Ein Beitrag von: Resa Rot
Hallo Resa. Danke, dass Du Dir die Zeit für ein Interview mit uns nimmst. Erzähl doch erst einmal ein bisschen was über Dich: Wer bist Du, was machst Du?
Der Klassiker, der so schwer zu beantworten ist, da etwas von sich zu erzählen ganze Bücher füllen könnte, fänge man es ernsthaft an. Nun aber in kurz, mit den Eckdaten: Resa Rot, 34 Jahre alt, aus Leipzig, Fotografin, Mensch, Frau.
Die Fotografie war eigentlich nie ein großes Thema für mich, denn ich habe immer Musik gemacht (Violine und Gesang) und das war mir das Wichtigste. Erst im Frühjahr 2011 begann ich mit der Menschenfotografie.
Wie kam’s dazu? Gab’s ein besonderes Erlebnis oder wie bist Du zur Fotografie gekommen?
Die Fotografie hat mich nur am Rand begleitet. Ich hatte eine analoge Spiegelreflexkamera und habe damit ab und zu fotografiert, aber ohne Thema und ohne eine Motivation, die über das bloße Dokumentieren meines aktuellen Lebens hinausgegangen wäre. Warum sich das dann so massiv geändert hat, liegt wohl an mir selbst und einem Entschluss, den ich 2011 fasste.
Ich war in den Jahren zuvor immer mehr zur Einzelgängerin mutiert, soziale Kontakte fielen mir schwer und ich mied sie, wo ich nur konnte. Die Fotografie war da eine Art Selbsttherapie, die ich mir verordnete und so ist es noch heute. Sich mit Menschen verabreden, die man in den meisten Fällen vorher noch nie gesehen hat und mit ihnen etwas zu kreieren, war und ist eine große Herausforderung.
Anfangs hatte ich vor jedem Termin Bauchschmerzen und das wortwörtlich. Und ich fragte mich mehr als einmal, ob das wirklich sein muss. Ob es nicht andere Wege gibt, wieder zu lernen, menschliche Kontakte auszuhalten. Aber dann hat mich die Leidenschaft für die Fotografie gepackt und nicht mehr losgelassen.
Wie bist Du auf die Idee gekommen, gerade mit der Fotografie und gerade mit Shootingverabredungen in dieser Form Deine Selbsttherapie anzugehen?
Ich hatte wie gesagt eine ganze Zeit lang immer Musik gemacht und zuletzt mein ganzes Herzblut in ein Singer-Songwriter-Projekt gesteckt. Bis zu dem Tag, an dem mein musikalischer Partner mir mitteilte, dass er in Kopenhagen leben und studieren würde. Ich fiel in ein ziemliches Loch. Es fehlte mir, meine Gefühle kreativ zu verarbeiten.
Dann las ich von einem Portraitworkshop, der demnächst beginnen würde – und auch bezahlbar wäre. Ich bin dann quasi einfach ins kalte Wasser gesprungen, dachte, dass man sich das ja mal anschauen könne, ganz ohne Verpflichtungen. Dieser Workshop lief über acht Wochen mit je einem Treffen pro Woche und wir waren angehalten, zu jedem Termin neue Bilder mitzubringen.
Da es sich um Portraits handelte, fragte ich erst Freunde, dann schrieb ich mein erstes Modell an. (Wie es der Zufall wollte, ein Nujolie-Modell und seit Kurzem bin ich im Fotografenteam von Nujolie.)
Was mir sehr entgegenkommt, sind die festgelegten Termine: Ich gehe meist zu den Modellen nach Hause und kann dadurch also auch jederzeit wieder gehen. Das war für mich besonders anfangs sehr wichtig, da es mir manchmal schnell zu viel wurde. Schritt für Schritt habe ich menschliche Kontakte wieder „üben“ können.
Welche Themen beschäftigen Dich in Deinen Fotos jetzt besonders? Du machst ja nicht nur 0815 Portraits.
Mich interessiert die ganze Bandbreite menschlicher Gefühle. Ihre Abgründe, ihre Verwirrung, ihr Glück, ihre Sehnsüchte. Und natürlich nutze ich die Menschen, die ich fotografiere auch als Projektionsfläche. Ich verarbeite in meinen fotografierten Geschichten Erlebnisse und Erfahrungen, Dinge, die mich berühren oder verstören. Zu einem gewissen Teil sind die Fotos also auch Selbstportraits, auch wenn das so sicher merkwürdig klingt.
Wie gehst Du an einen neuen Menschen, mit dem Du Dich zum Fotosmachen verabredest, heran? Wie wird aus einem Fremden eine Projektionsfläche Deiner eigenen, sicher sehr persönlichen, Gefühle?
Meist treffe ich mich mit den Menschen in ihrem Zuhause. Das schafft eine persönliche Atmosphäre, eine Sicherheit. Wir trinken Kaffee und unterhalten uns, ich bekomme Stück für Stück ein Gefühl für mein Gegenüber und für die Dinge, die ihn oder sie beschäftigen und spüre auch, was möglich ist und was nicht.
Ja, ich denke, vieles läuft bei mir instinktiv ab. Auch das Bildermachen selbst bleibt dann ein Dialog, ein stetiges Abgleichen. Ich öffne mich in dem Maße, in dem sich auch mein Gegenüber öffnet und umgekehrt. Im besten Fall nähern wir uns gemeinsam unseren inneren Dämonen und machen sie sichtbar.
Hast Du bestimmte Vorlieben beim Fotografieren entwickelt?
Ich fotografiere zur zeit ausschließlich digital und für meine persönlichen Projekte fast nur in schwarzweiß. In der Nachbearbeitung spiele ich meist ein wenig mit den Kontrasten, mache Schwarzes schwärzer und so weiter, aber das ist im Grunde auch schon alles.
Deine Schwarzweiß-Bearbeitung ist mir auch schon besonders aufgefallen. Warum schwarzweiß?
Eine schwierige Frage. Ich denke, die Welt mit ihrer Flut an Sinneseindrücken überfordert mich so manches Mal. Vielleicht liebe ich deshalb das Reduzierte der Schwarzweiß-Fotografie, die es mir erlaubt, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren – das Sichtbarmachen von Gefühlen.
Das Schwarzweiße in meinen Fotografien nutze ich tatsächlich, um den Fokus auf die person und ihre Emotionen zu lenken. Wie gesagt ist diese Welt voll von Sinneseindrücken, besonders für jemanden, der in einer größeren Stadt lebt. Und manchmal belastet mich diese schier endlose Vielfalt der Farben, Formen und Geräusche, die für mich viel zu oft im Chaos mündet.
Das ist übrigens auch etwas, was ich an den Bauhaus-Künstlern liebe: Das Puristische. Die geometrischen Formen in der Malerei eines Moholy-Nagy zu beispiel. (Auch, wenn er natürlich – außer in seiner Fotografie – Farben nutzt und das meisterhaft!)
Hast Du fotografische oder künstlerische Vorbilder?
Ich habe viel über Deine Frage nachgedacht. Saul Leiter zum Beispiel benutzt in seinen Fotografien oft Fenster oder Spiegel. Auch ich tue das und mag die Symbolwirkung. Fenster können auch als eine Öffnung zu weiteren Räumen gesehen werden, nicht nur nach außen, zu Straßen und der Natur, sondern auch zum Inneren des Menschen.
Spiegel wiederum werfen ein Bild zurück. Manchmal eines, das wir nicht sehen wollen, das uns weh tut, manchmal eines davon, wie wir gern wären, eine Illusion, in der wir sein können, was wir wollen.
Wenn ich in einen Spiegel oder ein Fenster hineinfotografiere, werde zwangsläufig auch ich zu sehen sein, manchmal gewollt und buchstäblich, was ich aber zu vermeiden versuche, denn es soll der Mensch, den ich portraitiere im Mittelpunkt stehen, aber immer für mich selbst sichtbar.
Wie möchtest Du Deinen Stil weiterentwickeln? Gibt es etwas, was Du machen möchtest, Dich bisher aber nicht getraut hast oder was noch nicht gelingt?
Ich arbeite bis jetzt ausschließlich mit natürlichem Licht, würde aber in der Zukunft gern mehr mit Kunstlicht experimentieren – gerade in der dunklen Jahreszeit ist man doch sonst sehr eingeschränkt. Zudem würde ich gern öfter mit Menschen arbeiten, die nicht den gängigen Schönheitsidealen entsprechen. Das ist jedoch gar nicht so einfach, da viele wenig Mut haben, sich fotografieren zu lassen, wenn sie ein paar Kilo zuviel haben oder keine 20 mehr sind.
Hast Du konkrete Pläne für die nahe bzw. große Träume für die ferne Zukunft?
Ich habe in diesem Jahr einige sehr interessante Aufträge machen dürfen. Es waren Anfragen von Menschen dabei, die besondere persönliche Schicksale oder Probleme verarbeiten wollten und mit denen ich ein Konzept erarbeiten durfte, das dies fotografisch behandelte und aufarbeitete.
Das hatte ich so nie geplant. Umso mehr hat es mich berührt und mir gezeigt, das Fotografie sogar ein Mittel sein kann, um in einem gewissen kleinen Rahmen therapeutisch zu wirken. Wenn ich mir also etwas wünschen dürfte für die Zukunft, dann wäre es, noch weitere solcher Projekte zu realisieren.
Vielen Dank für diesen Einblick in Deine Arbeit, Resa!
kwerfeldein – Fotografie Magazin
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