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Bildvorstellung: The Glacier’s Tear

09 Aug
Nicolas HenriDies ist ein Gastartikel von Nicolas Henri. Nach seinem Film-Studium in Toronto hat er sich der Fotografie verschrieben. Seither fotografiert er für schweizer Fashion Labels und Bands, arbeitet an Ausstellungsprojekten und übt sich in der Portrait-Fotografie. Daneben bloggt und twittert er und kümmert sich um seine Facebook Fans.

Ich möchte Euch ein Making Of von folgendem Bild vorstellen. Da die Aufnahmesituation denkbar einfach war, werde ich ausführlich auf die Post Production eingehen.

So sieht das fertige Bild aus und trägt den Titel “The Glacier’s Tear” (Die Träne des Gletschers).

The Glacier's Tear

Die Aufnahme

Schauen wir uns gleich noch das Originalbild aus der Kamera zum Vergleich an:

Das Bild im Original

Schon zu Beginn des Shoots erwähnte das Model, dass sie diese ober-coole Fellmütze dabei hätte und sie diese unbedingt noch auf nem Foto haben wolle. Ich dachte mir nur: “Ja, ja, das machen wir dann am Schluss noch, wenn’s unbedingt sein muss, ich zieh jetzt erst mal mein Ding durch!”

So gedacht, so getan: Nachdem ich meine geplanten Shots im Kasten hatte, haben wir dann noch “Mützen-Fotos” gemacht. Aber als ich durch den Sucher meiner Canon 5D sah, merkte ich plötzlich (endlich) dass da was dran war! Clarissas sensationeller Blick, gerahmt von feinen weissen Strukturen – herrlich!

Ich setzte das EF 100m f/2.8 Macro ein, mein liebstes Portrait-Glas. Knapp unterhalb des Bildrandes, auf Brusthöhe kam ein grosser silberner Reflektor zum Einsatz. Dieser lag im 90° Winkel zum Himmel und hellte Clarissas Gesicht wunderbar auf.

Die konkreten Aufnahmedaten waren: ISO 100, f/2.8, 1/1500.

Viel mehr gibt es nicht darüber zu sagen, ausser, dass Clarissa sogar vermochte ein Tränchen hervorzubringen, was dem Bild seine entscheidende Note und letztlich den Titel verleiht.

Die Bearbeitung

So, jetzt macht Euch erstmal ne Tasse Tee und nehmt euch ein bisschen Zeit. Wer will nimmt sich gleich noch ne halbwegs ähnliche Portrait-Aufnahme zur Hand und probiert gleich mit.

Am Anfang einer jeden Bearbeitung steht bei mir das “Ausnullen” des Bildes. Komischer Name, aber es beschreibt den Prozess recht gut. Die Idee dabei ist es, ein extrem flach belichtetes Ausgangsbild zu erhalten. Wir holen dabei absaufende Schatten und ausfressende Lichter näher an einen Mittelwert. Das wäre bei diesem Bild vielleicht nicht nötig, da es recht ordentlich belichtet ist, dennoch ist dieser Prozess fast immer Teil meiner Bearbeitungstechnik und beinflusst die weiteren Schritte entscheidend.

In Lightroom (oder dem RAW-Konverter Eurer Wahl) exportiere ich zunächst mal eine Normalversion des Bildes, so wie es aufgenommen wurde. 16-Bit TIFF, Farbraum Adobe RGB, keine Schärfung, kein Entrauschen – alles andere taugt nicht!

Zurück auf dem RAW wird die Belichtung um 0.5 bis 1.0 Blenden abgedunklet und das Bild wiederum als 16-Bit TIFF exportiert. Und das ganze noch ein drittes mal, bei dem die Belichtung um 0.5 bis 1.0 Blenden angehoben wird. Alle drei Exports werden nun in Photoshop geöffnet. Ihr habt nun drei Bilder die etwa so aussehen:

Drei verschiedene Entwicklungen

Jetzt werden alle drei Exports in einer PS-Datei als Ebenen kombiniert, wobei die Normale Ausbelichtung unten liegt, die hellere Belichtung darüber und ganz oben die dunkle Variante. Die dunkle Version schalten wir erstmal aus (Augen-Symbol an der Ebene), so dass wir die helle Belichtung sehen.

Die Kanäle

Wir wechseln zum Reiter Kanäle, wo wir die Kanal-Ebenen RGB (kombiniert) und Rot, Grün und Blau sehen und machen eine “Highlight-Selection”. Dafür klickt man bei gedrückter Command-Taste auf den Thumbnail des RGB-Kanals.

Photoshop generiert nun eine Selektion welche auf der Helligkeit des Bildes basiert. Ihr solltet nun “wandernde Ameisen” um die hellen Stellen des Bildes sehen:

Auswahl nach Helligkeit

Um diese Auswahl in eine Ebenen-Maske umzuwandeln gehen wir zurück auf den Reiter Ebenen und drücken das Symbol für die Ebenen-Maske:

Ebenenmaske hinzufügen

Die Helligkeits-Auswahl wird dabei in eine S/W-Maske gewandelt und der Ebene zugeordnet. Diese bestimmt wo die Ebene transparent bzw. deckend ist. Je weisser die Maske umso deckender, je dunkler umso transparenter liegt die Ebene nun auf unserer Normalbelichtung ganz unten.

Maske

Schön und gut, aber die hellere Belichtung aus dem RAW-Konverter an der wir gerade arbeiten, dient dazu, die Schatten des Originals aufzuhellen.

Bei der jetzigen Ebenen-Maske geschieht aber das Gegenteil, die helleren Bereiche des Bildes liegen deckend über dem Original und die dunklen Bereiche sind noch genauso dunkel wie zuvor. Deshalb invertieren wir die Maske mit dem Kurzbefehl Command + I (Achtung: Nicht die Ebene selbst, sondern die Maske auswählen, bevor man Command + I drückt).

Invertierte Maske

Et voila: Die Schatten des Originals sind heller als zuvor, während die Lichter gleich bleiben.

Angepasste Schatten

Schalten wir nun also die oberste Ebene (die aus dem RAW-Konverter abgedunkelte) ein (Augensymbol an der Ebene anclicken). Ihr ahnt es vielleicht schon, wir machen nun das umgekehrte und dunkeln die hellen Bereiche des Originals ab.

Dabei gehen wir genau gleich vor wie vorher, nur dass wir die dabei entstehende Ebenen-Maske nun nicht mehr invertieren müssen, da es uns ja gerade um die Lichter geht, welche die Hilghlight-Selektion auswählt. Am Ende solltet Ihr so eine Ebenen-Anordnung erhalten:

Ebenen Anordnung

Das Resultat ist ein extrem flaches, flaues Bild. Sieht mies aus… aber das muss so!

Das Bild in Flau

Wir haben nun die ideale Ausgangslage für die weiterführende Bearbeitung. Wir haben Zeichnung in den Lichtern und in den Schatten. Das Konzept hinter all dem ist die totale Kontrolle über den Kontrast des Bildes. Ich nenne das auch gern den Micro-Kontrast, denn wir werden nun selektiv den Kontrast des Bildes gestalten.

Aber erst mal machen wir die Ebenen flach mit Shift+Command+F oder über das Menu des Ebenenfensters. Als nächstes erstellen wir eine Einstellungs-Ebene mit dem Kanalmixer, via das Symbol im Ebenenfenster.

Kanalmixer

Im Dialog des Kanalmixers schalten wir unten auf monochrom und verschieben die RGB-Kanäle zu gunsten des Grünkanals und erhalten dadurch abgedunkelte, strukturreiche Hauttöne. (Alter Silberoxid SW-Film reagierte übrigens hauptsächlich auf den grünen Anteil des sichtbaren Lichts, weshalb viele alte Fotos eine spezielle Tonalität haben!)

Je nach Bild können die Werte stark variieren. Passt auf, dass die Schatten im Rot nicht absaufen oder, dass die Lichter ausfressen. Wir wollen unbedingt in allen Bildbereichen noch Zeichnung haben!

Kanalmixer Dialog

Jetzt machen wir kurz eine Kopie der farbigen Ebene unter dem Kanalmixer, setzen sie ganz nach oben und schalten sie vorübergehend aus – wir bauchen sie später noch. Die unterste Ebene und die Einstellungsebene des Kanalmixers reduzieren wir dafür auf eine (Shift+Command+E) Müsste so aussehen:

Kopie der farbigen Ebene

Mit der unteren Ebene angewählt, gehen wir jetzt in den Schatten-Lichter-Filter (Menu: Bild > Einstellungen > Schatten/Lichter) um den Kontrast des Bilds weiter zu verfeinern.

Schatten/Lichter

Auch hier sind die Einstellungen nur ein Anhaltspunkt und variieren stark je nach Bildinhalt. Grundsätzlich möchten wir hier die Schatten nochmals etwas anheben und die Lichter reduzieren, um den “Mikrokontrast” des Bildes herauszuarbeiten. Und auch hier ist unbedingt darauf zu achten, dass nichts ausfrisst!

Nun schalten wir die farbige Ebene über dem SW-Bild wieder an (Augensymbol neben der Ebene) und stellen den Ebenenmodi auf “Farbe”, was erstmal fürchterlich aussieht:

Ebenenmodus Farbe

Also schnell ne Einstellungsebene für Farbton/Sättigung drüberhauen!

Farbton/Sättigung

Da wir zuvor mit dem Kanalmixer die Rottöne zu gunsten der Grüntöne reduziert haben, wirken die Hauttöne nun schmutzig. Mit der Einstellungsebene für Farbton/Sättigung reduzieren wir die Sättigung der Rot und auch der Gelbtöne. Da ich einen kühlen Look wollte, bin ich dabei etwas weiter als üblich gegangen. (Je nach dem müssen auch die Magentatöne reduziert werden.)

Seid Ihr noch da? Noch fit? Denn jetzt wird’s erst richtig gut!

Weiße und schwarze Ebenen

Als nächstes kommt das sogenannte “Painting with Light”. Hiezu erstellen wir zwei leere Ebenen. Die eine füllen wir mit reinem Weiss und die andere mit purem Schwarz. Diese beiden Ebenen platzieren wir zwischen die SW-Ebene aus dem Schatten/Lichter-Filter und der Farbebene:

Den Ebenenmodi der weissen Ebene stellen wir nun auf “Color Burn”, den der schwarzen auf “Color Dodge”. Zunächst passiert nichts, da sich Farbe der Ebenen und deren Ebenenmodi ausnullen.

Color Dodge und Color Burn

In der schwarzen Ebene zeichnen wir die hellen Bildbereiche nach. Dazu nehmen wir ein grössere Pinselspitze (100px und mehr), setzen die Farbe auf Weiss und die Deckkraft auf 7%. Nun zeichnen wir die hellen oder markanten Bildanteile nach um sie zu akzentuieren.

Bei Gesichtern werden dabei z.B. die Wangenknochen, Nase, Highlights auf den Lippen, Wölbung um die Augenbrauen und Kinn nachgezeichnet. Es kommt sehr auf die Ausleuchtung an. Wir können so bereits existierende Highlights hervorheben aber auch künstliche Lichtkanten erzeugen.

Wenn “zu dick aufgetragen” wird, reissen bei dieser Technik schnell die Lichter aus, was zu vermeiden ist. Das Resultat der Schwarzen Ebene und der Effekt auf das Bild sieht bei mir so aus:

Resultat der schwarzen EbeneResultat der schwarzen Ebene 2

In der weissen Ebene, machen wir das umgekehrte. Wir zeichnen die Schattenpartien nach und akzentuieren sie dabei. Dazu brauchen wir eine schwarze Pinselspitze, Deckkraft auf 3% und tendenziell kleinerer Radius als zuvor (50px und weniger). Auch hier saufen die Schatten sehr schnell ab, also vorsicht! Bei mir sieht das dann so aus:

Resultat der weißen Ebene

Je nachdem sieht man nun noch die Pinselstriche, deshalb setzen wir den Gausschen Weichzeichner auf die weisse und die schwarze Ebene an. Ein Radius von 10-25px sollte genügen, aber auf jeden Fall so viel, dass man keine Pinselstriche mehr ausmachen kann.

Wenn man mit der Technik anfängt, übertreibt man es gerne. Deshalb schadet es nicht, bei beiden Ebenen mal die Deckraft zu reduzieren. Der Effekt soll erkennbar aber nicht übertrieben oder kitschig wirken.

Fast geschafft! Der Rest ist Dekoration!

In meinem Tiefkühler hatte ich einige grosse Eiswürfel in Tupperware-Behältern gezüchtet. Diese habe ich mit einer Taschenlampe seitlich beleuchtet und mit dem EF 100mm Macro fotografiert. Das sah etwa so aus:

Ein Eiswürfel

Insgesamt 3 solcher Makros hab ich als Textur über das Bild gelegt und den Ebenenmodi auf weiches Licht oder Überlagern gestellt. (Kommt auf die Textur an, welcher Ebenenmodi passt. Einfach ausprobieren!)

Im Bereich des Gesichts sind solche Texturen oft störend. Deshalb erstellen wir eine Ebenenmaske für die Texturen.

Ebenenmaske hinzufügen

In der dabei entstehenden, weissen Maske, radieren wir mit einer schwarzen Pinselspitze die Bereiche aus, die störend oder zu stark wirken. Das sieht dann etwa so aus:

Masken für die Texturen

Und das Resultat ist bekannt

The Glacier's Tear

Im zweifelsfall muss noch mit Farbton/Sättigung oder Fablance etwas an den Farben gedreht werden… ist aber reine Geschmackssache! Ich hoffe Ihr konntet meinem Tutorial folgen! Wäre interessant zu sehen was Ihr mit dieser Technik hervorbringt!

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

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KWERFELDEIN | Digitale Fotografie

 
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