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Im Gespräch mit Kevin Best über Stillleben-Fotografie

17 Jan

Zugegeben, wir behandeln einige fotografische Genres etwas stiefmütterlich. Höchste Zeit also, sich mal gezielt auf die Suche nach großartigen Vertretern von Nischen zu machen, über die man nicht alltäglich stolpert. Die ihren Kollegen in breitensportähnlichen Disziplinen wie Portrait oder Landschaft aber in nichts nachstehen.

Den Anfang unserer langfristig angelegten Aufholaktion für unterbesetzte Genres macht heute der Stillleben-Fotograf Kevin Best. Auf seiner Webseite und in seinem Flickr-Stream lassen sich seine aufwändigen und verblüffenden Kompositionen bestaunen. Nun lassen wir ihn im Interview aber selbst ausführlich zu Wort kommen.

Hallo Kevin. Danke, dass Du Dir die Zeit für ein Interview mit uns nimmst. Erzähl uns doch zuerst einmal ein bisschen was über Dich: Wer bist Du, was machst Du?

Mein Name ist Kevin Best, ich wurde in Neuseeland geboren, lebe jetzt aber in Sydney. Am Australian Centre for Photography habe ich Fotografie studiert und stelle inzwischen international aus.

Geboren und aufgewachsen fern der künstlerischen Metropolen Europoas, begegnete ich der niederländischen Stillleben-Malerei des 17. Jahrhunderts mit keinerlei Vorurteilen oder Befangenheiten.

Anders als ein Betrachter, der mit diesen Bildern aufgewachsen ist und sie daher als klischeehaft sehen mag, sind sie für mich dynamisch und sehr lebhaft. Die Geschichte, die sie von Ausbeutung, Eitelkeit, Gier und Zwang erzählen, hallt durch die Jahrhunderte nach und ist bemerkenswert zeitgenössisch.

Diese Fähigkeit, Geschichten aus Dingen zu kreieren anstatt aus Menschen oder Orten, ist es, was mich antreibt.

Die Dinge, die wir besitzen; die Dinge, die wir benutzen; die Dinge, die wir behalten; die Dinge, die wir wergwerfen – all diese Dinge definieren uns. Wir bewerten andere Menschen danach, welche Dinge sie zeigen, unser Selbstwertgefühl ist verpackt in den Dingen, die wir besitzen.

Viele Fotografen und Künstler sehen das Stillleben als Übungsgenre. Eine Schale voller Früchte ist ein sehr günstiges, unkompliziertes Modell und wird stundenlang stillsitzen, während Du Deine Technik perfektionierst. Es wurde immer als die niederste Form der Kunst angesehen, eher Dekoration. Ich benutze es als ein Vehikel, um komplexe Gedanken auszudrücken und für gemächliches Nachsinnen.

Ich benutze dabei ganz schamlos die Requisiten und den Stil der niederländischen Meister, um die Geschichten zu transportieren, da es in meinen Augen die Zeitlosigkeit und Universalität der Aussage zeigt.

Wie bist Du überhaupt auf die Idee gekommen, die Motive der Stillleben-Gemälde in die Fotografie zu bringen?

Ich wünschte, dass ich behaupten könnte, der erste zu sein, der die Motive der Stillleben-Maler benutzt, aber die niederländischen Meister haben die Fotografen inspiriert, seit dieses Medium sich entwickelt hat. Roger Fenton, Thomas Williams, Adolphe Braun, William Lake Price und Heinrich Kühn nutzten alle den Stil und die Motive des 17. Jahrhunderts in den 1850er Jahren.

Aber da ihre Aufnahmen schwarzweiß oder sepia waren, konnten sie nie den unglaublichen Realismus der Gemälde erreichen und demonstrierten so eher, wie schwach das Medium beim Abbilden der wortwörtlichen Wahrheit war.

Im 20. Jahrhundert folgte die Stillleben-Fotografie den Trends in der Malerei, vom Kubismus zur Abstraktion, vom Surrealismus zur Pop Art. Indem sie diese Stile benutzten, konnten sie eine andere Art der Wahrheit zeigen und erreichten, dass wir die Welt auf eine neue Weise sahen.

Der traditionelle Stil der Stillleben wurde größtenteils gemieden, zweifelsohne, weil Fotografen genauso wie Künstler verzweifelt versuchten, etwas Neues zu sagen, was sicherlich eine der Schlüsselrollen des Künstlers an sich ist.

In der jüngeren Vergangenheit haben einige Fotografen wie Dave LaChapelle und australische Kollegen wie Marian Drew und Robyn Stacey sich von den Niederländern inspirieren lassen. Aber anders als ich beziehen sie moderne Elemente mit ein und ihre Werke können ebenso wie die der frühen Fotografen nie mit den Originalgemälden verwechselt werden.

Mein Ziel ist gerade das Gegenteil: Ich möchte den Betrachter verwirren, ich möchte, dass er sich wundert, ob er denn nun eine Fotografie, ein Gemälde oder die Fotografie eines Gemäldes ansieht.

Ich möchte im Betrachte einen Sinn für Verwunderung wecken, um das Handwerk und die Hingabe zu würdigen, die für die Herstellung des Werkes nötig ist. Gerade so, wie die Betrachter der Originalgemälde.

Frühere Künstler haben diesen Moment der Verwunderung mit Tricks erreicht, zum Beispiel haben sie eine peinlich genau gemalte Fliege in ihre Gemälde integriert, in der Hoffnung, dass der Betrachter versuchen würde, sie von der Leinwand zu wischen. Oder sie malten einen Vorhang vor die Szene und hofften, dass jemand versuchen würde, ihn zur Seite zu schieben.

Ich möchte, dass meine Werke die gleiche Art von Verwunderung auslösen. Ich hoffe auch darauf, dass die Betrachter sich fragen, worin der Sinn besteht, diese alten Bilder wieder aufzuwärmen, weil sie dann vielleicht den Wert von Veränderung in Frage stellen.

Weißt Du, ob Du diese Ziele meistens auch erreichst? Was sind für gewöhnlich Reaktionen der Betrachter auf Deine Arbeiten?

Die Leute haben meine Fotografien oft für Gemälde und nennen sie auch so, nachdem ich ihnen gesagt habe, dass es eine Fotografie ist; manchmal sogar mehrmals. Wenn es wie ein Gemälde aussieht, muss es eines sein.

In meinem Flickrstream habe ich oft sehr detaillierte Beschreibungen der Symbolik, die in meinen Arbeiten steckt und ich weiß aus den vielen E-Mails, die ich bekomme, dass dies Leute dazu angeregt hat, über die Originalgemälde in einem zeitgenössischeren Licht nachzudenken.

Erst kürzlich wurde ich auf das Blog eines Professors der New York University hingewiesen, der in großartiger Tiefe ein Gemälde von Peiter Claesz beschrieb, das sich als eines meiner Fotografien entpuppte. Er war völlig verblüfft, als ich ihn darauf hinwies.

Wie entwickelst Du die Idee zu einem neuen Bild?

Ich beziehe meine Inspiration aus vielen Quellen: Von einem speziellen Objekt, einem Gedicht oder Sprichtwort, von einem besonders schönen Obst oder Gemüse. Oft webe ich komplexe Erzählungen in meine Arbeiten, deshalb beginne ich meistens mit einem einzelnen Objekt und füge andere hinzu, um eine Geschichte zu entwickeln, bis sie vollständig ist.

Mir, als jemandem, der ziemlich neu im Genre der Stillleben-Fotografie ist, scheint sie voller strenger Kompositionsregeln zu sein. Würdest Du dem zustimmen?

Die traditionellen Stillleben-Maler haben eindeutig eine Sammlung von Techniken entwickelt, um Tiefe und Bewegung in ihre Gemälde zu integrieren und viele dieser kompositorischen Anordnungen haben sich auch auf die Fotografie übertragen.

Ohne diese Techniken kann ein Stillleben ziemlich flach aussehen und dem Auge keine Möglichkeit geben, um zu wandern. Aber wie immer in der Kunst sind da draußen Regelbrecher unterwegs.

Ori Gersht jagt Stillleben-Kompositionen wortwörtlich in die Luft, Walker Evans hat Bilder von Stillleben eher gefunden als sie zu komponieren und Irving Penn hat Stillleben von weggeworfenen Zigarettenstummeln gemacht.

Dieses Genre kann genauso abwechslungsreich und ergiebig sein wie jedes andere. Regeln können helfen, aber auch immer gebrochen werden.

Kannst Du uns mehr über die Vorbereitungen zu einer Fotosession erzählen?

Einige gehen ziemlich schnell, da ich eine große Bandbreite von Objekten angesammelt habe, um die Bilder zu komponieren, aber andere erfordern es, besondere Dinge zu beschaffen oder herzustellen, um eine Erzählung, die mir vorschwebt, zu vollenden.

Normalerweise mache ich eine Testaufnahme, grüble ein paar Tage darüber und vermerke alle Änderungen auf meinem iPad. Dann mache ich eine weitere Aufnahme und arbeite damit ebenso und diesen Prozess wiederhole ich so lange, bis alles perfekt ausbalanciert ist.

Welche Rolle spielt Nachbearbeitung in Deiner Arbeit?

Gute Frage.

Ich weiß, dass viele Fotografen inbrünstige Photoshop-Gegner sind, ich bin keiner von ihnen. Ich bin kein Fotojournalist; für mich ist das Ziel der Fotografie, dem Leben einzuhauchen, was ich mir vorgestellt habe und was die Kamera ohne weitere Hilfe produzieren kann, reicht mir nie.

Ich benutze Abwedler und Nachbelichter, um den Blick zu den Schlüsselelementen einer Komposition zu lenken. Oder um den Objekten mehr Tiefe zu geben. Ich sättige oder entsättige Objekte, um sie mehr oder weniger prominent hervortreten zu lassen.

Nur sehr selten baue ich nachträglich Dinge in eine Szene ein, da sie sich alle gegenseitig reflektieren und es sich dann falsch anfühlt. Aber ich würde nicht zögern, digital ein schönes Fenster des 16. Jahrhunderts hinter meinem Stillleben einzufügen, wenn ich es brauche, um meine Geschichte abzurunden, aber leider keines in meinem Studio habe.

Und wenn eine Erzählung einen Fisch, gefangen in einer Blase, die durch einen Wald von Kerzenständern schwebt, erfordert, dann wird eben ein bisschen Nachbearbeitung nötig sein.

Gibt es spezielle Fotografen, die Dich inspiriert haben?

Ich bin eher von Malern wie Willem Kalf, Pieter Claesz, Vermeer und Rembrandt inspisiert als von Fotografen, aber ich bin ein großer Bewunderer von Irving Penn.

Ich habe gelesen, dass Du auch für ein Kochbuch fotografiert hast. Wo kann man Deine Werke sonst noch finden?

Ich stelle in Lumas-Galerien aus und werde in ihren Büchern publiziert. Meine Bilder sind auch in einem Buch, das in der australischen Kunsterziehung genutzt wird und in zu vielen Magazinen, um sie alle zu nennen.

Weil ich ständig nach meiner Technik gefragt werde, habe ich selbst auch ein eBook namens Still Life Photography* veröffentlicht, das die Philosophie und Techniken erklärt, die ich benutze, um meine Stillleben zu kreieren.

Was sind Deine Träume und Ziele für die Zukunft?

Wenn man sich an die Ansichten der Vanitas-Gemälde der niederländischen Meister hält, dann ist alles Eitelkeit und unsere Zukunft ist der Tod. Unterwegs dorthin hoffe ich, ein bisschen was darüber zu lernen, wie man ein gutes Leben lebt und ein bisschen von dem, was ich lerne, weiterzugeben.

Vielen Dank, Kevin!

Ich habe das Interview mit Kevin Best auf Englisch geführt und anschließend ins Deutsche übersetzt.

* Das ist ein Affiliate-Link zu Amazon. Wenn Ihr darüber etwas kauft, erhalten wir eine kleine Provision, Ihr bezahlt aber keinen Cent mehr.


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Im Gespräch mit Ezgi Polat

28 Nov

Ein Beitrag von: Normen Gadiel

Ezgi Polat, die 22-jährige Berliner Fotografiestudentin, versteht es, Inszenierung und Natürlichkeit miteinander zu verbinden. Ihre Fotografien wirken dabei wie eine Hommage an den Moment. Natürlichkeit und Moment, zwei wunderbare Begriffe für die Fotografie. Was es dafür braucht, erzählte sie mir im folgenden Interview.

Hallo Ezgi. „Die Fotografie ist ein Medium für leichteren Zugang zu
fremden Menschen.“ Würdest Du dem zustimmen?

Es kommt darauf an, welche Menschen damit gemeint sind und wie man den Begriff „Zugang“ in dem Zusammenhang definiert. Wenn es darum geht, fremde Menschen zu fotografieren, kann es durchaus leicht sein, mit jemandem in Kontakt zu treten.

Das heißt aber nicht, dass Du gleich Zugang zu der Person hast. Für mich bedeutet es, dass Du jemanden kennenlernst, dieser Person sowohl mental als auch körperlich näher kommst, sei es mit der Kamera oder wenn Du kurz die Kleidung zurechtrückst, die Haare nach hinten streichst. Daher finde ich es manchmal auch relativ schwierig, aber genau das macht es auch so interessant.

Dann gibt es die Menschen, die von Deiner Arbeit fasziniert sind und auf dich zukommen, das ist wohl der einfachste Weg und auch sehr schön, da ich es sehr schätze, wenn mir andere ihre Meinung sagen und mich kennenlernen wollen.
Für mich steht jedenfalls fest, dass die Fotografie in vielerlei Hinsicht ein gutes Medium ist, um neue Kontakte zu knüpfen. Das verbinde ich dann aber eher damit, dass die Kunst, egal in welcher Form, oft für Aufmerksamkeit und Interesse sorgt.

Viele Deiner Fotos zeigen eine Mischung aus Alltag und Erotik. Wie
bist Du zu dieser Art der Fotografie gekommen?

Den Übergang habe ich selbst nicht so ganz mitbekommen. Es fing damit an, dass ich immer wieder mein Umfeld fotografierte, die Kamera war ständig dabei. Das fing vor zirka sieben Jahren an, wobei ich es schon als Kind gewohnt war, zu fotografieren. Dabei kam es mir nicht oft in den Sinn, fremde Menschen vor die Kamera zu stellen.

Mir war es sehr wichtig, dass die Momente authentisch wirkten und die alltäglichen Situationen nicht gebrochen wurden. Irgendwann gewöhnten sich meine Freunde daran, öffneten sich mehr, die Fotos wurden intimer und somit auch der Umgang mit der Fotografie.

Bis der Zeitpunkt kam, an dem ich sehr oft mit fremden Menschen arbeitete und merkte, dass mir die Körpersprache viel bedeutet und ich den Alltag und die gewohnten Situationen nicht missen möchte.

Wie entstehen Ideen bei Dir und wer sind Deine persönlichen Helden?

Meistens entstehen diese spontan und der Moment zählt. Was man daraus macht, ist wichtig und nicht, was ich unbedingt umsetzen möchte.

Die Umgebung, das Licht und vor allem die Person, ihre Bewegungen und die Gemütslage stehen im Vordergrund. Worte, die währenddessen fallen, dass ich dadurch versuche, auf jemanden einzugehen und nicht einen Menschen in eine bestimmte Situationen zwänge, in der er sich vielleicht gar nicht wohlfühlt.

Ich mache mir meistens erst dann Gedanken, wenn ich weiß, wen ich fotografiere. Dann kommen auch Ideen, die ich gern in Szene setze.

Ich habe keine Helden, eher ist es eine Art Bewunderung bei Nan Goldin und Francesca Woodman, deren Arbeiten bei mir immer für Faszination gesorgt haben und es immer noch tun. Mich inspiriert Musik jedoch viel mehr als andere Fotografien. Sie schafft es immer, mich in einen ganz andere Stimmung zu versetzen.

Wenn ich an Ideen sitze, darf die passende Melodie im Hintergrund nicht fehlen.

Gibt es mal abgesehen von Kamera und Film etwas Essentielles, ohne das
Du nicht arbeiten könntest?

Es gibt nichts Materielles, meine Kamera und Filme reichen mir da aus. Jedoch könnte ich nicht gut arbeiten, wenn es zwischenmenschlich nicht funktionieren würde. Ich mag es nicht, wenn es nur um das „Ablichten“ geht und man keine Gespräche führt. So entstehen auch keine guten Fotos für mich.

Wenn ich aber den Draht zu jemandem finde und die Person sich neben mir wohlfühlt, werden meine Arbeiten auch besser. Für mich hat das viel mit Empathie zu tun.

Hast Du schon Pläne für die Zeit nach dem Studium?

Nach meinem Studium, also nächstes Jahr, werde ich wahrscheinlich Berlin für eine gewisse Zeit verlassen. Ich möchte mehr sehen, andere Kulturen erleben, mein Blickfeld erweitern, mit anderen Menschen arbeiten und vor allem viel fotografieren.

Die Vielfalt gibt es zwar auch in Deutschland, doch mit dem Alltag verbunden, ist es manchmal etwas schwierig, sowohl Inspiration als auch Motivation für gewisse Sachen zu schöpfen. Pläne sind jedoch überbewertet, ich werde schauen, was auf mich zukommt, und mich gern leiten lassen.

Wie entsteht bei Dir der Kontakt zu den fremden Modellen? Kommen die Leute auf Dich zu, sprichst Du sie auf der Straße an oder gehst Du den Weg über Agenturen?

In dieser Stadt finde ich es so schön, dass es unglaublich viele verschiedene, interessante Gesichter gibt. Das merke ich jeden Tag – auf dem Weg zur Arbeit, in der U-Bahn, im Supermarkt – es sind genau die Alltäglichkeiten, in denen die Menschen natürlich wirken und in denen ich liebend gern beobachte.

Es passiert oft, dass ich jemanden ansprechen möchte, doch fühlt es sich in dem Augenblick dann doch nicht richtig an. Für mich zählt die Atmosphäre, es ist was anderes, wenn man zum Beispiel in einem Café oder in einer Bar sitzt und auf jemanden zugeht, die Zeit hat, statt kurz und hektisch auf der Straße die Visitenkarte zu zücken.

Das Internet bietet ebenfalls gute Möglichkeiten, da stoße ich manchmal auf Menschen, die ich anschreibe und man trifft sich auf eine Tasse Kaffee oder abends auf ein Bier, bevor es mit den Fotos zustande kommt. Mich schreiben auch einige an, jedoch könnte das auch ruhig etwas offensiver sein, da sich viele dann nicht trauen zu fragen und auf meine Anfrage warten.

Ich arbeite viel lieber mit Personen, die etwas Eigenes haben, nicht sofort wegen ihrer Äußerlichkeiten auffallen, auf ihre Art schön sind und nicht irgendwelche Ideale erfüllen. Über Agenturen finde ich es manchmal genau deshalb schwierig, da die Arbeitsweise eine andere ist, aber ich hatte da sowohl gute als auch schlechte Erfahrungen.

Wie sieht es bei Dir mit der Entwicklung der Filme aus? Machst Du das lieber selbst oder lässt Du sie in einem Labor entwickeln?

Mittlerweile gebe ich die Filme immer ab, da es Zeitaufwand bedeutet, wenn man sie selbst entwickelt. Doch habe ich mir für diesen Winter vorgenommen, wieder ab und an ins Labor zu gehen. Ich mag das Gefühl, sich in der Kälte zurückzuziehen und auf die Negative und Abzüge zu konzentrieren.

Das kann sehr beruhigend sein. Die Zeit verfliegt so schnell, da man sich jedes Mal wundert, wie spät es schon geworden ist. Am Ende des Tages ist man auch stolz auf die eigene Arbeit.

Vielen Dank für das Interview und noch viel Spaß und Erfolg im Studium.


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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Im Gespräch mit Josef Schulz

01 Nov

Den Fotografien von Josef Schulz ist eine seltsam malerische Qualität eigen. Virtuos verwischt er mit ihnen die Grenze zwischen dem realen und dem künstlich erzeugten Bild. Darüber, welche Gedanken und Ideen seiner Arbeit zugrunde liegen und wie er die Fotografie mehr als bildgebendes denn als abbildendes Verfahren versteht, habe ich mich mit ihm unterhalten.

Hallo Josef. Schön, dass ich Dich für ein Interview gewinnen konnte. Erzählst Du uns ein bisschen was über Dich und wie Du zur Fotografie gekommen bist?

Ich habe, nachdem ich mich entschlossen hatte, mich der Fotografie zu widmen, an der Kunstakademie Düsseldorf bei Prof. Bernhard Becher und später auch bei Prof. Thomas Ruff studiert.

Mein Entschluss, mich der Fotografie zu widmen, kam relativ spät. Ich war zwar schon immer an Kunst interessiert, aber mir fehlte das passende Medium; erst, als ich mit Anfang 20 mit Fotografie in Berührung kam, stand meine Entscheidung fest, Kunst zu studieren.

Zu dieser Zeit gab es relativ wenige künstlerisch ausgerichtete Fotostudiengänge, mit der Wahl der Kunstakademie war ich aber sehr zufrieden. In der ersten Zeit habe ich relativ viel schwarzweiß fotografiert, aber im Laufe der Zeit hat sich mein Interesse zugunsten der Farbe verlagert.

Ein Blick in Deine Vita vermittelt den Eindruck, dass Dein Weg in die Kunstwelt seitdem recht gerade verlief. Ist das so und wenn ja, inwieweit hat Dir da das Studium an der Kunstakademie geholfen?

Ich bin mit der Situation, weltweit ausstellen zu dürfen, sehr zufrieden. Die künstlerische Tätigkeit impliziert schließlich auch das Zeigen dieser Arbeit.

Jede Ausbildungsstätte wird aufmerksam beobachtet, dies zeigen ja auch die Besuchszahlen bei den Tagen der offenen Ateliers in den Hochschulen, aber ich glaube, dass es eine Wellenform bei der Präsenz einer Hochschule gibt, aktuell werden, glaube ich, eher andere Hochschulen in Deutschland fokussiert.

Diese erhöhte Aufmerksamkeit hat meiner Meinung nach mit der aktuellen Qualität der Arbeiten einer Hochschule zu tun, dies zieht in Folge weitere gute Studenten an, die sich gegenseitig im besten Sinne „anspornen“ bei dieser hohen Qualität zu bleiben.

Irgendwann erreicht diese Entwicklung aber einen Einbruch, meist durch Wegfall eines Professors oder einer Professorin. Bis ein Nachfolger diese Arbeit aufnehmen kann, vergeht im Hochschulalltag meist zu viel Zeit. In der Zwischenzeit bilden sich dann Zentren an anderen Hochschulen.

Ich war in einer solchen Zeit des Aufbruchs gerade an der Akademie; dies hilft sehr, seine eigene Arbeit zu präzisieren. Gleichzeitig muss aber die Arbeit auch in einem zeitgenössischen Kontext stehen.

Das sind ziemlich gute Beobachtungen und Erkenntnisse. Josef, Deine Bilder haben eine starke Raumwirkung. Gerade bei Deiner Arbeit „terraform“ fasziniert, dass es eigentlich keine offensichtlichen Maßstabsindikatoren im Bild gibt und doch klar ist, dass es sich hier um kolossale Gebilde handelt. Was ist der Grund dafür, dass Du keine Menschen abbildest?

Das ist eine spannende Frage, die uns direkt zu den Möglichkeiten der Fotografie bringt und zu unserer Interpretation dieser Bilder.

Wir sehen seit jeher die Fotografie als Abbildung unserer Realität, als Dokument. Diese Funktion der Fotografie ist für mich Ausgangspunkt für einige Serien; mit einigen wenigen Fragen an die Fotografie selbst.

Was passiert denn, wenn wir dem Bild den Maßstab, die Relationen entziehen?

Können wir immer noch dieses Bild lesen oder verwirrt es uns eher? Ich bin selbst immer wieder erstaunt, wie wenig man einem Bild entziehen muss bzw. verändern kann, um eine gänzlich neue Aussage zu erhalten.

Schon unserer täglicher Umgang mit Fotografie zeigt dies, ein Retrobild mit der Hipstamatic App kann jeder von uns als solches wahrnehmen, nur wenige lassen sich vom vermeintlichen Charme des Vergangenen täuschen.

Mir geht es bei meinen Arbeiten auch um die Untersuchung, wo man die Grenze der Fotografie zieht.

Für mich ist die Fotografie eher auch als bildgebendes und weniger als abbildendes Verfahren wichtig. Als Endprodukt sollte dann ein möglichst faszinierendes Bild stehen.

Die Fokussierung auf Fotografien ohne Menschen hat mit der Tatsache zu tun, dass sobald Menschen auf den Bildern auftauchen, sich der Fokus unserer Betrachtung auf den Menschen richtet.

Ich bin eher an unserer Umgebung interessiert, an den Spuren, die wir hinterlassen.

Reist Du viel?

Das ist unterschiedlich, es gibt Jahre, da bin ich, abhängig vom Projekt, sehr oft unterwegs. „Übergang“ war das reiseintensivste davon, ich komme damit fast an 50.000 km plus Flüge, aufgeteilt in etwa einwöchige Trips.

Für „poststructure“ war ich länger am Stück unterwegs; sieben Wochen quer durch die USA. Es war ein sehr schöner Einblick in die Regionen abseits der Großstädte.

Meine Hauptarbeit findet aber im Atelier statt, dort verbringe ich die meiste Zeit, viel Laborarbeit und natürlich Bildverarbeitung. Geschätzt nimmt die Fotografie allein vielleicht 20-30 % der Zeit in Anspruch.

Welche Aufnahmetechnik(en) nutzt Du und wie verarbeitest Du das Bildmaterial anschließend weiter?

Seit vielen Jahren ist das Großformat mein Standard, ich fotografiere meist auf 4×5 Inch, mit einer Arca Swiss, viel seltener mit einer 8×10 Inch.

Bis vor Kurzem habe ich häufig auf Negativmaterial fotografiert, Prints auf 30×40 cm oder größer angefertigt, diese dann eingescannt und digital bearbeitet.

Der letzte Schritt ist dann die Ausbelichtung auf Fotopapier. Manchmal habe ich aber auch direkt Dias eingescannt.

Dieses Verfahren habe ich auch gewählt, um eine Art malerischer Qualität zu erreichen, das fotografische Korn wird gebrochen und es verbleiben reine Farbflächen.

Ich mag diese Art von stiller Auseinandersetzung mit dem Motiv über die Mattscheibe einer Großformat-Kamera und würde es sehr vermissen.

Inzwischen wird dieser analoge Ansatz relativ schwierig, meine favorisierten Filme sind entweder nicht mehr da oder haben ihre Eigenschaften verändert, mein Lieblingsfotopapier gibt es nicht mehr.

Für die Zukunft schließe ich nichts mehr aus, mein aktuell letzter Kauf war eine Nikon D800E, die ich vom Chip her überragend finde.

Für meine langsame Arbeitsweise ist sie hervorragend geeignet, aktuell ist aber die Frage sehr akut, welche Objektive überhaupt in der Lage sind, dieses Potential abzurufen. Für Tipps bin ich dankbar, auch Mittelformat-Varianten sind willkommen.

Für die Zukunft könnte ich mir eine variable Strategie vorstellen, die auch noch die analoge Welt mit einschließt.

Du verkaufst Deine Kunstwerke ja in Editionen. Wie ist Dein Standpunkt zur Limitierung von Bildern? Beziehst Du die Limitierung generell auf das Motiv oder nur auf eine bestimmte Abzugsgröße?

Als Fotograf bzw. Fotokünstler muss man sich grundsätzlich die Frage stellen: Wie kann ich sicherstellen, dass ich diese Arbeit langfristig durchführen kann? Für mich hat sich das Modell Galerie plus Fotokünstler angeboten.

Die Limitierung einer Arbeit finde ich grundsätzlich okay, sie sichert den Wert der Arbeit ab, die nachträgliche Erweiterung einer Edition würde den Wert einer Arbeit verwässern und das Vertrauen des Sammlers in den Künstler schmälern.

Bei meinen Arbeiten gibt es normalerweise pro Arbeit eine Edition von sechs in einer einzigen Größe, mit Ausnahmen: Bei „übergang“ gibt es nur einige Arbeiten in großer Größe, die komplette Serie ist in einer kleineren Größe (Auflage zwölf) erhältlich. Bei „terraform“ gibt es zwei Größen, bis zu einer Gesamtauflage von sechs.

Du arbeitest sehr konzeptuell. Wie entwickelst Du ein Thema? Was inspiriert Dich zu einer neuen Serie und welche Rolle spielen dabei Deine bisherigen Arbeiten?

Ich versuche, vor Beginn einer Serie ein Grundgerüst festzulegen ? dies kann thematisch, aber auch visuell sein ? und teste dann mit ein bis zwei Motiven vorab, ob meine Idee funktioniert.

Bei der jeweiligen Serie versuche ich dann die Orte vorab zu bestimmen, an denen ich entsprechende Motive finden könnte.

Es kann aber auch der Zufall sein, indem ich eine Fotoreise unternehme und vor Ort schaue, ob ich entsprechendes Material finde.

In der Phase der Nachbearbeitung verändert sich das Konzept meist noch relativ stark.

Die Inspiration ist eine zentrale künstlerische Frage, jeder hat da sicherlich eine andere Strategie.

Ich sammele häufig Ideen auf Reisen oder in Zeiten, zu denen ich nicht in einem Projekt stecke. Es ist eher selten, dass mir Neues beim konzentrierten Arbeiten an einer Serie einfällt.

Ich versuche nicht, meine bisherigen Serien in einer zukünftigen Arbeit zu spiegeln, aber mir ist bewusst, dass ich eine Arbeits- und Sichtweise entwickelt habe, die sich durch meine Fotografien durchzieht.

Als ein von außen Draufschauender kann ich das absolut bestätigen. Josef, zum Abschluss unseres Interviews hätte ich von Dir gern noch gewusst, was Schönheit für Dich ist und wie wichtig sie für Deine Arbeit ist.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich schon einmal ein Foto mit dem Begriff „Schönheit“ in Verbindung gebracht habe und wenn ja, dann würde es eher dem Motiv selbst gelten.

Eine künstlerische Arbeit sollte neben der ästhetischen Ebene die inhaltliche nicht vergessen. Visuell suche ich die Herausforderung, mit minimalen Mitteln ein spannendes Bild zu schaffen.

Das Streben nach einem idealem Bild bleibt aber glücklicherweise unerreicht, ansonsten müssten wir unsere künstlerischen und gestalterischen Bemühungen einstellen.

Josef, ich danke Dir für dieses Interview und bin gespannt auf Deine zukünftigen Projekte.

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Wer mehr von Josefs bisherigen Arbeiten sehen möchte, sei an dieser Stelle eingeladen, sich seine Webseite anzuschauen.


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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Im Gespräch mit Jan Hinkel

27 Oct

Als Herausgeber dieses Magazines habe ich den Vorteil, mitbestimmen zu dürfen, wen und welche Thematiken wir hier vorstellen. Und da ich mich auch für Themen außerhalb des Street-Genres interessiere, ist heute das Thema Portrait und Sport zentraler Bestandteil von kwerfeldein. Und Jan Hinkel, seines Zeichens Sportfotograf, hat sich bereit erklärt, seinen Werdegang, als auch seine beeindruckenden Fotos mit mir zu diskutieren.

Hallo Jan. Erzähl doch mal: Was verbirgt sich hinter dem Namen Jan Hinkel für ein Mensch? Wer bist Du und was machst Du?

Hallo Martin. Auf jeden Fall ein sehr vielseitiger Mensch. Anders als man vielleicht vermutet, habe ich die letzten Jahre in Krefeld Maschinenbau studiert und dieses Jahr auch erfolgreich abgeschlossen. Mein Weg hin zur Fotografie und Werbung ist etwas schwerer zu beschreiben. Angefangen hat alles mit dem Interesse an Flugzeugen und dem „Spotten“ an Flughäfen in meiner Jugend.

Irgendwann wurden mir diese Motive zu statisch und ich begann damit, zunächst meine Freundin und dann nach und nach immer mehr Personen in meinem Umfeld zu portraitieren. Parallel spielte die Bildbearbeitung immer schon eine entscheidende Rolle in meinen Bildern.

Getreu dem Prinzip „Trial and Error“ versuchte ich damals, meinen Fotografien durch gewollte, aber meist nicht gekonnte Maßnahmen, mehr „Pepp“ einzuhauchen. Einige stressige und ärgerliche Stunden später kann ich nun seit etwa einem Jahr sagen, dass ich meine Bildsprache gefunden habe.

Parallel zum Studium habe ich vor anderthalb Jahren mein eigenes Studio aufgemacht und erstes Geld mit der Fotografie verdient. In naher Zukunft möchte ich noch meinen Master studieren und versuchen, mich weiter als Fotograf zu etablieren.

Wie ich erkennen kann, hast Du einen realistischen Blick auf das Finden des eigenen Stils, denn Du sprichst von stressigen und ärgerlichen Stunden. Was genau war so anstrengend?

Wenn ich mir ein Ziel gesetzt habe, bin ich sehr perfektionistisch, dieses zu erreichen und habe hohe Ansprüche an mich selbst. Mein Ziel war es von Anfang an, Bilder zu erstellen, wie man sie aus einschlägigen Magazinen kennt oder auf Werbetafeln sieht.

Wie man sich sicher denken kann, bin ich hierbei ziemlich schnell an meine Grenzen gestoßen, sei es durch zu wenig Kenntnisse meiner eher minderwertigen Technik oder dem notwendigen Wissen in Photoshop.

Ich bin anfangs davon ausgegangen, dass der typische Werbelook sich ausschließlich aus gut gesetztem Licht und teuren Lichtformern zusammensetzt. Heute bin ich da etwas weiter und weiß, dass der Look in großen Teilen in Photoshop entsteht. Das demotiviert einen anfangs natürlich ungemein, da man Stunden damit verbringt, Licht so zu setzen, dass es dem „Werbelook“ nahe kommt und das Endergebnis dann dennoch nicht zu 100% passt.

Gerade Photoshop ist für Anfänger erst einmal ein Buch mit sieben Siegeln. Hier die Geduld nicht zu verlieren und die Motivation aufrecht zu erhalten, war nicht immer so leicht. Ich habe in dieser Zeit aber auch unheimlich viel gelernt und mich nach und nach an den gewünschten Look herangetastet.

Heute versuche ich wie damals, dem Bildstil schon beim Shooting so nah wie möglich zu kommen, mache mich dann aber nicht mehr so verrückt wie früher, wenn es noch nicht passt, da ich schon im Kopf habe, wie das Bild nach der Nachbearbeitung aussehen wird.

Du bist ganz schön zäh! Respekt. Was gab Dir die Kraft und Motivation, so lange dran zu bleiben? Es gibt nicht viele, die das durchhalten…

Ich denke, das war im Wesentlichen das tolle Feedback und bei Kritik oder Nichtgefallen einer Serie der Ansporn, besser zu werden. Die Rückmeldung aus Foren oder auch Facebook ist hierbei ziemlich wesentlich, da man eine breite Masse, verschiedene Geschmäcker und Typen erreicht, die sich für Deine Bilder interessieren… oder eben auch nicht.

Ich bin mir sicher, dass sich meine Entwicklung durch diese Art der Bildbesprechung wesentlich geprägt hat.

Womit wir schon bei einem interessanten Thema wären: Was ist für Dich persönlich ein „gutes Feedback“? Was bringt Dich weiter?

Das ist schwer zu sagen. Oftmals sind es ganz offensichtliche und banale Dinge, die man im Laufe einer Bildentwicklung übersieht. Im Durchschnitt sitze ich drei Stunden lang an einem Bild, bei aufwändigen Sportbildern sind es auch gern auch mal zehn bis zwölf Stunden. Das Schwierige hierbei ist dann, den Blick für’s Detail nicht zu verlieren und kleinere Fehler im Bild noch zu erkennen, was natürlich nicht immer gelingt.

Hier hilft es mir dann in der späteren Bildkritik sehr, wenn sich Menschen ausgiebig mit meinen Bildern beschäftigen und kleine Fehler im Bild anmerken oder sonstige Unstimmigkeiten entdecken. Mich ärgert so was persönlich dann immer sehr… aber es bringt einen weiter.

Ja, da stimme ich Dir zu. Um in Deinem Gebiet erfolgreich zu sein, muss Du aber auch sehr perfektionistisch sein, richtig?

Jein. Natürlich sollte man in der Werbfotografie ein gewisses Maß an Perfektionismus sowie das sichere Bedienen seiner Technik mitbringen, zum Erfolg führt einen das aber noch lange nicht.

Ich denke, es spielen – gerade aktuell – einige andere Faktoren zusätzlich eine Rolle. In den letzten Jahren ist es meiner Ansicht nach zunehmend wichtig geworden, sich gut und regelmäßig im Internet zu präsentieren. Bestes Beispiel ist momentan Paul Ripke, der es meiner Meinung nach perfektioniert hat.

Der Fotograf wird so für potentielle Kunden auch als Werbeträger oder -botschafter interessant und in manchen Fällen vielleicht genau deswegen gebucht. Das ist natürlich nicht die Regel, aber zumindest ein Faktor, den man im Auge behalten sollte. Bei mir persönlich ist hier auf jeden Fall noch Luft nach oben.

Zudem ist es wie in allen Berufssparten: Die richtigen Leute zur richtigen Zeit zu treffen oder zu kennen, kann nicht schaden. Man sollte sich also nicht der Illusion hingeben, dass gute Bilder gleichbedeutend mit einem erfolgreichen Fotografendasein sind. Es ist lediglich die Basis, mit der man starten sollte.

Das ist Musik in meinen Ohren, Jan. Welchen Stellenwert misst Du der Kameratechnik in Deinem Sujet bei?

Das kommt ganz auf das Projekt an. Handelt es sich um eine eher natürliche Livestyle-Strecke, ist die Technik nicht besonders wichtig. Hier reicht eigentlich jede erhältliche SLR zum Beispiel mit einem 50mm f/1.8 aus, wenn nicht gerade gigantische Auflösungen gefragt sind.

Anders sieht es hingegen bei Sportaufnahmen aus. Hier spielt vor allem das Licht eine ganz entscheidende Rolle. Für meine Sportaufnahmen benötige ich mindestens drei Lichtquellen, in der Realität sind es dann meistens fünf, die an zwei Akkugeneratoren angeschlossen werden.

Mit diesem Setting stoße ich ziemlich schnell an die Grenzen der Technik, sei es durch zu lange Ladezeiten, zu geringe Akkuleistung oder das umständliche Platzieren der Generatoren. Zudem wiegt die ganze Technik zusammen um die 60 kg, was bei außergewöhnlichen Shootings – zum Beispiel auf dem Wasser – zum Problem wird.

Hier frühzeitig in gute Technik zu investieren, ist beim Shooting später Gold wert! Als Alternative miete ich dann Equipment. Wenn man hier und da in Foren mitliest, muss ich mich stellenweise schon wundern. Man gewinnt den Eindruck, dass bis zur letzten Schraube die Technik analysiert und besprochen, aber das Fotografieren offensichtlich vergessen wird.

Einen solchen Stellenwert hat die Technik für mich nicht und hatte sie auch nie. Wir leisten uns heute den Luxus, für wenig Geld sehr ausgereifte Kamerasysteme kaufen zu können, was ich nicht immer begrüße, da sich der Anblick von SLR-Kameras, eingestellt auf Programmautomatik, häuft.

Das würde ich so unterschreiben. Sprechen wir von Vorbildern Deiner Fotos. Gibt es ein paar Fotografen, die Dich außerordentlich inspiriert haben?

Ja in der Tat, einige sogar. In der Peoplefotografie finde ich schon seit längerem die Arbeiten von Murat Aslan, Tobias Schult und Frank Schemmann klasse. Im Sportbereich faszinieren mich die Arbeiten von Tim Tadder, wobei mir die Aufnahmen teilweise zu sehr ins Künstliche abrutschen.

Weniger mein eigener Bereich, aber dennoch dringend zu erwähnen, sind die zwei Fotografen von zweimalig aus Köln, die überwiegend im Architektur- und Still-Bereich fotografieren. Hier lohnt auf jeden Fall mal ein Besuch der Website.

Das sind so die Fotografen, die ich als erste im Kopf habe, aber im Endeffekt inspirieren mich weitaus mehr. Ich versuche, mir immer mindestens eine Stunde am Tag Zeit dafür zu nehmen, Webseiten von Fotografen zu durchstöbern, mir die neuesten Kampagnen auf GoSee anzusehen und ganz wichtig: Diese ganzen Aufnahmen dann zu analysieren und im besten Fall ein Making-Of davon zu finden.

Mich interessiert sehr die Vorgehensweise und das Lichtsetting anderer Fotografen. Hier versuche ich immer, so viel es geht mitzunehmen und es mit eigenen Ideen zu kombinieren.

Hast Du schon einmal einen Workshop besucht oder Dir alles „aus dem Netz“ gezogen? Wenn ja, welche Quellen kannst Du interessierten Lesern empfehlen?

Nein, einen Workshop habe ich nicht besucht. Das Basiswissen über Kameras habe ich hauptsächlich aus dem Netz gefischt, wobei ich mich damit nie wirklich ausgibig beschäftigt habe. Mich hat es von Anfang an mehr gereizt ,gutes und spannendes Licht zu erzeugen, als die Technik der Kamera bis ins Detail zu verstehen. Hier haben mir tatsächlich Making-Of-Videos am meisten geholfen. So hat man kostengünstig die Möglichkeit, wirklichen Profis über die Schulter zu schauen.

Explizite Quelle kann ich leider nicht nennen, da ich meistens eher durch Zufall auf interessante Videos stoße. Ich denke aber, dass man als Einsteiger sehr nützliche Informationen zum Beispiel auf der Seite von Krolop Gerst bekommt.

Wichtig ist nur, dass man sich frühzeitig von den in Workshops oder Videotutorials gezeigten Lichtsettings oder Bearbeitungsschritten löst und eigene Ideen einfließen lässt. Ich habe zum Teil das Gefühl, dass viele diese Trainings als Garant für gute Bilder verstehen und nicht als Grundlage dafür, eigene Ideen zu entwickeln.

Wahrscheinlich, weil es vielen schwer fällt, Eigenes zu entwickeln. Wie machst Du das?

Ist es auch, keine Frage. Ich denke, ich bin auch noch weit davon entfernt, etwas komplett Eigenes entwickelt zu haben. Damit meinte ich aber auch viel mehr, dass man nicht vorgefertigte Lichtsettings oder Posings aus den Tutorials übernimmt, sondern auch mal anderes Licht ausprobiert, selbst wenn das Ergebnis nachher vielleicht nicht zufriedenstellend ist.

Ich zum Beispiel habe einen (mittlerweile sehr gut gefüllten) Ordner auf meinem Rechner, mit einer Vielzahl an Bildern, die ich irgendwann mal gefunden habe und interessant fand. Wenn ich dann eine Idee habe, gehe ich in diesen Ordner und versuche, Looks, Lichtsettings, Locations unterschiedlicher Bilder zu vermischen und mit meiner Grundidee zu kombinieren… manchmal klappt es.

Welche Pläne hast Du für die kommenden Jahre? Oder planst Du gar nicht so weit?

Planen ist vielleicht nicht unbedingt der richtige Ausdruck. Ich habe mir für die nächsten Jahre einige hohe Ziele gesteckt. Zunächst möchte ich meine Mappe eindeutiger aufstellen, soll heißen so, dass deutlich erkennbar ist, wo meine Schwerpunkte liegen und wo die Reise hingehen soll.

Ein weiteres Ziel ist, eine Repräsentanz zu finden, die mich und meine Arbeiten gut vermarkten kann und vor allem auch ein Interesse daran hat! Auch meine Zusammenarbeit mit Werbeagenturen will ich in den kommenden Monaten verstärkt ausbauen, was wohl bedeutet, dass ich die Kamera erst einmal weniger in den Händen halten werde.

In den nächsten Wochen werde ich zwei interessante neue Projekte von mir veröffentlichen, von denen ich mir eine Menge erhoffe. Wenn alles so läuft, wie ich mir das vorstellen, können diese beiden Serien sehr entscheidend für die bevorstehenden Jahre werden.

Letzte Frage, Jan: Wenn Du heute nochmal anfangen würdest, Deinen Weg als Fotograf zu gehen: Was würdest Du anders machen?

Ich glaube, meine fotografische Entwicklung ist noch zu jung, um sagen zu können, was ich hätte anders machen müssen oder sollen. Vermutlich ist man als Fotograf auch gezwungen, immer neue Wege zu gehen und auszuprobieren. Wege, die zur aktuellen Zeit und zur Laune der Gesellschaft passen. Von daher lässt es sich schon pauschal nicht sagen, was man anders machen könnte oder würde, weil man nicht weiß, was zu dieser Zeit gefragt ist.

Aktuell bin ich im Großen und Ganzen sehr zufrieden mit dem, was ich in der Kürze der Zeit erreichen konnte. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, wäre es, in der einen oder anderen Situation mehr Mut zu zeigen und einfach zu machen. Ich bin eher der Typ, der vieles in Frage stellt und genau planen will. Manchmal ist das von Vorteil, teilweise stehe ich mir hierbei aber auch selbst im Weg.

Jan, vielen Dank!


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Im Gespräch mit Mark Tipple

17 Oct

Seit dem Sommer 2010 arbeitet der Australier Mark Tipple an der Serie „The Underwater Project“, bei der er Menschen dabei fotografiert, wie sie unter einer Welle tauchen. Ich sprach mit ihm über seine Arbeitsweise unter und über Wasser. Nach dem Interview haben mir nicht nur seine Fotos Respekt abverlangt, sondern noch etwas anderes.

Hallo Mark, warum hast Du mit dem Projekt angefangen und was sind Deine Ziele dabei?

Ich suchte nach einem anderen Weg, Aufnahmen vom Surfern zu machen. Nach vielen Jahren mit verschiedenen Versuchen wie zum Beispiel dem Ausprobieren verschiedener Winkel oder dem Montieren der Kamera auf dem Surfboard war ich irgendwann gelangweilt von meinen Fotos und den Standardaufnahmen, die ich im Internet oder Magazinen zu sehen bekam.

Eines Tages wurde ich an der falschen Stelle erwischt, als gerade eine Welle vor mir zu brechen begann. Ich entdeckte neben mir einen Schwimmer und als wir beide untertauchten, hielt ich die Kamera auf ihn und fotografierte ihn dabei, wie er durch die Welle tauchte. Dieses Foto war der Anfang der Serie und der Fokus verschob sich von Surfern zu den tauchenden Schwimmern. Seit diesem Tag fasziniert es mich, zu sehen wie wir aussehen, wenn wir verhindern wollen, dass die Welle von oben auf uns fällt.

Wo entstehen die Fotos und was musst Du dabei beachten?

Die meisten Fotos sind auf dem Bronte Beach in Sydney entstanden, der zu Fuß ungefähr zehn Minuten vom berühmten Bondi Beach entfernt ist. Die Location ist ein kleine östlich zugewandte Bucht, die den Wellengang einfängt. Es ist perfekt für mich, wenn die Rettungsschwimmer ihre Fahnen in die nördliche Ecke der Bucht stecken, weil dann die Wellen gegen das Riff in der südlichen Ecke der Bucht schlagen, dort einiges an Kraft verlieren und das Wasser sehr klar bleibt.

Die Wellen haben dann definitiv keine große Kraft mehr, weshalb man dort auch gut schwimmen kann. In Kombination mit den anwesenden Rettungsschwimmern, den relativ weichen Wellen und dem klaren Wasser kann ich so im Sommer innerhalb einer Woche ein paar Tage fotografieren gehen. Ausnahmen wie im letzten Sommer, als El Niño uns viel Regen und kalte Temperaturen brachte, kann es natürlich immer geben.

Welche Tageszeit ist für Deine Unterwasseraufnahmen perfekt?

Normalerweise versuche ich, dem Handbuch der Fotografen zu folgen und Aufnahmen eher morgens oder in den Abendstunden zu machen, wenn das Licht weich und warm ist. Ich habe dann aber schnell feststellen müssen, dass sich zu dieser Zeit kaum jemand im Wasser aufhält. An der Ostküste, wo die Sonne aufgeht, ist es bis 10 Uhr morgens unter Wasser noch sehr dunkel.

Gegen 11 Uhr kommen dann die ersten Touristen zum Strand und fangen mit dem Schwimmen an. Selbst an sehr heißen Tagen ist es im Wasser immer noch sehr kühl und so ist die beste Zeit für mich nachmittags, wenn die meisten Leute ins Wasser gehen, um sich abzukühlen und Spaß zu haben.

Es gibt einige Fotos, die ich zu einer späteren Tageszeit bei untergehender Sonne geschossen habe, das Sonnenlicht erzeugt dabei aber einen großen Ring auf dem Bild und das ist für ein gutes Foto nicht besonders förderlich.

Was hast Du für eine Ausrüstung und wieviel kostet ein Unterwassergehäuse?

Die Kamera ist eine gewöhnliche Canon 7D mit einem Tokina Fisheye-Objektiv. Das zusammen hat mich, glaube ich, um die 2,200 AU$ (entspricht ca. 1.700€) gekostet. Das Unterwassergehäuse und der Domeport (zur Korrektur der optischen Bedingungen unter Wasser) dürften ungefähr noch einmal so viel gekostet haben. Da sich ein Großteil meiner Arbeiten mit Filmen beschäftigt, bin ich jetzt umgestiegen auf die Canon 5D MarkIII. Die Arbeitsabläufe sind die gleichen, die Qualität ist jedoch etwas besser.

Vom Surfen weiß ich, dass man unter Wasser schnell die Orientierung verlieren kann. Hast Du schon ähnliche gefährliche Situationen erlebt?

Als ich angefangen habe, die Schwimmer zu fotografieren, trug ich immer einen Gürtel mit Gewichten, damit ich länger unter Wasser bleiben konnte. Ich dachte, das wäre eine gute Idee gewesen – allerdings dachte ich das nur bis zum dem Tag, an dem eine Welle direkt über meinem Kopf und meinem ausgestreckten Arm gebrochen ist. Dabei ist mir die Leine der Kamera abgerissen und ich wurde durch meinen Gürtel auf den Boden gedrückt.

Es war nur eine kleine Welle, deshalb hatte ich auch keine Angst und habe einfach gewartet, bis ich wieder auftauchen konnte. Ich war jedoch besorgt, dass meine Kamera zertrümmert oder ins Meer gespült wurde. Nach ein paar Minuten wilder Suche habe ich sie dann aber in der Nähe des Ufers gefunden und gleich auf Schäden kontrolliert. Zum Glück konnte ich nichts finden.

Was machst Du abseits der Unterwasserfotografie?

Ich arbeite für mehrere humanitäre Organisationen und unterstütze sie durch die Bereitstellung von Fotos und Filmaufnahmen, die die Organisationen dann für Spendenwerbung oder Medienkampagnen einsetzen. Ich habe gerade erst Fotos für die Heilsarmee gemacht und werde demnächst mit einer Organisation zusammenarbeiten, die sich um Menschen mit Behinderungen kümmert. Ich liebe es, anderen Menschen mit dem was ich kann, zu helfen.

Mein ganzes Leben beschäftigt sich mit der Fotografie oder dem Filmen. Entweder reise ich zu einem Shooting, bin gerade dabei oder beschäftige mich mit der Nachbearbeitung der Aufnahmen. Das ist eine Menge Arbeit und möglicherweise wäre es für mich einfacher, einem geregelten Job nachzugehen. Letztendlich kann ich jedoch das machen, worauf ich Lust habe und bekomme so direkt die positiven Ergebnisse meiner Mitwirkung in den einzelnen Projekten mit und das ist für mich ein tolles Leben!

Mark, ich danke Dir für diese Einblicke und wünsche Dir noch viel Erfolg bei folgenden Projekten.

Wer mehr über Mark Tipple und das Projekt erfahren will, kann die dazugehörige Seite „The Underwater Project“ besuchen.


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Im Gespräch mit Malte Pietschmann

16 Oct

Der 26-jährige Fotograf Malte Pietschmann (Facebook) lebt und arbeitet in Berlin und hat sich der Modefotografie verschrieben. Doch das ist noch lange nicht alles, wie ich im Folgenden herausgefunden habe.

Hallo Malte. Einige unserer Leser werden Dich noch aus kwerfeldein-Tagen kennen, schließlich warst Du bei uns als Redakteur aktiv. Für diejenigen, die Dich nicht kennen: Welche Person steckt hinter dem Namen Malte Pietschmann?

Jemand, der vor ungefähr vier Jahren angefangen hat, zu fotografieren und einfach Spaß daran hat. Ich habe Medienmanagement studiert, aber schon im Studium gemerkt, dass ich noch einen gestalterischen Ausgleich für mich brauche. So bin ich dann zu Portrait und Reportage gekommen. Bis vor einem Jahr habe ich noch in der Türkei und davor in den Niederlanden gelebt. Im letzten Jahr habe ich dann damit begonnen, mehr in Richtung Mode zu arbeiten.

Mode. Kein leichtes Sujet. Warum suchst Du Dir ausgerechnet dieses aus?

Weil die Modefotografie visuell freier arbeitet als viele andere Bereiche der Fotografie und dementsprechend vieles möglich ist, was in anderen Genres undenkbar wäre. Die Mode arbeitet am Puls der Zeit und zeigt damit was gestalterisch möglich ist, das ist natürlich immer spannend.

Auf der anderen Seite ist die Mode natürlich auch sehr aufwändig, was für mich aus produktionstechnischer Sicht einfach interessant ist. Im Team arbeiten hat mir schon immer Spaß gemacht und wenn es dann noch fordernde Projekte sind: wunderbar!

Was meinst Du genau mit „freier arbeiten“?

Reportage hat ja beispielsweise einen Wahrheits- und Neutralitätsanspruch, im Portraitbereich steht der Mensch und seine Persönlichkeit im Vordergrund. Das bestimmt die Bildgestaltung natürlich maßgeblich und schränkt sie zu einem Stück weit auch ein. In der Modefotografie geht es ja viel darum, die Mode und ihre Features in einem möglichen Kontext darzustellen.

Wie genau dieser Kontext nun aussieht bzw. inszeniert wird, ist dann Interpretationssache. Mit Mode lässt sich einfach sehr schön spielen und man kann ein Thema ja auf ganz unterschiedliche Weisen umsetzen.

Malte, wer Dir ein wenig in den sozialen Netzen folgt, kann nicht übersehen, dass Du regelmäßig in aller Welt unterwegs bist. Bist Du einfach gern unterwegs oder was treibt Dich in die Ferne?

Ich glaube, ich bin einfach neugierig, wie das Leben anderswo so ist, wie Menschen in anderen Kulturen denken, wonach sie streben, was sie motiviert. Wie verhalten sich die Werte, mit denen ich aufgewachsen bin, im direkten Vergleich zu dem eines Inders? Eines Thais? Eines Venezianers? Was eint uns und was trennt uns? Was bedeutet „leben“ für dich, was für mich?

Und das Wichtigste: Wie kann man voneinander lernen? Für mich sind das sehr spannende Fragen und wir können ja nicht erwarten, einander zu verstehen, wenn wir nicht miteinander reden. Ich mag es einfach, neue Perspektiven kennen zu lernen und brauche regelmäßig neue Denkanstöße. Die Fotografie ist da natürlich einer der schönsten Gründe, rauszukommen und mal etwas genauer hinzusehen.

Was bedeutet „leben“ für Dich – und was bedeutet das für Dich als Fotografen?

Haha, eine etwas große Frage für einen 26-Jährigen. Ich glaube, das kann man in meinem Alter noch gar nicht so genau sagen. Ich glaube jedoch daran, dass das Leben, also dieser winzigkleine Augenblick, der uns gegeben wird, ein riesengroßes Geschenk ist und dass man es auch so behandeln sollte.

Je mehr ich reise, desto mehr verstehe ich, was für ein großes Privileg wir in unserer Gesellschaft haben, die Freiheit zu haben, genau das zu tun. Erzähl das mal einem Seilträger aus Chittagong. Was das für die Fotografie und mich derzeit bedeutet? In den Zug einsteigen und sehen, wohin die Reise geht. Breathe and evolve.

Was ist Dir beim Fotografieren von Menschen in anderen Ländern besonders wichtig? Gibt es da etwas, wonach Du suchst oder schaust Du einfach, was passiert?

Ich glaube nicht, dass es darauf ankommt, was man sucht, sondern was man sieht und was einem selbst interessant erscheint. Das kann man nicht so pauschal sagen. Ich arbeite sehr intuitiv und versuche einfach, mit dem Fluss zu gehen, das heißt, nicht zu konkrete Vorstellungen haben und offen bleiben.

Die Sachen, die viel Seele haben, kommen eigentlich immer aus dem Bauch und der Situation heraus. Was mir also wichtig ist? Authentische Momente einfangen.

Was ist ein authentischer Moment? Woran machst Du das fest, außer am Bauchgefühl?

Wenn Menschen sich einfach natürlich verhalten, als würden sie sich unbeobachtet fühlen.

Wie sehen Deine Pläne für die nächste Monate aus? Was hast Du vor?

Es geht wieder zurück nach Asien. Dieses Mal reise ich mit einem kleinen Produktionsteam bestehend aus Philipp Lunch (Foto) und Jonas Harmsen (Video), beide sehr enge Freunde, von Indien über Bangladesh nach Hong Kong und China. Wir haben eine sehr breite und abwechslungsreiche Palette an Projekten geplant.

Allzu viel kann ich da natürlich noch nicht verraten, aber wer uns während der nächsten sechs Monate folgen möchte, kann ja demnächst mal bei BASMATI HAZE vorbeischauen. Wir haben alle eine sehr unterschiedliche Herangehensweise, das könnte also recht spannend werden.

Das hört sich gut an, Malte. Wo siehst Du Dich in zehn Jahren in fotografischer Hinsicht?

Wie schon gesagt, man steigt in einen Zug ein und lässt sich überraschen, wohin die Reise geht. Das ist ja gerade das Schöne an der Fotografie: Man kann sie immer wieder neu für sich entdecken. Von daher: Alles kann, nichts muss.

Erinnerst Du Dich noch an den ersten Fotografen, der Dich inspiriert hat?

Da gibt es sicher viele. Wirklich bewusst war das allerdings Nick Knight. In einer Ausstellung in Groningen hatte ich einige seiner Arbeiten gesehen, das hat meine Sicht auf die Fotografie grundlegend verändert. Davor wusste ich einfach nicht, dass so etwas überhaupt möglich ist.

Welche Länder, die Du bisher noch nicht besucht hast, würdest Du in Zukunft gerne bereisen?

Eigentlich so ziemlich alle. Ich weiß nicht wieso, aber irgendwie reizt mich der Nahe und der Mittlere Osten mittlerweile mehr und mehr. Die Berichterstattung ist immer noch sehr einseitig und beschränkt sich leider oft auf Kriegsszenen und Fundamentalismus.

Projekte wie die von Salome und Lukas Augustin finde ich sehr spannend und wichtig. Denn wenn in den Medien fast ausschließlich ein Bild von Gewalt und Terror vermittelt wird, dann kann das doch gar nichts werden.

Siehst Du für Dich auch die Aufgabe, eine eigene Sicht auf den Mittleren Osten zu zeigen? Was spornt Dich diesbezüglich an?

Der Nahe und Mittlere Osten ist kein konkretes Projekt, erst einmal nur ein kleiner Traum. Ich glaube einfach, dass diese Kulturen unglaublich viel Schönes und Interessantes zu erzählen haben. Durch eine eher einseitige Berichterstattung werden die bestehenden Vorurteile gegenüber diesen Ländern weiter gestärkt. Und zumindest aus meiner Sicht können Vorurteile keine Basis für einen nachhaltigen Dialog sein.

Malte, ich bedanke mich für das Interview und wünsche Dir viel Erfolg bei Deinen Projekten und Reisen!


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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Im Gespräch mit Kim Thue

01 Aug

Kim Thue arbeitet als Fotograf in London und hat anfang des Jahres sein erstes Buch herausgebracht. Im Interview verrät er etwas über die Entstehung des Buches und seine Reise nach Sierra Leone, wo er für den Bildband 10 Monate gelebt hat.

Hallo Kim. Vielen Dank, dass Du Dir für das Interview Zeit nimmst. Auf Deiner Homepage erfährt man nur wenig über Dich, kannst Du kurz etwas über Dich erzählen?

Ich bin ein 31-jähriger, dänischer Fotograf, der seit 1998 in England lebt. Ich habe mein Studium 2006 beendet, aber mein Diplom tatsächlich nie erhalten, da ich der Universität noch Geld schulde. Ich habe ein Faible für Sludge Metal, Lakritz-Toffees und bunte Turnschuhe. In meiner Freizeit laufe ich viel.

Dein erstes Buch „Dead Traffic“, das Bilder aus Sierra Leone zeigt, wurde Anfang des Jahres von dienacht Publishing veröffentlicht. Warum hast du dich für diesen neuen, unabhängigen Herausgeber entschieden?

Auf dem Weg dorthin hatte ich auch Gespräche mit einem renomierten und sehr viel etablierteren Verlagshaus in London. Zu dieser Zeit dachte ich, dass es die offensichtlich beste Wahl wäre, aber es wurde bald deutlich, dass ich damit total falsch lag. Zunächst hatten sie auch großes Interesse an meinem Projekt bekundet, aber aus irgendeinem Grund gaben sie mir immer weiter das Gefühl, dass ich sie bedrängen würde und zu einem gewissen Maß auch eine hochnäsige Haltung mit wechselnd warmer und kalter Behandlung mir gegenüber.

Es fühlte sich fast so an als würden sie sicherstellen wollen, dass mir klar war, was für einen großen Gefallen sie mir da taten, da sie ein großes Verlagshaus waren und ich nur ein weitgehend unbekannter Fotograf. Ich erinnere mich auch daran, dass sie für meinen Geschmack zu stark den Inhalt zuschneiden wollten und besorgt waren über die Zielgruppen; befürchteten, es würde nicht genug verkauft werden. Wir waren nie auf der gleichen Wellenlänge und ich beschloss, weiter zu ziehen.

Ein paar Wochen später kontaktierte mich Calin Kruse von dienacht und schlug vor, mein Buch zu veröffentlichen. Er hatte zuvor schon eine Auswahl einer früheren Version in seinem Magazin veröffentlicht, sodass ich wusste, dass er das Projekt mochte. Ich habe sofort eingewilligt und es nie bereut. Es war eine absolute Freude, mit ihm zusammenzuarbeiten. Er hat eine wahrhaft unendliche Liebe für Bücher und lässt viel Arbeit in auch die kleinsten Details fließen.

Wie hast Du Dein Projekt finanziert?

Geld ist natürlich immer ein Thema, wenn man so etwas plant, aber wir waren nie wirklich besorgt, ob das Buch finanziell erfolgreich sein würde oder nicht. Ich arbeitete während des gesammten Prozesses auch in meinem Hauptberuf, um Essen auf den Tisch zu bekommen.

Wir hatten auch keine Sponsoren oder Ähnliches, aber wir schafften es, einen großen Teil der Produktionskosten zu decken, indem wir signierte Exemplare im Vorverkauf anboten, bevor es überhaupt gedruckt wurde. Die wirklich gute Nachricht ist, dass ich jetzt, wenige Monate, nachdem es offiziell veröffentlicht wurde, nicht so finanziell ruiniert dastehe, wie ich es mir vorgestellt hatte.

Ein weiterer Weg, um aus einem Buch Geld zu machen, ist natürlich die Möglichkeit des Vertriebs von Drucken. Also biete ich seit Kurzem Original-Editionen der Abzüge von bestimmten Bildern an, um etwas mehr Einkommen zu generieren.

Allgemein kann ich sagen, dass obwohl ich nicht denke, dass Fotobücher zu machen ein gerissener Businessplan ist, für mich trotzdem das riesige Gefühl von Erfolg dabei ist. Für mich ist es nicht sehr befriedigend, mir im Internet Fotos anzusehen und im digitalen Zeitalter ist es großartig, endlich etwas Greifbares zu haben, das in der realen Welt existiert. Etwas, das die Menschen tatsächlich fühlen, anfassen und riechen können.

Wie wurde Dein Buch denn von den Menschen aufgenommen?

Ehrlich gesagt, war die Reaktion überwältigend und der Vertrieb läuft viel besser, als ich zu hoffen gewagt hatte. Was ich trotzdem am meisten genieße, sind aber die ganzen E-Mails und Nachrichten, die ich von Menschen auf der ganzen Welt bekomme und die mir sagen, dass sie mein Buch mögen. Dies verspricht Gutes für die Zukunft und gibt mir viel Selbstvertrauen darin, mehr Bücher zu produzieren.

Du hast für deine Bilder fast ein Jahr in Freetown gelebt. Wie hast du dich in dieser Zeit dort gefühlt?

Ja, die Reise sollte man nicht unterschätzen und das alte Klischee eines Marathons, nicht eines Sprints, ist eines, das ich mit offenen Armen begrüße. Trotzdem fühlt sich Fotografieren für mich meist wie eine einsame Jagd an und ich würde lügen, wenn ich sagte, dass meine zehn Monate in Freetown mich nicht zuweilen auf eine harte Probe gestellt hätten. Ich wurde dort ernsthaft krank, verlor viel Gewicht und kämpfte oft mit dem unvermeindlichen Gefühl, ein ständiger Außenseiter zu sein.

Der Großteil meiner Zeit dort war aber auch sehr befreiend, da ich froh war, in einer Welt zu leben, in der es keinen Druck im Bezug auf meine Arbeit, die Erwartungen anderer oder Abgabetermine gab. Ich kämpfte einfach so gut es ging, behielt mein Bewusstsein im Hier und Jetzt und versuchte, so tief in mein Thema zu dringen, wie es nur ging.

Haben sich Deine Bilder im Laufe der Zeit in Sierra Leone verändert?

Ich bin mir nicht sicher, denn die Themen, die ich suche, bleiben in der Regel dieselben. Außerdem wurde alles mit analoger Ausrüstung aufgenommen, weshalb es schwierig für mich war, genau zu wissen, wohin ich wollte. Ich hatte jedoch das Gefühl, dass meine Bilder interessanter wurden, nachdem ich den Punkt erreicht hatte, an dem ich realisierte, dass ich keine Geschichte erzählen würde.

Ich begann, meinem Bauchgefühl zu vertrauen und hörte auf, mich mit Geschichten zu beschäftigen. Es hat lange gedauert, aber schließlich gelang es mir, meinen eigenen Rhythmus zu finden und gab mich all den aufgebrochenen Bildsequenzen in meinem Kopf hin, die ich noch nicht richtig sehen konnte.

Deine Bilder zeigen oft Portraits von Menschen, die viel erlebt haben. Viele tragen sichtbare Narben und sehen ernst in die Kamera. Wie bist Du in Kontakt mit den Menschen gekommen?

Diese Frage wurde mir schon ziemlich oft gestellt, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich die Antwort kenne. Alles, was ich sagen kann, ist, dass ich nie der Typ Fotograf war, der einfach irgendwo aufschlagen und die Filmrollen direkt eine nach der anderen durchschießen kann.

Ich denke, dass ich für eine Art der Dokumentarfotografie einstehe, in der es für mich wichtig ist, zumindest zu versuchen, zuerst eine Art Verbindung aufzubauen. Den Großteil meiner Zeit in Freetown verbrachte ich mit meiner Kamera fest in ihrer Tasche, nichts weiter tuend als rumhängen, ein bisschen Gras rauchen und mit Leuten sprechen. Das waren Elemente ihrer täglichen Routine und ich war nicht dort, um das zu ändern, sondern um daran beteiligt zu sein.

Außerdem reise ich auch nicht, um „Berichte“ zu machen. Ich reise, weil ich einen unerklärbaren Drang habe, Fremde kennenzulernen. Ich denke, dass ich mit einigen Menschen im Buch eine Art gemeinsame Basis aufbauen konnte, unserer offensichtlich kulturellen und wirtschafltichen Unterschiede zum Trotz. Ich fühlte, dass ich eine ganz einfache, grundlegende Form der menschenlichen Akzeptanz erreicht hatte.


Wie haben sie auf Deine Kamera reagiert?

Nunja, im Allgemeinen habe ich herausgefunden, dass die Menschen in Freetown sehr viel mehr im Hier und Jetzt leben als ich es normalerweise tue. Es gab keine Paranoia, die mit der Fotografie verbunden wird und niemand war besorgt, dass es ein unvorteilhaftes Foto mit seinem Tag auf Facebook geben würde. Stattdessen schienen sie den Vorgang des Bildermachens beinahe zu zelebrieren, was ich als wirklich erfrischend und als Privileg empfand, dort als Fotograf anwesend zu sein.

Bist Du auch mal in Schwierigkeiten geraten?

Ein paar Mal musste ich ziemlich schnell weg, wenn ich mich selbst in Situationen wiedergefunden habe, in denen ich nicht willkommen war und ein bisschen Geld wurde mir gestohlen, aber nichts wirklich Ernstes.

Das Frustrierendste war es für mich, als meine Anwesenheit als einziger weißer Typ begann, meinem Assistenten, einem Straßenjungen aus der Gegend, Probleme zu bereiten. Die Polizei hatte uns in der Stadt zusammen herumlaufen gesehen und fing an, ihn ohne einen Grund festzunehmen.

Sie wussten, dass er für mich und mein Projekt wichtig war, dass ich etwas Geld hatte und es nur eine Frage der Zeit war, bis ich auf der Polizeistation auftauchen und ihn freikaufen würde. Ich musste das also vier oder fünf Mal machen, es wurde ein wirklich dummes Spiel, wobei der Preis für die Freilassung natürlich mit jedem Mal größer wurde. Also, keine wirklichen Schwierigkeiten – nur ein paar wirklich korrupe Polizisten!

Im Buch gibt es Bilder, die man von einem Land erwarten würde, das vom Bürgerkrieg gezeichnet ist und der Großteil ist auch sehr dunkel gehalten. Warum hast du dich dazu entschieden, die Bilder so einseitig zu halten?

Ich denke nicht unbedingt, dass die Bilder einseitig sind, aber ich stimme zu, dass es da vielleicht eine gewisste Stimmung oder ein Gefühl gibt, das das ganze Ding zusammenhält. Es ist schwer zu erklären, warum man von bestimmten Dingen angezogen wird und ich denke, dass gerade diese Bilder genauso viel über meine eigene Psyche verraten wie über die Menschen, die ich portraitiert habe oder die Realität dieses Ortes.

Nun, da Dein Buch draußen ist, was kommt als Nächstes für Dich? Ich habe gesehen, dass du Mitglied bei der italienischen Fotojournalismus-Agentur Prospekt geworden bist. Gibt es ein paar Projekte in der Zukunft, über die Du schon ein bisschen was verraten kannst?

Ja, Prospekt ist eine großartige Plattform, um meine Arbeiten auszustellen, aber eigentlich versuche ich recht verzweifelt, dieses „Fotojournalist“-Etikett loszuwerden, dass ich mir scheinbar irgendwann erworben habe. Im Moment arbeite ich an einem anderen, ziemlich abstrakten Buchvorschlag, der hauptsächlich in London fotografiert wird.

Es ist ein Projekt, das ich anfing, bevor ich nach Afrika ging und es ist auf eine Art sehr herausfordernd, aber ich bin entschlossen, es fertigzustellen. Ich habe noch keinen Verleger dafür und in diesem Stadium kann ich noch nicht viel darüber sagen, außer dass ich mir vorstelle, dass es so eine Art Hommage an die Gemütsart eines verstorbenen Freundes von mir ist. Es ist noch viel Arbeit, aber ich kann eine kleine Vorschau geben, für die die interessiert sind.


Vielen Dank für das Interview, Kim.

Gern geschehen, es war mir ein Vergnügen. Ich danke Dir.

~

Wer Interesse an Kims Buch hat, kann es im dienacht-Shop erwerben.

“DEAD TRAFFIC” von Kim Thue
Hardcover, Leineneinband
Offset-Druck, 18 x 24 cm
96 Seiten + 12 Seiten mit einem ausführlichen Interview auf Englisch
Auflage: 1000 (nummeriert)
Preis: 24,90 Euro


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“Ich zeichne, wovon ich kein Foto machen kann und umgekehrt.” Im Gespräch mit Ekaterina Grigorieva

13 Dec

Ekaterina Grigorieva begeistert mich schon lange mit ihren verträumten, fantasievollen und sehr emotionalen Portraits. Viele ihrer Themen wie Zerbrechlichkeit und Verletzlichkeit von Mensch und Natur erkennt man in ihren Arbeiten ziemlich schnell.

Sie arbeitet in der Natur und im Studio und macht Künstlerportraits ebenso wie klassische Aktfotografie. Außerdem malt und zeichnet sie und setzt damit die Ideen um, die außerhalb ihrer fotografischen Möglichkeiten liegen. Im Gespräch erfahren wir mehr über diese und andere Aspekte ihrer Arbeit.

Hallo Ekaterina. Erst einmal danke, dass Du Dir Zeit für unser Interview genommen hast. Zuerst, erzähl uns doch mal ein bisschen über Dich: Wer bist Du, was machst Du?

Ich bin eine Fotografin und Grafik-Künstlerin und lebe in Moskau, Russland. In meinen Fotografien versuche ich, die menschliche Zerbrechlichkeit, innere Ruhe und Harmonie einzufangen. Denn ich glaube daran, dass der Protest gegen die Eitelkeit, Habgier und den allgemeinen Zeitmangel nicht ausgedrückt werden kann, indem man dem Publikum diese Dinge direkt demonstriert. Sehr wohl aber durch Schönheit.

Wie hat sich diese These als Grundlage Deiner Arbeit entwickelt, welche Erfahrungen hast Du gemacht, die Dich dazu geführt haben?

Ich weiß wirklich nicht, ob es nur eine Begebenheit war, die mich dorthin geleitet hat. Meine Wahrnehmung der Fotografie und wie ich sie benutze, hat sich durch eine Vielzahl von Faktoren geformt: Das Leben, das ich lebe; die Bücher, die ich lese; die Menschen, die ich treffe und vieles mehr.

Für mich ist die Moderne Kunst vollkommen belanglos. Wegen der Tatsache, dass sie exakt die Dinge demonstriert, gegen die sie sich eigentlich richtet. Aber wenn man etwas sieht, das wahrhaft schön ist, kann es irgendwie einen selbst und die eigenen Gedanken positiv beeinflussen.

Ein Einfluss war das Ballettstück “Por Vos Muero” von Nacho Duato. Die reine Schönheit der altertümlichen spanischen Musik des 15. und 16. Jahrhunderts. Diese Poesie und die Bewegungen inspirierten mich dazu, klare, einfühlende Portraits mit Schwarzweiß-Film zu machen.

Du bist nicht nur Fotografin, sondern auch Malerin und Zeichnerin. Was haben diese Ausdrucksweisen für Dich gemeinsam und wo sind sie gegensätzlich? Wann machst Du ein Foto und wann nimmst Du lieber einen Pinsel oder Stift zur Hand?

Der hauptsächliche Unterschied zwischen Kunst und Fotografie ist für mich, dass Fotografien mehr äußeren Einflüssen ausgesetzt sind. Die Stimmung wird durch das Zusammenwirken zweier Menschen kreiert – Fotograf und Modell. Darum erscheint mir Fotografie so viel schwieriger, obwohl man die ersten Resultate damit sehr viel schneller und einfacher erreichen kann.

Meine Aufgabe ist es dann nicht nur, dem Betrachter einen Blick auf die innere Welt des Modells zu ermöglichen, sondern auch, mich selbst nicht zu verlieren. Während ich im Falle von Zeichnungen oder Malereien immer mit mir selbst, meinen Gedanken und dem leeren Blatt Papier allein sein werde. In der Fotografie ist die Liste immer schon mit Informationen gefüllt, von der man die unnötigen Details wieder streichen muss.

Wie ich entscheide, wie ich mich ausdrücke: Ich zeichne, wovon ich kein Foto machen kann und umgekehrt. Es gibt Dinge, die man visuell nur auf dem Papier ausdrücken kann, die zu magisch und zu allegorisch sind. Für diese Dinge gibt es einfach keinen Platz in der Realität.

Aber ich hoffe sehr, dass ich im Laufe der Zeit und meiner weiteren fotografischen Entwicklung meine Fotos so werde gestalten können, dass sie meinen Zeichnungen näher kommen. Im Moment bereite ich ein fotografisches Projekt vor, das viel mehr eine Art Kunst-Fotografie ist als die Portraits, die ich normalerweise fotografiere.

Hast Du schon eine Stimmung oder das komplette Bild im Geiste, bevor Du ein Foto machst? Oder bist Du spontan, wenn Du mit Deinen Modellen arbeitest?

Manchmal planen wir, wie die Fotoserie aussehen könnte. Zum Beispiel, wenn wir gemeinsam mit einer Visagistin oder einem Designer arbeiten, dann denke ich über passendes Licht, einen geeigneten Ort und solche Dinge nach, sodass ich mir die fertigen Fotos beinahe vorstellen kann.

Wenn es ein ruhiges Portraitshooting ist, versuche ich, mich selbst nicht zu begrenzen, spontan zu sein und einfach dem Modell zuzusehen, wie es sich bewegt und irgendetwas tut. Aber ich entwerfe in meinem Kopf immer eine Stimmung, indem ich Musik oder so etwas benutze und dann versuche, sie auf das Modell zu übertragen.

Was inspiriert Dich, lässt Ideen in Dir entstehen?

Inspiration kann von überall herkommen, seien es Fetzen einer Unterhaltung oder ein Spaziergang im Wald. Meiner Meinung nach wird die Inspiration immer in Deinem Inneren sein, wenn Du die Welt interessiert betrachtest, fasziniert von den kleinen Dingen, Du einen guten Schlaf hast und ein volles Leben lebst.

Aber es ist wichtig zu verstehen, dass im Kontrast zur kreativen Arbeit bei Auftragsarbeiten die Inspiration nicht von selbst entspringen kann. Dann muss man lernen, sie in sich selbst zu erschaffen.

Vor einer fotografischen Aufgabe sitze ich oft für eine Weile allein und höre Musik, die ich mit der Szene, die ich einfangen will, assoziieren kann. Ich ziehe die Bilder, die in meinem Kopf dadurch entstehen, heraus und versuche, sie in Einklang mit dem zu bringen, was ich vorhabe.

Assoziationen können auch oft nützlich sein. Umso unerwarteter sie sind, desto besser sind sie. Zum Beispiel setzte ich einmal das Licht und dachte einen Moment lang, dass die Lichtflecken auf dem Hintergrund Papierkranichen sehr ähnlich wären. Ich zeichnete daraufhin eine ganze Serie von Assoziationen, die Auswirkungen auf die Stimmung und den visuellen Endzustand der Fotos hatten.

Gibt es bestimmte Themen in Deinen Arbeiten, die immer wieder auftauchen?

Ja, davon gibt es ein paar. Themen wie die menschliche Verletzbarkeit und die Zerbrechlichkeit der Natur. Und was die visuelle Seite der Fotografie angeht, verwende ich sehr oft Wind in meinen Bildern.

Abgesehen davon, dass es mehr Dynamik und Bewegung hineinbringt, fühlen sich Menschen oft beruhigt, wenn sie diese Fotos ansehen. Und ich denke, dass Gemütsruhe heutzutage etwas sehr Wichtiges ist. Es gibt auch viele Bäume in meinen Fotos und Bildern, ich mag das Grafische an den Zweigen der Bäume.

Ganz schön viel Natur – was ist Deine persönliche Verbindung zu ihr?

Ich denke, das kommt vom Leben in der Großstadt. Dadurch nehme ich die majestätische Schönheit und Stille der Natur sehr viel schärfer wahr. Und mir scheint, dass ich als Fotografin versuche, durch meine Arbeiten zu transportieren, was mir im Leben fehlt und was bestimmte Emotionen hervorruft.

In meiner Kindheit habe ich auch viel Zeit nahe am Wald verbracht und ich erinnere mich an das Flussufer bei Nacht, den Klang der Bäume vor einem Gewitter und das Geraschel der Blätter unter den Füßen beim Laufen. Diese Erinnerungen sind für mich einige der wärmsten.

Was sind Deine künstlerischen Ziele und Träume?

Ich wünsche mir, dass ich ein paar Portraits machen werde, die weltbekannt werden. Und ich hoffe auch, dass mein Projekt über kreative Menschen auch allgemein bekannte, interessante Menschen beinhalten wird, die ich immer schon einmal treffen wollte und auch solche, von denen ich noch nicht gehört habe. Es bedeutet mir sehr viel, Menschen kennenzulernen, Erfahrungen und Inspirationen mit ihnen auszutauschen.

Außerdem habe ich eine neue Kunstserie in Planung, die Kindheitserinnerungen gewidmet sein wird. Vielleicht Fotografien, begleitet von einem Kurzfilm. Ich hoffe, dass die Bilder in meinem Kopf in der nahen Zukunft schon Realität werden.

Na, dann wünsche ich Dir, dass all diese Träume für Dich wahr werden und freue mich schon darauf, von diesen vielversprechenden Ideen eines Tages die ersten Bilder zu sehen.

Vielen Dank für das Interview, Ekaterina!

~

Ekaterinas Arbeiten könnt Ihr via Flickr, 500px oder Google+ verfolgen.

Das Interview habe ich mit Ekaterina auf Englisch geführt und anschließend übersetzt.


KWERFELDEIN | Fotografie Magazin

 
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Nähe und Zärtlichkeit. Im Gespräch mit Hannah Albrecht

28 Nov


Teil der Serie “Tenderness”

“Nicht die technischen Details und das sogenannte Perfekte interessieren mich an der Fotografie, sondern ganz allein die Möglichkeit, etwas zu „gebären“, etwas von sich selbst auszudrücken und, gepaart mit Erinnerungen, neu in die Welt zu bringen.”

Hannah Albrecht, 20 Jahre alt und aufgewachsen in der Nähe des Neckars, wohnt nun an der Saale. Vom Wunsch, die Fotografie zum Beruf zu machen abgekommen, studiert sie nun Kultur- und Medienpädagogik.

In diesem Jahr hatte sie ihre erste Ausstellung mit einer kleinen Serie. Davon ausgehend haben wir uns zu einem Gespräch getroffen um mehr darüber und sie selbst erfahren.

Für die Serie Tenderness hast Du analoge und digitale Technik benutzt. Kannst Du uns ein bisschen mehr darüber erzählen?

Die analoge Technik wirkt auf mich momentan tiefer, sie ist nicht kurzfristig und hat mehr Gewicht in ihrer Ausführung. Jedoch ist auch sie nur eine Möglichkeit von vielen etwas zu verbildlichen, was in mir selbst ist.

In der digitalen Technik und der digitalen Nachbearbeitung habe ich dazu noch die Möglichkeit, Stimmungen zu beeinflussen und herauszuarbeiten. Beides erschien mir für die Serie sinnvoll. Aber die Fotografie bleibt nur Mittel dabei.


Teil der Serie “Tenderness”

Du hast Dich mit zwei Mädchen für die Serie getroffen, die beiden waren Dir nicht unbekannt. Hattest Du ein festes Konzept oder Bild im Kopf?

Nein, ich hatte eine Ahnung oder nennen wir es: Ein Gefühl. Von diesem Gefühl ausgehend haben wir uns alle drei, also ich und die beiden Freundinnen, vorangetastet. Das Gefühl war jedoch nur abstrakt vorhanden. Ich habe versucht, dessen Magie und Zauber in mir zu bewahren und in den Bildern zu transportieren. Als Oberbegriffe galten „Zärtlichkeit“ und „Nähe“.

Die Bilder wirken sehr nah und intim. Aber ich könnte mir vorstellen, dass es auch andere Ansichten und Gefühle der Betrachter gibt als nur die Assoziation „Zärtlichkeit“. Wie gehst Du damit um, wenn die Bilder mehr transportieren als das, was Du aussagen wolltest?

Natürlich steht jedem seine eigene Interpretation frei. Das ist gut und ganz natürlich und nur so kann ein Dialog entstehen. Auch wenn ich dies nicht vorrangig intendierte, schwingt bei diesen Bildern natürlich eine jugendliche, vielleicht neugierige Sexualität mit. Für mich war aber dieses darüber hinausgehende, innige Gefühl von Zärtlichkeit wichtiger als plakative Nacktheit.

Waren in der Ausstellung auch noch andere Künstler vertreten?

Ja, die Ausstellung war auch nicht nur auf den Bereich Fotografie beschränkt. Es gab auch Grafiken und Malereien, alle dem Thema der „Nacktheit“ gewidmet. Ich habe Menschen getroffen, die davon leben, ihre Werke zu verkaufen. Für meinen Teil möchte ich mit der Fotografie nicht meinen Lebensunterhalt verdienen müssen.

Warum?

Jenes „dahinter“, das, was wir nur erahnen, fühlen und erdulden, ist größer als ein Geschäft. Bilder könnte ich nicht zwanghaft, unter Zeit- oder Erwartungsdruck hervorbringen. Der Begriff des Künstlers kommt mir zudem heutzutage so sang- und klanglos vor, fast wie ein Statussymbol, mit dem man sich schmückt.

Du hattest mal vor, Fotografie zu studieren und bist aus bereits genannten Gründen wieder davon abgekommen. Was bedeutet für Dich Fotografie heute?

In Anbetracht der Welt bin ich manchmal bang und sehnsüchtig, voller Ehrfurcht und Erfülltheit. Wenn es keine Worte gibt, um sich auszudrücken, gibt es andere Möglichkeiten. Die Fotografie ist eine davon.

Es fällt mir schwer, eine umfassende Antwort zu finden, aber ein Zitat von Gottfried Benn beschreibt vielleicht ganz gut was ich meine, ohne viele Worte zu verlieren: “[…] die Kunst war nichts anderes, als sich eine Methode zu schaffen, um die Erfahrungen des tiefen Menschen zur Sprache zu bringen, in ihr nur fand er Stillung und Laut.”

Welchen künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten, außer der Fotografie, gehst Du noch nach?

Manchmal entstehen Wortgeflechte, Aneinanderreihungen von Gedanken und Erinnerungen. Größtenteils geht es mir gerade aber so, dass der Ausdruck dem eigentlichen Eindruck nur selten gerecht werden kann. So hatte ich beispielsweise die letzten Male auf Reisen nur mich selbst dabei, keine Kamera. Habe alles betrachtet, geatmet und in mich aufgesogen.

Frei übersetzt hieße das, um sich künstlerisch auszdrücken, muss sich bei Dir erst wieder etwas aufladen, Eindrücke eingesogen werden bis Du das Gefühl hast, dass sie von selbst wieder hinauswollen?

Genau.

Kurz und bündig. So lieben wir das!


KWERFELDEIN | Fotografie Magazin

 
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Im Gespräch mit Sven Korejtko

08 Aug
Marc von Martial, der das folgende Interview führte lebt in seiner Wahlheimat Bonn am Rhein und arbeitet seit nunmehr 10 Jahren als Grafik Designer. Die Fotografie beschäftigt Marc sowohl digital und analog. Mit einem Faible für Portraits, Street und allem Ungewöhnlichen. Bilder von Marc gibt es hier und auf seinem Fotoblog „the hometrail“.

Über die Arbeiten von Sven Korejtko bin ich vor circa drei Jahren bei der Fotocommunity gestoßen und war sofort begeistert von seinen wundervollen Portraits. Das Sven sogar in der Nähe wohnt, fand ich um so toller, ein lokaler Fotograf dessen Arbeiten mich schwer begeistern, perfekt. Da KWERFELDEIN mit Sven ein Interview führen wollte, durfte ich mich mit ihm um die Ecke treffen.

Hi Sven, toll, dass du Zeit für ein Interview hast. Stell dich doch bitte den Lesern einmal kurz vor.

Mein Name ist Sven Korejtko und ich bin 36 Jahre alt. Ich lebe, arbeite (und sterbe vermutlich) in Siegburg, das zwischen Köln und Bonn liegt. Ein Städtchen so unspektakulär und unaufgeregt wie unzählig viele. Meinen Lebensunterhalt verdiene ich als Krankenpfleger auf einer Intensivstation. Das Beste von mir sind meine beiden kleinen Kinder und meine Frau Eli, die mich nunmehr 18 Jahren zu ertragen vermag. 😉

Du arbeitest also in einem Beruf, den man nicht unbedingt mit der Fotografie verknüpft. Erzählst uns, wie du zur Fotografie gelangt bist?

Es gibt ein Video auf Youtube, auf dem sich eine Person über einen Zeitraum immer nach dem Aufstehen fotografiert hatte. Das fand ich riesig und wollte es einfach mit mir kopieren. Also, ab in den Laden und ne Kamera gekauft und das Ganze eine Woche durchgehalten. Jetzt kann ich darüber schmunzeln…..und das Video find ich inzwischen auch langweilig.

Dass du dich erst mal mit Selbstportraits beschäftigt hast, was denkst du, hat dir das geholfen auf deinem Weg zu den fantastischen Portraits, die du nun von anderen Menschen machst?

Ja vielleicht, denn meine Selfs waren Schrott. Wirklich geholfen hat die Möglichkeit der Geselligkeit! Ich schnacke gerne mit meinem zu fotografierenden Gegenüber. Zudem ist man dabei ein Voyeur der Mimik und Details und darf das auch ungeniert so zeigen. Das ist eine indirekte Aufdringlichkeit, die man sich nur mit der Kamera vor dem Auge erlauben darf.

Dieser Reiz erschloss sich mir aber erst nach und nach. Zudem denke ich, dass meine Grundschulfähigkeiten im Zeichnen und Malen ein guter Grund waren, das Fotografieren zu wählen und anfängliche Misserfolge zu verkraften.

Indirekte Aufdringlichkeit. Solch eindringliche und sehr natürlich wirkende Portraits kann man schlecht stellen oder vortäuschen. Kennst du alle deine Models schon vorher persönlich? Erkläre uns einmal in wenigen Worten, wie so ein Shooting bei dir abläuft?

Einen Ablauf als feste Organisation gibt es gar nicht. Es beginnt fast immer mit einem Kaffee und einem netten Plausch. Je entspannter die Atmosphäre ist, umso besser werden diese nachher. Denn nur wenn es eine beidseitige Sympathie und gegenseitiges Vertrauen gibt, gelingt es etwas Ausdrucksstarkes zu schaffen. Das Licht ist mir da genauso egal, wie der Ort. Man kann überall vernünftige Bilder machen und auch unter jedem Licht!

Jede erdenkliche Ecke an der Straße bietet einem unzählige Möglichkeiten und oft mehr, als ein Studio. Jede Person lässt sich unter der schlimmsten Kunstlichtfunzel fantastisch fotografieren, wenn diese einfach eine entspannte und angenehme Position für sich gefunden hat. Denn wer mal versucht hat, eine durch den Sucher erkennbar gelungene Situation oder Pose unter besserem Licht zu reproduzieren, wird vermutlich gescheitert sein. Das klingt zwar alles sehr bequem, und das ist es auch.

Bequem? Nicht jedem liegt das, würde ich sagen. Die Verführung sich Vieles durch Technik oder bestehende Abläufe abnehmen zu lassen ist doch oft vorhanden. Apropos Technik. Analog oder digital, oder beides, oder egal?

Ich habe zwar noch analoge Kameras und mag gelegentlich auch die Überraschung bei der Entwicklung, aber richtig analog ist das auch nicht mehr bei mir. Aber vermutlich ist auch von den analogen Freunden kaum noch jemand wirklich rein analog unterwegs.
Aktuell bin ich fast ausschließlich digital unterwegs.

Die verklärte Romantik der analogen Fotografie wird nämlich spätestens nach dem Scan ruiniert! Dann finden sich die gescannten Dateien ja doch in einem Bildbearbeitungsprogramm eines schicken Macbooks wieder, statt auf Baryt nach einer Kalttonentwicklung. Da wird die digitale Schönheitschirurgie praktiziert und retuschiert, bis vom Original nicht viel übrig ist. Von daher gibt es das rein Analoge kaum mehr!

Wenn ich mir aber Bilder ansehe, die in mir etwas auslösen, dann ist es mir egal ob analog, digital, ob mit Pinsel oder Bleistift.

Verrätst du uns noch, wo du Inspiration für deine Fotos findest? Gibt es Fotografen und Künstler, die dich besonders inspirieren?

Es gibt so viele FotografInnen und KünstlerInnen, die ich bewundere und für ihr Talent zum Sehen bestaune. Aber Quell der Inspiration ist eher das vermittelte Gefühl auf ihren Bildern, als die Art der Entstehung.

Denn ein „gefällt mir“ Button ist schnell gedrückt und gegebenenfalls noch der Hinweis, dass das Bild superscharf geworden ist. Aber wenn sich die Auseinandersetzung mit der Aufnahme darauf beschränkt, habe ich etwas falsch gemacht. Wenn man aber mehr dazu zu sagen vermag, oder eventuell meine Intention hinter der Aufnahme gesehen hat, bin ich sehr zufrieden.

Dir ist das vermittelte Gefühl auf Fotografien wichtig, vorhin erwähntest du das für dich eine entspannte Atmosphäre wichtig für bessere Portraits ist. Versuchst du die Art der Entspannung oder Atmosphäre zu lenken um ein gewisses Endresultat zur erzielen oder lässt du dich hier gerne überraschen?

Es läuft zumindest keine Karnevalsmusik im Hintergrund. Ansonsten versuche ich schon die Atmosphäre zu lenken. Mein Gegenüber aber mit Sicherheit auch! Es ist eine Kooperation, die unverzichtbar ist. Denn überraschen lasse ich mich nicht so gerne. Ansonsten müsste ich bei einem Shooting 300 Bilder, oder noch mehr knipsen. Und dann wäre es eine Frage des Zufalls, ob etwas Gutes entstanden ist.

Der Zufall, oder die Überraschung würde mir sicher ein paar gute Bilder schenken, aber doch unbeabsichtigt und nicht gewollt. Das ich gerne digital fotografiere bedeutet ja nicht, inflationär mit dem Medium umgehen zu müssen.

Es mag viele FotografInnen geben, die so porträtieren, wie sie ihren Urlaub fotografieren. Da werden Fotos gemacht, wie Fischstäbchen auf dem Fließband. Die landen dann zu Hause auf dem Rechner mit maximal zwei Sekunden Beachtung beim Sortieren und sind dann einfach ungenutzt da. Mit Glück finden 1%-2% dann doch noch den Weg zu einem Abzug, oder in den Facebook-Ordner „Urlaub“.

Diese Herangehensweise ist zwar gegebenenfalls effektiv um gute Resultate zu erzielen, aber ich schaffe es so nicht an mein Ziel zu kommen. Was aber auch daran liegt, dass ich gerne meine alten Objektive mit manueller Fokussierung verwende. Das zwingt einen zu einer bedachteren Arbeitsweise. Ob diese Arbeitsweise aber besser ist, mag ich nicht beurteilen. Dafür gibt es einfach eine Mehrzahl an FotografInnen, die aus der Hüfte verblüffende bis hin zu beneidenswerten Fotografien zaubern.

Frage zum Abschluss: Gibt es etwas, dass du unseren Lesern als fotografischen Tipp mit auf den Weg geben willst? Etwas das dir besonders auf dem Herzen liegt; was den Umgang mit Menschen in der Fotografie angeht?

Puhhh….das ist sehr schwer! Mir ist einfach wichtig, dass ich das Porträtieren als ein Miteinander verstehe, das auf Respekt und Freude aufbaut. Und die Freude daran sollte niemals durch den Wunsch nach dem perfekten Bild zerstört werden, in dem man sich und sein Gegenüber zu arg strapaziert!

Ein Bild muss einem einfach selbst gefallen, unabhängig vom Bildschnitt und der viel beschworenen Schärfe auf den Punkt. Zuerst einmal sind die Aufnahmen ja für einen selbst und für die porträtierte Person und nicht für andere Personen im www. Dann wird einem das Porträtieren auch auf Dauer Freude bereiten und man wird dabei Stück für Stück mit gesundem Selbstbewusstsein den eigenen Stil finden.


KWERFELDEIN | Fotografie Magazin

 
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