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Posts Tagged ‘Gespräch’

Im Gespräch mit Dhiren Babaria

22 Sep

Ein Beitrag von: Dhiren Babaria

Hallo Dhiren. Danke, dass Du Dir die Zeit für ein Interview mit uns nimmst. Zuerst, erzähl uns doch mal etwas über Dich: Wer bist Du, was machst Du?

Von der Ausbildung her bin ich Architekt und das trägt natürlich viel dazu bei, wie ich Dinge sehe und analysiere. Ich liebe den Impressionismus und finde ihn höchst inspirierend, ein bisschen hat es auch damit zu tun, dass ich im Herzen ein Romantiker bin. Was man auch in meinen Arbeiten sieht, ist, dass ich ziemlich selbstbewusst bin.

Blick durch eine Straßenschlucht in einer nächtlichen Stadt.Lichspiele in den Räumen eines Tempels.

Wie bist Du zur Fotografie gekommen und was hat Dich dazu bewegt, bei ihr zu bleiben?

Ich fotografiere erst die letzten 15 Jahre. Was mich ursprünglich zum Fotografieren brachte, war die SLR-Kamera an sich. Alle von SLRs aufgenommenen Bilder, die ich gesehen hatte, sahen unverkennbar besser aus. Also wollte ich auch solche besseren Bilder machen. Inzwischen jage ich aber ganz anderen Dingen nach. Meine Ziele haben sich verändert. Wie das berühmte Zitat schon sagt: Das Beste kommt erst noch. Meine Reise geht also weiter.

Lichtspiele in den Räumen eines Tempels.

Eine nächtliche Stadt.

Da Du von Zielen gesprochen hast: Wie würdest Du in Worte fassen, was Du zu erreichen versuchst?

Mit kreativen Medien ist es ja immer sehr schwer, messbare Ziele zu setzen und diese auch auszuwerten. Ich jage also etwas, was ich bereits sehen, aber in seiner Gesamtheit noch nicht festhalten kann. Zumindest noch nicht! Ich lebe in der Hoffnung, dass ich eines Tages an diesem Punkt ankommen werde.

Vor zehn Jahren wollte ich da sein, wo ich heute bin, aber heute wäre ich gern woanders. Ein bewegliches Ziel. Irgendwie eine großartige Tragödie.

Nachtszene mit Straßenlaterne vor einem Haus.

Nachtszene mit einer Straßenlaterne vor einem Haus.

Was sind übliche oder immer wiederkehrende Themen, die Du in Deinen Bildern behandelst und warum?

Ich würde sagen, dass mich die Natur, Architektur und Menschen am meisten interessieren. All diese Genres tauchen in meinen Bildern immer und immer wieder auf, weil sie zu einem bestimmten Teil auch eine klassische Schönheit besitzen, die zeitlos ist.

Ein anderer Faktor, der diese Teile verbindet und vervollständigt, ist die Qualität des Lichts. Ich kann das, was ich aufnehme, gar nicht von dem Licht trennen, in dem ich es fotografiere. Licht ist ein extrem wichtiges Element für mich. Ich bevorzuge es, in weichem Licht zu fotografieren, das eine schöne Harmonie in der Szene schafft.

Strukturen in einem Canyon.

Gräber unter einem großen Baum.

Erzähl uns ein bisschen was darüber, wie Du arbeitest. Planung, Fotografieren, Nachbearbeitung – was sind Deine Schritte, was ist besonders wichtig für Dich?

Normalerweise gibt es zwei unterschiedliche Arten von Projekten: Die einen sind geplant, die anderen zufällig. Erstere sind das Ergebnis eines sorgfältig geplanten Shoots und die anderen sind das Resultat meiner Reisen. Geplante Projekte brauchen oft einen großen Anteil an Zeit für Recherche im Vorhinein. Etwa, geeignete Orte zu finden, mich auf eine geeignete Tageszeit festzulegen und den Wetterbericht im Auge zu behalten.

Für die zufälligen Projekte muss ich nur meine Kamera und eine leichtgewichtige Festbrennweite im Gepäck haben. In der Nachbearbeitung ist mir auch das Sichten der Bilder und neben der Bearbeitung die Erstellung von Kandidatenlisten für ein Projekt sehr wichtig. Das ist vielleicht der schwierigste Teil meiner Arbeit, denn er erfordert, dass ich sehr objektiv auf meine eigenen Arbeiten blicke.

Landschaft mit Wiese, Bäumen und Büschen.

Landschaft mit einer wilden Wiese an einem Wandrand.

Kannst Du noch etwas mehr über diesen kritischen Teil des Auswählens sagen? Was sind Deine Gedanken dabei, welche Kriterien wendest Du an?

Als ich beschlossen hatte, meine Webseite zu veröffentlichen, habe ich mir selbst versprochen, dass alle Projekte, die ich dort veröffentliche, eine bestimmte visuelle und fotografische Qualität haben würden und alles darunter es einfach nicht ins Projekt schaffen würde. Ich fotografiere sehr viel mehr als ich zeige und so geht es wohl vielen Fotografen.

Es gibt Projekte, die nie das Tageslicht erblicken und auf dem digitalen Schneidetisch sterben. Da ist der Bezug zu unserem Gespräch weiter vorn, als es um das Auswählen von Orten und die Entwicklung von Konzepten ging. Was ich sehe und was ich versuche, festzuhalten. Manchmal sieht mein geistiges Auge ein Bild, aber ich kann es nicht einfangen. Und wenn ich es einmal schaffe, wird es ein Projekt.

Weg durch einen Wald.

Die meisten Deiner Arbeiten sind strikt schwarzweiß. Aber manchmal schleicht sich auch etwas Farbe ein. Was denkst Du über diesen Kampf?

Ich wusste, dass Du dieses Thema auf den Tisch bringen würdest! Es ist wirklich zu einem inneren Kampf für mich geworden. Ich habe eine unsterbliche Liebe für die Kunst der Schwarzweiß-Fotografie entwickelt. Wenn ich könnte, würde ich einfach alles in schwarzweiß aufnehmen, aber manchmal ist die Farbe selbst das Subjekt der Aufnahme. Ich mache nur wenige Projekte, in denen das passiert. Ab und zu taucht also etwas Farbe auf, aber mein Herz gehört der Schwarzweiß-Fotografie.

Landschaft im Nebel.

Strukturen an einem Baum und Gebüschen im Schnee.

Um Deine Bilder abschließend noch in den Kontext Deines Lebens zu setzen: Du hast erwähnt, dass Du Architekt bist, aber was noch? Familie, Jobs, andere Hobbies? Was ist Dir wichtig, was treibt Dich an?

Ich mag spazieren sehr gern, meine Freundin und ich unternehmen oft richtig lange Spaziergänge. Ich mag campen und reisen. Ich mag es, auf Nebenstraßen unterwegs zu sein. Anzuhalten und umzukehren, wenn ich eine wilde Wiese sehe oder einen Fluss fließen höre. Ich mag es, dem Licht nachzujagen. Und ich mag Jazz und gute Kinofilme.

Danke für Deine Worte, Dhiren!


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Im Gespräch mit Nayeem Kalam

26 May

Ein Beitrag von: Chris Hieronimus

Beim Durchstöbern der Bilder meiner letzten Asien–Reise kam mir die Frage in den Sinn, warum ich in all den Netzwerken und Foto-Websites so wenig Bilder von Fotografen aus dieser Gegend sehe.

Reisefotografie ist eine Sache, aber es musste doch auch Menschen geben, die, in asiatischen genauso wie in europäischen Ländern, die Welt um sich herum mit der Kamera festhalten. Nur kannte ich so gut wie keine. Einige Websites, Blogs, Portfolios und Flickr-Streams später bin ich auf Nayeem Kalam aufmerksam geworden.

Die Lichtstimmung, persönliche Note und gleichzeitig das Alltägliche in seinen Bildern faszinierte mich. Ich freue mich sehr, dass er bereit war, ein Interview mit mir zu machen.

Ein Mädchen mit einem Spinnenschleier. Eine Straßenfotografie.

Danke, dass Du Dir Zeit für dieses Interview nimmst. Erzählst Du uns etwas über Dich und was Dich zur Fotografie gebracht hat?

Ich heiße Nayeem Kalam und komme gebürtig aus Chittagong, Bangladesch. Mein Vater ist aus Myanmar (Burma) immigriert und ein bekannter, wohlhabender Mann. Allerdings sehr konservativ und kein großer Fan der Fotografie.

Ich habe mein halbes Leben im Ausland verbracht und sollte einen soliden höheren Bildungsgrad erzielen, was ich nie wirklich erreicht habe. Stattdessen habe ich meine Jugend in Cafés und Bars verbracht, mich unter viele verschiedene Nationalitäten gemischt.

Ich habe mein Leben genossen, wo es nur ging, vor allem mit Frauen. Ich hatte ein märchenhaftes Leben. Mit der Fotografie habe ich eine lange Geschichte, die begann, als ich neun Jahre alt war, mit meiner ersten Kamera.

Eine Yashica, wenn ich mich richtig erinnere. Aber ernsthaft damit beschäftigt habe ich mich erst, als ich aus Europa zurückkam und mein Land in Fetzen wieder sah.

Bettler überall, Ungerechtigkeit und Korruption, die die Straßen und alles andere regierte. Armut und fehlende Bildung, Mangel an Menschenrechten und das blinde Folgen anderer Kulturen und Trends.

Ich habe nichts gesehen, was mir gefallen hat – außer den Gesichtern der Menschen. So bin dazu gekommen, wenn man es „richtige“ Fotografie nennen will.

Eine Frau mit einem Notizblock und langem Tuch über dem Kopf. Eine Straßenfotografie.

Beim Betrachten Deines Flickr-Streams ist mir aufgefallen, dass Du zu vielen Fotos einiges zum Hintergrund erzählst, wer zu sehen ist und in welcher Situation das Bild entstanden ist. Fotografierst Du meist Fremde oder Dir bekannte Menschen aus Deiner Heimatstadt?

Ich fotografiere tatsächlich viele Fremde Leute während des Kaffeetrinkens vor einem Hotel. Außerdem fotografiere ich oft aus dem Auto heraus, während des Fahrens (sorry). Hauptsächlich fotografiere ich Menschen, die ich kenne.

Die meisten davon kenne ich, weil ich einmal ein Foto von ihnen gemacht habe. Ich spreche mit den Leuten, die ich fotografiere und versuche, eine Verbindung aufzubauen.

Du musst so eine Menge Leute kennen gelernt und viele Lebensgeschichten gehört haben.

Oh ja, mit Sicherheit!

Ein Mann hält seine Hände vor sein Gesicht. Eine Straßenfotografie.

Wonach entscheidest Du Dich für ein Motiv, das Du festhalten willst? Ist es eine bestimme Seite, die Du abbilden möchtest?

In einem Wort: Instinkt. Ich würde gern etwas Persönliches mitteilen. Ich bin kurzsichtig, brauche Kontaktlinsen, die oft ein Spiel mit mir treiben. Ich bin eine sorglose Seele und kümmere mich nicht darum.

Außerdem trinke ich viel, was meine Augen austrocknet. Damit kämpfe ich jeden Tag und sehe dadurch oft nur wenig.

Aber wenn ich etwas sehe, sehe ich es wie kein anderer. Ich wünschte, ich könnte alles fotografieren; das ist der Drang, der mich weitermachen lässt.

Ansonsten hätte ich die Fotografie schon vor Jahren aufgegeben. Und zu der bestimmten Seite, die Du angesprochen hast: Es ist eine Kombination aus Licht und Menschlichkeit.

Ein Mann läuft mit seiner Tochter, die ihn anlächelt, die Straße entlang. Eine Straßenfotografie.

Wie reagieren die Leute, wenn Du sie fotografierst?

Meistens scheinen sie ehrlich gesagt etwas geschockt zu sein, aber meistens erscheint auch gleich darauf ein Lächeln. Negative Reaktionen habe ich bisher nur ein oder zweimal erhalten.

Und was regelmäßige Straßen-Portraits angeht, bin ich überrascht von der großen Geduld und Bescheidenheit, die Menschen mir entgegenbringen. Ich glaube, es wäre nahezu unmöglich, so im Westen zu fotografieren.

Andere Fotografen berichten mir oft davon, dass sie Angst bekommen, wenn Sie versuchen, Dinge zu tun, die ich mache. Ich bin unglaublich glücklich und gesegnet in diesem Bereich.

Äußerlich etwas von den Einheimischen abzuweichen, hilft sehr. Und auch, wenn es stolz klingen mag: Ausstrahlung und Charisma sollten nicht unterschätzt werden.

Eine Junge steht mit Schirm im Regen. Eine Straßenfotografie.

Mit welchem Equipment arbeitest Du und warum hast Du Dich dafür entschieden?

Ich benutze Canon–Kameras, die EOS 1Ds Mark II & III, wegen ihrer Größe. Ich mag ihre Solidität und Stabilität. Außerdem habe ich große Hände und diese Kameras sind gut zu halten.

Da ich hauptsächlich abends oder nachts viel aus dem Auto heraus fotografiere, nutze ich schnelle Objektive. Ich habe momentan ein 50mm f/1.2L und ein 85mm f/1.2L II. Ich liebe die Tiefenschärfe, die sie mir bieten. Die meisten meiner Fotos entstehen gerade auf Blende 1.2.

Noch eine Frage zum Schluss: Hast Du irgendwelche fotografischen Vorbilder?

Um ehrlich zu sein, ich habe nie Fotografen verfolgt. Ich hatte auch nie eine Ausbildung oder einen Kurs in Fotografie, habe nie Bücher darüber gelesen und war, es mag dich überraschen, noch nie in meinem Leben auf einer richtigen Ausstellung.

Vielen Dank für das Interview, Nayeem!

Cheers!

Dieses Interview wurde von Chris Hieronimus auf Englisch geführt und anschließend ins Deutsche übersetzt.


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Im Gespräch mit Grit Schamass

02 Apr

Hoffentlich gibt es nicht allzu viele Hausstauballergiker unter Euch. Und falls doch, so hoffen wir zumindest, dass Ihr nicht auch allergisch auf Bilder von Staub reagiert. Diesen hat sich die Fotokünstlerin Grit Schamass nämlich als ungewöhnliches Motiv für ihre Werkreihen auserkoren.

Staub, Plural: Stäu·be, Stau·be (Deutsch)
Substantiv, m
Der Plural wird meist nur in technischem Zusammenhang verwendet und bezieht sich auf mehrere Arten von Staub, also einen Sortenplural. (Wiktionary)

kitchen tiles © Grit Schamasskitchen tiles © Grit Schamass

Hey, Grit. Super, dass Du Dir die Zeit für ein Interview genommen hsat. Erzähl doch mal: Wie hat das bei Dir angefangen mit der Fotografie und wie bist Du dorthin gekommen, wo Du heute bist?

Kunst hatte eigentlich schon immer eine große Präsenz in meinem Leben. Als Kind habe ich es geliebt, mit dem zu spielen, was ich in der Natur und der Wohnung gefunden habe. Und später habe ich mir aus ungewöhnlichen Dingen Spielzeug selbst gebaut. Etwas Eigenes erschaffen fand ich immer spannender als die fertigen Dinge nur zu benutzen.

Ich glaube, meine Eltern waren sehr glücklich darüber, dass ich ihnen nicht immer in den Ohren gelegen habe, auch diese Puppe oder jenes neue Pony aus der Fernsehwerbung haben zu wollen. Sie hatten nie viel Geld und mussten damit ja nicht nur mich, sondern auch meine sechs Geschwister versorgen. Das hat mich sicherlich geprägt, wir haben auch alles aufgehoben, was noch zu irgendetwas zu gebrauchen war.

white mystery © Grit Schamass

Im Kunstunterricht in der elften Klasse hatte ich dann eine Art Erweckungsmoment, als wir zum Thema Dadaismus Collagen aus Müll angefertigt haben. An sich war ich da natürlich schon in meinem Element, aber es war etwas Neues und Aufregendes für mich, aus Resten etwas zu machen, was erst einmal nur aus Selbstzweck existiert.

Was nur das Ziel hat, an einer Wand zu hängen, angesehen zu werden und keine Funktion oder weiteren Zweck haben muss. Aber im besten Falle trotzdem eine Botschaft. Ich habe von diesem Ansatz aus dann weitergearbeitet und viel mit Skulpturen und in den Raum ragenden Collagen gearbeitet.

wuthering heights © Grit Schamass

Um mein Studium an der Universität der Künste in Berlin zu finanzieren, habe ich auch eine Weile bei der Müllabfuhr gearbeitet. Da hatte ich dann einen schön parallelen Zugang zu meinem Arbeitsmaterial und kam auch mal aus dieser ganz hochgestochenen Gesellschaft raus. Leider haben die Arbeitszeiten oft mit meinen Vorlesungszeiten kollidiert, weshalb ich das nicht lange machen konnte.

Während meines Studiums habe ich dann gemerkt, dass mein bisheriger Weg gewissermaßen in eine Sackgasse führt. Das Konzept für meine Skulpturen war zu offen und es wirkte mir selbst immer stärker zu aufgesetzt, mir gezielt die verrückten und seltsamen Teile aus dem rauszufischen, was andere Menschen wegwerfen. Ich wollte etwas Allgemeingültigeres, weniger Ausgewähltes. Ich wollte meine Arbeiten viel stärker auf den Alltag stützen.

shapes © Grit Schamass

Und da bist Du dann irgendwann – im wahrsten Sinne des Wortes – über den Müll gestolpert, der uns wirklich ständig umgibt, nämlich Staub und anderen „Hausmüll“ aus den feinsten Poren unserer Wohnungen?

Genau, ich habe mich immer weiter vorgearbeitet, immer stärker verallgemeinert und denke nun, dass es – abgesehen von kosmischem Staub – kaum noch eine größere Ebene gibt, auf die ich mich begeben könnte.

Wichtig war für mich auch der Schritt weg vom Zusammensetzen des Materials. Inszenieren möchte ich schon, aber eher im Sinne der Darstellung der tatsächlichen Gegebenheiten, in spannendes Licht gerückt. Deswegen war für mich dann die Fotografie auch das Mittel der Wahl, weil ich ja Dokumentation und Kunst miteinander verbinden wollte.

Da das Medium für mich zu diesem Zeitpunkt ziemlich neu war, wollte ich so viel wie möglich darüber lernen und habe einige Praktika bei anderen künstlerischen Fotografen absolviert. Allerdings waren die eher ernüchternd, meistens war der Lohn dafür ziemlich mager und ich habe mehr Kaffee gekocht, Rechnungen kopiert und Büros geputzt als wirklich etwas Brauchbares gelernt. Die Namen nenne ich jetzt mal lieber nicht.

cobweb © Grit Schamass

Oh, das klingt ja nicht schön. Toll, dass Du trotzdem dran geblieben bist und wir nun die Früchte dieser Arbeit genießen dürfen. Hast Du eine konkrete Botschaft in Deinen Bildern?

Es geht mir vor allem um das Gefühl, das sich beim Betrachten entwickelt. Staub, Haare, Hautschuppen, Krümel und was sich so alles auf dem Fußboden, in den Ecken und Zwischenräumen findet, wird ja erst einmal eher mit Ekel betrachtet. Dabei handelt es sich um einen Mikrokosmos, der ein unverzichtbarer Teil des Lebenskreislaufes ist, in dem wir uns befinden.

Ich finde, dass diese Tatsache viel mehr Aufmerksamkeit und Achtung verdient. Ein so zentraler Bestandteil unseres Lebens wird geächtet und geschmäht – also stelle ich ihn in das Zentrum meiner Arbeiten. Und stelle die Frage, ob es dort nicht auch viel zu entdecken gibt, was uns entgeht, wenn wir diese Zeugnisse der Schöpfung am wöchentlichen Putztag mit einem Knopfdruck am Staubsauger so brutal aus unserem Sichtfeld entfernen.

black © Grit Schamass

Wie entstehen denn bei Dir neue Bilder, wenn das Motiv grundsätzlich immer das gleiche bleibt?

Ja, was Du da ansprichst, ist schon schwierig. Aber ich sehe das als Herausforderung. Man könnte sich immer ein neues Motiv suchen, sobald man sich mit einem kurz beschäftigt hat, aber dann arbeitet man meiner Meinung nach zu oberflächlich. Um tief in die Möglichkeiten eines Motives vorzudringen, muss man dranbleiben.

Und es ist ja auch wichtig, seine eigene oberflächliche Betrachtungsweise abzulegen. Auf Portraits sind auch immer nur Menschen zu sehen. Werden sie deswegen per se langweilig, wenn man schon mehrere davon gemacht hat? Mit Staub verhält es sich ebenso: Man muss die ganz persönlichen Unterschiede jedes Mal wieder erkennen und angemessen in Szene setzen.

city map © Grit Schamass

Du fotografierst analog und meistens schwarzweiß, warum?

Am Anfang habe ich nur digital gearbeitet. Das ist gut für die Lernkurve, aber von der Ästhetik her viel zu glatt. Gerade bei meinem Thema und meinen Protagonisten! Das organische Korn unterstreicht den ebenso zufälligen und über die Zeit gewachsenen Charakter der Motive ganz wunderbar.

Das Schwarzweiße wiederum bietet sich an, um auf das Wesentliche zu reduzieren. Insbesondere dann, wenn es keine besonderen farlichen Highlights in einem Staubkonglomerat gibt. Manchmal ist es ganz reizvoll, wenn zum Beispiel in einem Haushalt jemand rote Haare hat, diese Farbnuancen wiederzufinden. Aber im Allgemeinen ergibt sich nur ein Grau in Grau und dann ist man im Grunde schon bei schwarzweiß.

personal © Grit Schamass

Was machst Du, bevor Du auf den Auslöser drückst? Hast Du beim Arbeiten so eine Art Konzept?

Da ich immer seriell arbeite, steht am Anfang tatsächlich ein formales Konzept, das ich bearbeiten möchte. Zum Beispiel einzelne Dinge auf einer reinweißen Fläche zeigen, senkrecht von oben. Oder einmal die besonders großen Ballen in den dunklen Ecken zeigen, nah dran und formatfüllend.

Oder ich studiere, wie sich verschieden geformte Strukturen, die ja oft auch offen sind, in den Raum greifen, sich auflösen und neu zusammenfinden, in verschiedene Formate bringen lassen. Anschnitte ergeben eine ganz neue Wirkung, lassen einen Ballen größer wirken als er tatsächlich ist, weil die menschliche Wahrnehmung darauf getrimmt ist, das Sichtbare über den Rand hinaus fortzusetzen.

the straight line © Grit Schamass

Wie verhält es sich mit der Präsentation Deiner Bilder? Reicht Dir dafür das Netz oder möchtest Du auch eine haptische Erfahrung?

Das ist eine spannende Frage, denn die unterschiedlichen Stofflichkeiten von Staub, Haaren und Kleinkram äußern sich natürlich nicht nur in ihrem Aussehen, sondern ganz besonders in ihrer Haptik. Wer sich noch nie überwunden hat, einmal in ein solches Büschel hineinzugreifen und es ganz langsam zwischen den Fingern zu reiben, auf der Haut zu fühlen, kann das sicher nicht nachvollziehen.

Solange ich also über die Entfernung des Netzes hinweg nur Bilder zeigen kann, bleibt mir lediglich der Aufruf zu dieser seinserweiternden Erfahrung. Vielleicht wäre es ein spannender Ansatz für eine Ausstellung in der Zukunft, neben den Bildern auch Möglichkeiten zum Anfassen zu bieten.

white mystery © Grit Schamass

Dann könnte man an den Anfass- und Anschauungsobjekten auch noch eingehend die dreidimensionale Ausdehnung, ja, fast Bauart studieren. Was da passiert, ist ja beinahe Architektur en miniature, da gelten ja ebenso die Gesetze der Statik.

Erst einmal freue ich mich aber auf die Reaktionen der Menschen, die ich jetzt zusätzlich erreichen kann. Meine Fotografien über die Grenzen der Kontinente hinweg allen zeigen zu können ist ja etwas ganz Neues für mich. Vielleicht hat der Staub überall auf der Welt eine ganz ortstypische Konsistenz?

Liebe Grit, ich danke Dir sehr für diese Einsichten in Deine außergewöhnlichen Arbeiten!

Grit Schamass zeigt ein paar ausgewählte Werkreihen aus ihrem Schaffen im Portfolio auf Flickr. Ihre eigene Webseite ist noch in Arbeit.


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Im Gespräch mit Paul Hiller

01 Mar

Ein Beitrag von: Paul Hiller

Fotografie hat für immer auch damit zu tun, eigene Themen zu finden, seine Leidenschaft für bestimmte Dinge zu vermitteln. Ich war daher sehr erstaunt über die Arbeiten des Fotografen Paul Hiller, der sich sehr auf eine ganz konkrete Richtung spezialisiert hat und habe ihn dazu befragt.

Paul, wie würdest Du Deine Arbeit jemandem beschreiben, der nicht die Möglichkeit hat, sie anzusehen?

Eigentlich sind alle meine Arbeiten Fotoberichte aus unterschiedlichen Ländern, immer ein bisschen durch Fernweh geprägt. Ich zeige oft alltägliche Szenen. Durch eine minimalistische Bildsprache und eine besondere Farb- und Lichtatmosphäre versuche ich, meine persönlichen Erfahrungen dieser Orte mit dem Betrachter zu teilen.

Im Moment fotografiere ich seit drei bis vier Jahren sehr intensiv fast nur noch Landschaften in Vergnügungsparks auf der ganzen Welt. Diese Orte haben für mich eine besondere Anziehungskraft.

Untitled © Paul Hiller

Ein Ort, der aus dem Nichts konstruiert wird, nur um dort Spaß zu haben. Ein Ort, der gebaut wurde, um (wenn er gut funktioniert) für die Ewigkeit bestehen soll. Obwohl diese Orte Vergnügen vermitteln sollen, strahlen sie für mich gleichzeitig eine Traurigkeit aus. Auch ist nicht immer schönes Wetter oder ein gut besuchtes Wochenende. Genau diese Tage neben der Saison interessieren mich am meisten.

Außerdem sehe ich in allen Parks, die ich fotografiere, obwohl diese noch in Betrieb sind und von mir auch nur zu ganz normalen Öffnungszeiten besucht werden, eine gewisse Morbidität. Alles ist dem Verfall ausgesetzt. Die Attraktionen und Buden an diesen Orten kommen in die Jahre und verblassen mehr und mehr.

Vielleicht kannst Du uns kurz einen Hintergrund zu Dir geben: Wie hat das bei Dir angefangen mit der Fotografie und wie bist Du dorthin gekommen, wo Du heute bist?

Angefangen hat alles in der Schule. Dort hatten wir ein gut ausgestattetes Schwarzweiß-Labor. Weil ich irgendwann als einziger Schüler den Schlüssel für diesen Raum hatte, konnte ich mich in jeder Pause und Freistunde dahin zurückziehen. Nach der Schule wollte ich dann Fotodesigner oder sowas werden und habe deshalb erst einmal angefangen, in einem Fotolabor zu arbeiten.

Meine ersten Bewerbungen an den Fotohochschulen waren erfolglos. Durch Zufall bin ich dann zur Akademie der Bildenden Künste München gekommen, wo ich ab 2007 Freie Kunst / Neue Medien studiert habe. Meine Diplomausstellung im Februar hatte den Titel „loop“ und war eine Foto- und Videoinstallation.

© Paul Hiller

Damit der Betrachter die Atmosphäre dieser Parks noch intensiver erleben kann, zeige ich meine Bilder schon immer in Leuchtkästen. Bei der Arbeit „loop“ bin ich nun einen Schritt weitergegangen und habe eine Installation mit sich drehenden Leuchtkasten-Würfeln gebaut, die auf jeder Seite ein Bild zeigten. Es war nicht mehr möglich, sich für eine längere Zeit nur auf ein Bild zu konzentrieren, weil die Bilder in Bewegung waren.

Das Ganze hatte zur Folge, dass man sich entweder den Bildern ähnlich der Bewegung eines Karussells mit der Drehung der Würfel bewegte oder man konnte an einer Stelle abwarten, bis sämtliche Bilder an einem vorbeigefahren kamen. Verstärkt durch zwei Videoprojektion hatte die ganze Installation auf den Besucher eine kontemplative Wirkung.

Deine Arbeiten sind sehr speziell. Wie kam es denn zu dieser Beschäftigung mit Freizeitparks?

Angefangen hat alles 2007 mit meinen Fotos vom Santa Cruz „Beach Walk“. In den Aufnahmen von damals tauchten eher am Rande die ersten typische Requisiten von Freizeitparks auf. Ab diesem Moment an habe ich mich dann auf die Suche nach solchen Motiven in den USA, China, Japan, Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien gemacht.

Viele meiner letzten Bilder kommen aus Japan, weil das im Moment das Land ist, welches mich am meisten in den Bann gezogen hat.

Untitled © Paul Hiller

Welches Genre ist das eigentlich für Dich? Man sieht manchmal Menschen auf den Bildern, oft nur Architektur, Riesenräder und Karusselle.

Für mich ist Landschaftsfotografie das Genre. Ursprünglich bin ich ja auch über die Stadtlandschaft zu diesen Parks gekommen. Im Moment interessieren mich Konsuminszenierungen in Vergnügungsparks am meisten. Auf meinen Reisen sind aber natürlich auch immer noch Fotos von Stadtlandschaften präsent – diese zeige ich aber gerade nicht so.

Dazu kommt dann noch Deine spezielle Farbgebung der Bilder. Vielleicht magst Du uns darüber und generell über die Technik hinter den Bildern etwas erzählen?

Meine Arbeiten entstehen mit einer alten Hasselblad auf Film. Ich benutze immer denselben Film (Portra 400) und belichte meistens 1/3 Blende über. Dann habe ich noch einen guten Scanner zum Digitalisieren. Früher, als ich noch im Fotolabor arbeitete, habe ich aber sogar ganz analog Farbabzüge in der Dunkelkammer gemacht. An dieser Ästhetik orientiere ich mich immer noch bei meinen Scans und der Bildbearbeitung.

Untitled © Paul Hiller

Sämtliche Techniken habe ich bei meiner Ausbildung und späteren Arbeit im Fotolabor gelernt. Dort bin ich vielen Fotografen und Künstlern begegnet, die mich beeinflusst und teilweise sogar unterstützt haben. Letztendlich hat es sich aber ergeben, dass ich auf altbewährte Verfahren wie das Fotografieren auf Film zurückgreife.

Ein 400er Negativfilm hat für mich die perfekten Eigenschaften, um meine Bilder aufzunehmen: Es gibt einen hohen Belichtungsspielraum, die Farben und Kontraste sind weich, die Auflösung ist gut genug für schöne Abzüge bis 100 x 100 cm. Hinzu kommt der ganz eigene Farbcharakter von Negativfilm. Außerdem habe ich mich für das praktische quadratische Format einer Hasselblad Mittelformat-Kamera entschieden.

Fotografierst Du sonst eigentlich noch andere Sachen und sortierst die Dinge entsprechend aus oder sind es nur diese Bilder? Wie wichtig ist generell für Dich die Fokussierung auf einen roten Faden im eigenen Portfolio?

Auf meinen Reisen entstehen eigentlich nur noch Stadtlandschafts- und Vergnüngsparkbilder und davon zeige ich auch nur einen Teil. Für mich ist es sehr wichtig, den Betrachter nicht mit meinen Bildern zu überfluten, sondern nur eine konzentrierte Auswahl zu präsentieren.
Die Auswahl ist eine ganz bewusste Entscheidung von mir selbst, die ja schon während des Fotografierens beginnt.

Untitled © Paul Hiller

Wenn man eine Reise mit nur einer Tasche voll Mittelformatfilmen beginnt, muss man diese schon gut einteilen und kann nicht jede Gelegenheit für einen Schnappschuss nutzen.

Außerdem habe ich ja eine klare Aufgabe, die ich mit meinen Bildern erfüllen möchte und dafür reicht dann meistens eine Handvoll fertiger Bilder. Ich glaube, dass zu viele Bilder, gerade wenn man sich so intensiv mit nur einem Thema beschäftigt, schnell auch langweilen können und das möchte ich natürlich vermeiden.

Neben meinen freien Arbeiten habe ich aber auch sonst jeden Tag mit Fotografie zu tun – ich arbeite noch als Fotograf und Bildbearbeiter für verschiedene Firmen.

Untitled © Paul Hiller

Vielleicht noch etwas allgemeiner: Was bedeutet Dir Fotografie?

Fotografie ist für mich ein handwerklicher Beruf und eine Kunstform. Als Kunstform ist es für mich – wie schon so oft gehört – das einfachste und schwierigste Medium zugleich.

Jeder kann Fotos machen und es gibt so viele Fotos auf der Welt wie noch nie. Ein Foto oder eine Serie zu produzieren, die einen selbst und andere Betrachter berührt, ist die Herausforderung.

Danke für den Einblick in Deine Arbeit.


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Im Gespräch mit Paul Hiller

26 Feb

Ein Beitrag von: Paul Hiller

Fotografie hat für immer auch damit zu tun, eigene Themen zu finden, seine Leidenschaft für bestimmte Dinge zu vermitteln. Ich war daher sehr erstaunt über die Arbeiten des Fotografen Paul Hiller, der sich sehr auf eine ganz konkrete Richtung spezialisiert hat und habe ihn dazu befragt.

Paul, wie würdest Du Deine Arbeit jemandem beschreiben, der nicht die Möglichkeit hat, sie anzusehen?

Eigentlich sind alle meine Arbeiten Fotoberichte aus unterschiedlichen Ländern, immer ein bisschen durch Fernweh geprägt. Ich zeige oft alltägliche Szenen. Durch eine minimalistische Bildsprache und eine besondere Farb- und Lichtatmosphäre versuche ich, meine persönlichen Erfahrungen dieser Orte mit dem Betrachter zu teilen.

Im Moment fotografiere ich seit drei bis vier Jahren sehr intensiv fast nur noch Landschaften in Vergnügungsparks auf der ganzen Welt. Diese Orte haben für mich eine besondere Anziehungskraft.

Untitled © Paul Hiller

Ein Ort, der aus dem Nichts konstruiert wird, nur um dort Spaß zu haben. Ein Ort, der gebaut wurde, um (wenn er gut funktioniert) für die Ewigkeit bestehen soll. Obwohl diese Orte Vergnügen vermitteln sollen, strahlen sie für mich gleichzeitig eine Traurigkeit aus. Auch ist nicht immer schönes Wetter oder ein gut besuchtes Wochenende. Genau diese Tage neben der Saison interessieren mich am meisten.

Außerdem sehe ich in allen Parks, die ich fotografiere, obwohl diese noch in Betrieb sind und von mir auch nur zu ganz normalen Öffnungszeiten besucht werden, eine gewisse Morbidität. Alles ist dem Verfall ausgesetzt. Die Attraktionen und Buden an diesen Orten kommen in die Jahre und verblassen mehr und mehr.

Vielleicht kannst Du uns kurz einen Hintergrund zu Dir geben: Wie hat das bei Dir angefangen mit der Fotografie und wie bist Du dorthin gekommen, wo Du heute bist?

Angefangen hat alles in der Schule. Dort hatten wir ein gut ausgestattetes Schwarzweiß-Labor. Weil ich irgendwann als einziger Schüler den Schlüssel für diesen Raum hatte, konnte ich mich in jeder Pause und Freistunde dahin zurückziehen. Nach der Schule wollte ich dann Fotodesigner oder sowas werden und habe deshalb erst einmal angefangen, in einem Fotolabor zu arbeiten.

Meine ersten Bewerbungen an den Fotohochschulen waren erfolglos. Durch Zufall bin ich dann zur Akademie der Bildenden Künste München gekommen, wo ich ab 2007 Freie Kunst / Neue Medien studiert habe. Meine Diplomausstellung im Februar hatte den Titel „loop“ und war eine Foto- und Videoinstallation.

© Paul Hiller

Damit der Betrachter die Atmosphäre dieser Parks noch intensiver erleben kann, zeige ich meine Bilder schon immer in Leuchtkästen. Bei der Arbeit „loop“ bin ich nun einen Schritt weitergegangen und habe eine Installation mit sich drehenden Leuchtkasten-Würfeln gebaut, die auf jeder Seite ein Bild zeigten. Es war nicht mehr möglich, sich für eine längere Zeit nur auf ein Bild zu konzentrieren, weil die Bilder in Bewegung waren.

Das Ganze hatte zur Folge, dass man sich entweder den Bildern ähnlich der Bewegung eines Karussells mit der Drehung der Würfel bewegte oder man konnte an einer Stelle abwarten, bis sämtliche Bilder an einem vorbeigefahren kamen. Verstärkt durch zwei Videoprojektion hatte die ganze Installation auf den Besucher eine kontemplative Wirkung.

Deine Arbeiten sind sehr speziell. Wie kam es denn zu dieser Beschäftigung mit Freizeitparks?

Angefangen hat alles 2007 mit meinen Fotos vom Santa Cruz „Beach Walk“. In den Aufnahmen von damals tauchten eher am Rande die ersten typische Requisiten von Freizeitparks auf. Ab diesem Moment an habe ich mich dann auf die Suche nach solchen Motiven in den USA, China, Japan, Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien gemacht.

Viele meiner letzten Bilder kommen aus Japan, weil das im Moment das Land ist, welches mich am meisten in den Bann gezogen hat.

Untitled © Paul Hiller

Welches Genre ist das eigentlich für Dich? Man sieht manchmal Menschen auf den Bildern, oft nur Architektur, Riesenräder und Karusselle.

Für mich ist Landschaftsfotografie das Genre. Ursprünglich bin ich ja auch über die Stadtlandschaft zu diesen Parks gekommen. Im Moment interessieren mich Konsuminszenierungen in Vergnügungsparks am meisten. Auf meinen Reisen sind aber natürlich auch immer noch Fotos von Stadtlandschaften präsent – diese zeige ich aber gerade nicht so.

Dazu kommt dann noch Deine spezielle Farbgebung der Bilder. Vielleicht magst Du uns darüber und generell über die Technik hinter den Bildern etwas erzählen?

Meine Arbeiten entstehen mit einer alten Hasselblad auf Film. Ich benutze immer denselben Film (Portra 400) und belichte meistens 1/3 Blende über. Dann habe ich noch einen guten Scanner zum Digitalisieren. Früher, als ich noch im Fotolabor arbeitete, habe ich aber sogar ganz analog Farbabzüge in der Dunkelkammer gemacht. An dieser Ästhetik orientiere ich mich immer noch bei meinen Scans und der Bildbearbeitung.

Untitled © Paul Hiller

Sämtliche Techniken habe ich bei meiner Ausbildung und späteren Arbeit im Fotolabor gelernt. Dort bin ich vielen Fotografen und Künstlern begegnet, die mich beeinflusst und teilweise sogar unterstützt haben. Letztendlich hat es sich aber ergeben, dass ich auf altbewährte Verfahren wie das Fotografieren auf Film zurückgreife.

Ein 400er Negativfilm hat für mich die perfekten Eigenschaften, um meine Bilder aufzunehmen: Es gibt einen hohen Belichtungsspielraum, die Farben und Kontraste sind weich, die Auflösung ist gut genug für schöne Abzüge bis 100 x 100 cm. Hinzu kommt der ganz eigene Farbcharakter von Negativfilm. Außerdem habe ich mich für das praktische quadratische Format einer Hasselblad Mittelformat-Kamera entschieden.

Fotografierst Du sonst eigentlich noch andere Sachen und sortierst die Dinge entsprechend aus oder sind es nur diese Bilder? Wie wichtig ist generell für Dich die Fokussierung auf einen roten Faden im eigenen Portfolio?

Auf meinen Reisen entstehen eigentlich nur noch Stadtlandschafts- und Vergnüngsparkbilder und davon zeige ich auch nur einen Teil. Für mich ist es sehr wichtig, den Betrachter nicht mit meinen Bildern zu überfluten, sondern nur eine konzentrierte Auswahl zu präsentieren.
Die Auswahl ist eine ganz bewusste Entscheidung von mir selbst, die ja schon während des Fotografierens beginnt.

Untitled © Paul Hiller

Wenn man eine Reise mit nur einer Tasche voll Mittelformatfilmen beginnt, muss man diese schon gut einteilen und kann nicht jede Gelegenheit für einen Schnappschuss nutzen.

Außerdem habe ich ja eine klare Aufgabe, die ich mit meinen Bildern erfüllen möchte und dafür reicht dann meistens eine Handvoll fertiger Bilder. Ich glaube, dass zu viele Bilder, gerade wenn man sich so intensiv mit nur einem Thema beschäftigt, schnell auch langweilen können und das möchte ich natürlich vermeiden.

Neben meinen freien Arbeiten habe ich aber auch sonst jeden Tag mit Fotografie zu tun – ich arbeite noch als Fotograf und Bildbearbeiter für verschiedene Firmen.

Untitled © Paul Hiller

Vielleicht noch etwas allgemeiner: Was bedeutet Dir Fotografie?

Fotografie ist für mich ein handwerklicher Beruf und eine Kunstform. Als Kunstform ist es für mich – wie schon so oft gehört – das einfachste und schwierigste Medium zugleich.

Jeder kann Fotos machen und es gibt so viele Fotos auf der Welt wie noch nie. Ein Foto oder eine Serie zu produzieren, die einen selbst und andere Betrachter berührt, ist die Herausforderung.

Danke für den Einblick in Deine Arbeit.


kwerfeldein – Fotografie Magazin | Fotocommunity

 
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Im Gespräch mit Victor Habchy

14 Jan

Ein Beitrag von: Victor Habchy

Victor Habchy ist Fotograf aus Paris, der sich in allen Bereichen der Fotografie schon einmal versucht hat. Mit konzeptueller Stärke entführt er uns mit atemberaubenden Landschaftsaufnahmen und kraftvollen Portraits in eine eigene Welt.

Auch, wenn er selbst stets unzufrieden mit der eigenen Arbeit bleibt, so spürt man doch die vielen verschiedenen Geschichten, die er eingefangen hat, wenn man sich die immense Menge seiner Bilder ansieht.

Erzählst Du uns etwas über Deinen Hintergrund? Woher kommst Du und wie bist Du zur Fotografie gekommen?

Es gibt ehrlich gesagt nicht sonderlich viel über meine Vergangenheit zu erzählen. Ich wurde in einer kleinen Stadt in Frankreich geboren und meine Jugend verlief ziemlich normal, um nicht zu sagen langweilig.

Die Fotografie habe ich zufällig entdeckt, als ich versuchte, ein paar Bilder meiner Freunde beim Skateboarden zu machen. Seitdem ist Fotografieren das, was ich ausnahmslos am allerliebsten tue.

© Victor Habchy

Deine Arbeiten sind so vielfältig. Erst hast Du Sport fotografiert, dann Mode, danach Fine Art und so weiter. Findest Du es schwierig, Deine Arbeit genau zu umgrenzen?

Ich stimme Dir da absolut zu! Wenn jemand mich fragt, was für Bilder ich mache, finde ich es schwierig, darauf eine Antwort zu finden. Ich denke, mir gefällt es einfach, Fotos zu machen. Ich habe keinen bestimmten Stil und ich probiere gern neue Sachen aus.

Das einzige gemeinsame Ziel all meiner Bilder ist die Suche nach einer ästhetischen Stimmung. Ich suche immer die Schönheit als solche, nicht nur in der Person, sondern auch in ihrer Bewegung, in Strukturen und so weiter.

© Victor Habchy

Weil Du Bewegung erwähnt hast: Was für einen Stellenwert hat für Dich das Reisen in Deinem Leben als Fotograf?

Reisen ist für mich sehr wichtig, sowohl als Mensch, als auch als Fotograf. Es ist wirklich interessant, in die Fremde zu ziehen und Dinge zu erleben, die man nie zuvor getan hat.

Einmal durch Asien zu reisen ist für mich eine unglaubliche Erfahrung gewesen. Ich mochte meine Augen gar nicht schließen. Im kommenden März fahre ich nach Indien – ich freue mich und bin schon ziemlich aufgeregt.

Ich persönlich halte Deine Arbeit für atemberaubend. Gibt es für Dich ein bestimmtes Bild, auf das Du ganz besonders stolz bist?

Nein, kein einziges. Ich bin von meinen eigenen Bildern normalerweise ziemlich schnell gelangweilt. Auch wenn ich sie manchmal für den Augenblick gut finde, halte ich sie auf längere Sicht dann doch eher für schwach. Ich bin durchweg unzufrieden und strebe immer nach Verbesserung. Ich fühle mich wahrlich nicht als vollkommen, weder als Künstler noch als Fotograf.

© Victor Habchy

Eine Sache, die mir in Deinen Fotos sehr stark auffällt, sind Deine Konzepte und einige wirklich einzigartige Ideen, die ich an anderer Stelle noch nicht so oft gesehen habe. Wie kommst Du auf Deine Ideen?

Es mag ein wenig dämlich klingen, aber die Ideen tauchen halt einfach in meinem Kopf auf. Ich suche nicht zwanghaft nach Kreativität (Kann man denn überhaupt noch kreativer werden?), ich habe manchmal einfach Ideen, die plötzlich aus dem Nichts kommen. Das passiert mir häufig nachts, besonders, wenn ich müde werde. Das ist etwas lästig, denn ich muss dann immer aus dem Bett, um schnell noch ein paar Ideen aufzuschreiben.

© Victor Habchy

Woher bekommst Du Deine Inspiration? Gibt es jemanden, auf den Du Dich in Deiner künstlerischen Entwicklung besonders beziehst?

Ich schaue mir häufig die Werke auf den Webseiten anderer Fotografen an. Danach bin ich süchtig. (Schau Dir meine Pinterest-Seite an; diese Plattform ist wirklich klasse). Außerdem interessiere ich mich sehr für Gemälde, besonders für jene aus der Zeit der Renaissance.

Ich möchte auch all meinen Fotofreunden danken, die mich auf dieser wunderbaren Reise begleitet haben. Und nicht zuletzt auch meinen Eltern dafür, dass sie intolerant gewesen sind und mich nicht unterstützt haben. Ich bin so viel gereist, wie es ging und bin dadurch unabhängig genug geworden, um zu erfahren, was Freiheit und Freude sind. Das war es absolut wert.

© Victor Habchy

Hast Du noch eine Botschaft an angehende Künstler, was sie beachten sollten?

Willkommen im Internet! Vergesst nie, dass auch die härteste Kritik nicht zwangsläufig eine miese Bewertung Eurer Abeit ist.

Ein Gespräch zwischen Victor und Hanae, Mitarbeiterin bei „The Portfolio“. Das Interview erschien bereits in Englisch auf „The Portfolio Conversations“. Unser Redakteur Robert Herrmann hat es für kwerfeldein ins Deutsche übersetzt.


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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Im Gespräch mit Resa Rot

10 Dec

Ein Beitrag von: Resa Rot

Hallo Resa. Danke, dass Du Dir die Zeit für ein Interview mit uns nimmst. Erzähl doch erst einmal ein bisschen was über Dich: Wer bist Du, was machst Du?

Der Klassiker, der so schwer zu beantworten ist, da etwas von sich zu erzählen ganze Bücher füllen könnte, fänge man es ernsthaft an. Nun aber in kurz, mit den Eckdaten: Resa Rot, 34 Jahre alt, aus Leipzig, Fotografin, Mensch, Frau.

Die Fotografie war eigentlich nie ein großes Thema für mich, denn ich habe immer Musik gemacht (Violine und Gesang) und das war mir das Wichtigste. Erst im Frühjahr 2011 begann ich mit der Menschenfotografie.

© Resa Rot© Resa Rot

Wie kam’s dazu? Gab’s ein besonderes Erlebnis oder wie bist Du zur Fotografie gekommen?

Die Fotografie hat mich nur am Rand begleitet. Ich hatte eine analoge Spiegelreflexkamera und habe damit ab und zu fotografiert, aber ohne Thema und ohne eine Motivation, die über das bloße Dokumentieren meines aktuellen Lebens hinausgegangen wäre. Warum sich das dann so massiv geändert hat, liegt wohl an mir selbst und einem Entschluss, den ich 2011 fasste.

Ich war in den Jahren zuvor immer mehr zur Einzelgängerin mutiert, soziale Kontakte fielen mir schwer und ich mied sie, wo ich nur konnte. Die Fotografie war da eine Art Selbsttherapie, die ich mir verordnete und so ist es noch heute. Sich mit Menschen verabreden, die man in den meisten Fällen vorher noch nie gesehen hat und mit ihnen etwas zu kreieren, war und ist eine große Herausforderung.

Anfangs hatte ich vor jedem Termin Bauchschmerzen und das wortwörtlich. Und ich fragte mich mehr als einmal, ob das wirklich sein muss. Ob es nicht andere Wege gibt, wieder zu lernen, menschliche Kontakte auszuhalten. Aber dann hat mich die Leidenschaft für die Fotografie gepackt und nicht mehr losgelassen.

© Resa Rot

Wie bist Du auf die Idee gekommen, gerade mit der Fotografie und gerade mit Shootingverabredungen in dieser Form Deine Selbsttherapie anzugehen?

Ich hatte wie gesagt eine ganze Zeit lang immer Musik gemacht und zuletzt mein ganzes Herzblut in ein Singer-Songwriter-Projekt gesteckt. Bis zu dem Tag, an dem mein musikalischer Partner mir mitteilte, dass er in Kopenhagen leben und studieren würde. Ich fiel in ein ziemliches Loch. Es fehlte mir, meine Gefühle kreativ zu verarbeiten.

Dann las ich von einem Portraitworkshop, der demnächst beginnen würde – und auch bezahlbar wäre. Ich bin dann quasi einfach ins kalte Wasser gesprungen, dachte, dass man sich das ja mal anschauen könne, ganz ohne Verpflichtungen. Dieser Workshop lief über acht Wochen mit je einem Treffen pro Woche und wir waren angehalten, zu jedem Termin neue Bilder mitzubringen.

Da es sich um Portraits handelte, fragte ich erst Freunde, dann schrieb ich mein erstes Modell an. (Wie es der Zufall wollte, ein Nujolie-Modell und seit Kurzem bin ich im Fotografenteam von Nujolie.)

Was mir sehr entgegenkommt, sind die festgelegten Termine: Ich gehe meist zu den Modellen nach Hause und kann dadurch also auch jederzeit wieder gehen. Das war für mich besonders anfangs sehr wichtig, da es mir manchmal schnell zu viel wurde. Schritt für Schritt habe ich menschliche Kontakte wieder „üben“ können.

© Resa Rot© Resa Rot

Welche Themen beschäftigen Dich in Deinen Fotos jetzt besonders? Du machst ja nicht nur 0815 Portraits.

Mich interessiert die ganze Bandbreite menschlicher Gefühle. Ihre Abgründe, ihre Verwirrung, ihr Glück, ihre Sehnsüchte. Und natürlich nutze ich die Menschen, die ich fotografiere auch als Projektionsfläche. Ich verarbeite in meinen fotografierten Geschichten Erlebnisse und Erfahrungen, Dinge, die mich berühren oder verstören. Zu einem gewissen Teil sind die Fotos also auch Selbstportraits, auch wenn das so sicher merkwürdig klingt.

Wie gehst Du an einen neuen Menschen, mit dem Du Dich zum Fotosmachen verabredest, heran? Wie wird aus einem Fremden eine Projektionsfläche Deiner eigenen, sicher sehr persönlichen, Gefühle?

Meist treffe ich mich mit den Menschen in ihrem Zuhause. Das schafft eine persönliche Atmosphäre, eine Sicherheit. Wir trinken Kaffee und unterhalten uns, ich bekomme Stück für Stück ein Gefühl für mein Gegenüber und für die Dinge, die ihn oder sie beschäftigen und spüre auch, was möglich ist und was nicht.

Ja, ich denke, vieles läuft bei mir instinktiv ab. Auch das Bildermachen selbst bleibt dann ein Dialog, ein stetiges Abgleichen. Ich öffne mich in dem Maße, in dem sich auch mein Gegenüber öffnet und umgekehrt. Im besten Fall nähern wir uns gemeinsam unseren inneren Dämonen und machen sie sichtbar.

© Resa Rot© Resa Rot

Hast Du bestimmte Vorlieben beim Fotografieren entwickelt?

Ich fotografiere zur zeit ausschließlich digital und für meine persönlichen Projekte fast nur in schwarzweiß. In der Nachbearbeitung spiele ich meist ein wenig mit den Kontrasten, mache Schwarzes schwärzer und so weiter, aber das ist im Grunde auch schon alles.

Deine Schwarzweiß-Bearbeitung ist mir auch schon besonders aufgefallen. Warum schwarzweiß?

Eine schwierige Frage. Ich denke, die Welt mit ihrer Flut an Sinneseindrücken überfordert mich so manches Mal. Vielleicht liebe ich deshalb das Reduzierte der Schwarzweiß-Fotografie, die es mir erlaubt, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren – das Sichtbarmachen von Gefühlen.

Das Schwarzweiße in meinen Fotografien nutze ich tatsächlich, um den Fokus auf die person und ihre Emotionen zu lenken. Wie gesagt ist diese Welt voll von Sinneseindrücken, besonders für jemanden, der in einer größeren Stadt lebt. Und manchmal belastet mich diese schier endlose Vielfalt der Farben, Formen und Geräusche, die für mich viel zu oft im Chaos mündet.

Das ist übrigens auch etwas, was ich an den Bauhaus-Künstlern liebe: Das Puristische. Die geometrischen Formen in der Malerei eines Moholy-Nagy zu beispiel. (Auch, wenn er natürlich – außer in seiner Fotografie – Farben nutzt und das meisterhaft!)

© Resa Rot

© Resa Rot

Hast Du fotografische oder künstlerische Vorbilder?

Ich habe viel über Deine Frage nachgedacht. Saul Leiter zum Beispiel benutzt in seinen Fotografien oft Fenster oder Spiegel. Auch ich tue das und mag die Symbolwirkung. Fenster können auch als eine Öffnung zu weiteren Räumen gesehen werden, nicht nur nach außen, zu Straßen und der Natur, sondern auch zum Inneren des Menschen.

Spiegel wiederum werfen ein Bild zurück. Manchmal eines, das wir nicht sehen wollen, das uns weh tut, manchmal eines davon, wie wir gern wären, eine Illusion, in der wir sein können, was wir wollen.

Wenn ich in einen Spiegel oder ein Fenster hineinfotografiere, werde zwangsläufig auch ich zu sehen sein, manchmal gewollt und buchstäblich, was ich aber zu vermeiden versuche, denn es soll der Mensch, den ich portraitiere im Mittelpunkt stehen, aber immer für mich selbst sichtbar.

© Resa Rot© Resa Rot

Wie möchtest Du Deinen Stil weiterentwickeln? Gibt es etwas, was Du machen möchtest, Dich bisher aber nicht getraut hast oder was noch nicht gelingt?

Ich arbeite bis jetzt ausschließlich mit natürlichem Licht, würde aber in der Zukunft gern mehr mit Kunstlicht experimentieren – gerade in der dunklen Jahreszeit ist man doch sonst sehr eingeschränkt. Zudem würde ich gern öfter mit Menschen arbeiten, die nicht den gängigen Schönheitsidealen entsprechen. Das ist jedoch gar nicht so einfach, da viele wenig Mut haben, sich fotografieren zu lassen, wenn sie ein paar Kilo zuviel haben oder keine 20 mehr sind.

© Resa Rot

© Resa Rot

Hast Du konkrete Pläne für die nahe bzw. große Träume für die ferne Zukunft?

Ich habe in diesem Jahr einige sehr interessante Aufträge machen dürfen. Es waren Anfragen von Menschen dabei, die besondere persönliche Schicksale oder Probleme verarbeiten wollten und mit denen ich ein Konzept erarbeiten durfte, das dies fotografisch behandelte und aufarbeitete.

Das hatte ich so nie geplant. Umso mehr hat es mich berührt und mir gezeigt, das Fotografie sogar ein Mittel sein kann, um in einem gewissen kleinen Rahmen therapeutisch zu wirken. Wenn ich mir also etwas wünschen dürfte für die Zukunft, dann wäre es, noch weitere solcher Projekte zu realisieren.

Vielen Dank für diesen Einblick in Deine Arbeit, Resa!


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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Im Gespräch mit Alain Laboile

31 Oct

Ein Beitrag von: Alain Laboile

Hallo Alain. Danke, dass Du Dir die Zeit für ein Interview nimmst. Zuerst, erzähl doch mal etwas über Dich: Wer bist Du und was machst Du?

Ich bin ein französischer Bildhauer und Fotograf und wurde 1968 in der Nähe von Bordeaux geboren. Ich bin der Vater von sechs Kindern und seit 1992 mit meiner Frau Anne verheiratet. Wir leben ganz weit draußen auf dem Land, inmitten von Weinbergen, in einem alten Haus, das gesäumt ist von einem Bach und einem Bambuswald.

Wie bist Du mit der Fotografie in Kontakt gekommen und warum bist Du bei ihr geblieben?

Ich arbeite wie gesagt als Bildhauer. Im Jahr 2004 habe ich dann meine erste Kamera gekauft, um meine Skulpturen zu fotografieren. Meine Leidenschaft für Insekten hat dann dazu geführt, dass ich mich zuerst in der Makrofotografie geübt habe.

Nach der Geburt meiner letzten zwei Töchter habe ich die Linse dann Stück für Stück immer mehr auf meine Familie gerichtet. So war die Leidenschaft dafür geweckt und hat mich in den letzten neun Jahren auch einfach nicht mehr losgelassen.

© Alain Laboile

© Alain Laboile© Alain Laboile

© Alain Laboile

Warum ist Deine Familie Dein Hauptthema, was möchtest Du festhalten und zeigen?

Mit jedem einzelnen Tag führe ich ein Familienalbum fort, das ein Erbe bildet, das ich an meine Kinder weitergeben werde. Meine Arbeit spiegelt unsere Art zu leben wider, die sich um ihre Kindheit dreht und meine Fotografien werden das Zeugnis davon sein. Man könnte sagen, dass mein Ansatz dem eines Ethnologen ähnlich ist.

In welchen Situationen machst Du Deine Fotos und wie erhältst Du die Spontanität dabei?

Ich fotografiere genau das, was wir leben. Ich arbeite zuhause und meine Frau ist nicht berufstätig, weshalb wir nie jemand anderen brauchten, um nach unseren Kindern zu sehen. Heute gehen sie auch alle schon zur Schule. Wir machen auch nicht den Trend mit, ein Überangebot von Nachmittagskursen für sie zu haben und unsere Kinder wissen, wie sie diese freie Zeit genießen können.

Durch diese Art der Erziehung entstehen Situationen mit Spielen und Szenen des täglichen Leben, die zu Aufnahmen werden können. Mein Platz zum Fotografieren ist begrenzt, weil das unsere Art zu leben ist. Wir fahren nicht in den Urlaub und sind meistens alle zusammen.

Das alte Haus, der Garten, der von uns selbst mit Schaufeln ausgehobene Pool, der Bambuswald, das Flüsschen, das hinten im Garten fließt und manchmal über die Ufer tritt – das ist unsere Welt. Hier gibt es unzählige Möglichkeiten für Spiele, die wiederum so viele Gelegenheiten bieten, diese Momente des Lebens für immer festzuhalten.

© Alain Laboile

© Alain Laboile© Alain Laboile

© Alain Laboile

Wir haben uns dafür entschieden, auf dem Land zu leben. In einem wirklich alten Haus ohne jeden unnötigen Komfort und ohne Fernseher. Mit unserem kleinen Universum drum herum. Ich habe diese natürliche Umgebung sehr genau kennengelernt. Ich weiß, wo ich stehen muss, um das Licht richtig einzufangen. Obwohl der Platz so beschränkt ist, gibt es ständig viel zu entdecken und die Erfindungsgabe der Kinder spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Ich bin meinen Kindern gegenüber ständig anwesend. Ich bin da, wenn sie spielen und oft ist es gerade ihr Spiel, das die fotografische Idee liefert. Manchmal brauchen sie natürlich etwas Anschub. Dann tut es vielleicht eine Geste oder ein verbaler Fingerzeig wie „Mach das nochmal!“, „Noch etwas hoch!“ oder „Warte… geh mal da rüber!“.

Meistens beziehen sich meine „Anweisungen“ auf die Platzierung, ohne dass ich erkläre, was ich fotografieren möchte. Ich denke, sie haben sich daran gewöhnt, dass ich ihnen nur diese wenigen Worte hinwerfe. Das Wichtige dabei ist nur, es in der Bewegung zu tun und das Spiel nicht für eine Einsatzbesprechung zu unterbrechen. Alles passiert also in Echtzeit.

Die Serie „Reflections around the pool“ gibt ihnen die Möglichkeit, in eine Rolle zu schlüpfen, die innerhalb weniger Minuten improvisiert ist. Hierbei unterscheidet sich die Übung also von der Arbeitsweise meiner alltäglichen Fotografien, die die Spontanität des Moments festhalten sollen. In diesen kleinen Szenen nehmen sie bei einer Art Theater teil und das ist es, was sie mögen.

© Alain Laboile

© Alain Laboile

© Alain Laboile

Wie reagiert Deine Familie normalerweise auf die von ihr gemachten Portraits?

Wir haben sechs Kinder: Eliott ist 19, Olyana 17, Luna 15, Merlin 13, Dune 6 und Nil 5 Jahre alt. Die jüngsten achten gar nicht auf die Kamera und sind so einfach aufgrund ihrer Gleichgültigkeit ihr gegenüber freiwillig Mitwirkende. Die mittleren Alters spielen einfach herzlich mit und obwohl sie sich der fotografischen Arbeit, die da im Entstehen ist, bewusst sind, beeinflusst das nicht ihr Verhalten. Und für die älteren gilt, dass ihre Überbewusstheit gegenüber Bildern es schwerer macht, sie natürlich zu fotografieren.

Bekommst Du negative Rückmeldungen wegen der manchmal nackt gezeigten Kinder in Deinen Arbeiten?

Wir leben ja auf dem Land, an einem sehr isolierten Ort. Unsere Kinder entwickeln sich im Einklang mit der Natur. Die jüngsten ziehen sich also auch spontan aus, wenn das Wetter gut ist. Sie ziehen sich von selbst an, wenn sie älter werden und sich eine Vorstellung von Scham bei ihnen entwickelt.

Diese kindliche Nacktheit ist es, die manchmal zum Problem wird. Sie wird sexualisiert und dämonisiert und dann tritt auch Zensur auf. Ich akzeptiere das und lösche die Fotos einfach, über die sich beschwert wird.

Welche Ausrüstung benutzt Du und was denkst Du, wie wichtig sie für Deine Bilder ist?

Ich habe lange eine Canon 5D Mark II und III mit einem Canon 35mm f/1.4 benutzt. Kürzlich habe ich angefangen, mit der Leica M Monochrom und einem Leica 35mm f/1.4 zu fotografieren. Obwohl ich natürlich ein Glückspilz bin, dass Leica mir diese Kamera schenkt, damit ich verschiedene Modelle vergleichen kann, bleibt mein Arbeitsablauf gleich. Ich konzentriere mich nicht auf die Technik und war auch noch nie von mangelnder Technik eingeschüchtert. Das ist alles zweitrangig. Man muss seinen Instinkt sprechen lassen und Kritik akzeptieren.

© Alain Laboile

© Alain Laboile

© Alain Laboile© Alain Laboile

Kann es sein, dass Du von Schwarzweiß besessen bist?

Ich teile diese Fotos, die ich mache, jeden Tag im Internet. Dabei habe ich die universelle und zeitlose Dimension meiner fotografischen Arbeit erkannt, als ich die Aussagen von anderen Menschen aus der ganzen Welt gelesen habe, die sie über meine Bilder machen.

Es ist fantastisch, alltägliche Stückchen unseres Familienlebens zu teilen und positive Antworten auf dieses einfache, naturnahe Leben zu erhalten. Jemanden durch Fotografie in seine Kindheit eintauchen zu lassen, ist sehr lohnend. Der Einsatz von Schwarzweiß verstärkt dieses Gefühl wahrscheinlich noch.

Ich kann die Geschichten von Menschen gar nicht mehr zählen, die sich durch die Bilder an Szenen ihrer eigenen Kindheit erinnern, etwa mit ihren Großeltern im Garten zu sein oder den Duft der Sommerferien wieder heraufzubeschwören. Ich mag die Idee, dass jemand sich wieder in sein eigenes Leben vertieft, weil er die Bilder eines zufälligen Fremden im Internet betrachtet.

Sicher ist jedenfalls, dass dieser fotografische Stil, der auf Familienbildern basiert, nicht Berechnung oder eine bewusste Entscheidung von meiner Seite aus war. Aber natürlich beeinflussen diese Kommentare aus aller Welt meine fotografische Arbeit.

Ich bin auch sehr auswählend, zögere also nicht, einfach alle Fotos zu löschen, mit denen ich nicht vollkommen zufrieden bin. Bei der Nachbearbeitung benutze ich Camera Raw und nur ein kleines bisschen Photoshop.

© Alain Laboile

© Alain Laboile

© Alain Laboile

Hast Du fotografische Vorbilder, denen Du folgst?

Als ich 2004 anfing, zu fotografieren, hatte ich eine fotografische Kultur nahe dem Nichts. Kommentare zu meinen Fotos, in denen manchmal andere Fotografen als Referenz genannt wurden, erweiterten dann mein Wissen. Sally Mann und Jock Sturges werden etwa regelmäßig genannt. Jock ist sogar zu einem engen Freund geworden, dem ich viel verdanke. Sally ist mit ihm befreundet und ich hoffe, sie eines Tages zu treffen!

Was sind Deine Pläne und Träume für die Zukunft?

Nächstes Jahr werde ich ein Buch im Steidl Verlag veröffentlichen, das ist ein wirklich aufregendes Projekt. In diesem Jahr hatte ich Ausstellungen in Japan, Indien und Kalifornien. Und jetzt träume ich von einer in New York in 2014!

Vielen Dank, Alain. Ich wünsche Dir und Deiner Familie alles Gute für die Zukunft!

Ich habe das Interview mit Alain auf Englisch geführt und anschließend ins Deutsche übersetzt.


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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Im Gespräch mit Miriam Schmalen

26 Sep

Ein Beitrag von: Miriam Schmalen

Hallo Miriam, stell Dich doch erst einmal vor: Wer bist Du und was machst Du?

Ich heiße Miriam, studiere zur Zeit Kommunikationsdesign in Aachen und arbeite als freiberufliche Fotografin und Grafikerin. Vor meinem Studium habe ich sechs Jahre lang als Grafikerin beim Egmont-Verlag in Köln gearbeitet.

Das war für den Einstieg das Beste, was ich machen konnte, denn ich habe dort das gelernt, was im Berufsleben und in der Branche heutzutage auch ein wichtiger Aspekt ist: Motivation, Disziplin und Belastbarkeit.

Es war oft nicht leicht, um 5 Uhr morgens aufzustehen und erst um 19 Uhr wieder nach Hause zu kommen, gerade wenn alle Freunde parallel das Studentenleben genießen. Ich weiß mein Studium nun umso mehr zu schätzen.

Ich glaube, viele wissen gar nicht, was das für eine tolle Möglichkeit ist und wie entspannt die Zeit verläuft. Der Job hat mich sehr selbstständig gemacht, ich kriege immer wieder von Kunden die Resonanz, wie zuverlässig und gewissenhaft ich arbeite.

Du hast also einerseits die heftigen Anforderungen des Markts und andererseits die schönen Seiten des kreativen Berufs mitbekommen?

Ja, es ist auch fachlich und inhaltlich vorbereitend gewesen, dass ich im Verlagswesen war. Das, leider recht monotone, Setzen der Bücher hat mein Auge für Typografie und Layout geschult.

Außerdem habe ich mir mit den sechs Jahren Arbeit das sehr unkomplizierte und elternunabhängige BAföG erarbeitet. Mir war es wichtig, keinem auf der Tasche zu liegen und autark studieren zu können, den Studienverlauf ohne Druck und schlechtes Gewissen selbst planen zu können.

Im Studium denke ich mir manchmal: Leute, Ihr seid mit Eurem Haushalt und dem Studium schon überfordert, dabei kann man noch sehr gut mindestens 15 Stunden nebenbei arbeiten. Sich selbst etwas zu erarbeiten finde ich sehr wertvoll, vielleicht bin ich da aber auch zu idealistisch.

Ich war ohnehin schon immer sehr aktiv, meine Motivation und meine Neugier geben mir großen Antrieb und Handlungsbereitschaft. Ich brenne für meine Arbeit, oft macht sie einfach Spaß und wenn einmal nicht, dann sehe ich das ganz trocken und realistisch als lebenserhaltende Pflicht.

© Miriam Schmalen

Wie nimmst Du Dein Studium wahr, wenn Du aus der Praxis kommst, eine „Macherin“ bist?

Ich sauge den Input auf wie ein Schwamm (jedoch mit Filterfunktion), stehe im regen Austausch mit Kommilitonen und rocke nebenbei noch private Projekte und Aufträge. Im Beruf musste ich mir meinen Input immer selbst suchen, dadurch habe ich mir jedoch ein großes und vielseitiges Netzwerk Kreativer aufgebaut. Ich genieße das Studium mit all seinen Möglichkeiten wie etwa dem finanzierten Auslandssemester.

Die Reflexion und Resonanz anderer ist gerade im Kreativen sehr wichtig. Der eigene Blick ist oft sehr subjektiv und teilweise sogar festgefahren. Objektive und vielseitige Kritik ist wichtig, Testpersonen sozusagen.

Wie bist Du dann eigentlich zur Fotografie gekommen?

Mein Vater hat noch analog fotografiert und selbst entwickelt. Wir hatten nach unseren Reisen immer gemütliche Dia-Abende, noch so richtig mit einem alten Projektor, die mich begeistert haben. Fotografie – das Medium fand ich schon früher immer sehr beindruckend und war ganz gebannt.

Obwohl ich jetzt fast ausschließlich digital arbeite, inklusive aufwändiger Retusche und Manipulation durch Photoshop, bin ich trotzdem ein sehr analoger Mensch. Ich schätze die ursprüngliche Art und Weise des Fotografierens, liebe die Haptik eines Fotos auf Barytpapier und bin Freund des Handwerklichen.

Die Fähigkeiten in Retusche und Lichtsetzung habe ich Dank meinem lieben Freund Mat erlernt, ein von mir hoch geschätzter Fotograf und Filmemacher. Mein Ziel vor zwei Jahren war es, ein Bild zu schaffen, das in einem Hochglanz-Magazin erscheinen könnte. Das Handwerk als Fundament zu erlernen, auf dem man dann flexibel aufbauen kann.

© Miriam Schmalen

Du lernst die Technik, um dann hinterher die Regeln aber auch wieder zu brechen?

Ja, auf jeden Fall. Ich plane zwar immer ein konkretes Grundkonzept, bringe aber die Offenheit und Flexibilität mit, Veränderungen zuzulassen. Im Team ist viel Potential für gegenseitige kreative Befruchtung, Weiterentwicklung und neue Wege. Ideen entwickeln sich dann oft noch einmal in eine andere Richtung. Ich arbeite gern konzeptuell, diese Fähigkeit ist gerade bei Kundenaufträgen sehr wichtig, ich mag aber auch den Einfluss des Zufalls.

Anfangs habe ich mich immer gefragt, ob ich mich mit den Modellen gut verstehen würde, es war also eine Frage von Oberflächlichkeit. Aber ich habe dann nur positive Erfahrungen gemacht und mit einigen immer noch regelmäßigen Kontakt. Da ist einfach ein netter Austausch und eine kreative gemeinsame Arbeit entstanden.

© Miriam Schmalen

Das ist spannend, wenn kreative Köpfe aufeinander treffen, die eine Wellenlänge haben.

In letzter Zeit bin ich aber auch wieder viel mehr „back to the basics“ gegangen. Ich arbeite nicht mehr im großen Studio mit Profi-Team, sondern wieder bei mir zu Hause. Meist ist es wie eine nette Verabredung mit dem Modell, man schnackt gemeinsam bei einem Käffchen und dann geht’s los.

Ich habe drei Jahre am Theater Aachen ausgeholfen, dort das Bühnenbild und die Requisite unterstützt, das kommt mir bei den Shootings zugute. Ich schminke auch wieder häufiger selbst und kann so meine Ideen sehr zielgerichtet selbst verwirklichen – Malerei am lebenden Objekt.

Ich habe eine hohe Wertschätzung und Respekt einem professionellen Team gegenüber, aber mir persönlich gibt es für meine Entwicklung und Entfaltung mehr, aktuell auf diese sehr reduzierte Art zu arbeiten. Ich möchte wieder mehr ausbrechen und freier arbeiten, abseits des Mainstreams.

© Miriam Schmalen© Miriam Schmalen

In den Bildern, die ich von Dir im Kopf habe, verbindest Du die Fotografie oft mit grafischen Elementen. Die erste Arbeit, die ich von Dir gesehen habe, war die Serie „Papercraft“.

Ja, das waren Fotos mit Papercraft-Mode. Diese Serie wurde in einem griechischen Designmag und auf „Design made in Germany“ veröffentlicht, was zeigt, dass der Designaspekt doch sehr präsent war und gut ankam. Im Moment gibt es eine große Papercraft-Bewegung, alle machen etwas mit Papier. Damals ging es mir darum, eine sehr puristische, grafische Wirkung zu schaffen und interessante Licht-Schatten-Spiele zu kreieren.

Verliert etwas für Dich den Reiz, wenn Du das Gefühl hast, das machen jetzt alle? Brauchst Du dann etwas ganz Neues?

Ich gehöre nicht zu den Menschen, die so individuell sein müssen, dass sie sich über Wiederholungen oder Überschneidungen grün und blau ärgern. Ich brauche keine Vorreiterstellung, möchte jedoch auch nicht Bilder servieren, die schon hundert Mal zu sehen waren. Man nimmt über den Tag viel auf, teilweise unterbewusst, wird ständig inspiriert. Man kann das Rad nicht neu erfinden, aber es in der eigenen Handschrift weiterentwickeln.

© Miriam Schmalen

Das betrifft nicht nur Deine Konzepte, sondern auch die Wahl Deiner Modelle.

Irgendwann war „schön“ einfach nur noch langweilig und unecht. Ich orientiere mich immer mehr an interessanten Persönlichkeiten, arbeite deren Merkmale heraus oder überziehe sie sogar. Das Bild als Ergebnis hängt auch sehr vom Modell ab. Ich würde gern noch sehr viel abgedrehter arbeiten, aber teilweise sind die Modelle gehemmt, sich anders zu geben als sie es gewohnt sind, weil sie in diesem Musterschema des angeblichen Ideals arbeiten (müssen).

Anders Dae Joon, meine Muse. Sie hat manchmal einen fast wahnsinnigen Blick, ein erschrockenes Gesicht und bringt die exotischsten Posen und Verrenkungen hervor. Eine Mischung aus Porzellan-Puppe und Alien, denke ich oft. Toll, genau das ist es, was mich bannt und die Basis für ein gutes Bild bietet. Aber dazu kann man nicht viele Modelle motivieren, dieser Fähigkeit oder mentalen Freiheit berauben sich einige.

© Miriam Schmalen© Miriam Schmalen

Wie stehst Du zum Einfluss, den Deine Bilder auf Betrachter haben, indem sie ein bestimmtes Schönheitsideal bedienen?

Ich wurde schon oft gefragt, ob die Modelle nicht zu dünn seien und ob ich mich nicht für das Bild verantwortlich fühle, das ich damit aussende. Ich habe darüber nachgedacht, auch weil ich weiß, dass zu meinem Publikum (gerade auf Facebook) junge Mädchen gehören, die sich durch Bilder vordiktieren lassen, was sie als schön empfinden.

Letztendlich denke ich, dass man schon eine gewisse Verantwortung hat; gerade, wenn man sich auf bestimmten Plattformen bewegt. Aber meine Bilder sind teilweise so überzogen, dass sie unnatürlich sind und sehr surreal wirken. Sie haben nicht den direkten Bezug zur Realität wie etwa Fashionbilder aus Modekatalogen oder von Werbetafeln.

~

Wie arbeitest Du in der freien, künstlerischen Fotografie?

Bei meinen künstlerischen Arbeiten gehe ich eher so vor, dass ich von Bestehendem ausgehe, etwa teilweise sehr Subtiles entdecke und dessen Wirkung verstärke. Es sind die sensibleren Momente des Lebens.

Meine freien, künstlerischen Fotografien sind ganz anders als die Editorial-Sachen – meist sehr tief und emotional. Mit diesen Arbeiten kann ich mich sehr identifizieren, das bin ich.

© Miriam Schmalen

Du bist auch in Galerien vertreten. Wie sind Deine Erfahrungen damit?

Gemischt. Mit meiner ersten Galerie war ich nicht so glücklich. Als junge Künstlerin hätte ich mir mehr Unterstützung gewünscht. Statt einer fachlich fundierten Beratung und einer wertschätzenden Begleitung fühlte ich mich geformt und in gewünschte Verkaufs-Schemata gedrängt.

Es wurde mir förmlich vordiktiert, wie ich mein Werk zu kommunizieren habe, was (angeblich) mein Konzept war und welche Serien ich zukünftig produzieren soll.

© Miriam Schmalen

Was wäre Deine Vorstellung vom Galeriebetrieb und der Zusammenarbeit mit den Künstlern?

Letztendlich bringt der Künstler das Wertgut mit und der Galerist oder die Galeristin soll es nicht nur verkaufen, sondern auch vermitteln. Eine hohe Sozialkompetenz und sehr feine Antennen sind da von Nöten.

In letzter Zeit habe ich viele beeindruckende Ausstellungen besucht – außerhalb der stereotypen, weißen Wände. Das Ampelhaus in Oranienbaum bei Dessau, die Ostrale in Dresden und die c-mine in Lüttich – grandios! Allein die Räume, in denen die Kunst präsentiert wurde, lebten, waren ein Organismus, harmonierend mit der Kunst. Ich mag Ausstellungen, die anders sind, persönlich, mit Ecken und Kanten. Solche, in die man eintauchen kann.

Ich denke jedoch auch, wenn man von der Kunst leben will, muss man realistisch sein: Kunstgalerien, deren Künstler vom Verkauf leben können, verkaufen an Sammler. Diese Kunstwerke hängen bei den Sammlern selten zuhause, sondern wandern in einen Schrank und werden als Wertanlage gelagert. Das ist relativ unromantisch.

Ich tendiere gerade eher zum Zusammenarbeiten mit Produzentengalerien. Dort fühle ich mich gut aufgehoben, geschätzt und unterstützt – ehrlich, bodenständig, zwischenmenschlich.

Mein persönliches Kunsterlebnis ist ein Atelierbesuch.

Wie siehst Du die Richtung, in der Du Dich bewegst, wo willst Du hin?

Erst einmal bin ich überglücklich, die Gewissheit zu haben, dass ich im richtigen Berufsfeld bin, mit Herz und Seele Designerin. Da war ich mir nicht immer so sicher, schwankte zwischen dem sozialen und dem gestalterischen Bereich.

Ich bin ein sehr an Ästhetik orientierter Mensch, aber auch sehr verbindlich und menschennah. In meinen aktuellen Jobs sind jedoch beide Aspekte vertreten. Ich liebe und lebe meinen Job und blicke zuversichtlich in die Zukunft.

© Miriam Schmalen

Aktuell hast Du ein Stipendium am Bauhaus in Dessau erlangt. Was genau machst Du da?

Dabei geht es um die Meisterhäuser in Dessau, für die international 30 Studenten aus den Bereichen Design, Kunst und Architektur gecastet wurden. Unsere Aufgabe ist es, das Meisterhaus von Kandinsky neu zu interpretieren. Die Meisterhäuser werden gerade rein museal genutzt. Wir sollen dem Meisterhaus in Form eines Ausstellungskonzept und -designs neues Leben einhauchen.

Wie ist der Zeitrahmen dafür?

Da bin ich mir selbst noch nicht so sicher, denn die Schule fängt bald wieder an. Ich unterrichte an drei weiterführenden Schulen Fotografie, das Studium geht ebenso weiter und meine Kunden möchte ich auch nicht verlieren. Schwer abzuwägen, da das Projekt an sich und „Bauhaus Dessau“ natürlich eine verlockende Sache ist.

Es wird auf jeden Fall eine unwiederbringliche Erfahrung. Wir werden gemeinsam wohnen, arbeiten, gar leben – verschiedene Kulturen, Fachbereiche und Charaktere.

Mein erstes Stipenium der Bundersregierung war ähnlich aufgebaut. Dort trafen jedoch nur sieben Akteure der Kreativwirtschaft zusammen, dafür lief das Projekt über ein halbes Jahr. Diese Zeit war auch sehr wertvoll, nicht nur reich an Erfahrungen und netzwerkerweiternd, ich habe auch intensive Freundschaften geknüpft. Ich bin also freudig gespannt auf Dessau.

Danke für Deine Zeit, Miriam. Ich wünsche Dir viel Spaß in Dessau und bin sehr gespannt auf Deine nächsten Arbeiten!


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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Im Gespräch mit Julia Anna Gospodarou

12 Jul

Ein Beitrag von: Julia Anna Gospodarou

Grazil anmutende Formen, reduzierte Bilder voller Kraft und Bewegung – die Fotografien von Julia Anna Gospodarou sind meist An- und Ausschnitte von Gebäuden und nicht zuletzt Bilder mit hohem Wiedererkennungswert. Wie die Architektin die Fotografie als Mittel und Ausdrucksform entwickelt hat und nutzt, verrät sie uns in einem ausführlichen Interview.

Julia, Du bist Architektin und Fotografin. Das sind bekanntlich zwei Felder, die schon lange ein gutes Pärchen bilden. Wann und wie hast Du denn festgestellt, dass Du nicht nur Architektin sein wolltest?

Irgendwie bin ich schon Fotografin gewesen, bevor ich Architektin wurde. Ich konnte noch nicht einmal sprechen, als ich zum ersten Mal eine Kamera in die Hand bekam und ich wuchs auf umgeben von den Schwarzweißfotos meines Vaters, deren Motiv häufig ich war.

Als ich praktizierende Architektin wurde, war die Fotografie meine beste Freundin, um die Gebäude, die ich sah und die Orte, die ich besuchte, zu dokumentieren. Und sie half mir dabei, mir einen Raum vorzustellen und wie man ihn füllt.

Ich habe immer Architekturfotografie gemacht, sogar schon, als ich noch gar nicht wusste, dass das ein eigenes Genre ist. Es ist Teil meiner Ausdrucksweise, Formen und Körper einzufangen und das Licht, wie es mit ihnen spielt.

Wie bei vielen anderen Dingen, die ich in meinem Leben bisher getan habe, so musste ich auch hier nicht wählen, dass ich sie tun wollte. Sie haben eher mich ausgewählt, bevor ich es merkte. Und ich weiß immer noch nicht, was ich eigentlich mehr liebe.

A Path to The Sky II - The Sky Beyond © Julia Anna Gospodarou

Gibt es etwas, das Dir die Augen geöffnet hat? Ein Bild, das Du gemacht hast und das Du als wichtig für Deine fotografische Entwicklung betrachtest?

Ich hatte über die Jahre mehrere erleuchtende Momente, die meine fotografische Entwicklung unterschiedlich beeinflusst haben. Wie ich schon sagte, war Architekturfotografie schon immer eine meiner Leidenschaften.

Vielleicht deswegen, weil ich die Herausforderung mag, ein komplexes dreidimensionales Objekt in eine zweidimensionale Sprache zu übersetzen, um dann aber immer noch seine dreidimensionale Natur zum Ausdruck bringen.

Der Moment, in dem ich begann, Architekturfotografie als etwas mehr zu begreifen denn als bloßes Werkzeug, um Gebäude zu dokumentieren, nämlich als Mittel, Körper aus einer künstlerischen Perspektive zu sehen, war vermutlich vor vielen Jahren während einer Studienreise nach Deutschland und speziell nach Frankfurt.

Ich war sofort von der modernen Architektur dieser Stadt fasziniert und ich erinnere mich noch sehr genau daran. Ich kann, glaube ich, sagen, dass der Schlüsselmoment war, als ich das Gebäude der DZ Bank entdeckte und fotografierte.

Ein sehr elegantes und originelles Gebäude, das eines der charakteristischsten in Frankfurt bleibt, selbst heute noch, viele Jahre nach seiner Errichtung und nach so vielen neuen Erweiterungen der Skyline dieser Stadt.

Ich fotografierte damals noch mit Film und kann mich erinnern, dass ich sehr vorsichtig war, nicht zu viele Bilder für jedes Motiv zu verwenden, denn ich hatte vieles zu fotografieren und Entwicklung und Abzüge waren ja nicht gerade billig.

Doch trotz meiner Entscheidung, mich einzuschränken, nutzte ich fast die Hälfte eines Films mit 36 Bildern, um dieses Gebäude zu fotografieren und sein Wesen einzufangen. Und ich hätte sicher noch viele Fotos mehr gemacht, wenn ich schon im digitalen Zeitalter gewesen wäre.

Das Ergebnis ist, dass ich nach so vielen Jahren immer noch alle Details dieses Gebäudes im Kopf habe und auch die Freude, die ich daran hatte, seine versteckte Seite mit meiner Kamera zu entdecken.

A Path to THe Sky III - Stroke of Light © Julia Anna Gospodarou

Das klingt nach einem starken Anfangsmoment.
Und dann, was kam als nächstes?

Ein weiterer Meilenstein in meiner Fotografie war vor einigen Jahren eine Reise nach New York. Das war der Zeitpunkt, zu dem ich ernsthafter begann, mit abstrakter Architekturfotografie zu experimentieren.

Ich begann, mit Kompositionen zu spielen, die Regeln der Schwerkraft zu missachten, von leicht wiedererkennbaren Formen wegzugehen und auch davon, wie wir gewöhnt sind, die Interaktion zwischen einem Gebäude und seiner Umgebung zu sehen.

Das Ergebnis war, dass ich neue Wege fand, zuerst in die gebaute Umgebung zu schauen und dann die Elemente auszumachen, die miteinander kombiniert eine neue ästhetische Dimension für das eröffnen, was wir unter Architekturfotografie verstehen.

Ein dritter und vermutlich der wichtigste Erkenntnismoment für meine Fotografie war, als ich begann, die Technik der Langzeitbelichtung anzuwenden und mein Entschluss, in schwarzweiß zu arbeiten.

Diese zwei technischen Ansätze eröffneten mir eine völlig neue Welt und gaben mir die absolute Ausdrucksfreiheit, die ich immer gesucht hatte.

Ich entdeckte einen Weg, den Moment der Wahrnehmung, den ein Foto ja abbildet, darüber hinaus zu erweitern, was die Realität mir zeigt und machte mit dem Einbringen des Elementes der Zeit einen grundlegenden Schritt in Richtung dessen, wonach die Menschheit schon immer strebte: Nämlich der Idee von Ewigkeit und dem Zustand der Vollkommenheit, den sie hervorruft.

Als ich dann die Farbe aus meinem visuellen Werkzeugkasten entfernte und mich auf bloße Lichtschattierungen reduzierte, kam ich dem Kern des Motivs näher und der urzeitlichen Emotion, die ein Bild vermitteln kann.

Converging © Julia Anna Gospodarou

Schauen wir uns Deine jüngsten Arbeiten an, so fällt auf, dass zugleich eine gewisse Abstraktion und eine Konzentration auf Einfachheit zu Tage treten. Es ist ziemlich interessant, dass Du einen sehr reflektiven Ansatz für Deine Fotografie hast.

Aber sag mal, was findest Du wichtiger, um eine ansprechende Qualität zu erzielen: Dich vorher umfangreich über Dein Motiv zu informieren oder, im Gegensatz dazu, eine eher emotionale Auseinandersetzung direkt vor Ort?

Ich denke, das Wichtigste in der Kunst ist emotionale Wahrnehmung – die Fähigkeit, eine intensivere Verbindung zum Thema herzustellen als bloß durch den bewussten Akt theoretischer Analyse und die Fähigkeit, die durch das Thema erzeugte Emotion in uns für den Betrachter nachvollziehbar zu transportieren.

Auch, wenn ich an eine spontane künstlerische und emotionale Verbindung zum Thema glaube, studiere ich mein Thema immer im Voraus und versuche, es mit dem Verstand zu begreifen, bevor ich es an die Seele lasse. Das tue ich, so oft es geht.

Manchmal findet man auch ein Thema, das einen anspricht und über das man nichts weiß. Die einzige Möglichkeit, es zu studieren, hat man allein vor Ort. Ich möchte fast sagen, dass ich allein des Überraschungsmomentes wegen etwas Unbekanntes, das mich beeindruckt, dem vorziehe, was ich vorher schon studiert habe.

Andererseits ist nichts vergleichbar damit, sich schließlich einem Gebäude gegenüber zu sehen, das man schon lange veehrt und bis ins Detail studiert hat. Die Freude, in Realität zu betrachten, was man sich vorher nur vorgestellt oder auf anderen Bildern gesehen hat, ist eines der schönsten Gefühle, die ich kenne.

Like a Harp's Strings I - Overture © Julia Anna Gospodarou

Also verdoppelt sich für Dich in diesem Fall die Freude der Fotografin um die der Architektin, nehme ich an?

Wenn ich ein schönes Bauwerk sehe, ist das genau so. Ich könnte also sagen, ich bin privilegiert. Ich befinde mich in einer besseren Position, als wenn ich nur das eine oder das andere wäre.

Im Bezug auf die Abstraktion in meinen Bildern, die Du angesprochen hast: Ich tendiere in der Tat dazu, meine Fotografie zu abstrahieren. Das hat, denke ich, etwas mit meiner künstlerischen Ausbildung zu tun und auch mit dem Vorwissen, das ich insgesamt habe in Fotografie, Malerei, Skulptur, Gestaltung und Architektur.

Aber ich abstrahiere nicht soweit, dass die Bilder zu einer bloßen Kombination aus Formen werden. Was ich durch meine Fotografie zu vermitteln versuche, ist, Gebäude auf eine vollkommen andere Weise zu betrachten, als mit der uns angeborenen „offiziellen“ ästhetischen Sichtweise.

Ich tue das, indem ich die fast abstrakten Details in meinen Bildern hervorhebe, ohne jedoch Maßstab, Form und Kontext zu entfernen, die das Objekt identifizieren helfen.

Mein Ziel mit diesem „fast abstrakten“ Ansatz ist, dem Verstand des Betrachters einen anderen Raum zu geben, in dem er andere Regeln für das finden muss, was er sieht.

Aber ich habe kein Interesse daran, ihm nur ein interessantes oder unerwartetes Spiel von Linien und Mustern zu zeigen, sondern viel mehr, ihm zu einem Blick auf das Wesen des fotografierten Bauwerks zu verhelfen, der dem Bild in meinen Augen Substanz und emotionalen Wert verleiht.

So erziele ich eine warme und lebendige Anmutung, die einen schnelleren Zugang zur Seele des Betrachters herstellt. Ich ziele darauf ab, Kunst zu machen und Kunst richtet sich nicht an den Verstand, sondern an die Seele.

Like a Harp's Strings III - Rising © Julia Anna Gospodarou

Ich strebe grundsätzlich nicht nach logischer, sondern nach emotionaler Perfektion. Aufgrund dessen kann man meinen architekturfotografischen Stil wohl als „emotional abstrakt“ beschreiben – etwas, das auch mein Denken insgesamt prägt.

Das ist es, denke ich, was meine Arbeit ausmacht und sie auch abhebt. Diesen Prozess nenne ich (En-)Visionografie – eine alternative Bezeichnung für Fotografie, die ich für das, was ich mache, passender finde.

Das Ergebnis dieser Arbeitsweise ist eine Mischung aus Vorstellung und Wirklichkeit. Das Bild beginnt mit einer leeren Tafel, in die ich mein Foto hineinbaue, indem ich nur Wirklichkeitselemente nutze, die meine Vision und Idee für das finale Bild unterstützen.

Bearbeitung ist das Werkzeug, das ich benutze, um meine Vision zu erreichen, fast so, als würde ich das Foto mithilfe eines Bleistifts zeichnen. Deshalb spreche ich auch gern vom „Zeichnen meiner Fotos“ und nicht vom Bearbeiten.

Im Wesentlichen versuche ich, ein Rohbild aus der Welt zu nehmen und es in die Form meines Verstandes und meiner Seele zu schmelzen, damit ich mich damit identifizieren kann. Wie für jeden Künstler ist auch für mich der Schaffensprozess ein sehr persönlicher Prozess, der zuerst für mich selbst einen Wert hat und danach für andere.

Deshalb ist meine Schlussfolgerung: Zwei Ansätze sind für die Erzeugung eines Bildes, das den Betrachter anspricht, wichtig. Einerseits der theoretische Ansatz, sich über das Gebäude und seinen Entwerfer zu informieren (da wir ja über Architekturfotografie sprechen), das Gebäude in historischer, funktionaler sowie künstlerischer Hinsicht zu studieren, seine Form und Farbe, die Lichtbedingungen, seinen Kontext, seine Struktur und Details sowie die Untersuchung praktischer Aspekte des Fotografierens selbst, wie Ort, Zugang, Ausrichtung und erforderliche Ausrüstung, um nur einige zu nennen.

Und auf der anderen Seite steht meiner Meinung nach der emotionale Ansatz, zu kultivieren, wie man seine Augen und seine Seele öffnet, um die Verbindung zu dem Thema zu erkennen, mit dem man arbeitet. Das ist grundlegend.

Ich denke, es ist möglich, ohne Verstand Kunst zu schaffen, aber unmöglich, ohne Seele. Man muss beim Fotografieren wie beim Bearbeiten Spaß haben, glücklich darüber sein, dass man es macht. Nicht bloß zufrieden, sondern glücklich.

Like a Harp's Strings VI - Encore © Julia Anna Gospodarou

Mir gefällt, wie du Dich mit Aspekten aus Architektur und anderen Bereichen der Kunst im Sinn auf Fotografie beziehst.

Ja, die Inspiration für meine Fotografie ziehe ich in der Tat nicht nur aus den Werken anderer Fotografen. Ich könnte sagen, dass ich ganz genauso von anderen Bereichen der Kunst und des Lebens inspiriert bin.

Und wenn ich eine spontane Antwort darauf geben sollte, was mich außer Fotografie noch inspiriert, würde eine Antwort im Stil des Roman-fleuve sein:
Art Nouveau, Gothik, Dekonstruktivismus, Russischer Konstruktivismus, die Farbe schwarz, alte Städte und ihre Geschichte, alte verlassene Häuser, mit dem schwarzen Bleistift zeichnen, die Zeichnungen von Albrecht Dürer und Leonardo da Vinci, Südamerikanische Literatur, Nietzsche, Schopenhauer, Beethoven, Schubert, Billie Holiday, Chopin, das Meer, Film Noir, die Sprachen der Welt, guter Humor, Keith Jarrett, Horowitz, van Gogh, Goya, Rembrandt, El Greco, Vermeer, Francis Bacon (der Maler), Giacometti, Lucian Freud (auch der Maler), Karl Jung, Toulouse Lautrec, Gustav Klimt, Egon Schiele, Gaudi, die Expressionisten, Paris, New York, der Ozean, frischer Schnee, Einsamkeit, Zaha Hadid, Daniel Libeskind, Rem Koolhaas, Reisen zu unbekannten Orten, die Nacht … und generell das Schöne in all seinen Formen.

Hidden © Julia Anna Gospodarou

Und welche Fotografen inspirieren Dich im Besonderen?

Einer der Fotografen, der mich schon immer fasziniert hat wegen seiner Fähigkeit zu „sehen“ und zu komponieren, ist Henri Cartier-Bresson. Seine Bilder fangen diesen einzigartigen Moment ein, alles sitzt an der richtigen Stelle und jedes einzelne Element im Bild unterstützt die Stimmung.

Ich bewundere sehr seine Fähigkeit, Licht zu sehen und die formalen Kombinationen, die es enthüllt. Ich denke, Cartier-Bresson ist einer der wenigen Fotografen, die Licht als Ganzes verstanden haben.

Ich vergleiche ihn gern mit Leonardo da Vinci wegen seiner Fähigkeit, räumlich zu sehen, seiner Originalität sowie wegen der Überraschungen, die seine Art zu fotografieren hervorruft.

Zwei Fotografinnen, die mich sehr inspirieren, sind Dorothea Lange wegen der Authentizität und des Gefühls, das ihre Portraits einfacher Leute vermitteln, und Imogen Cunningham mit ihren Blumenstilleben, ihren Akten und Portraits.

Darüber hinaus Helmut Newton mit seinem harschen und provokativen, aber originellen Stil, sowie Irving Penn und Richard Avedon mit einigen der ausdrucksstärksten Portraits, die ich je gesehen habe.

Was zeitgenössischere Künstler angeht, gibt es einige Fine-Art-Fotografen, deren Arbeit mich stark beeinflusst hat, von dem Moment an, in dem ich sie zum ersten Mal gesehen habe. Und sie beeindrucken mich immer wieder mit ihrem Schaffen.

Einer von ihnen ist Alexey Titarenko, dessen Serie „City of Shadows“ einen Wendepunkt in meiner künstlerischen Entwicklung darstellt. Ein anderer ist Joel Tjintjelaar, der einer der Pioniere der Langzeitbelichtung ist und einer der wenigen Fotografen, die durch ihre Architekturfotografie eine tiefe Emotion vermitteln – eine beinahe menschliche Anmutung, die sehr schwierig zu erreichen ist mithilfe nicht lebendiger Motive und insbesondere mit Gebäuden.

Und ein dritter ist Cole Thompson – ein weiterer außergewöhnlicher Künstler, der einen mit nahezu jedem Thema berühren kann und der einige der ikonischsten Fine-Art-Bilder der letzten Jahre geschaffen hat.

Ode to Black I - Whispering Black © Julia Anna Gospodarou

Danke soweit, Julia. Wie steht es mit Deinen Plänen für die Zukunft? Hast Du schon neue Projekte im Sinn, die Du bald umsetzen möchtest?

Ich habe einiges vor, in kurzer wie in langfristiger Hinsicht. Einer der kurzfristigen ist, mehr über das Handwerk des Kunstdrucks zu lernen. Im Augenblick drucke ich meine Bilder noch nicht sehr oft, aber ich entwickle zunehmend Interesse daran. Mein Ziel ist, dieses Feld ausführlicher zu studieren, so dass ich bald damit anfangen kann.

Ein weiteres Projekt, das ich seit Längerem im Kopf habe, ist, meine Arbeit mit Langzeitbelichtungen zu erweitern. Viele der RAWs dafür habe ich bereits und ich habe auch eine ziemlich klare Vorstellung davon, wie die weiteren Bilder aussehen sollen. Nur hatte ich noch nicht genug Zeit, um daran zu arbeiten.

Ein Beispiel dafür, was ich soweit schon gemacht habe, ist „Shadows Of A Soul“ – eine Serie, in der ich „Ihr“, der Hauptfigur der Geschichte, durch ihr Leben und bei ihrer existentiellen Suche folge. Das nächste Kapitel der Geschichte handelt dann von „Ihm“ und es soll später auch noch mehr geben.

Im Bereich der Erforschung der träumerischen, surrealen, transzendentalen Seite der Fotografie gibt es eine Serie von Bildern, bei denen ich die Mitziehtechnik angewendet habe und die ich hoffentlich bald in der Lage sein werde zu bearbeiten. Die Mitziehtechnik, zusammen mit Bewegungsunschärfe und Langzeitbelichtung, sind die drei Grundpfeiler meiner fotografischen Vision und Identität.

Ode to Black III - Extreme Black © Julia Anna Gospodarou

Und wie steht es mit Deiner Architekturfotografie?

Natürlich werden all diese Vorhaben parallel laufen zu meiner Arbeit in der Architekturfotografie, der mein Hauptinteresse gilt. Sie ist es, worin ich als am besten eingeschätzt werde. Damit habe ich schon Preise gewonnen und ich habe vor, damit auch noch mehr zu gewinnen. Gut, ich weiß nicht, ob man das Gewinnen von Preisen als Plan betrachten kann, aber es ist definitiv etwas, wonach ich strebe.

Eine weitere Richtung meiner fotografischen Aktivitäten ist die Organisation und das Halten von Workshops für künstlerische Architekturfotografie – sowohl für Einzelpersonen als auch für Gruppen. Das wird meinem Vergnügen gerecht, mein Wissen mit anderen zu teilen und ihnen zu helfen, in dem, was sie tun noch besser zu werden.

Ich möchte anderen helfen, ihre Träume zu verwirklichen, noch professioneller zu werden und zu lernen, sich selbst durch die Kunst der Fotografie mit Bildern auszudrücken. Ich denke, das ist der Traum vieler Fotografen, ganz gleich, ob sie erfahren sind oder gerade erst anfangen.

Eine meiner größten Freuden ist es, wenn ich meine professionellen Erfahrungen (aus Architektur und Fotografie) weitergeben kann. All die Dinge, die mir geholfen haben, an den Punkt zu kommen, an dem ich jetzt bin und an dem ich sagen kann, dass das, was ich tue, das ist, was ich fühle. Dass meine Kunst, meine Fotografie vollkommen meinen persönlichen Blick ausdrücken und mir helfen, Neues zu erforschen über mich als Person, als Künstlerin und auch über die Welt um mich herum.

Sobald man sich nicht mehr vorrangig mit Technik und Theorie auseinander setzen muss, hilft einem das enorm, seine eigene Vision zu entdecken und zu verfolgen. Es hilft einem, einen eigenen Stil zu entwickeln und ich möchte, dass meine Schüler dieses Ziel erreichen und dass sie glücklich sind mit dem, was sie tun und durch ihre eigene Arbeit inspiriert werden.

Für die nahe Zukunft habe ich zwei Veranstaltungen geplant: Anfang September einen Workshop für künstlerische Architekturfotografie in Chicago. Ich werde ihn zusammen mit einem fantastischen Team international ausgezeichneter Fotokünstler halten.

Wir werden alles rund um die künstlerische Fotografie behandeln. Angefangen bei der Entwicklung einer eigenen Vision und der Aufnahme der Bilder, der professionellen Bearbeitung in schwarzweiß gehen wir bis hin zur Erstellung hochwertiger Kunstdrucke der während des Workshops entstandenen Bilder. All das in einer – architektonisch wie geschichtlich betrachtet – fantastischen Stadt.

Eine weitere Veranstaltung, die ich erwähnen möchte, ist ein Workshop für künstlerische Architekturfotografie, dieses Mal in Athen. Ihm werden mehr oder weniger die gleichen Prinzipien zugrunde liegen und motivisch liegt das Hauptaugenmerk auf moderner und antiker Architektur und der griechischen See.

Es wird Anleitungsstunden zur Technik der Langzeitbelichtung und zur Bearbeitung in schwarzweiß geben sowie Theoriestunden zu Bildkomposition und Blickschulung. Diese Veranstaltung wird Ende Oktober stattfinden. Mehr Details zu dieser und den kommenden Veranstaltungen sind auf meiner Webseite zu finden.

Jetzt möchte ich mich aber gern dafür bedanken, dass ich hier Gast sein durfte und für die wunderbaren Fragen. Es war mir eine Ehre und ein Vergnügen, sie zu beantworten.

Wir bedanken uns bei Dir für dieses Interview, Julia. Viel Glück und Erfolg für alle Deine Vorhaben und weiter so mit der guten Arbeit!

Dieses Interview wurde auf Englisch geführt. Robert hat es anschließend für Euch ins Deutsche übersetzt.


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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