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The walking series – ein iPhone-Projekt

31 Jul

Ein Beitrag von: Martina Woll

Die Idee zu diesem Projekt kam mir genau am 19. September 2012, während der Arbeit. Ich bin Angestellte in einem kleinen Büro. Manchmal bin ich eine Weile allei und wenn ich meine Arbeit erledigt habe, schlendere ich mit meinem iPhone in der Hand durch die Büroräume auf der Suche nach Motiven.

Dann fotografiere ich zum Beispiel Büroutensilien wie Stifte, Klammern, Stempel oder auch die Schränke, Teppiche, Fenster, Jalousien, meine Kaffeetasse oder meine im Wartezimmer ausgestellten Fotos. Da das aber mit der Zeit langweilig wird, weil man ja nicht jede Woche neue Büroutensilien oder Mobiliar bekommt, stehe ich auch ganz gern mal am Fenster und beobachte, was draußen auf der Straße passiert.

© Martina Woll

Unser Büro liegt in einer kleinen Seitenstraße parallel zu einer vielbefahrenen Straße, die in die Innenstadt führt. Direkt neben dem Haus ist eine kleine T-Kreuzung, in der Nähe befinden sich Berufsschulen, ein Studentenwohnheim, ein TÜV, ein Erotikdiscounter, der Drogenstrich und um drei Ecken auch der Hauptbahnhof. Es ist also eigentlich immer was los und es laufen die unterschiedlichsten Typen Mensch vorbei.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich ein Renovierungsdiscounter. Vom Bürofenster meines Chefs aus kann ich die seitliche Hauswand des Discounters sehen, davor die Straße mit Bürgersteig, auf dem die Menschen vorbei gehen. Die Wand des Discounters ist mit Aluminium-Wellblech und einem kleinen Anbau versehen, was eine schöne grafische Wirkung hat, wie ich finde.

Dazu steht vor dem Fenster des Büros ein großer Baum, dessen Äste und Blätter ins Bild hineinragen und ihm einen ansprechenden Rahmen geben. So stand ich also an jenem Septembertag am Fenster im Büro meines Chefs und beobachtete das Treiben vor dem Haus. Das geht natürlich nur, wenn mein Chef nicht da ist, was aber meistens vormittags der Fall ist.

© Martina Woll

Ich fotografierte wieder einmal die Fassade, als eine Person durchs Bild lief. Da traf es mich wie ein Blitz und mir kam die Idee, doch einfach die Menschen, die an dieser Fassade vorbei gehen, zu fotografieren und gleich eine Serie daraus zu machen. Ein wahrer Geistesblitz und das nach sieben(!) Jahren, die ich bis dahin in diesem Büro arbeitete.

Zunächst hatte ich mich nicht wirklich auf einen bestimmten Bildschnitt festgelegt und habe die Leute immer grade da fotografiert, wo ich sie entdeckte. Die Idee, nur einen ganz speziellen Bildausschnitt zu verwenden, kam mir erst nach einer Weile, als ich einen gewissen Blick für die Szenerie entwickelt hatte.

Der Titel der Serie ist eigentlich auch nicht ganz richtig. Wollte ich anfangs nur die Menschen fotografieren, die durchs Bild gingen, wurde mir schnell klar, dass ich doch gern alles, was in diesem Bildausschnitt passiert, für die Serie festhalten wollte, also auch Radfahrer, Autos, LKWs, Tiere. Der Grundgedanke war aber, die vorbeigehenden Menschen zu fotografieren, weshalb ich den Namen „the walking series“ beibehalten werde.

© Martina Woll

Nach einer kleinen Weile entschied ich mich also für einen Bildausschnitt vom Lüftungsschacht links neben dem Anbau bis hin zu diesem Fleck in der Fassade rechts im Bild, um eine Konstante reinzubringen. Das gelingt natürlich nicht immer, weil die Kamera vielleicht nicht schnell genug scharf stellt oder die Person zu schnell durchs Bild läuft.

Generell ist alles, was schneller als Schrittgeschwindigkeit ist, eine Herausforderung, denn meine Sicht aus dem Fenster ist begrenzt und ich sehe nicht wirklich, was von links oder rechts angerauscht kommt. Ich habe nur einen Bruchteil einer Sekunde Zeit, das Bild zu machen.

Dann gibt es auch ganz unglückliche Momente, wenn ich etwa die Kamera kurz herunter nehme, weil mir der Arm vom minutenlangen Hochhalten – um nichts zu verpassen – weh tut und just in diesem Moment etwas passiert. So rollte kürzlich ein Junge auf einem Skateboard vorbei, gerade als ich die Kamera vom Fenster wegnahm und nicht mehr schnell genug reagieren konnte.

© Martina Woll

Sehr ärgerlich, denn einen Skateboarder habe ich noch nicht in meiner Serie! Ich möchte nämlich gern alles Mögliche in meiner Serie vereinen. Ein schickes Auto, ein interessanter Fußgänger, Radfahrer, LKW-Fahrer, die Müllmänner, den Postboten, Schulkinder, Rentner, Gassi-Geher, die „Prostituierte von nebenan“ … einfach von allem etwas.

Es gehört sehr viel Glück dazu, gerade in dem Moment am Fenster zu stehen, in dem etwas Interessantes passiert. Und natürlich stehe ich nicht den ganzen Tag am Fenster, ein wenig arbeiten muss ich „zwischendurch“ ja auch noch. Es sind vielleicht ein paar Minuten am Stück, manchmal auch mehrere Male über den Tag verteilt, die ich am Fenster auf Motive warte.

Wer weiß, was ich alles verpasse, wenn ich an meinem eigenen Schreibtisch sitze, mit wunderschönem Panoramablick auf unseren Aktenschrank. Ich hatte schon überlegt, meinen Chef zu fragen, ob wir die Büros tauschen, aber dann arbeite ich womöglich gar nicht mehr.

Ganz hibbelig werde ich, wenn mich mein Chef zu sich ins Büro zitiert und ich dann mit Blick zum Fenster vor seinem Schreibtisch stehe. In einem solchen Moment habe ich dann natürlich kein iPhone in der Hand und wie das Leben so spielt, passiert oft ausgerechnet dann etwas Sehenswertes.

© Martina Woll

Anderseits könnte ich meinem Chef auch von der Serie erzählen. Ich denke nicht, dass er ein Problem damit hätte, wenn ich während der Besprechung dann mal kurz ans Fenster springe und ein Foto mache.

Aber zurück zur Serie. An sich mag ich es am liebsten, wenn es bewölkt ist, dann sind die Lichter und Schatten im Bild nicht zu hart und man kann sich ganz der Person oder dem Geschehen im Bild widmen. Aber auch Sonnenschein und der dadurch entstehende Schatten des Baumes an der Fassade haben durchaus ihren Reiz! Man kann dann schöne „Such-Bilder“ zaubern.

Die Bildqualität des iPhones ist leider nicht so optimal, erst recht nicht, weil ich für den gewünschten Bildschnitt ein wenig Zoomen muss. Bei Sonnenschein oder bewölktem Himmel geht es noch, schlimm wird es schlechten Lichtverhältnissen wie etwa bei Regen oder frühabendlicher Dämmerung in den Wintermonaten.

© Martina Woll

Da muss ich dann leider mit einem Qualitätsverlust leben. Die Schärfe verrutscht auch des Öfteren mal, weil die Kamera gern auf den ins Bild ragenden Ast scharf stellt, statt auf die Fassade dahinter. Manch einer wird sich jetzt sicher fragen, warum ich dann nicht einfach auf eine „richtige“ Kamera zurückgreife, die qualitativ hochwertige Bilder macht.

Ist ja auch nicht so, als hätte ich nicht genug davon. Nun, ich habe natürlich schon darüber nachgedacht, mehrmals sogar, und war auch schon kurz davor, die Kamera zu wechseln, aber ich habe die Serie als iPhone-Fotoprojekt gestartet und so möchte ich sie auch weiter- und irgendwann zu Ende führen. Außerdem liebe ich es, trotz diverser Schwächen, mit dem iPhone zu fotografieren.

Es hat den Vorteil, dass ich die geschossenen Bilder gleich bearbeiten und bei Instagram und Tumblr hochladen kann. Mit einer „richtigen“ Kamera müsste ich die Bilder erst auf den PC laden, dort bearbeiten und wieder auf’s iPhone packen, um sie dann von dort hochladen zu können. Das ist mir zu umständlich und langwierig. Da verzichte ich lieber auf etwas Bildqualität, zumal ich sie ja eh nie großformatig drucken lassen oder ausstellen werde.

© Martina Woll

An Bildbearbeitung mache ich übrigens gar nicht so viel. Ich nehme die Bilder im Querformat auf, schneide sie mit einer Bildbearbeitungs-App meiner Wahl (VSCOcam, Afterlight) quadratisch und stelle höchstens die Helligkeit ein und aktiviere die Funktion „Fade“, womit sich die Schatten etwas aufhellen lassen.

Die Bilder sind natürlich alle „ungestellt“, aber ein paar inszenierte Aufnahmen musste ich dann doch machen. So habe ich zum Beispiel meinem Mann die Kamera in die Hand gedrückt, bin selber mal durchs Bild gelaufen und habe im Gegenzug natürlich auch meinen Mann fotografiert.

Oder ich habe ihn gebeten, mit Herbie vorbei zu fahren, damit auch er, also Herbie, ein Teil der Serie wird. Einige Freunde haben auch schon angedroht, vorbeizukommen und durch’s Bild zu laufen. Vielleicht mache ich daraus dann ein kleines Special, wenn sich genug Leute finden.

© Martina Woll

Meine Serie wird nun bald ein Jahr alt und zum Jubiläum möchte ich einen kleinen Bildband herausbringen. Wer diesbezüglich auf dem Laufenden bleiben möchte, der darf mir gern bei Instagram, Tumblr oder Facebook folgen, dort werde ich alles Entsprechende verkünden.


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Sechster (und vorletzter) Bericht vom iPhone-Projekt

10 Apr

Seit einem halben Jahr fotografiere ich exklusiv mit dem iPhone und lasse bis auf berufliche Einzelfälle die DSLR im Schränkchen. Herzlich willkommen zum sechsten und vorletzten Monatsbericht meines iPhone-Projektes.

Moment mal. Vorletzter? Da fehlen doch noch ein paar!

Exakt. Das Projekt wird weiterlaufen. Dementgegen möchte ich aber nicht fortführend im Monatszyklus darüber berichten. Es war sinnvoll, reflektierend den Projektverlauf schriftlich zu begleiten. Jedoch ist mir danach – bis auf das abschließende Fazit – diesem Prozess künftig privat, aber mitnichten publizistisch in diesem Rahmen nachzukommen.

A Piss
Street

Die letzten Wochen war es streckenweise blendend hell in Karlsruhe und die Sonne bescherte mir das Glück, mit Unterbelichtungen spielen zu dürfen. Zwar würde ich mich weniger als Schönwetterfotograf bezeichnen, gleichwohl finde ich es erbaulicher, nicht ständig an der Grenze zur Langzeitbelichtung entlang zu balancieren und kürzer als 1/120s zu belichten.

Thoughts

Nachdem ich mich im Januar auf Farbe (und ab und zu schwarzweiß) eingeschossen hatte, stand in den Februartagen folgender Aspekt zur Debatte: Das Format. Ich hatte keine Lust mehr, ständig aufs Instagram‘sche Quadrat beschränkt zu sein und spielte mit 16:9 sowie dem gängigen 4:3, das mir wiederum final zusagte. Einerseits aus fotografisch-bildwirkender Perspektive und anderseits auch, weil ich mit 4:3 die Sensorgröße der iPhone-Kamera tatsächlich vollständig nutze.

Reader
Giant

Inzwischen habe ich Drucke bei Saal Digital anfertigen lassen, um zu prüfen, wie und ob die Fotos auf Papier gefallen. Die Variante 30 x 30 cm geriet ganz famos und hängt längst bei uns in den Schaufenstern. Ich habe mich nicht lumpen lassen und überdies noch zwei Drucke vom Format 60 x 120 cm in Auftrag gegeben.

Die, wen wundert’s, aus nächster Nähe keine präzise 21-Megapixel-Schärfe demonstrieren, aber schon ab anderthalb Metern Betrachtungsabstand recht ersprießlich aussehen.

Arbeit Foto über Martins Schreibtisch

Um beim Thema zu bleiben: Ich denke just drüber nach, die nächste Jahre weiterhin und ausschließlich mit dem iPhone urban zu fotografieren. Ich habe mich herzlich daran gewöhnt, sodass ich mir gut vorstellen kann, auch die künftigen Generationen des Apfelfons zu strapazieren; diese werden hinsichtlich technischer Qualität doch immerzu leistungsfähiger.

Doch für ein abschließendes Urteil ist es augenblicklich noch zu früh und ich werde nach Projekt-Ausklang mit mir selbst Fraktur reden müssen. Denn eine derartige Entscheidung hätte weitreichende Folgen, die bis in die Spitzen meiner Möglichkeiten spürbar würden.

Desweiteren spuken noch diverse Messsucher-Geschichten in den Hinterkämmerchen meines Wunschdenkens herum und die Fuji X100(s) blinzelt mich seit Monaten mesmerisierend an. Jedoch: Piano, piano, Herr Gommel.

Coffee  One

Das Fotografieren geht mir tagtäglich leichter von der Hand und ich verliere etappenweise Ängste vor potentiellen Nachfragen seitens der Leute, da ich versuche, sie auch aus kürzestmöglicher Distanz aufzunehmen und lande häufig unbewusst in einem Spiegelgefecht. Dazu eine nette Geschichte:

Vor drei Wochen erkundigte sich ein Mann, ob ich ihn gerade fotografiert hätte. Kurz erschrocken lächelte ich ihn an und erwiderte: „Oh ja, das sah super aus!“ und erklärte mich als Karlsruher Straßenfotograf. Zeigte ihm das Foto und wider Erwarten verabschiedete er sich geflissentlich-zelebrierend, so ungefähr: „Toll! Weiter so!“

Gegenlicht I Gegenlicht II

Noch vor einem Jahr hätte ich mir nicht träumen lassen, einmal nur mit dem Handy auf der Straße (und in Farbe!) zu fotografieren. Heute ist es Teil meines Alltages und nicht mehr wegzudenken. Ich bin gespannt, was das nächste halbe Jahr so bringt und werde zum Abschluss hier darüber berichten.


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Fünfter Monatsbericht vom iPhone-Projekt

18 Feb

Manchmal frage ich mich, ob ich nicht schon viel länger dieses Projekt mache, als es mein Kalender anzeigt. Da ich relativ viel fotografiere und dementsprechend jede Menge erlebe, kommt mir mein Projekt wie eine „halbe Ewigkeit“ vor. Willkommen beim fünften Monatsbericht.

Es war eine gute Entscheidung, in Farbe zu fotografieren und meine Rauschen-Serie nicht fortzuführen. Ich habe den Eindruck, einen guten Weg gegangen zu sein und werde diesen weiter verfolgen.

Und zwar nicht monochrom, obwohl ich die Jahre (vor dem Projekt) ausschließlich Farbe fotografiert habe. Manchmal bringt mich die ganze Sache auf Wege, die ich selbst nie für möglich gehalten hätte.

Fernwärme

Stairs

Vor drei Wochen habe ich dann auch äußerlich eine Veränderung an meinem Erscheinungsbild vorgenommen und den Ratschlag von Joel Meyerowitz befolgt, komplett schwarze Kleidung zu tragen. Zwar fehlt mir noch eine ganz schwarze Jacke, aber bis auf diese (die aktuelle ist dunkelgrün) bin ich derzeit unicolor in schwarz unterwegs.

Was das bringt? Nun, ich kann es nicht nachweisbar nachvollziehen, aber schwarz reflektiert kein Licht und das ist ein sehr großer Vorteil unter Menschen, da ich am liebsten unbemerkt agiere.

Es kann auch Zufall sein, aber wenn ich darüber nachdenke, war es immer dann, als ich ganz in schwarz fotografierte, dass ich mich streckenweise wunderte, dass mich einzelne Leute überhaupt nicht wahrzunehmen schienen.

Vom Setup hat sich nichts geändert, ich benutze nach wie vor ProCamera zum Fotografieren und Snapseed zum Bearbeiten. Gleiches Schema, nix Neues.

Depth

Busy

Viel wesentlicher hat sich für mich der Akt des Fotografierens verändert. Ich habe mir angewöhnt, nicht ständig von Ort zu Ort zu laufen, sondern bleibe lieber an einer Ecke stehen und studiere die Abläufe der Menschenmassen.

In welchen Abständen hält die Bahn? Wie lange warten Menschen auf den nächsten Zug? In welchen Zyklen kommen größere Mengen auf einmal aus einem Gebäude? Dieses Hineindenken ist eine gute Schule und es hilft mir, abschätzen, wann es sinnvoll ist, welches Bild zu machen. Und wann nicht.

Und obwohl ich eigentlich versuche, stets die unsichtbaren Verbindungen zwischen sich nicht kennenden Menschen sichtbar zu machen, fotografiere ich doch meist einzelne Menschen. Das ist keine bewusste Entscheidung, passiert mir aber immer wieder.

Gesture

Dark Days

Und seltenst fotografiere ich junge Leute, sondern finde alte Menschen attraktiver, interessanter und bemerkenswerter. Mit ihren netten Hütchen und einfallsreichem Kleidungsstil laufen sie einfach den jüngeren den Rang ab. Zumindest meiner Auffassung nach.

Und mit der Zeit habe ich bemerkt, dass ich zufriedener mit den Ergebnissen geworden bin. In den ersten Monaten mit dem iPhone hatte ich manchmal Schwierigkeiten, den Zugang zu meinen eigenen Bildern zu finden. Ich fand meine Fotos ganz okay, aber mehr war da nicht.

Dies nimmt derzeit langsam ab und das macht mich glücklich. Auch durch die monatliche Reflexion lerne ich eine Menge über mich selbst und die Fotografie an sich.

Jump

Beetle

Ach ja, manchmal lächelt mich ein Oldimer an und bei aller Liebe zur Straßenfotografie und ihrer Konzentration auf Menschen lasse ich es mir nicht nehmen, auch einmal ein schönes Auto zu fotografieren.


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Vierter Monatsbericht vom iPhone-Projekt

21 Jan

Seit vier Monaten fotografiere ich ausschließlich mit dem iPhone, um herauszufinden, was passiert, wenn ich die DSLR liegen lasse und mich hundertprozentig auf das Mobiltelefon einlasse. Dies ist der vierte Monatsbericht.

Und bevor es gleich in die Tiefe geht: Ich bin mit meinen Bildern aktuell nicht wirklich zufrieden. Ich finde meine Fotos okay, aber auch nicht mehr. Dazu kommt noch, dass ich so tief in der Materie bin, dass es mir schwer fällt, eine Distanz zu den Bildern zu bekommen.

Das merke ich vor allem dann, wenn ich die Fotos für meinen monatlichen Bericht aussuche. Welches zeigen, welches nicht? Diese Unsicherheit gehört dazu. Jedoch möchte ich hier niemandem etwas vormachen.

Ich sehe mich auch nicht als toller Straßenfotograf, sondern habe – auch durch die technisch reduzierten Möglichkeiten des iPhones – das Gefühl, ganz am Anfang zu stehen. Mir ist klar, dass die Fotos, die ich hier zeige, keine Superknaller sind.

Jedoch ist ein Teil meines Projekts der monatliche Bericht. Und der ist, wie er ist: Nah dran am Geschehen und ohne Anspruch auf Perfektion.

Das iPhone selbst ist mittlerweile selbstverständlicher Teil meiner Arbeit geworden. Das bedeutet, dass die Euphorie vom Auftakt geschwunden ist und es sich nicht mehr ungewohnt anfühlt, mit dem iPhone zu arbeiten.

Das Fotografieren mit der DSLR war für mich immer der Inbegriff meiner Leidenschaft. Ich hatte ein gewichtiges Gerät mit Objektiv drauf in der Hand, das über lautes Auslöserklacken ein auditives Feedback gab.

Allerdings fallen mit dem iPhone diese Faktoren gänzlich weg und somit auch das Gefühl, fotografisch tätig zu sein. Wenn ich meinen Kollegen aus dem Büro sage, ich „gehe mal fotografieren“, dann stimmt da irgendetwas nicht.

Denn das Arbeitsgerät ist sehr leicht und wenn ich Handschuhe trage, fast unsichtbar. Das Objektiv ist im Vergleich zum 50mm als solches nicht zu erkennen. Und das elektronische Klickgeräusch habe ich ausgeschaltet, also das Letzte, was an eine Kamera erinnern könnte, eliminiert.

Nein, das Wort Fotografieren ist für mich überflüssig geworden und ich erlebe das als eine Art Befreiung. Es ist mehr ein Probieren, Skizzieren, Dokumentieren. In der Stadt, unter Menschen. Dort, wo der Alltag tobt.

Da in dieser Jahreszeit selten die Sonne scheint, es meist trüb und düster ist, kann ich erst ab 9:30 Uhr so richtig loslegen. Ich bin somit, mehr als vorher, angewiesen auf das Wetter. Warum das?

An einem dunklen Tag zeigt mir das iPhone an, dass es 1/30s belichtet. Damit einen Menschen, der sich ein wenig bewegt, scharf festzuhalten, ist unmöglich. So warte ich meist etwas ab, messe immer wieder nach und schaue, wann das Licht mindestens 1/120s erlaubt. Und selbst damit ist nicht garantiert, dass die Aufnahme scharf ist. Das ist manchmal ziemlich frustrierend.

Ich versuche, so weit möglich, einen besonderen Moment zu erwischen – und das heißt gar nicht zwangsläufig, dass eine Person (erkennbar) abgebildet sein muss. Es geht mir darum, einzufangen, wenn das Ungewöhnliche aus dem Gewöhnlichen hervortritt.

Ein Zufall sozusagen, in dem zwei oder mehr Aspekte im Einklang sind, sich widersprechen oder meinem inneren Auge komisch, trist oder gar fröhlich erscheinen. Und damit diese Vorgabe erfüllt werden kann, muss ich einige Kilometer laufen und stets offen für das Unvorhergesehene sein.

Und 99% meiner Fotos sind Bullshit. Sie sind vielleicht auf den ersten Blick ganz interessant, haben aber keine Seele, sprechen nicht zu mir oder es fehlt ihnen das gewisse Etwas, das ein Foto – wohlgemerkt – für mich spannend macht.

Jedoch ist dieses eine Prozentfitzelchen das, wonach ich suche. Dann passen viele Dinge zusammen. Oft bemerke ich erst beim Durchblättern der Bilder, dass es sich eben doch gelohnt hat, eine Aufnahme zu machen, die ich vor Ort nur potentiell gut fand.

Ich habe mich außerdem dazu entschieden, pro Tag nicht mehr drei, vier oder sogar mehr, sondern abends zwischen 19 und 21 Uhr ein einziges Foto zu veröffentlichen. Das reicht vollkommen und bringt auch ein wenig Ruhe in das Projekt.

Beim Fotografieren selbst versuche ich, einem Rat von Jay Maisel zu folgen. Er sagte einmal: „Go out empty“, was für ihn so viel bedeutet wie: Jedes Konzept, das im Kopf schwirrt, zu verwerfen. Nicht nach bestimmten Dingen (Farbkontrasten, Mustern und Formen, Gegenüberstellungen) zu suchen, sondern offen zu sein, für das, was kommt.

Denn jedes Konzept kann mir im Wege stehen, das zu sehen, was gerade vor mir passiert, weil ich quasi eine Art Tunnelblick habe, der alles andere ausschließt.

Meist nutze ich den späten Abend, um die Aufnahmen des Tages durchzugehen und zu finalisieren. Da ich aktuell komplett in Farbe arbeite und nicht stark in die Aufnahme eingreifen möchte, gibt es selten viel zu ändern.

In Snapseed beschneide ich, ziehe die Kontraste etwas an oder korrigiere die Farbtemperatur minimal. Die eigentliche Arbeit besteht darin, die guten von den schlechten Bildern zu trennen und Perlen im Sauhaufen zu finden. Wenn es denn Perlen gibt.

Und es gibt diese Tage, an denen ich weiß: Ein paar Fotos waren ganz okay, aber gut waren die nicht.

Doch es lohnt sich, mich immer wieder auf mein – zugegeben – kauziges Projekt einzulassen. Ich merke, dass ich so langsam richtig tief drin bin, aber noch weit entfernt von dem, was möglich ist. Die Straßenfotografie steckt voller Überraschungen und ich bin gespannt, was die Zukunft mir schenken mag.


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Dritter Monatsbericht vom iPhone-Projekt

18 Dec

Ich habe mich dagegen entschieden, die Rauschen-Serie fortzuführen. Sie war reizvoll und eine gute kreative Abwechslung, aber mein Leben lang so zu fotografieren, konnte ich dann doch nicht übers Herz bringen. Willkommen zu meinem dritten Monatsbericht.

Es war ein Gefühl der Freude, als ich mich vor ein paar Wochen dazu entschloss, wieder „scharfe Bilder“ zu machen. Ich empfand eine derartige Vorfreude, dass ich es fast nicht im Büro aushielt und so oft wie möglich nach draußen wollte.

Denn nachdem ich lange Zeit verwischte Bilder gemacht hatte, war es wie eine Befreiung, wieder „richtig“ zu fotografieren. Wobei ich dieses Wort ganz bewusst in Anführungszeichen setzen möchte.

Der Enthusiasmus wurde obendrein noch dadurch verstärkt, dass ich mich ganz bewusst danach umgesehen habe, was denn andere Straßen-Fotografen auf der ganzen Welt so machen. Die Vielfalt und Intensität ihrer dokumentarischen Portraits hat mich angesteckt und mir einen ordentlichen Schub Motivation verliehen.

So war der Kauf des Buches Streetphotography Now* eine großartige Inspiration. Schockierend, elektrisierend, motivierend. Die Wucht der Bilder in diesem Buch hatte so eine immense Wirkung auf mich, dass ich streckenweise nicht einschlafen konnte, weil ich dringend auf die Straße wollte. So twitterte ich:

Zwischendurch war ich neun Tage auf Gran Canaria, Urlaub mit der Familie machen. Jedoch – naja, also – ich ließ es mir nicht nehmen, doch ab und zu die Kamera (das iPhone) rauszuholen. Dort zu fotografieren war sehr angenehm, da es ja für gewöhnlich leichter fällt, in einer neuen Umgebung besondere Dinge zu finden. Der Städter fotografiert die Kuh, der Bauer nicht, wie Dr. Mettner zu sagen pflegt.

Nach dem Urlaub schenkte mir meine Frau zum Geburtstag ein iPhone 5. Und ich bin bis heute sehr erstaunt über den qualitativen Unterschied, den ich erst recht beim Fotografieren spüre. Zum einen ist der Zwei-Generationen-Sprung deshalb lohnenswert, weil alles mindestens doppelt so schnell ist. Die Kamera-App öffnet sich und ich habe fast keine Wartezeit, bis ich direkt loslegen kann.

Zum anderen ist die Auslöseverzögerung um einiges geschrumpft und somit kann ich dann, wenn ich abdrücke, auch mit einem Foto rechnen. Gerade auf der Straße ein nicht zu verachtender Vorteil. Zum anderen ist die Aufnahmequalität des Sensors in dunklen Lichtverhältnissen ordentlich aufgestockt worden und an den düsteren Tagen dieser Jahreszeit merke ich das beinahe täglich.

Ein weiterer Pluspunkt, den ich sehr schätze, ist, dass der Auslösebutton jetzt größer ist. Durch die Displayverlängerung des iPhone 5 im Vergleich zum iPhone 4S wurde dem mehr Raum beigemessen. So passiert es bedeutend seltener als noch vor einer Woche, dass ich beim Abdrücken danebentippe. Das hebt die Trefferquote und somit auch den Spaß an den Bildern.

Batman schaut auf die Straße

Über die Dauer dieses Projektes wird mir gerade wieder bewusst, welch entscheidender Vorteil es ist, die Kamera immer dabei und somit griffbereit zu haben. Denn das beeinflusst auch meinen Blick, der zunehmend dauerhaft ein „Foto-Blick“ ist. So wird das ganze Leben zum Fotoprojekt. Und das ist mit meiner Liebe zur Alltagsfotografie wunderbar zu vereinen.

Jedoch bemerke ich auch, dass mir bestimmte Momente des Lebens zu wichtig sind, als dass ich ständig zwischen mir und Menschen, Dingen oder Orten einen Screen haben will. Da ist mir das Erleben wichtiger als eine digitale Erinnerung zu schaffen.

~

Ich wollte schon immer ein iPhone haben und so werde ich auch die kommenden Jahre immer mit dem Apfeltelefon unterwegs sein. Ob es sich zu meinem Fotoapparat auf Dauer entwickeln wird, das ist bisher noch offen. Wenn auch die Chancen dafür steigen.

* Das ist ein Affiliate-Link zu Amazon. Wenn Ihr darüber etwas kauft, bekommen wir eine kleine Provision, Ihr zahlt aber keinen Cent mehr.


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Zweiter Monatsbericht vom iPhone-Projekt

14 Nov

Vor zwei Monaten begann ich, auf der Straße ausschließlich mit dem Apfeltelefon zu fotografieren und die DSLR zuhause zu lassen. Schon jetzt hat sich diese Entscheidung für mich mehr als gelohnt, wie der zweite Monatsbericht zeigen wird.

Ich erinnere mich noch genau: Ich fotografierte morgens noch das Blättern durch die Seiten meines Buches und ein paar Stunden später hatte ich eine Idee, die den kompletten Folgemonat bestimmen sollte.

Vor meinem inneren Auge sah ich verschwommene Menschen, abstrakte Bewegungen und eine ungewohnte Nähe zu den Menschen auf der Straße. Später dachte an die Fotografien von Alexey Titarenko.

Einige Gedankengänge später wusste ich auch schon, wie ich meine Idee umsetzen würde. Denn mir fiel die dazu passende App ein, die ich vor einem halben Jahr schon einmal ausprobiert hatte und die mir erlaubt, lange Belichtungen auch bei Tageslicht durchzuführen: SlowShutter.

Begeistert von meinem Vorhaben fuhr ich mit dem Rad zum Bahnhof Durlach und probierte aus. Und ich war erstaunt. Denn: Es funktionierte. Und sah ungefähr so aus, wie ich es vor meinem geistigen Auge gesehen hatte – ich gebe zu, das passiert mir sehr selten.

Und ich hatte auch gleich einen Namen dafür: Rauschen. Denn durch die längere Belichtung entstehen viele teils unscharfe Ebenen, die unter dem Begriff „Rauschen“ einen treffenden gemeinsamen Nenner finden.

Dabei hatte ich das Gefühl, etwas zu machen, was mir entspricht und eine Seite von mir ausdrückt, die ich bisher in der Straßenfotografie nicht konsequent in dem Mittelpunkt gestellt habe: Das Düstere, Unscheinbare und Chaotische.

Weiter ist für mich der philosophische Unterbau schon gegeben: Die Bilder ähneln in gewisser Weise der Erinnerung an Vergangenes. Das ist oft eine Mischung aus Emotionen und Eindrücken, die gemeinsam zusammengestückelt niemals im vollen Umfang und allen Details das wiedergeben, was gesehen wurde.

Diese Form der Revisualisierung ist für mich gerade auch ein aktuelles Thema, weil ich mich derzeit im Spezifischen mit meiner Kindheit beschäftige.

~

Jedoch ist nicht alles Gold, was glänzt. Nachdem die erste Begeisterung verflog, wurde mir klar, dass eine längere Verfolgung der Thematik anstrengend, energiezehrend und unbequem würde. Warum das?

Weil diese Form der Fotografie weitaus mehr Konzentration erfordert als das übliche „Oh, das sieht gut aus, knips“. Ich muss vorausdenken, meine Bilder planen und immer damit rechnen, dass eine achtsekündige Aufnahme nichts wird.

Ich kann nicht fünf Aufnahmen von einer Situation machen und mir dann die beste herauspicken. Shoot and luck is’ nich’. Und das bedeutet auch, eine ganze Menge Kontrolle abzugeben.

Somit ist bis zum heutigen Tag noch nicht klar, ob ich mir die Rauschen-Fotos ganz zu eigen machen und weiter verfolgen werde. Eines ist jedoch sicher: Ohne iPhone hätte ich diese Serie nur sehr unwahrscheinlich gemacht, weil mir die App so manche Eingriffe in das Endergebnis erlaubt, die mir mit der DSLR verwehrt bleiben.

Wobei ich wieder beim Thema iPhone vs. DSLR bin. Das iPhone ist für mich mittlerweile die Kamera geworden. Gedanken an meine 5D verschwende ich seltenst, wobei diese nicht an Reiz verloren hat. Die Vorteile, auf der Straße unerkannt zu bleiben und nicht ernst genommen zu werden, sind nach wie vor evident und nicht zu vergleichen mit dem Fotografieren hinter dem Vollformat-Trümmer.

Neulich wurde ich in einem Interview, das bald in einer Fachzeitschrift erscheint, gefragt, ob der Markt der Streetfotografie nicht schon längst überladen wäre, auch mit Hinblick auf Facebook und Instagram. Ich möchte an dieser Stelle die Antwort nicht vorwegnehmen, jedoch fühle ich mich in diesem Sujet sehr wohl. Und gefühlt sind es nur ganz wenige Fotos, die ich innerhalb einer Woche in besagten Netzwerken sehe, die mich begeistern.

Meine eigene Ausdrucksweise zu finden, unverwechselbar zu werden und somit den einen oder anderen mit meinen Bildern zu berühren, das ist meine Intention. Dabei geht es mir nicht darum, möglichst bekannt zu werden, sondern eine Sprache zu sprechen, die andere „anspricht“. Das iPhone ist für mich die leichteste Möglichkeit, dies umzusetzen. Wenn auch, wie oben schon angesprochen, dennoch die Arbeit nicht wegfällt.

Im letzten Monat wurde ich häufig darauf angesprochen, wie ich denn die Fotos mache. Diese Frage ehrt mich und ich denke auch, dass sie eine gewisse Berechtigung hat. Jedoch:

Hier den exakten Ablauf mit sämtlichen Klicks einzudiktieren, ist mir ehrlich gesagt zu unpersönlich und sowas nimmt der Sache zu sehr den Zauber. Ich möchte diejenigen, die Interesse an der Herangehensweise gefunden haben, dazu ermutigen, selbst auszuprobieren.

Den eigenen Impulsen zu folgen und sich überraschen zu lassen, wohin die Reise geht. Dass ich mit SlowShutter und Snapseed arbeite, sei dabei nur am Rande erwähnt, da es Tausende Apps gibt, die das Gleiche ermöglichen.

Übrigens: Ich habe drei Fotos meiner Rauschen-Serie quadratisch auf A3 gedruckt und schon bald werden die Fotos in unserem Büro 5&30 im Schaufenster hängen. Mir gefallen die Ergebnisse sehr.


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