute Aufnahmehöhe und -perspektive gefunden habe. So, dass ich mich nicht zu sehr verbiegen muss, gleichzeitig möglichst viel Tafel aufs Bild bekomme und mich in den 10 Sekunden des Selbstauslösers positionieren und die Augenbinde aufsetzen kann.

Ich mache zusätzlich noch ein paar Aufnahmen vom ausgebreiteten Rockteil meines Kleides und lasse abschließend die getrockneten Blätter vom Brautstrauß zwischen Kamera und Wandtafel herunterrieseln, um sie im freien Fall festzuhalten statt irgendwo ausgelegt. So haben sie auch die gleiche Beleuchtung wie meine Selbstportraits.

Samstag, 22. Juni: Eigentlich wollte ich eine Skizze vom Bild in meinem Kopf machen, wo ich den Entstehungsprozess schon einmal so schön festhalte. Aber so richtig ist dafür heute keine Zeit und ich fürchte, es würde mich zusätzlich frustrieren, wenn ich beim Zusammensetzen dann nicht das hinbekomme, was ich aufgezeichnet hatte.

© Aileen Wessely

Sonntag, 23. Juni: Die in schwarzweiß konvertierten Bilder hatte ich schon am Freitag nach den Aufnahmen in verschiedenen Belichtungen exportiert, um die stark einseitige Beleuchtung auszugleichen. Nachdem ich das umgesetzt habe, lade ich die fünf Bilder unterschiedlicher Posen (auch eine ohne Augenbinde) als übereinanderliegende Ebenen in Photoshop.

Schnell ist klar, dass sie im Modus „Negativ multiplizieren“ und per Einstellungsebene um mehrere Belichtungsstufen abgedunkelt wie eine Mehrfachbelichtung übereinander liegen sollen. Eine Tafelseite war durch meinen Schatten zu dunkel, also setze ich dort gespiegelte Teile der Bilder noch einmal neu ein.

Ein oder zwei Stunden lang versuche ich, mein Kleid so einzubauen, wie ich es mir vorgestellt habe, aber gegen die durch die Überlagerung unscharf wirkenden Selbstportraits ist es viel zu scharf, es fällt optisch vollkommen heraus und lässt sich durch keinen Effekt näher heranbringen. Also verwerfe ich das Material vom Kleid.

Eher zufällig ergibt sich, dass ich nun die Blätter aus meinen Händen nach oben – anstatt wie geplant nach unten über das jetzt fehlende Kleid – fallen lassen kann. Da hatte ich also Glück, dass mir das verworfene Material keinen kompletten Strich durch die Rechnung gemacht hat.

Am Ende habe ich mehrere Handvoll Ebenen, mit denen ich Details betone oder verschwinden lasse und fallende Blätter aus vielen Einzelbildern eingefügt habe. Dazu kommen unzählige Einstellungsebenen, um hier abzudunkeln, dort aufzuhellen, den Kontrast einiger Ebenen anzuziehen oder das Bild nach oben um ein Stück angesetzten Tafelhintergrund zu erweitern.

© Aileen Wessely
Fertig: „why do birds sing when you are near me?“ (Saybia)

Montag, 24. Juni: Ein geglücktes Experiment erfüllt mich immer mit Freude und Stolz. Am schlimmsten ist es, wenn es viel in einem Bild zu entdecken gibt, wie hier. Nicht nur für den Betrachter – auch ich kann es nicht sein lassen, immer noch einmal über das Bild zu streifen und Assoziationen und Formen nachzugehen.

Ich mag, wie meine an den Kopf gehaltenen Hände aus einer Belichtung auf den ersten Blick wie ein Schleier aussehen. Und wie die übereinandergelegten Ebenen ganz weiche Gesichtskonturen zeichnen. Und wie man erst nach vielen Blicken die geöffneten Augen entdeckt, die sich hinter den anderen Belichtungen verstecken.


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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Bildvorstellung: Thomas

18 Jun

Heute möchte ich Euch ein Bild vorstellen, das ich von und mit einem Freund aufgenommen habe. Na, wer kommt auf seinen Namen? Platzierung des Modells, Lichtsituation und Bearbeitung – auf all das werde ich im folgenden Artikel eingehen.

Mein innerer Drang, mich zu verbessern, brachte mich dazu, einen guten Freund zu fragen, ob er mir als Modell zur Verfügung stehen würde. Er wollte und es gab von mir erst einmal nur die Anweisung: „Zieh Dir mal was Schickes an.“ Und so trafen wir uns bei mir zu Hause in meinem kleinen „Heimstudio“ und ich überlegte, was ich mit den vorhandenen Mitteln für ein Foto machen könnte.

Es sollte ein Low-Key-Foto werden, bei der die eine Gesichtshälfte im Schatten liegt. Es war also wichtig, dass ich das Licht nur von einer Seite auf die Person werfe.

© Normen Gadiel

So sah der Aufbau aus. Für das Licht zur Aufhellung des Gesichts nutzte ich einen weißen Stoff, um es etwas weicher zu gestalten. Das andere, von rechts oben kommende Licht setzte ich ein, um die Haare etwas aufzuhellen. Das war auch ganz gut so, weil das Endresultat doch sehr dunkel wurde und das Portrait dann doch nicht komplett absäuft.

Damit die Pose halbwegs natürlich wirkt, bat ich Thomas, sich schräg hinzusetzen und den Blick leicht über die Schulter schweifen zu lassen. Ein Blick in die Kamera wäre unpassend gewesen, weil ich nicht mit dem Modell interagieren, sondern aus der Rolle eines stillen Beobachters heraus das Bild aufnehmen wollte.

Da mich der feine Anzug und die dunkle Stimmung an einen Mafiosi erinnerten, bat ich Thomas noch, eine Zigarette zu rauchen, um diese Assoziation ein wenig zu befördern.

© Normen Gadiel

Da ich bei meiner Kamera grundsätzlich alle internen Einstellungen wie Kontrast, Sättigung und Farbton auf 0 gesetzt habe, sieht das Ausgangsbild für die spätere Bearbeitung sehr flau aus.

Leider habe ich die genauen Arbeitsabläufe zu dem Bild nicht mehr im Kopf, aber in der Regel fange ich immer damit an, das Bild nachzuschärfen. Für diesen Arbeitsschritt habe ich vor einiger Zeit eine sehr nützliche Photoshop-Aktion gefunden, die ich seitdem immer benutze, da sie mir bei der Bearbeitung Zeit spart und sehr gute Ergebnisse liefert.

Danach habe ich mich der Farblichkeit gewidmet. Hierfür nutzte ich die Werkzeuge Farbbalance und die selektive Farbkorrektur. Die Anpassung der Kontraste realisiere ich immer mit Gradationskurven. Bei vielen meiner Portraits nutze ich Dodge & Burn, um damit markante Stellen im Gesicht hervorzuheben. Bei Männern lässt sich so mittels Abdunkeln etwa die kantige Gesichtsform etwas herausarbeiten.

Zum Abschluss habe ich den noch sichtbaren Hintergrund abgedunkelt, sodass alles um Thomas herum schwarz ist. Als Bonbon gab es am Ende dann noch etwas Qualm für die Zigarette, hierfür nutzte ich einen Rauchpinsel, den ich auf einer separaten Ebene eingefügt habe.

Hier das fertige Bild:

© Normen Gadiel

Am Ende bin ich mit dem Ergebnis zufrieden und es zeigte sich einmal mehr, dass es gut ist, sich etwas vorzunehmen, anstatt auf der Couch zu lümmeln.


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Bildvorstellung: Sunshine

10 Jun

Ich wohne nicht gerade in der fotogensten Ecke Deutschlands. Doch jedes Jahr im Juli ändert sich das. Wenn in Franken die Sonnenblumenfelder zu blühen beginnen, beginnt für mich jedes Jahr aufs Neue eine ein- bis zweiwöchige Jagd nach dem perfekten Sonnenblumenfoto.

Perfektion liegt hier natürlich im Auge des Betrachters. Für mich heißt das: Ein weites Feld voller blühender Sonnenblumen, dahinter ein dramatischer Sonnenuntergang und Windstille, damit ich die Blumen scharf einfangen kann. Die letzten drei Jahre habe ich gemerkt, dass es gar nicht so einfach ist, alle Elemente für so ein Foto am gleichen Abend vorzufinden.

Der erste Schritt ist für mich immer, ein Feld mit interessanter Lage und unverbautem Horizont zu suchen. Wenn die Blumen dann richtig blühen, habe ich etwa eine Woche Zeit, in der ich jeden Abend zu diesem Feld fahre. Solange, bis mir ein spektakulärer Sonnenuntergang vergönnt ist.

Vor drei Jahren klappte das beim vierten Versuch, vor zwei Jahren nach sechs Tagen. Letztes Jahr jedoch blieb der Erfolg zunächst aus. Zwei Mal glühte der Himmel, doch starker Wind machte jeden Versuch zunichte, die Blumen scharf abzubilden. An den anderen Tagen vermisste ich das magische Licht.

Für Ende Juli hatten wir dann unsere Reise nach Nordirland geplant und es schien, als würde ich in diesem Jahr kein besonderes Sonnenblumenfoto präsentieren können. Die Vorfreude auf die bevorstehende Reise ließ mich das aber verschmerzen.

An einem Samstag sollte unser Flug nach Dublin gehen. Ich erspare Euch die Details, aber wegen einer Verspätung in Nürnberg war es uns unmöglich, den Anschluss in Frankfurt zu erreichen. Wir mussten auf den nächsten Tag umbuchen. Ich war wirklich sauer, denn am Abend wollte ich eigentlich schon am Giant’s Causeway stehen.

Aber Glück im Unglück: Stattdessen fuhr ich wieder zu meinem Sonnenblumenfeld und endlich kooperierte auch das Wetter. Ich hatte beste Fotobedingungen. Die Schwierigkeit lag nur noch darin, einen geeigneten Ausschnit zu finden. Wer schon einmal ein Sonnenblumenfeld fotografiert hat, weiß, dass es dabei nicht einfach ist, ein aufgeräumtes Foto zu komponieren. Auf den ersten Blick ist das ein riesen Durcheinander an Blumen unterschiedlicher Größe.

Aber ich hatte genug Zeit mitgebracht und nach 15 Minuten auch meine Einstellung gefunden. Ich wartete, bis die Sonne den Himmel zum Glühen brachte und musste dann das Bildmaterial nur noch ernten.

© Michael Breitung

Bezüglich des genauen Vorgehens möchte ich auf meinen Artikel In die Sonne Fotografieren verweisen. Die Technick war hier sehr ähnlich. Nur das Fokus Stacking mit den vielen Blumen war eine besondere Herausvorderung. Wie in meinem Start2Finish-Tutorial führte ich dieses manuell durch.

Sunshine © Michael Breitung

Blicke ich nun zurück, stellt sich die Frage, ob ich froh bin, dass sich der Flug nach Dublin verzögert hat. Trotz des erfreulichen Ergebnisses muss ich ganz klar mit nein antworten. Wer möchte schon auf einen Urlaubstag in Irland verzichten? Trotzdem ist Sunshine mein wichtigstes Foto aus dem letzten Jahr, weil es mir gezeigt hat, wie schnell sich das Blatt in der Fotografie auch mal zum Positiven wenden kann.


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Bildvorstellung: Bertramskreuz

03 Jun

Ich hatte aus Zeitmangel lange keine eigenen Projekte mehr fotografiert. Dann sah ich einen Online-Workshop und wollte diese neuen Bearbeitungsmöglichkeiten testen. So ließ ich meine To-Do-Liste links liegen, packte kurz entschlossen meine Kamera ein und radelte los in den Wald. Dieses Mal ganz ohne Konzept.

Naja, fast ohne: Ich nahm drei kleine leere Breigläschen und Teelichter mit, ohne eine exakte Idee im Kopf zu haben. Im Wald bog ich dann vom Pionierweg in einen kleinen Pfad ein, den ich noch nicht erforscht hatte und entdeckte nach einer Weile auf der rechten Seite ein steinernes Kreuz mit Inschrift: I M + H Wernerus Bertram starb hier 16. Augusti 1689 GGDS.

Die Stelle sah so schön idyllisch aus, das Kreuz im Wald so irreal und mysteriös. Schnell beschloss ich, hier ein Selbsportrait zu fotografieren. Nun musste ein Konzept her und in meinem Kopf formte sich beim Anblick ein Bild: Ich sah mich trauernd vor dem Kreuz hocken, die Inschrift sollte lesbar sein, mein Gesicht jedoch verborgen. Mein Kleid passte perfekt in die Szenerie, da es recht zeitlos war. Die Breigläser mit den Teelichtern fanden auf dem Kreuz einen schönen Platz und ich stellte das Stativ auf.

Mit dem Selbstauslöser in der Hand setzte ich mich auf das Moos vor dem Kreuz und löste aus. Ich sah auf dem Display genau das Bild, das ich mir vorgestellt hatte. Nun fotografierte ich noch mehr von der Umgebung des Kreuzes, da ich den Bildausschnitt nachträglich erweitern wollte, wie ich es zuvor im Workshop gelernt hatte.

Diese Arbeit stellte sich am Abend in Photoshop als erstaunlich einfach heraus. Schnell hatte ich den Bildausschnitt nach oben hin erweitert, so dass ich ein quadratisches Bild erhielt.

Ich sah mir das Foto eine Weile an und merkte, dass mich das Grün im Bild störte, es passte einfach nicht zur trauernden Frau und der Symbolik. Ich beschloss deshalb, die Blätter ins Bräunliche zu verfärben. Zudem dunkelte ich einige Stellen im Bild ab und entfernte sehr helle unruhige Lichter im Blattdickicht, damit sie nicht vom Hauptmotiv abzulenken.

Diese Art starker Bearbeitung ist etwas, was ich enorm selten mache. Angestiftet dazu hat mich der Workshop und das zunächst fehlende Konzept. Das Bild entstand so erst im Laufe des Fotografierens und vor allem Bearbeitens. Eine Vorgehensweise, die für mich nicht typisch ist, aber mir dennoch ein tolles Ergebnis gebracht hat.


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Bildvorstellung: Spinat Implosion

27 May

Der Winter war vorbei. Die Hände hatten keine Lust mehr auf Chemie und der Kopf wollte Farbe. Als die ersten wärmeren Sonnenstrahlen das Land umfingen, schnappte ich mir Anne und einen Adox „Color Implosion“-Film.

Genau danach war mir nämlich. Aus meinem Hirn musste der ganze Schmodder raus. Über die Wintermonate hatten sich böse Gedanken direkt neben die Geister gesetzt. Meine erste Ausstellung war gerade vorbei und meine Künstlerseele war in einem heftigen Disput mit sich selbst und ihrer Schaffenskraft.

Plötzlich überlegte ich nämlich, was das alles soll, wohin das überhaupt führt und führen soll. Die oft gestellte Frage – Warum macht man das überhaupt? – lief ins Nirgendwo, ankerlos wippte ich auf dem Meer der Möglichkeiten.

Der einzige Gedanke in meinem Kopf war: Raus hier! Ich ging konzeptlos in den Wald, ohne Bilder im Kopf, ohne eine Idee, ohne Anforderung an mich selbst und die anderen. Ich wollte die elendige Melancholie, die so oft von mir und anschließend auch von meiner Umgebung Besitz ergreift, abschütteln.

Ich lieh mir ein lachsfarbenes Kleid, wir suchten eine grüne Wiese und Bäume. Ich machte, was meine Hände schon ohne meinen Kopf ganz gut konnten: Durch den Sucher schauen, scharf stellen, klick, aber ohne dabei schwarzweiß zu denken. Denn die Kunst überließ ich dieses Mal ganz dem Film und seiner, so hieß es auf der Packung, surrealen Wirkung.

Anne-(9)

Ich liebte das Rot ihrer Lippen, die Farbe und den Schwung des Kleides. Ich liebte das Grünbraun der Wurzeln und das Moos auf Steinen und ausgewurzelten Bäumen. Ich liebte diesen Tag, die angenehme Wärme, den kühlen Wind, der nach Norden und Aufbruch duftete.

Wir waren wie Kinderseelen. Kletterten, erkundeten, fanden und staunten. Hin und wieder sagte ich stop, schaute sie an und hielt fest, was ich festhaltenswert fand.

So blieb in meinem Kopf dieses eine Bild. Der umgeworfene Baum, den wir zufällig fanden, weil wir die falsche Abbiegung nahmen, das moosige Grün, auf das sie sich bettete.

Vielleicht wird dieses Bild Teil einer Serie, aber vielleicht bleibt es auch einfach für sich selbst. Für ein Auftauchen aus dem Schwarzweiß meiner Gedanken, für einen anderen Teil meines Schaffens und Wollens. Vielleicht auch eine kleine Revolution gegen mich selbst, gegen das Stehenbleiben und Festgefahrene.

Über die Qualität dieses Films möchte ich jedoch keine Aussage treffen. Es ist vielleicht wie mit Spinat: Der eine mag’s und ein anderer ist zutiefst erschüttert.


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Bildvorstellung: Urbi et Orbi

20 May

Wer hier schon länger treu mitliest, mag sich vielleicht noch an einen Artikel erinnern, in dem ich einmal mein Projekt 60-second slices of present vorgestellt habe. Es ging darum, tagsüber im Stadtraum mithilfe von Langzeitbelichtungen absichtlich befremdliche Ergebnisse zu erzielen.

Seitdem ist viel Zeit vergangen und dennoch habe ich an diesem Projekt festgehalten. Was mich inzwischen enorm daran fasziniert, ist, denke ich, wie ich mit dem immer wieder gleichen Versuchsaufbau stets zu neuen und sehr unterschiedlichen Ergebnissen komme.

Das ist auch der Grund, weshalb ich rigide daran festhalte, immer genau 60 Sekunden lang zu belichten. Zum einen handelt es sich um eine gewollte Restriktion, innerhalb derer ich die bestehenden Möglichkeiten auslote und zugleich gefällt mir der symbolische Charakter dieser Zeitspanne: Eine Runde des Sekundenzeigers um das Ziffernblatt.

Was mich darüber hinaus im Verlauf des Projektes immer mehr zu interessieren begann, ist die menschliche Wahrnehmung von Zeit. Eine Fotografie vermag Zeit eben nicht nur momentan einzufrieren, sondern, ganz im Gegenteil, auch zu komprimieren, und zwar in einer Art und Weise, wie wir sie allein mithilfe unserer Sinne nie wahrnehmen könnten.

Ich finde es spannend zu betrachten, wie sich im festgesetzten Zeitrahmen von 60 Sekunden bestimmte kollektive Bewegungsmuster abzeichnen. Das sind erfahrungsgemäß Bewegungen, bei denen möglichst viele Menschen möglichst dicht aufeinander folgen – beispielsweise eine Demonstration, ein Marathon oder ein Verkehrsknotenpunkt zur Hauptbetriebszeit.

Was da als Experiment mit der Zeit begann, hat sich inzwischen zu einer ausgewachsenen Reflexion über das Thema der Stadt entwickelt und darüber, wie der Mensch in Bezug zu seiner gebauten Umgebung steht und den von ihm geschaffenen Raum nutzt.

Angefangen in Berlin, begann ich im vergangenen Jahr, das Projekt geografisch zu erweitern. So fand ich mich im Herbst kurzerhand in Warschau wieder und dieses Jahr zu Ostern schließlich in Rom.

Das geschah natürlich nicht völlig zufällig. Angesichts der erforderlichen, recht schweren Ausrüstung (Stativ und Mittelformatkamera) bedarf es immer einer konkreten Planung. Flexbilität und Spontaneität behalte ich mir dann in der Regel eher für die Erkundung vor Ort vor.

Inspiriert nach Rom zu fahren, war ich durch die Nachricht im Radio über die Wahl des neuen Papstes. Dabei hatte ich sofort ein Bild vor meinem inneren Auge: Den mit Menschenmengen gefüllten Petersplatz. Dieses gedankliche Bild habe ich hier mal anhand einer Skizze visualisiert.

© Robert Herrmann

So setzte ich mir also in den Kopf, solch eine Situation einmal in Form einer Langzeitbelichtung aufzunehmen. Und da gerade das Osterfest bevorstand und der neue Papst feierlich seinen Segen „Urbi et Orbi“ erteilt, so würde sich der Petersplatz abermals mit tausenden Gläubigen aus aller Welt füllen.

Der Platz liegt direkt vor dem Petersdom – dem Herzen des Vatikans – und öffnet sich in Richtung der Via della Conciliazione, die bereits zum Territorium Roms gehört. Von 1656 bis 1667 nach den Plänen des römischen Architekten Gian Lorenzo Bernini erbaut, bildet der Platz ein Oval, in seiner Mitte steht ein Obelisk und an den Enden seiner Hauptachse wird er von zwei symmetrischen Kollonaden gerahmt.

Natürlich war es schwierig, die gedachte Perspektive von oben auf den Platz zu bekommen, da man sie eigentlich nur von den nicht öffentlich zugänglichen Dächern der Kollonaden oder einer frei positionierbaren Hebebühne erhalten würde.

Strategisch und weit vorausgedacht wäre die Organisation eines solchen Zugangs durchaus möglich gewesen, nur hätte sie einen zeitlichen, bürokratischen und sicher auch finanziellen Aufwand erfordert, den ich für mein Ein-Mann-Projekt dann doch für etwas überzogen hielt.

Als ich mich nun am Ostersonntag auf den Weg zum Petersplatz machte, war ich überwältigt von den Menschenmassen, die sich alle in die gleiche Richtung bewegten. So brachte ich schließlich fast eine Stunde lang damit zu, diese Bewegung festzuhalten.

Leider hatte dies dann zur Folge, dass ich nicht mehr auf den Petersplatz kam, da er zu diesem Zeitpunkt schon randvoll war. Also beeilte ich mich, um wenigstens noch einen guten Standpunkt auf der Via della Conciliazione mit Blick auf die Benediktionsloggia des Papstes zu ergattern.

Dort fuhr ich das Stativ auf seine volle Höhe aus, womit ich die Kamera etwas über die Köpfe der Menschen gehoben und somit nun trotzdem die Perspektive eines (wenngleich tieffliegenden) Vogels bekam. Mit dem Petersdom im Fluchtpunkt machte ich eine ganze Reihe Blindversuche, denn durch den Schachtsucher meiner Kamera konnte ich ohne Zuhilfenahme einer Leiter nun nicht mehr schauen.

Dieses Bild hier habe ich aus einem Fundus von etwa 20 Versuchen ausgewählt, weil es kompositorisch das gelungenste ist und die Bewegung der Massen nach dem Ende der päpstlichen Ansprache sehr gut wiedergibt.

© Robert Herrmann

Wenn ich jetzt im Nachhinein auf das Resultat schaue, das ich mit nach Hause bringen konnte, bin ich sehr zufrieden. Sicher, es entspricht nicht eigentlich der Vorstellung, die ich hatte, aber ich finde es genauso gut. Und letztendlich schlägt nichts die Erfahrung, tatsächlich dort vor Ort gewesen zu sein und das Glück, auf die gegebenen Umstände mit einem zufriedenstellenden Ergebnis reagiert zu haben.

Und ich denke, es ist immer gut, mit einem Bild im Kopf zu beginnen…

Dieses und weitere Bilder aus Rom, die ich im Rahmen des Projektes „60-second slices of present“ erstellt habe, könnt Ihr Euch auf meiner Webseite anschauen.


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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Bildvorstellung: The Rise

13 May

Das Bild, das ich vorstellen möchte, zeigt eine Ansammlung von Blättern, die langsam vertrocknen und dabei durch irgendeine Kraft so angeordnet wurden, dass sie eine fremdartige Skulptur ergeben. Ich erinnere mich noch sehr genau daran, wie sehr ich mich darüber gefreut hatte, diese Struktur zu entdecken.

Ich weiß bis heute nicht, ob sie als Ganzes Teil einer Pflanze war oder ob der Wind und die Naturkräfte sie dort einfach neben einer Hecke so arrangiert hatten. Die ganze Fototour an diesem Tag entstand aus einem Experiment: Ich wollte an einen Ort fahren, an dem ich normalerweise keine Bilder machen würde und dort nach Dingen suchen, die es zu fotografieren gibt. Mein Auge dafür schulen, Motive zu finden und festzuhalten.

© Sebastian Baumer

„The Rise“ ist im Anschluss Teil einer ganzen Serie geworden, die bis heute noch weiter wächst (sic!). Während die meisten Naturfotografen, die ich kenne, im Frühling und Sommer ihre Kameras auspacken und wild nach draußen laufen, um Blümchenbilder zu machen (was ich natürlich auch tue), habe ich mir angewöhnt, meinen Schwerpunkt auf den Herbst und den Anfang des Jahres zu setzen.

Ich gehe dann in Parks, in den Wald und einfach an irgendeinen Ort, an dem Pflanzen wachsen und beobachte, was passiert, wenn die Blätter von den Bäumen fallen, die Blumen verwelken, die Blüten langsam verblühen oder wie die Flora aussieht, wenn sie nach dem Winter wieder aus der Schneedecke hervorkriecht. Ich versuche, diese ganz eigentümlichen Formen des Verfalls einzufangen, die meiner Meinung nach nicht weniger beeindruckend als die Blütezeit sind und zusätzlich viel ungewöhnlicher wirken, weil man sie nicht so oft auf Fotos vorgeführt bekommt.

© Sebastian Baumer

Die Bearbeitung und die Technik, die hinter „The Rise“ stehen, sind nicht groß der Rede wert. Es ist technisch auch gar kein gutes Makrofoto, denn heute würde ich wohl die Spitze mit in den Fokus nehmen. Ich sah das Bild schon in schwarzweiß, als ich es aufnahm und habe es mit meiner üblichen Schwarzweißkonvertierung bearbeitet. Diese ist sehr stark darauf ausgelegt, die Details hervorzuheben und auch die Kontraste zu verstärken. Zusätzlich habe ich ihm einen leichten Sepia-Ton und eine Körnung für einen analogeren Look gegeben. Es verstärkt den Effekt, es hier mit einer Art abstrakten Installation zu tun zu haben.

Auf Facebook schrieb ich unter das dazugehörige Album, in das ich neue Bilder aus der Reihe oft hochlade, den Satz „Ich sehe tote Pflanzen“. Eine Anspielung auf einen Film, die eigentlich zunächst nur als spontaner Witz über mein eigenes Projekt gemeint war – Witze über sich selbst machen zu können, ist eine sehr wichtige Eigenschaft, glaube ich.

Je länger ich über den Satz nachdenke, desto besser beschreibt er aber doch genau, was das Projekt und das Bild sagen wollen: Als Fotograf die Dinge zu sehen versuchen, die sonst nicht gesehen werden, seinen ganz eigenen Blick auf die Welt zeigen.

Der Tag, an dem ich das Bild „The Rise“ und die ersten anderen Fotos aus der Reihe aufnahm, war ein grauer Herbsttag im Oktober. Ich lief durch das Industriegebiet der Stadt, in der ich damals wohnte und machte Bilder von einem kargen Gestrüpp, als ein älterer Passant an mir vorbeilief, mein Treiben beobachtete und fragte: „Was bilden Sie denn da ab? Da ist doch nichts.“

Genau dieses Nichts, das im normalen Kontext Nicht-Wahrgenommene will ich mit der Reihe einfangen, denn ihm wohnt meiner Meinung nach eine sehr fremdartige Schönheit inne. Pflanzen wissen, wie man elegant stirbt.


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Bildvorstellung: Das Foto ohne Titel

06 May

Da wir gerade dabei sind, von jeder Redakteurin und jedem Redakteur ein Bild vorzustellen, bin ich nun an der Reihe. Und ich zeige heute ein Foto, zu dem mir schlichtweg kein Titel einfiel. Jedoch ist es mir trotzdem wert, hier gezeigt zu werden, weil ich persönlich sehr viel damit verbinde.

Vor zwei Wochen haben wir uns in der Redaktion dazu entschlossen, dass jeder von uns ein Bild im Magazin vorzustellt. Wichtigstes Kriterium: Der persönliche Bezug. Es solle sich um ein Foto handeln, mit dem der- oder diejenige viel verbindet. Ich entschied mich für dieses hier.

Ich mag es nicht, wenn ich als Betrachter dazu aufgefordert werde, bei den Fotos anderer Dinge hinein zu interpretieren, die nicht da sind. Diese Form des Überphilosophierens nervt mich ungemein und deshalb wähle ich meist Bildtitel, die nichts vorwegnehmen und maximal das benennen, was da ist. Ganz im Gegenteil zu früher, da konnte mir gar nicht genug Pathos in eine Zeile passen.

Doch wie der Zufall es so will, fiel mir beim Posten dieses Fotos… überhaupt nichts ein. Nun wäre es ein Leichtes gewesen, nachträglich für die Vorstellung hier irgendetwas wie „Die Tasche“ (uhuuuuu) oder „Von den 5 Mülltonnen“ (wie grandios!) aufzusetzen. Jedoch, halt, es geht um den persönlichen Bezug. Und nicht darum, das Foto aufzuplustern.

Das Foto selbst enstand am 16. April in Karlsruhe auf einer meiner Fototouren. Vielleicht kennt das der eine oder die andere, ich verfalle derzeit immer wieder in so eine Art Trott beim Fotografieren. Ich mache Fotos, laufe weiter, mache wieder Fotos und bin in so einer Art Minitrance, kurz vorm Tagträumen.

Als ich jedoch vor diese Unterführung kam, war ich sofort hellwach und „da“. Die dezenten Farben erinnerten mich an irgendeine dreckige Vorstadt irgendwo anders – aber nicht an Karlsruhe, der sauberen Technikstadt im Süden Deutschlands. Ich überlegte noch, das Foto ganz ohne Menschen zu machen, jedoch kam recht schnell eins zum anderen.

Im Hintergrund tauchten zwei große Laster der Müllabfuhr auf, ein Auto drängte mich zur Seite, fuhr die Einfahrt hinein und eine halbe Minute später stapfte mir dieses Ehepaar entgegen. Ich positionierte mich wieder Richtung Einfahrtsmitte und machte mit dem iPhone ein paar Aufnahmen.

Foto ohne Titel © Martin Gommel

Ich mag das Foto, weil es auf undramatische Art und Weise das Leben in der Stadt zeigt, wie es ist. Alle Menschlein gehen ihren Tätigkeiten nach, sei das nun der Einkauf oder die Arbeit – in diesem Fall, den Müll der anderen zu entsorgen. Aus diesem Grunde habe ich es auch so gelassen, wie es ist und nicht in schwarzweiß umgewandelt.

Die dezenten Farben sorgen dafür, dass das Bild (für mich) glaubwürdig bleibt – dabei wäre es nicht schwer gewesen, es heller zu machen, den Lichtkegel im Hintergrund zu verstärken und die Dramatik somit zu verdreifachen. Im Nachhinein ist mir aufgefallen, dass das Foto auch nicht wirklich perfekt ausbalanciert ist – dafür ist im unteren Bildbereich zu viel Dunkelheit im Gegensatz zum oberen Rand.

Und klar, das Bild wäre zusätzlich sauberer, wenn ich gewartet hätte, bis die Müllmänner vorbeigegangen, das Auto eingeparkt und das Ehepaar aus dem Bild verschwunden wären. Mit der 5D und dem Superweitwinkel fotografiert, vielleicht im Hintergrund eine einzige Person, aufgerissene Lichter – klar, das wäre ein Hingucker. Und hätte auf Flickr 150 Favs. So habe ich früher fotografiert.

Was ich vor Jahren noch mit jedem Bild tat, lasse ich heute sein. Denn es geht mir heute mehr um die Glaubwürdigkeit meiner Bilder. Kurz: Ich möchte nicht mehr übertreiben.

Hingegen liebe ich diese unscheinbaren Momente des Alltags, die zusammenwirken und zusammen wirken. Unaufgeregt und dennoch auf ihre Weise schön und bemerkenswert.

Dieses Bild verkörpert genau das. Für mich persönlich.


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Bildvorstellung: Pre-birth

29 Apr

Eigentlich wollte ich eines meiner Tanzbilder vorstellen, da heute ja Tag des Tanzes ist. Ich hatte schon fast angefangen zu schreiben, als mir klar wurde, dass das nicht das Bild war, das ich vorstellen wollte. Es war zwar schön und ich war zufrieden damit, aber es war einfach nicht das richtig Bild.

Vor allem deshalb, weil sich ein anderes Bild bereits in meinem Hinterkopf festgesetzt hatte. Dieses.

© Laura Zalenga

Ich würde jetzt gern erzählen, dass ich das Konzept dazu schon lange im Kopf hatte, dass alles genau geplant war und eine Leiter schon bereit stand, dass die Visagistin, das Model und der Stylist vor Ort waren und tolle Utensilien dabei hatten. Naja, so war es eher nicht.

In Wirklichkeit war ich in einem kleinen Secondhandladen gewesen, hatte mir drei alte Vorhänge gekauft und saß ein paar Tage später uninspiriert mit einem Stoffhaufen im Wohnzimmer. Das ist also die Realität.

Woher dann diese Idee kam, kann ich gar nicht sagen. Vielleicht muss man nur lange genug auf Dinge starren, dann formt sich von selbst eine Idee aus ihnen. Aber wenn die Idee erst einmal da ist, geht es ganz schnell: Stoffe bügeln und ausbreiten, Kamera auf’s Stativ, Funkauslöser suchen, sich hinlegen, zudecken, Pose, abdrücken!

Leider stieß ich mit meinem 50mm-Objektiv trotz Stativ schnell an gewisse Bildausschnittgrenzen. Das Stativ zusätzlich auf einen der wackeligen Stühle zu stellen war mir dann aber doch zu mutig, also gab ich mich mit dem nahen Ausschnitt zufrieden.

Dachte ich zumindest. Als ich dann später die Bilder durchsah, wurde klar, was ich schon vermutet hatte: Der Ausschnitt war einfach nicht das, was ich mir eigentlich vorgestellt hatte.

Also machte ich mich an die Arbeit, das Bild zu kreieren, das ich in meinem Kopf hatte. Ich baute Haare und Füße aus einem anderen Bild der Serie ein, bastelte ein zweites Knie und fügte eine leere Hintergrundaufnahme ein, um das Bild zu erweitern.

Hier ein kleiner Eindruck des Zwischenstandes, bei dem noch deutlich das Originalbild am inneren Rahmen zu erkennen ist:

© Laura Zalenga

Schließlich stimmten nach einer Stunde Überarbeitung – statt geplanten fünf Minuten – das Bild in meinem Kopf und das auf dem Bildschirm doch noch überein.

Ich glaube, dieses Bild ist für mich so wichtig, weil es mir einmal mehr gezeigt hat, dass ich noch am Anfang meiner Entwicklungsphase stehe. Pre-birth eben. Eingewickelt in eine Hülle aus Träumen, Wünschen und Illusionen, aber auch aus Blockaden, Ängsten und Unsicherheit.

In das Gefühl, teilweise eher unprofessionell und improvisiert zu arbeiten, mischt sich der Stolz, es aber ganz allein zu schaffen. Früher hätte ich entschuldigend erklärt, dass es nicht ohne die Bearbeitung ging. Heute bin ich mehr denn je verliebt in die modernen Möglichkeiten der Bildbearbeitung, die ich mir selbst beigebracht habe und stolz darauf, was ich damit realisieren kann.

Trotzdem begreife ich, dass sich langsam meine künsterlischen Wehen einleiten. Raus aus meiner von Illusionen getränkten Hülle – also quasi raus aus meinem Wohnzimmer – rein in die echte Welt. Das könnte eine lange, schwierige Geburt werden, aber ich bin gespannt, was mich da draußen alles erwartet.


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Bildvorstellung: The Glacier’s Tear

09 Aug
Nicolas HenriDies ist ein Gastartikel von Nicolas Henri. Nach seinem Film-Studium in Toronto hat er sich der Fotografie verschrieben. Seither fotografiert er für schweizer Fashion Labels und Bands, arbeitet an Ausstellungsprojekten und übt sich in der Portrait-Fotografie. Daneben bloggt und twittert er und kümmert sich um seine Facebook Fans.

Ich möchte Euch ein Making Of von folgendem Bild vorstellen. Da die Aufnahmesituation denkbar einfach war, werde ich ausführlich auf die Post Production eingehen.

So sieht das fertige Bild aus und trägt den Titel “The Glacier’s Tear” (Die Träne des Gletschers).

The Glacier's Tear

Die Aufnahme

Schauen wir uns gleich noch das Originalbild aus der Kamera zum Vergleich an:

Das Bild im Original

Schon zu Beginn des Shoots erwähnte das Model, dass sie diese ober-coole Fellmütze dabei hätte und sie diese unbedingt noch auf nem Foto haben wolle. Ich dachte mir nur: “Ja, ja, das machen wir dann am Schluss noch, wenn’s unbedingt sein muss, ich zieh jetzt erst mal mein Ding durch!”

So gedacht, so getan: Nachdem ich meine geplanten Shots im Kasten hatte, haben wir dann noch “Mützen-Fotos” gemacht. Aber als ich durch den Sucher meiner Canon 5D sah, merkte ich plötzlich (endlich) dass da was dran war! Clarissas sensationeller Blick, gerahmt von feinen weissen Strukturen – herrlich!

Ich setzte das EF 100m f/2.8 Macro ein, mein liebstes Portrait-Glas. Knapp unterhalb des Bildrandes, auf Brusthöhe kam ein grosser silberner Reflektor zum Einsatz. Dieser lag im 90° Winkel zum Himmel und hellte Clarissas Gesicht wunderbar auf.

Die konkreten Aufnahmedaten waren: ISO 100, f/2.8, 1/1500.

Viel mehr gibt es nicht darüber zu sagen, ausser, dass Clarissa sogar vermochte ein Tränchen hervorzubringen, was dem Bild seine entscheidende Note und letztlich den Titel verleiht.

Die Bearbeitung

So, jetzt macht Euch erstmal ne Tasse Tee und nehmt euch ein bisschen Zeit. Wer will nimmt sich gleich noch ne halbwegs ähnliche Portrait-Aufnahme zur Hand und probiert gleich mit.

Am Anfang einer jeden Bearbeitung steht bei mir das “Ausnullen” des Bildes. Komischer Name, aber es beschreibt den Prozess recht gut. Die Idee dabei ist es, ein extrem flach belichtetes Ausgangsbild zu erhalten. Wir holen dabei absaufende Schatten und ausfressende Lichter näher an einen Mittelwert. Das wäre bei diesem Bild vielleicht nicht nötig, da es recht ordentlich belichtet ist, dennoch ist dieser Prozess fast immer Teil meiner Bearbeitungstechnik und beinflusst die weiteren Schritte entscheidend.

In Lightroom (oder dem RAW-Konverter Eurer Wahl) exportiere ich zunächst mal eine Normalversion des Bildes, so wie es aufgenommen wurde. 16-Bit TIFF, Farbraum Adobe RGB, keine Schärfung, kein Entrauschen – alles andere taugt nicht!

Zurück auf dem RAW wird die Belichtung um 0.5 bis 1.0 Blenden abgedunklet und das Bild wiederum als 16-Bit TIFF exportiert. Und das ganze noch ein drittes mal, bei dem die Belichtung um 0.5 bis 1.0 Blenden angehoben wird. Alle drei Exports werden nun in Photoshop geöffnet. Ihr habt nun drei Bilder die etwa so aussehen:

Drei verschiedene Entwicklungen

Jetzt werden alle drei Exports in einer PS-Datei als Ebenen kombiniert, wobei die Normale Ausbelichtung unten liegt, die hellere Belichtung darüber und ganz oben die dunkle Variante. Die dunkle Version schalten wir erstmal aus (Augen-Symbol an der Ebene), so dass wir die helle Belichtung sehen.

Die Kanäle

Wir wechseln zum Reiter Kanäle, wo wir die Kanal-Ebenen RGB (kombiniert) und Rot, Grün und Blau sehen und machen eine “Highlight-Selection”. Dafür klickt man bei gedrückter Command-Taste auf den Thumbnail des RGB-Kanals.

Photoshop generiert nun eine Selektion welche auf der Helligkeit des Bildes basiert. Ihr solltet nun “wandernde Ameisen” um die hellen Stellen des Bildes sehen:

Auswahl nach Helligkeit

Um diese Auswahl in eine Ebenen-Maske umzuwandeln gehen wir zurück auf den Reiter Ebenen und drücken das Symbol für die Ebenen-Maske:

Ebenenmaske hinzufügen

Die Helligkeits-Auswahl wird dabei in eine S/W-Maske gewandelt und der Ebene zugeordnet. Diese bestimmt wo die Ebene transparent bzw. deckend ist. Je weisser die Maske umso deckender, je dunkler umso transparenter liegt die Ebene nun auf unserer Normalbelichtung ganz unten.

Maske

Schön und gut, aber die hellere Belichtung aus dem RAW-Konverter an der wir gerade arbeiten, dient dazu, die Schatten des Originals aufzuhellen.

Bei der jetzigen Ebenen-Maske geschieht aber das Gegenteil, die helleren Bereiche des Bildes liegen deckend über dem Original und die dunklen Bereiche sind noch genauso dunkel wie zuvor. Deshalb invertieren wir die Maske mit dem Kurzbefehl Command + I (Achtung: Nicht die Ebene selbst, sondern die Maske auswählen, bevor man Command + I drückt).

Invertierte Maske

Et voila: Die Schatten des Originals sind heller als zuvor, während die Lichter gleich bleiben.

Angepasste Schatten

Schalten wir nun also die oberste Ebene (die aus dem RAW-Konverter abgedunkelte) ein (Augensymbol an der Ebene anclicken). Ihr ahnt es vielleicht schon, wir machen nun das umgekehrte und dunkeln die hellen Bereiche des Originals ab.

Dabei gehen wir genau gleich vor wie vorher, nur dass wir die dabei entstehende Ebenen-Maske nun nicht mehr invertieren müssen, da es uns ja gerade um die Lichter geht, welche die Hilghlight-Selektion auswählt. Am Ende solltet Ihr so eine Ebenen-Anordnung erhalten:

Ebenen Anordnung

Das Resultat ist ein extrem flaches, flaues Bild. Sieht mies aus… aber das muss so!

Das Bild in Flau

Wir haben nun die ideale Ausgangslage für die weiterführende Bearbeitung. Wir haben Zeichnung in den Lichtern und in den Schatten. Das Konzept hinter all dem ist die totale Kontrolle über den Kontrast des Bildes. Ich nenne das auch gern den Micro-Kontrast, denn wir werden nun selektiv den Kontrast des Bildes gestalten.

Aber erst mal machen wir die Ebenen flach mit Shift+Command+F oder über das Menu des Ebenenfensters. Als nächstes erstellen wir eine Einstellungs-Ebene mit dem Kanalmixer, via das Symbol im Ebenenfenster.

Kanalmixer

Im Dialog des Kanalmixers schalten wir unten auf monochrom und verschieben die RGB-Kanäle zu gunsten des Grünkanals und erhalten dadurch abgedunkelte, strukturreiche Hauttöne. (Alter Silberoxid SW-Film reagierte übrigens hauptsächlich auf den grünen Anteil des sichtbaren Lichts, weshalb viele alte Fotos eine spezielle Tonalität haben!)

Je nach Bild können die Werte stark variieren. Passt auf, dass die Schatten im Rot nicht absaufen oder, dass die Lichter ausfressen. Wir wollen unbedingt in allen Bildbereichen noch Zeichnung haben!

Kanalmixer Dialog

Jetzt machen wir kurz eine Kopie der farbigen Ebene unter dem Kanalmixer, setzen sie ganz nach oben und schalten sie vorübergehend aus – wir bauchen sie später noch. Die unterste Ebene und die Einstellungsebene des Kanalmixers reduzieren wir dafür auf eine (Shift+Command+E) Müsste so aussehen:

Kopie der farbigen Ebene

Mit der unteren Ebene angewählt, gehen wir jetzt in den Schatten-Lichter-Filter (Menu: Bild > Einstellungen > Schatten/Lichter) um den Kontrast des Bilds weiter zu verfeinern.

Schatten/Lichter

Auch hier sind die Einstellungen nur ein Anhaltspunkt und variieren stark je nach Bildinhalt. Grundsätzlich möchten wir hier die Schatten nochmals etwas anheben und die Lichter reduzieren, um den “Mikrokontrast” des Bildes herauszuarbeiten. Und auch hier ist unbedingt darauf zu achten, dass nichts ausfrisst!

Nun schalten wir die farbige Ebene über dem SW-Bild wieder an (Augensymbol neben der Ebene) und stellen den Ebenenmodi auf “Farbe”, was erstmal fürchterlich aussieht:

Ebenenmodus Farbe

Also schnell ne Einstellungsebene für Farbton/Sättigung drüberhauen!

Farbton/Sättigung

Da wir zuvor mit dem Kanalmixer die Rottöne zu gunsten der Grüntöne reduziert haben, wirken die Hauttöne nun schmutzig. Mit der Einstellungsebene für Farbton/Sättigung reduzieren wir die Sättigung der Rot und auch der Gelbtöne. Da ich einen kühlen Look wollte, bin ich dabei etwas weiter als üblich gegangen. (Je nach dem müssen auch die Magentatöne reduziert werden.)

Seid Ihr noch da? Noch fit? Denn jetzt wird’s erst richtig gut!

Weiße und schwarze Ebenen

Als nächstes kommt das sogenannte “Painting with Light”. Hiezu erstellen wir zwei leere Ebenen. Die eine füllen wir mit reinem Weiss und die andere mit purem Schwarz. Diese beiden Ebenen platzieren wir zwischen die SW-Ebene aus dem Schatten/Lichter-Filter und der Farbebene:

Den Ebenenmodi der weissen Ebene stellen wir nun auf “Color Burn”, den der schwarzen auf “Color Dodge”. Zunächst passiert nichts, da sich Farbe der Ebenen und deren Ebenenmodi ausnullen.

Color Dodge und Color Burn

In der schwarzen Ebene zeichnen wir die hellen Bildbereiche nach. Dazu nehmen wir ein grössere Pinselspitze (100px und mehr), setzen die Farbe auf Weiss und die Deckkraft auf 7%. Nun zeichnen wir die hellen oder markanten Bildanteile nach um sie zu akzentuieren.

Bei Gesichtern werden dabei z.B. die Wangenknochen, Nase, Highlights auf den Lippen, Wölbung um die Augenbrauen und Kinn nachgezeichnet. Es kommt sehr auf die Ausleuchtung an. Wir können so bereits existierende Highlights hervorheben aber auch künstliche Lichtkanten erzeugen.

Wenn “zu dick aufgetragen” wird, reissen bei dieser Technik schnell die Lichter aus, was zu vermeiden ist. Das Resultat der Schwarzen Ebene und der Effekt auf das Bild sieht bei mir so aus:

Resultat der schwarzen EbeneResultat der schwarzen Ebene 2

In der weissen Ebene, machen wir das umgekehrte. Wir zeichnen die Schattenpartien nach und akzentuieren sie dabei. Dazu brauchen wir eine schwarze Pinselspitze, Deckkraft auf 3% und tendenziell kleinerer Radius als zuvor (50px und weniger). Auch hier saufen die Schatten sehr schnell ab, also vorsicht! Bei mir sieht das dann so aus:

Resultat der weißen Ebene

Je nachdem sieht man nun noch die Pinselstriche, deshalb setzen wir den Gausschen Weichzeichner auf die weisse und die schwarze Ebene an. Ein Radius von 10-25px sollte genügen, aber auf jeden Fall so viel, dass man keine Pinselstriche mehr ausmachen kann.

Wenn man mit der Technik anfängt, übertreibt man es gerne. Deshalb schadet es nicht, bei beiden Ebenen mal die Deckraft zu reduzieren. Der Effekt soll erkennbar aber nicht übertrieben oder kitschig wirken.

Fast geschafft! Der Rest ist Dekoration!

In meinem Tiefkühler hatte ich einige grosse Eiswürfel in Tupperware-Behältern gezüchtet. Diese habe ich mit einer Taschenlampe seitlich beleuchtet und mit dem EF 100mm Macro fotografiert. Das sah etwa so aus:

Ein Eiswürfel

Insgesamt 3 solcher Makros hab ich als Textur über das Bild gelegt und den Ebenenmodi auf weiches Licht oder Überlagern gestellt. (Kommt auf die Textur an, welcher Ebenenmodi passt. Einfach ausprobieren!)

Im Bereich des Gesichts sind solche Texturen oft störend. Deshalb erstellen wir eine Ebenenmaske für die Texturen.

Ebenenmaske hinzufügen

In der dabei entstehenden, weissen Maske, radieren wir mit einer schwarzen Pinselspitze die Bereiche aus, die störend oder zu stark wirken. Das sieht dann etwa so aus:

Masken für die Texturen

Und das Resultat ist bekannt

The Glacier's Tear

Im zweifelsfall muss noch mit Farbton/Sättigung oder Fablance etwas an den Farben gedreht werden… ist aber reine Geschmackssache! Ich hoffe Ihr konntet meinem Tutorial folgen! Wäre interessant zu sehen was Ihr mit dieser Technik hervorbringt!

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

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KWERFELDEIN | Digitale Fotografie

 
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