RSS
 

Posts Tagged ‘Verfalls’

Die Schönheit des Verfalls

30 May

Ein Beitrag von: Leon Beu

Es fing alles an einem typischen Sonntag in einem kleinen Ort irgendwo im Münchner Outback an. Ich, damals etwa 14 Jahre alt, und ein Freund rollen mit dem Fahrrad über Feldwege, langsam, ohne Ziel. Nichts los eben, Langeweile, keine Beschäftigung. Und so rollten wir dahin, immer weiter aus dem Dorf hinaus, quer über die Bundesstraße.

Dann tauchte hinter einem Gebüsch ein altes Haus auf. Ein Haus mit zerbrochenen Scheiben, zugewachsen mit Efeu. Willkommene Abwechslung im öden Alltag eines bayrischen Kaffs, also schnell rein, in den dunklen Hausflur.

Seitdem bin ich immer wieder dorthin zurückgekehrt. Irgendwann schließlich mit einer Kamera und so nahm alles seinen Lauf. Seitdem sind nun etwas mehr als zwei Jahre vergangen. In diesen Jahren habe ich viele weitere solcher Orte besucht und fotografiert. Zunächst eher, wenn es sich mal ergeben hat, später auf geplanten Touren quer durch Deutschland, Österreich, Italien, Belgien und Luxemburg.

Blick aus dem Fenster eines verlassenes Hauses.

An diesen Orten beeindruckt mich vor allem die Vergänglichkeit der Menschen und der von ihnen geschaffenen Gebäude und Gegenstände. Wo vor fünf Jahren noch Arbeiter ihr Brot verdient haben, wächst heute Moos, in einstigen Küchen bröckelt die Tapete von der Wand und Spinnen rennen über das Geschirr.

Die Häuser wirken oft wie schlagartig verlassen, als wären die Bewohner auf der Flucht und hätten alles stehen und liegen gelassen. Auch das Licht ist hier ganz besonders, oft scheint es nur leicht durch geschlossene Fensterläden und bildet so einige, wenige Lichtstrahlen.

Gerade dieses Licht macht die Orte natürlich auch zu tollen, beeindruckenden Motiven, hinter denen viele Geschichten stehen. Oft werde ich gefragt, wie ich diese Orte finde. Leider finde ich sie selten zufällig auf dem Weg zu Freunden. Solche Zufallsfunde gibt es zwar auch, doch vor den meisten Touren heißt es zunächst tagelang recherchieren und suchen.

Ein verlassenes Gebäude mit Lichteinfall.

Blick in einen Spiegelsaal mit roter Decke.

Dabei untersuche und vergleiche ich Fotos anderer Fotografen auf Hinweise, suche nach Zeitungsartikeln, die ein leerstehendes Gebäude thematisieren oder achte auf kleine Details, die etwas über den Standort verraten könnten. Dabei hilft es zum Beispiel, auf den Baustil zu achten oder die Umgebung, sofern man sie auf den Bildern anderer durch die Fenster erkennen kann, zu analysieren.

Das ist auch einer der Gründe, warum diese Orte von vielen so gut geschützt werden. Keiner „verschenkt“ gern, wofür er selbst stundenlang suchen musste. Ein weiterer Grund für diese Geheimhaltung ist, dass die Orte, sofern der Standort bekannter wird, oft von Vandalen und Dieben heimgesucht werden.

Eine alte Schreibmaschine in einem verlassenen Gebäude.

Eine Lesebrille in einer Ruine.

Manchmal sind es auch Jugendliche aus der näheren Umgebung, aber gerade Metalldiebe fahren unglaublich weit für ihre Beute und zerstören dabei oft noch große Teile der leerstehenden Gebäude. Auch Graffiti, so gern ich sie eigentlich mag, stören hier extrem. Nicht nur, da es auf den Fotos schlecht aussieht, viel eher, da es Sachbeschädigung fremden Eigentums ist und an solchen Orten wirklich nichts zu suchen hat.

Bei der Bearbeitung der Bilder versuche ich, die örtliche Lichtstimmung noch stärker herauszuarbeiten. Dafür entwickle ich die Bilder zunächst in Lightroom und schicke sie danach durch das kleine aber feine HDR-Programm SNS-HDR.

Danach kommt der Feinschliff in Photoshop, meist bestehend aus Ausrichten, diversen Bildoptimierungen und letztendlich einem Farblook. Dabei versuche ich, jede Location individuell zu bearbeiten, aber dennoch einen gewissen Stil beizubehalten. Jedoch retuschiere ich nie etwas aus den Orten weg oder hin, da ich die Bilder, trotz starker künstlerischer Einflüsse, als Dokumentation des Verfalls und des aktuellen Zustands sehe.

Blick auf ein Treppenhaus in einem verlassenen Gebäude.

Ein lichtdurchflutetes Schlafzimmer in einem menschenleeren Gebäude.

In diesen Lost Places ist ein Weitwinkel-Objektiv beinahe Pflicht, daher nutze ich ein Sigma 10-20-mm-Objektiv für die Gesamtübersichten und für die ganzen kleinen, engen Räume. Weiterhin habe ich immer eine 50-mm-Festbrennweite mit dabei, die sich vor allem für Detail-Aufnahmen und so manche Spielerei eignet.

Als Body nutze ich die Canon EOS 600D, wodurch ich zwar gegenüber einer Vollformakamera etwas Qualität einbüße, jedoch auch einiges an Platz und Gewicht spare, was sich vor allem beim Klettern oder langen Touren mit weiten Laufstrecken bezahlt macht.

Ein weiteres Problem, mit dem man sich auseinander setzen muss, wenn man diese Plätze besucht, ist die rechtliche Seite. Ich versuche zwar immer wieder, die Eigentümer herauszufinden und diese um eine Erlaubnis für Fotoaufnahmen zu bitten, doch meistens klappt das nicht ganz so, wie man es sich wünscht.

Ein Klavierzimmer mit Fensterlicht und einem Hocker, auf dem schon lange niemand mehr saß.

Die Reste eine Schlafzimmers in einem verlassenen Haus mit offenem Fenster.

Daher suche ich immer nach einem offenen Eingang (z.B. offenstehende Türen oder Fenster), um in diese Orte zu gelangen. Das ist zwar rein rechtlich gesehen auch Hausfriedensbruch, doch bisher hatte ich noch keine Probleme deswegen. Oft interessiert es die Besitzer auch gar nicht oder sie drücken bei Fotografen ein Auge zu und sind froh, dass es sich bei den Besuchern nicht um Diebe handelt.

Ein absolutes No-Go ist für mich das Einbrechen (Einschlagen von Scheiben oder Aufbrechen von Türen) oder das Stehlen von Gegenständen aus den Gebäuden. Grundsätzlich gilt der Grundsatz:

Take nothing but pictures, leave nothing but footprints.

Nach meinem Besuch soll es genauso aussehen wie vor meinem Besuch. Natürlich darf man bei einem Besuch auch die gesundheitlichen Risiken nicht außer Acht lassen. Oft hat eindringendes Wasser den Orten schon stark mitgespielt und die Böden sind morsch. Auch Schimmel ist eine potenzielle Gefahrenquelle und sollte nicht ignoriert werden.

Die Eingangshalle eines alten Hauses.

Doch trotz all dieser Gefahren sind die Besuche immer wieder ein tolles Erlebnis. Einerseits wegen der vielseitigen Geschichten, die die Gebäude mitgemacht haben, andererseits begeistert es auch, wie die Natur sich das zurückholt, was einst ihr gehörte.

Daher, und natürlich aufgrund der dabei entstehenden Bilder, werde ich auch noch oft früh morgens um fünf aufstehen, mich mit anderen Ruinenbegeisterten in ein Auto quetschen, nur um dann zwei Stunden dem nächsten verfallenen Haus entgegen zu fahren.


kwerfeldein – Fotografie Magazin | Fotocommunity

 
Comments Off on Die Schönheit des Verfalls

Posted in Equipment

 

Die Schönheit des Verfalls

16 May

Ein Beitrag von: Jörg Rüger

Das Fotografieren von verlassenen Orten ist gerade oder immer noch sehr en vogue. Das verstehe ich auch nur zu gut, geht doch von diesen Orten ein ganz besonderer Reiz aus. Betritt man einen solchen Ort, wird man gefangen genommen von der Atmosphäre, die dort herrscht.

Es ist das Licht, es sind die Gerüche, die für jeden offensichtlich das Besondere an diesen Plätzen ausmachen. Für mich kommt aber noch etwas anderes, weniger Offensichtliches oder Greifbares hinzu.

Normalerweise würde ich von mir sagen, dass ich eher dazu neige, nur Dinge im wahrsten Sinne des Wortes zu begreifen, die man auch sehen, anfassen, riechen oder schmecken kann oder für deren Existenz in anderer glaubhafter Weise ein Beweis angetreten werden kann.

© Jörg Rüger

Hier ist es anders. Ich spüre irgendwie etwas, was die vielen Menschen, die an den unterschiedlichen Orten gelebt haben. Als hätte deren Wirken, Lachen oder vielleicht auch ihre Gefühle wie Schmerz, Trauer und Wut etwas hinterlassen, was untrennbar mit diesen Orten verbunden ist. Ihre Wände atmen förmlich spürbar diese gesammelten Erfahrungen der Menschen, die dort einst lebten.

Ich war einmal an einem Ort, einer ehemaligen sehr großen Kaserne, wo ich erst nach langem Durchwandern in einem Keller angelangte, der offensichtlich die Arrestzellen der Anlage beherbergte.

Niedrige Decken, wenig bis gar kein Tageslicht, einfache Holzpritschen, grob gezimmerte dicke Holztüren und die Wände voller eingeritzter Nachrichten derer, die an diesem Ort gezwungenermaßen Zeit zugebracht hatten.

© Jörg Rüger

Leider waren diese Inschriften alle in Kyrillisch, so dass ich nicht verstehen konnte, was sie bedeuten. Aber das war auch nicht notwendig, denn die ganze Atmosphäre dort sprach auch ohne Worte ganze Bände.

Oder da war dieses Krankenhaus. Viel war dort nicht mehr zu finden. Aber auch dort war das nicht unbedingt notwendig, um nachzuspüren, dass es sich um einen besonderen Ort handelte. Alte Liegen, die verlassene Kinderstation, OP- oder Seziertische – so etwas wirkt schon im Normalzustand in besonderer Weise auf einen ein.

Oder da war dieses ehemalige Kraftwerk von monströsen Ausmaßen. Es wirkte in seinen Dimensionen fast einschüchternd. Aber auch dort waren die kleinen Dinge zu finden, die daran erinnerten, dass das alles von Menschenhand geschaffen wurde und dass dort einst Menschen täglich zur Arbeit gingen.

© Jörg Rüger

Bei den Besuchen dieser Orte geht es mir nicht darum, diese zu dokumentieren und in ihrem Gesamtzusammenhang darzustellen. Mir geht es viel mehr darum, das Besondere dieser Orte, ihre Atmosphäre einzufangen und wiederzugeben.

Mich interessieren oft auch nur bestimmte Details, die man vielleicht auch an jedem anderen Ort finden könnte, die aber genau an diesem in Verbindung mit der Umgebung zu etwas Besonderem werden.

Wenn ich mir so meine gesammelten Bilder verlassener Orte anschaue, dann fällt mir auf, dass es vor allem immer auch wieder Türen, Fenster und Treppen sind, die meine Aufmerksamkeit auf sich lenken. Oft sind es aber auch nur Farben im Zusammenspiel mit Licht und Schatten.

© Jörg Rüger

Fotografisch betrachtet sind diese Orte oft eine Herausforderung. In Ermangelung künstlicher Lichtquellen, oftmals aber auch wegen teilweise verschlossener Fenster und Türen ist die Lichtsituation eher schwierig.

Oft sind es Motive mit großem Kontrastumfang, die abgebildet werden sollen. Vielfach komme ich für den Bildeindruck, den ich erzeugen möchte, nicht um Belichtungsreihen herum. Bei der Bearbeitung der Bilder achte ich jedoch darauf, möglichst eine dem normalen Sehen entsprechende Bildwirkung zu erzielen.

© Jörg Rüger © Jörg Rüger

Man sieht oft Bilder gerade von verlassenen Orten, die (in meinen Augen) im Übermaß bearbeitet wurden. Mir geht es darum, die Orte möglichst so zu zeigen, wie ich sie tatsächlich gesehen habe.

Vielleicht gelingt es mir ja, mit den Bildern ein bisschen die Atmosphäre dieser Orte zu transportieren und diese Eindrücke zu konservieren, denn viele dieser Orten gibt es heute schon nicht mehr.


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
Comments Off on Die Schönheit des Verfalls

Posted in Equipment