RSS
 

Posts Tagged ‘über’

Erzählungen über mich

04 Dec

Ein Beitrag von: Rafael Wild

Meine Serie, die ich euch heute vorstellen möchte, entstand in einem Blockseminar an der Freien Fotoschule Stuttgart. An dieser Schule belegen wir in einem Semester drei solcher Seminare. In einem dieser Seminare müssen wir innerhalb von vier Tagen eine Serie von fünf bis sieben Fotos vorlegen.

Das Thema wird von unseren Dozenten gestellt und wir erarbeiten dann innerhalb einer Stunde ein Konzept unserer ersten Ideen. Danach heißt es, an Abgabe und Präsentation fleißig zu arbeiten. Dabei sollen wir auch lernen, die Fotografien richtig zu präsentieren. An der Wand, im Rahmen, im Buch und so weiter. Wir sollen auch lernen, über diese Fotos zu sprechen, Kritik zu üben, Kritik anzunehmen und das Kritisierte beim nächsten Mal erneut anzuwenden und zu verbessern.

In dieser dargestellten Aufgabe sollten wir sieben Bilder mit dem Thema „Erzählungen über mich“ fotografieren, darin etwas über uns erzählen. Innerhalb einer Stunde hatte ich mein Konzept geschrieben, es meiner Dozentin vorgelegt und 1000 Ideen im Kopf entwickelt.

Da ich jeden Tag eine Stunde von Ulm nach Stuttgart im Zug sitze, habe ich dort genügend Zeit, mir Gedanken über mich und meine Fotos zu machen. Meine eigentliche Idee war, die Lieblingsorte meiner Kindheit zu fotografieren.

Aber wie? Wie fotografiere ich so etwas, ohne dass es nach langweiligen Landschaftsfotos aussieht? Wie bringe ich einen Eyecatcher hinein? Wie kann ich die anderen davon überzeugen, meine Fotos anzusehen? Und wie schaffe ich es überhaupt, die Lieblingsorte meiner Kindheit erkennbar rüberzubringen? Viele Fragen, keine Antworten.

In meinem Konzept stand zwar, dass ich die Orte meiner Kindheit fotografieren wollte, aber noch nicht genau wie. Meine erste entscheidende Idee war es, nachts zu fotografieren – damit ich Verwischungen ins Foto bekomme und durch die künstliche Beleuchtung andere Schatten und sowas erhalte.

Mir fehlte also noch das gewisse Etwas. Die nächste Idee war, mich selbst in die Fotos mit einzubauen. Aber wie baue ich mich in ein Foto ein, das durch eine Langzeitbelichtung entstehen soll, ohne zu verwackeln? Wenn ich mich bewege, verwische ich und werde eventuell sogar durchsichtig. Verwischt, durchsichtig – das erinnerte mich an einen Geist.

Wie kann ich mich aber als Geist in ein Foto einbauen – ohne Photoshop? Das Foto belichten, ganz schnell hineinspringen, umher hüpfen und wieder rausspringen? Dazu müsste ich mich hell kleiden, damit etwas im Foto zu erkennen ist. Soll ich dazu eine Taschenlampe benutzen, um eine helle, ausbegrannte Stelle zu erzeugen? Wieder Fragen über Fragen.

In einem Artikel auf kwerfeldein habe ich einmal bei einer Serie gesehen, was bei einer längeren Belichtungszeit von 1/8 oder 1/6 Sekunde und mit einem Vorhang entstehen kann. Das Modell darin hatte sich einen weißen Vorhang übergeworfen und bewegte sich. Durch diese Bewegungen bei einer langen Belichtungszeit kamen Verwischungen zustande.

Es waren nur noch Umrisse, Schatten und dunkle Teile des Gesichtes zu erkennen. ?Genau das, was ich wollte! Ich startete mit meiner Kamera, einem Stativ und einem alten, stinkenden Vorhang an meinen ersten Lieblingsort.

Dworzak wurde einmal gefragt, wie man Fotograf wird.
Seine Antwort fiel knapp aus: Man nimmt einen Fotoapparat und fährt irgendwohin.

Das erste Foto entstand auf dem Spielplatz hinter unserem Haus. Ich richtete meine Kamera – ein 50mm f/1.4 an einer Canon EOS 5D Mark II – aus und schoss erste Testfotos zur Kontrolle der Belichtungszeit, des Ausschnitts und der Schärfe. Und nun – Vorhang schnappen, Selbstauslöser an und sprinten!

Zur Info: Es ist wirklich nicht einfach, während des kurzen Sprints vor die Kamera den Vorhang umzuwerfen und nicht hinzufallen, so mitten in der Nacht…

An der richtigen Stelle angekommen, mit dem Vorhang über mir, beobachte ich die Kamera – in der Hoffnung, dass ich selbst nicht beobachtet wurde. Das blinkende Licht bleibt stehen, das heißt in drei Sekunden belichtet die Kamera, das Licht geht aus – klick. In einer gebückten Stellung bewegte ich mich langsam hin und her. Klick – nach 20 bis 30 Sekunden ist die Kamera fertig.

Also schnell wieder zurück, um mir das Ergebnis anzuschauen. Ich war begeistert! Ich hatte einen Geist in ein Foto gezaubert!

Einige Versuche, Änderungen an den Kameraeinstellungen und meiner Position später, ging es weiter zur nächsten Location. 20 Meter nach rechts, zur Schaukel. Dort und auch bei den anderen Locations: Jedes Mal das gleiche Spiel.

Bei meiner Ausführung habe ich auf den gleichen Bildausschnitt, die Größe des Geistes, die Höhe des Horizontes und ähnliche Dinge geachtet. Die letzten beiden Fotos, in der Badewanne und bei meinen Eltern im Bett, musste ich leider eine Ausnahme machen. Für mich persönlich gehören sie dennoch zur Serie, sie erzählen so viel über mich und meine Kindheit. Und das ist für mich in meiner Serie essenziell.

Für die Bearbeitung habe ich in Lightroom nur die Sättigung etwas rausgenommen, das Schwarz und Weiß leicht angehoben und einen dezenten Grünstich mit eingebaut. Diese Färbungen sind mir sehr wichtig.

Vor zwei Jahren bin ich in der Türkei während der Fahrt von meinem Roller gefallen, und soweit ich mich erinnern kann, habe ich in diesem „Moment des Sturzes“ alles mit einem Mix aus Grün und Sepia gesehen.

Bei der Präsentation meiner Serie in der Schule wussten alle Dozenten und Kommilitonen sofort, dass es sich um Erzählungen aus meiner Kindheit handelt. Ziel erreicht, oder? Ein paar wenige meinten, ich solle alle Fotos noch einmal neu fotografieren, allerdings ohne diesen Geist. Sind es dann nicht nur langweilige Landschaftsfotos?

Die Serie ist für mich noch nicht vollständig. Es fehlen vor allem noch einige Fotos von meinem allerliebsten Lieblingsort auf der Welt – der Türkei – meiner zweiten Heimat. Außerdem werde ich noch Fotos meiner Jugend, dem Erwachsenwerden und so weiter fotografieren. So wird das dann hoffentlich auch bis zum Schluss weitergehen.

Für mich persönlich ist diese Serie eine wundervolle Bereicherung. Alte, fast vergessene Erinnerungen kommen wieder hoch. Hoffentlich gefällt Euch meine Serie, vielleicht konnte ich den einen oder anderen inspirieren, auch so etwas oder Ähnliches zu fotografieren.

Auf Kritik und Anregungen in den Kommentaren freue ich mich schon sehr!


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
Comments Off on Erzählungen über mich

Posted in Equipment

 

Über Fotografien, die Geschichten erzählen

30 Oct

Ein Beitrag von: Jürgen Bürgin

„Haltet die Uhren an. Vergesst die Zeit. Ich will euch Geschichten erzählen.“

Ich will als Straßenfotograf Geschichten erzählen, ich will vom Leben in den Städten berichten, von Begegnungen mit Menschen, von Ereignissen auf den Straßen. Ich möchte mit meinen Fotografien von Einsamkeit, Liebe, Freundschaft, Traurigkeit, Leidenschaft, Neugierde und mehr erzählen – vom Leben.

Zu einer Geschichte gehört aber das Vergehen von Zeit. In einer Geschichte verändert sich etwas, es gibt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. In der Tat sind Fotografien in der Lage, etwas zu erzählen. Hier sind einige meiner Straßenfotografien – und Ideen, wie die Geschichten dazu aussehen könnten:

Ich höre das Rauschen des Regens und ich höre die eilenden Schritte eines Mannes, der durch den Regen rennt, mit jedem Schritt spritzt Wasser auf. Die Regentropfen, die auf den Regenschirm des Mannes fallen erzeugen ein ploppendes Geräusch. Er trägt einen Anzug und eine Aktentasche. Er kommt von der Arbeit, es ist schon spät, pflichtbewusst hat er die Zeit im Büro verbracht, bis es dunkel war.

Die Geschäfte sind immer noch hell erleuchtet, aber der Strom der Kunden ist mit dem Einsetzen des Regeschauers beinahe zum Erliegen gekommen. Er will nur noch nach Hause, in die winzige Zweizimmerwohnung, aber er wird die Kinder wieder nicht sehen, weil sie schon schlafen, wenn er nach Hause kommt.

Es ist kalt und dunkel, wenigstens hat es jetzt aufgehört zu regnen. Da steht diese Frau an der Bushaltestelle, sie ist nicht mehr jung, ihre Haare sind grau, ihr Mantel ist etwas zu weit, der Wind weht ihn zur Seite. Sie will nach Hause, aber ist das der richtige Bus?

Lieber fragt sie den Busfahrer, der ihr unfreundlich entgegenschnauzt, welches die richtige Linie ist. Sie ist ziellos durch die Geschäfte geirrt, denn eigentlich kann sie sich nichts leisten. Aber nun ist sie müde und will nach Hause in ihre enge, zugestellte Plattenbauwohnung, wo niemand auf sie wartet, wo niemand sie besucht.

Unsanft zerrt die Mutter am Arm des Mädchens, das schon wieder zu trödeln scheint, dabei muss die Mutter dringend zur Arbeit, aber vorher muss die Kleine noch im Kindergarten abgegeben werden. Aber das Mädchen hat sich umgedreht und blickt erstaunt auf den riesigen Hund, der fast so groß ist wie sie selbst.

Sie ist fasziniert von seinem sanften, gutmütigen Blick und sie würde ihn gerne streicheln, aber sie hat auch Respekt vor ihm, weniger weil ihre Mutter ihr verboten hat, fremde Hunde zu streicheln, sondern weil einer kürzlich nach ihr geschnappt hat, als sie ihn streicheln wollte. Aber dieser hier, da ist sie sich sehr sicher, würde es sehr genießen, wenn sie ihn streicheln würde. Aber sie muss weiter, in den Kindergarten.

Seit einigen Monaten betreibt der Mann nun seine mobile Straßenküche. Und es macht ihn glücklich, er ist in seinem Element, er kocht mit Leidenschaft und er berät seine Kunden voller Begeisterung. Gerne hört das junge Paar ihm dabei zu, wenn er Vorschläge macht, was er heute Leckeres für sie kochen könnte, irgendetwas mit Huhn und mit Sesam und mit Ingwer. Und das bestellen sie auch, zwei Mal.

Und es bedeutet Glück für ihn, weil er sich sicher ist, dass die beiden begeistert sein werden. Und er ist sich dessen bewusst, dass seine kleine Straßenküche nicht nur für das leibliche Wohl der Passanten und der Nachbarschaft sorgt. Sie ist auch ein Ort, an dem sich Menschen treffen, wo man seine kleinen Probleme des Alltags loswerden kann, wo man den neuesten Klatsch und Tratsch austauschen kann.

Sie sind ein junges Paar, noch nicht sehr lange zusammen, aber es ist die erste richtig ernsthafte Beziehung von beiden. Sie sind beide sehr verliebt, sie treffen sich häufig nach der Schule, sie nehmen dieselbe U-Bahn nach Hause. Sie dreht sich auf der Rolltreppe zu ihm um, um ihm nahe zu sein. Sie blickt ihn zärtlich an und wischt ihm Essensreste aus dem Mundwinkel – und er weiß diese Geste nicht wirklich einzuordnen, es ist beinahe eine mütterliche Geste.

Lange war der alte Mann nicht mehr an dem Ort gewesen, an dem er solch einen bedeutenden Teil seines Lebens verbracht hatte, an dem seine Karriere begonnen hatte, damals als Neuling, kurz nach der Uni – an dem Ort, wo er seine ersten Erfolge gefeiert, Niederlagen durchlitten, wo er Menschen kennengelernt hatte, die ihm wichtig waren, wo er Feinden auf Augenhöhe begegnete und triumphale Erfolge feierte.

Aber der Ort hat seinen Glanz von damals verloren, heute geht es nur noch um den kurzfristigen Erfolg, Geld. Freunde zählen heute nichts mehr, es gibt keinen Respekt mehr vor dem Konkurrenten. Er trauert dieser Zeit hinterher.

Die junge Frau sitzt in einem Bus auf der Fahrt nach Hause, sie ist in ihren Roman vertieft. Vielleicht ist es eine traurige, melancholische Erzählung, eine emotionale Geschichte, die sie hineinzieht und die sie ihre Umgebung vergessen lässt. Doch da fällt ihr Blick nach draußen, es wird bereits dunkel und es herrscht eine düstere Atmosphäre. Für einen Augenblick vermischt sich in ihren Gedanken die Welt aus dem Roman mit der wirklichen Welt draußen.

~

Wie erzähle ich mit meinen Fotografien Geschichten? Wie funktioniert das, obwohl Fotografien nur den Bruchteil einer Sekunde zeigen?

Betrachten wir die Wahrnehmung eines Bildes als Prozess. Der Betrachter sieht sich ein Bild an, es löst in ihm Emotionen und Erinnerungen aus – und es ist in der Lage, Assoziationsketten in ihm anzustoßen. Der Betrachter wird zu einer aktiven Instanz in der Wahrnehmung eines Bildes.

Es sind Emotionen, die ich in meinen Bildern zeige, die diese Assoziationsketten anstoßen und die Geschichten in Gang bringen. Es sind Erinnerungen an Gerüche und Geräusche, die ein Bild auslöst. Es sind die Blicke der abgebildeten Personen, die der Betrachter zu deuten versucht und die ihm etwas über das Innenleben, die Gedanken der Protagonisten verraten.

Es sind Situationen, die einer Vor- und einer Nachgeschichte bedürfen, die den Erzählprozess im Betrachter auslösen. Und es sind Elemente, die im Unklaren gelassen werden; Geheimnisse, Rätsel, die Dinge, die im Dunkeln, im Schatten, in der Unschärfe, außerhalb des Bildrahmens bleiben.

Der Betrachter will diese Rätsel lösen. Aber das Bild wird diese fehlenden Informationen nicht liefern, egal wie lange er es ansieht. Daher beginnt er selbst, sich das Unerzählte zu erzählen: Mit seinen eigenen, persönlichen Geschichten, seinen eigenen Erinnerungen, seiner eigenen Fantasie.

Jede Geschichte sieht anders aus, sie ist beeinflusst von der Person des Rezipienten, von seiner Vergangenheit, von seinen Erfahrungen, von der Situation, in der er das Bild sieht. Der Betrachter wird damit Teil des Wahrnehmungsprozesses. Er wird Teil des Bildes.


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
Comments Off on Über Fotografien, die Geschichten erzählen

Posted in Equipment

 

Über alltägliche Dinge

08 Oct

Die Mehrzahl der Dinge, die uns im Alltag umgeben, ordnen sich ganz ihrer Funktion unter. Wenn sie gebraucht werden, benutzen wir sie, anschließend stellen wir sie ab bis zum nächsten Gebrauch.

© Jakob Hunosøe

Dabei ist ihre Anordnung im Raum zufällig, wirkt meist chaotisch, da wir keinen Mehrwert aus einer Anordnung ziehen würden. Dinge stehen dort herum, wo wir sie abgelegt haben oder sie beim nächsten Mal brauchen.

Die Form der Falten auf einem Bett und der zerknüllt getrockneten Spüllappen wird nur durch unsere Bewegungen bestimmt. Oft routiniert, immer gleich und doch jedes Mal anders, weil keine Situation vollkommen gleich ist, in der wir durch unser Leben das Aussehen unserer Alltagsumgebung gestalten.

© Jakob Hunosøe

Selten passiert es, dass die Form einer solch zufälligen Anordnung figürlich ist, sodass irgendein Teil unseres Gehirns ein Bild erkennt und uns staunen oder lachen lässt. Über eine Regelmäßigkeit im zufälligen Chaos, über plötzlich auftretende Symmetrien oder unmöglich scheinende Anordnungen.

Jakob Hunosøe wartet nicht auf diese Momente, er schafft sie sich selbst. In seiner aktuellen Fotoserie “On Things Ordinary” arrangiert er Situationen, die zu sonderbar oder regelmäßig sind, um aus unserem zufälligen Umgang mit unserer Umgebung hervorgegangen zu sein.

© Jakob Hunosøe

In einem aufgeräumten, klaren, fast dokumentarischen Stil hält er Symmetrien, angeordnete Objekte, schwebende Gegenstände und ungewöhnlich Geformtes fest, das er vorzugsweise in Bädern, Küchen und der eigenen Wohnung findet.

Ich bewundere, wie Jakob es schafft, sich mit alltäglichen Gegenständen, die uns normalerweise so vertraut sind, dass wir sie im Grunde nicht mehr richtig wahrnehmen, fast übersehen, nie genau anschauen, so zu beschäftigen, dass verblüffende Momentaufnahmen entstehen.

© Jakob Hunosøe

Dazu schafft er einen Kontrast zwischen Minimalismus und Komplexität, denn obwohl die meisten seiner Kompositionen mit einem Blick zu erfassen sind und nur wenige Objekte involvieren, kann man sehr lange auf seinen Arbeiten herumwandern und trotzdem weitere überraschende Details entdecken.

Eine Einladung an jeden von Tatendrang erfüllten, oft aber ideenlosen Fotografen, der wie ich schon vor Jahren die eigene Wohnung mangels potentiell interessanter Motive gedanklich abgehakt hat. Zeit für eine Neuentdeckung der eigenen vier Wände.

© Jakob Hunosøe

Jakob Hunosøe wurde 1975 in Dänemark geboren, heute lebt und arbeitet er in Kopenhagen. Seit seinem Abschluss 2004 an der Königlich Dänischen Kunstakademie kann er auf eine beachtliche Anzahl an Ausstellungen und Auszeichnungen zurückblicken.

Seine Arbeiten beschäftigen sich nicht nur in dieser Serie mit den alltäglichen Gegenständen und dem Raum um uns herum. Er benutzt die Fotografie als neutrales Abbildungsmittel, um damit die Grenzen des Absurden, Humorvollen und Surrealen auszuloten.


KWERFELDEIN | Fotografie Magazin

 
Comments Off on Über alltägliche Dinge

Posted in Equipment

 

Sommerregen über Karlsruhe

02 Sep

Ich steckte das Ladegerät in den Rucksack und war eigentlich fertig. An diesem Freitagabend hatte ich alle Sachen gepackt und bereitete mich mental auf den Samstag vor, an dem ich wieder eine Hochzeit fotografieren sollte. Ich stellte mich ans Fenster und sah den gewaltigen Wolkenvorhang, der sich bedrückend über Karlsruhe legte.

Mir fiel ein, dass ich nochmal einkaufen gehen sollte und hatte spontan eine Idee. Und während ich so in mich hineingrübelte, klopften die ersten Tropfen an die Scheibe. Also gut, dann aber schnell.

Kamera ausgekramt, Fünfzig Millimeter aufgesteckt, beides in den Rucksack und dann fix zum Auto. Die Meter bis zu Letzterem sorgten dafür, dass ich platschnass einstieg und über lautstark das Wetter fluchte.

Ich bog in die Kriegstraße ein und war schnell im Zentrum, obwohl schnell leicht übertrieben ist. Der Regen peitschte dermaßen auf die Frontscheibe, dass ich streckenweise mit 30km/h auf der Hauptstraße gondelte, da ich fast nichts mehr sah. Eigentlich – so dachte ich – optimale Bedingungen für mein Vorhaben.

Irgendwann, irgendwo bremste ich ab und parkte. Den Apparat herausgeholt, Einstellungen festgelegt und losfotografiert. Ich hatte dieses Experiment schon einmal letzten Winter gewagt und jetzt die besten Vorraussetzungen, Leute auf der Flucht vor dem Regen und das sommerliche Karlsuhe im Wasserkleid zu dokumentieren. Selbstverständlich blieb ich im Auto sitzen, schließlich wollte ich die Tropfen auf der Fensterscheibe ins Bild integrieren.

So blieb ich hier und da stehen, wartete, bis die Menschen sich aus ihren Verstecken trauten und zur nächsten Bahn rannten oder fotografierte einfach so das regenversunkene Karlsruhe. Beim Fotografieren musste ich ein wenig schmunzeln. Schließlich konnte ich in aller Ruhe aus dem trockenen Auto nach draußen fotografieren und Leuten dabei zusehen, wie sie herumeilten und in eine Art Aufbruchstimmung verfielen.

Aber auch so mochte ich die “verwischte” Stadtlandschaft, sie so ganz anders wirkt, wenn herunterplatschende Regenschauer das trockene Pflaster überschwemmen.

Zu Beginn dieser Woche habe ich die Bilder in einer freien Minute selektiert und finalisiert. Ich kam mit ein paar Justierungen und Konstrastanpassungen in Lightroom aus und addierte final eine Sepiatonung, um das Zeitlose der Szenerien zu unterstreichen.

Regen ist wie ein Zauber, der binnen Sekunden eine ganze Stadt in Bewegung bringen kann. Dieses Geschehen auf den Sensor zu bannen, macht mir persönlich großen Spaß, denn auf einmal ist alles anders als vorher. Für mich ein Grund, öfters rauszugehen, wenn alle anderen reingehen. Und das nächste Mal setze ich mich vielleicht in eine S-Bahn, das ist nämlich etwas umweltfreundlicher. 😉


KWERFELDEIN | Fotografie Magazin

 
Comments Off on Sommerregen über Karlsruhe

Posted in Equipment

 

Das Entscheidende ist der Blick: Über das Fotografieren auf der Straße

28 Jun
Alexander PiniDies ist ein Artikel von Alexander Pini (fotocommunity). Er ist IT-Projektleiter und fotografiert seit vier Jahren. Sein fotografisches Interesse gilt fast ausnahmslos der Straßenfotografie.

Ich habe in den letzten Jahren viele Erfahrungen „auf der Straße“ gemacht und möchte hier mal die aus meiner Sicht wichtigsten Erkenntnisse weitergeben.

Zunächst habe ich mich nur mit größeren Brennweiten getraut loszuziehen, deutlich über 50mm. Dadurch konnte ich mich meistens schön im Hintergrund halten und hatte dennoch die gewünschten Motive auf dem Bild.

Der Nachteil einer großen Brennweite ist jedoch, dass man neben dem eigentlichen Motiv von der Atmosphäre der Straße häufig wenig darstellen kann. So habe ich mich nach und nach an kleinere Brennweiten gewagt und musste dadurch selbst direkt ins Getümmel.

Dies kostet anfangs zwar ein wenig Überwindung, macht mir jetzt aber auch viel mehr Spaß. Inzwischen nutze ich nur noch (Fest-)Brennweiten zwischen 30mm und 50mm, Crop-Faktor der Kamera schon einbezogen.

Wichtig für ein gutes Straßenfoto ist, dass man sich die Gegend zunächst einmal anschaut, ohne gleich die Kamera im Anschlag zu haben. So erkennt man schnell, welche Ecken für Fotos gut geeignet sind.

Jetzt kommt natürlich noch der Mensch ins Spiel, der sich nicht immer genau dort entlang bewegt, wo man es gerne hätte. Straßenfotografie bedeutet deshalb auch, Geduld zu haben. Ich kann nur empfehlen, sich an einer gut geeigneten Stelle mit der Kamera in Bereitschaft zu postieren und darauf zu warten, dass zur Umgebung passende Menschen in den Bildausschnitt hinein laufen.

Man hat dadurch sehr schön die Möglichkeit, die vermeintlich schnell und eher zufällig entstandenen Bilder zu komponieren. Ein weiterer Vorteil des längeren Ausharrens vor einem Motiv ist, dass die Menschen sich durch die Kamera nicht bedroht fühlen, da sie ja diejenigen sind, die dem Fotografen ins Bild laufen.

Dieses Vorgehen ist aus meiner Erfahrung wesentlich zielführender, als einfach durch die Stadt zu laufen und die Kamera schnell auf alle scheinbar interessanten Motive zu richten.

~

Da es in der Straßenfotografie in der Regel darum geht, auch die Umgebung der Menschen zu zeigen, sollte die Blende nicht zu klein gewählt werden. Ich nutze meistens einen Blendenwert von 8 oder höher. Natürlich kann man auch mit einer ganz offenen Blende schöne Fotos machen, aber der typische Street-Charakter geht dabei durch die geringe Tiefenschärfe häufig verloren.

Ausserdem gilt: Je unauffälliger, desto besser. Dies gilt sowohl für den Fotografen (Kleidung etc.), als auch für die Kamera. Ich fotografiere mit einer Canon EOS 400D und träume von einer kleinen Leica M9. Allerdings bin ich der Meinung, dass in der Straßenfotografie, anders als z.B. in der Modefotografie, die Kamera nicht so entscheidend ist.

Das Entscheidende ist der Blick für eine gute Szene und somit ein gutes Bild.

Über eine bessere und meistens auch teurere Kamera sollte man erst nachdenken, wenn einem die Grenzen seiner jetzigen Ausrüstung bewusst werden.

Ich fotografiere nur in schwarzweiß, denn dadurch wird das Bild auf das Wesentliche konzentriert und nicht durch Farben abgelenkt.

Für die Nachbearbeitung verwende ich fast auschließlich Lightroom. Da mir starke Kontraste sehr gefallen, gehört die Kontrastanpassung für mich immer dazu – auch unter Zuhilfenahme vieler selbstdefinierter Lightroom-Presets.

Natürlich muss ich viele Bilder auch noch leicht zurechtschneiden. Das sind dann aber auch schon alle meine Bearbeitungsschritte. Für mich ist es wichtiger, mehr Zeit zum Fotografieren zur Verfügung zu haben als diese für die Nachbearbeitung aufzuwenden. Gerade bei der Straßenfotografie kann man auf aufwändiges Nachbearbeiten aus meiner Sicht auch gut verzichten.

Sehr wichtig bei der Straßenfotografie ist auch noch die rechtliche Seite. In Deutschland gilt, dass man von Menschen, die man in der Öffentlichkeit fotografieren will, immer eine Erlaubnis benötigt. Ausgenommen davon sind (im Wesentlichen) Menschenmengen und Versammlungen.

Für mich bleiben also die Möglichkeiten, entweder vor dem Fotografieren zu fragen oder nachdem das Foto gemacht wurde. Im ersten Fall ist fast immer die Spontanität der Szene verloren, das kommt für mich deshalb gar nicht in Frage.

Im zweiten Fall ist die Person oft schon weiter weg, ich müsste also hinterher laufen und evtl. sogar wieder ein Bild löschen, das ist für mich auch nicht wirklich eine Lösung. Allerdings spielt für mich weniger die rechtliche Seite als die Ethik die entscheidende Rolle, wieso ich auf nicht explizit freigegebene Personenaufnahmen verzichte.

Solange man mit seinen Bildern keine kommerziellen Zwecke verfolgt (so wie ich), ist das Schlimmste, was rechtlich passieren kann, dass ich ein ins Netz gestelltes Bild herausnehmen muss. Ich halte es aus ethischen Gründen aber durchaus für problematisch, Menschen für meine (wenn auch künstlerischen) Zwecke ohne deren Wissen zu verwenden.

Bei mir hat das dazu geführt, dass ich mich vor allem auf Szenen konzentriere, in denen Menschen eher als grafisches Element beteiligt und nicht klar zu identifizieren sind. Auch sehr interessant – und juristisch völlig unkritisch – ist das Fotografieren von menschlichen Schatten, von Personen im Gegenlicht oder vor sehr hellen Hintergründen, die dazu führen, dass auf dem Bild fast nur noch ein Schatten zu erkennen ist. Ich bin eher durch Zufall auf diese Technik gestoßen, mache aber immer wieder gerne solche Bilder.

Und noch ein Tipp zum Schluss: Schaut euch viele unterschiedliche Bilder an – in Fotocommunities, Blogs, Büchern. Dadurch bekommt ihr Anregungen, die ihr selbst in abgewandelter Form umsetzen könnt.


KWERFELDEIN | Fotografie Magazin

 
Comments Off on Das Entscheidende ist der Blick: Über das Fotografieren auf der Straße

Posted in Equipment