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Im Gespräch mit Ezgi Polat

28 Nov

Ein Beitrag von: Normen Gadiel

Ezgi Polat, die 22-jährige Berliner Fotografiestudentin, versteht es, Inszenierung und Natürlichkeit miteinander zu verbinden. Ihre Fotografien wirken dabei wie eine Hommage an den Moment. Natürlichkeit und Moment, zwei wunderbare Begriffe für die Fotografie. Was es dafür braucht, erzählte sie mir im folgenden Interview.

Hallo Ezgi. „Die Fotografie ist ein Medium für leichteren Zugang zu
fremden Menschen.“ Würdest Du dem zustimmen?

Es kommt darauf an, welche Menschen damit gemeint sind und wie man den Begriff „Zugang“ in dem Zusammenhang definiert. Wenn es darum geht, fremde Menschen zu fotografieren, kann es durchaus leicht sein, mit jemandem in Kontakt zu treten.

Das heißt aber nicht, dass Du gleich Zugang zu der Person hast. Für mich bedeutet es, dass Du jemanden kennenlernst, dieser Person sowohl mental als auch körperlich näher kommst, sei es mit der Kamera oder wenn Du kurz die Kleidung zurechtrückst, die Haare nach hinten streichst. Daher finde ich es manchmal auch relativ schwierig, aber genau das macht es auch so interessant.

Dann gibt es die Menschen, die von Deiner Arbeit fasziniert sind und auf dich zukommen, das ist wohl der einfachste Weg und auch sehr schön, da ich es sehr schätze, wenn mir andere ihre Meinung sagen und mich kennenlernen wollen.
Für mich steht jedenfalls fest, dass die Fotografie in vielerlei Hinsicht ein gutes Medium ist, um neue Kontakte zu knüpfen. Das verbinde ich dann aber eher damit, dass die Kunst, egal in welcher Form, oft für Aufmerksamkeit und Interesse sorgt.

Viele Deiner Fotos zeigen eine Mischung aus Alltag und Erotik. Wie
bist Du zu dieser Art der Fotografie gekommen?

Den Übergang habe ich selbst nicht so ganz mitbekommen. Es fing damit an, dass ich immer wieder mein Umfeld fotografierte, die Kamera war ständig dabei. Das fing vor zirka sieben Jahren an, wobei ich es schon als Kind gewohnt war, zu fotografieren. Dabei kam es mir nicht oft in den Sinn, fremde Menschen vor die Kamera zu stellen.

Mir war es sehr wichtig, dass die Momente authentisch wirkten und die alltäglichen Situationen nicht gebrochen wurden. Irgendwann gewöhnten sich meine Freunde daran, öffneten sich mehr, die Fotos wurden intimer und somit auch der Umgang mit der Fotografie.

Bis der Zeitpunkt kam, an dem ich sehr oft mit fremden Menschen arbeitete und merkte, dass mir die Körpersprache viel bedeutet und ich den Alltag und die gewohnten Situationen nicht missen möchte.

Wie entstehen Ideen bei Dir und wer sind Deine persönlichen Helden?

Meistens entstehen diese spontan und der Moment zählt. Was man daraus macht, ist wichtig und nicht, was ich unbedingt umsetzen möchte.

Die Umgebung, das Licht und vor allem die Person, ihre Bewegungen und die Gemütslage stehen im Vordergrund. Worte, die währenddessen fallen, dass ich dadurch versuche, auf jemanden einzugehen und nicht einen Menschen in eine bestimmte Situationen zwänge, in der er sich vielleicht gar nicht wohlfühlt.

Ich mache mir meistens erst dann Gedanken, wenn ich weiß, wen ich fotografiere. Dann kommen auch Ideen, die ich gern in Szene setze.

Ich habe keine Helden, eher ist es eine Art Bewunderung bei Nan Goldin und Francesca Woodman, deren Arbeiten bei mir immer für Faszination gesorgt haben und es immer noch tun. Mich inspiriert Musik jedoch viel mehr als andere Fotografien. Sie schafft es immer, mich in einen ganz andere Stimmung zu versetzen.

Wenn ich an Ideen sitze, darf die passende Melodie im Hintergrund nicht fehlen.

Gibt es mal abgesehen von Kamera und Film etwas Essentielles, ohne das
Du nicht arbeiten könntest?

Es gibt nichts Materielles, meine Kamera und Filme reichen mir da aus. Jedoch könnte ich nicht gut arbeiten, wenn es zwischenmenschlich nicht funktionieren würde. Ich mag es nicht, wenn es nur um das „Ablichten“ geht und man keine Gespräche führt. So entstehen auch keine guten Fotos für mich.

Wenn ich aber den Draht zu jemandem finde und die Person sich neben mir wohlfühlt, werden meine Arbeiten auch besser. Für mich hat das viel mit Empathie zu tun.

Hast Du schon Pläne für die Zeit nach dem Studium?

Nach meinem Studium, also nächstes Jahr, werde ich wahrscheinlich Berlin für eine gewisse Zeit verlassen. Ich möchte mehr sehen, andere Kulturen erleben, mein Blickfeld erweitern, mit anderen Menschen arbeiten und vor allem viel fotografieren.

Die Vielfalt gibt es zwar auch in Deutschland, doch mit dem Alltag verbunden, ist es manchmal etwas schwierig, sowohl Inspiration als auch Motivation für gewisse Sachen zu schöpfen. Pläne sind jedoch überbewertet, ich werde schauen, was auf mich zukommt, und mich gern leiten lassen.

Wie entsteht bei Dir der Kontakt zu den fremden Modellen? Kommen die Leute auf Dich zu, sprichst Du sie auf der Straße an oder gehst Du den Weg über Agenturen?

In dieser Stadt finde ich es so schön, dass es unglaublich viele verschiedene, interessante Gesichter gibt. Das merke ich jeden Tag – auf dem Weg zur Arbeit, in der U-Bahn, im Supermarkt – es sind genau die Alltäglichkeiten, in denen die Menschen natürlich wirken und in denen ich liebend gern beobachte.

Es passiert oft, dass ich jemanden ansprechen möchte, doch fühlt es sich in dem Augenblick dann doch nicht richtig an. Für mich zählt die Atmosphäre, es ist was anderes, wenn man zum Beispiel in einem Café oder in einer Bar sitzt und auf jemanden zugeht, die Zeit hat, statt kurz und hektisch auf der Straße die Visitenkarte zu zücken.

Das Internet bietet ebenfalls gute Möglichkeiten, da stoße ich manchmal auf Menschen, die ich anschreibe und man trifft sich auf eine Tasse Kaffee oder abends auf ein Bier, bevor es mit den Fotos zustande kommt. Mich schreiben auch einige an, jedoch könnte das auch ruhig etwas offensiver sein, da sich viele dann nicht trauen zu fragen und auf meine Anfrage warten.

Ich arbeite viel lieber mit Personen, die etwas Eigenes haben, nicht sofort wegen ihrer Äußerlichkeiten auffallen, auf ihre Art schön sind und nicht irgendwelche Ideale erfüllen. Über Agenturen finde ich es manchmal genau deshalb schwierig, da die Arbeitsweise eine andere ist, aber ich hatte da sowohl gute als auch schlechte Erfahrungen.

Wie sieht es bei Dir mit der Entwicklung der Filme aus? Machst Du das lieber selbst oder lässt Du sie in einem Labor entwickeln?

Mittlerweile gebe ich die Filme immer ab, da es Zeitaufwand bedeutet, wenn man sie selbst entwickelt. Doch habe ich mir für diesen Winter vorgenommen, wieder ab und an ins Labor zu gehen. Ich mag das Gefühl, sich in der Kälte zurückzuziehen und auf die Negative und Abzüge zu konzentrieren.

Das kann sehr beruhigend sein. Die Zeit verfliegt so schnell, da man sich jedes Mal wundert, wie spät es schon geworden ist. Am Ende des Tages ist man auch stolz auf die eigene Arbeit.

Vielen Dank für das Interview und noch viel Spaß und Erfolg im Studium.


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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