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kwerfeldein diskutiert: Über die Straße

07 Jun

Als Martin und Robert sich kürzlich über Fotobücher austauschten, fiel ihnen auf, wie wenig klar die Straßenfotografie eigentlich definiert ist. Daraus hat sich ein um dieses Genre mäanderndes Gespräch entwickelt, das wir Euch nun nicht vorenthalten möchten.

Martin: Robert, könntest Du in einem Satz die Straßenfotografie beschreiben?

Robert: Ganz ehrlich: Nein. Wenn ich es dennoch versuchte, würde das vielleicht so aussehen: Ein Bild, das sich der Straßenfotografie zuordnen lässt, bildet im weitesten Sinne eine Situation des öffentlichen Lebens ab, zeigt Menschen und/oder Tiere in einem Moment der Interaktion, der im besten Fall eine kritische Reflexion auf die Zeit und den Ort der Aufnahme ist und immer Ausdruck des Fotografen. Und wie siehst Du das?

Martin: Mit der Rückfrage habe ich schon gerechnet, aber gehofft, dass ich drum herum komme. Also: Eine Straßenfotografie zeigt Leben in der Öffentlichkeit. So kurz würde ich das, glaube ich, fassen. Wobei ich sicher irgendetwas übersehen habe. Das Problem mit Definitionen ist ja, dass sie uns greifbar machen können, über was wir sprechen, aber immer irgendetwas anderes mitdefinieren.

Denn Leben in der Öffentlichkeit kann ja auch die Makroaufnahme einer Fliege sein. Das ist dann „Straße“, aber auch nicht. Das ist dann auch Makrofotografie, Tierfotografie, Natur und sogar ein Portrait. Oder?

Robert: Klar, so genau ich auch versuche zu definieren, ich kann nie ganz sicher sein, dass andere das Gleiche unter Leben oder Öffentlichkeit assoziieren, wie ich selbst. Aber das finde ich ziemlich normal, das ist doch bei allem so, was abstrakter ist als beispielsweise ein Würfel oder ein Schwein.

Im übrigen denke ich auch, dass es den einen oder anderen Fotografen herzlich wenig interessiert, welchem Genre sich ein Foto, das er gemacht hat, zuordnen lässt.

Straßenfotografie ist ja letztendlich nur ein Begriff, den Menschen, die über Fotografie schreiben, nutzen, um sie zu kategorisieren. So Redakteure wie wir eben. Die Kategorisierung hilft dann wiederum Lesern, ihr eigenes Interessenfeld einzugrenzen.

Und wie schwierig es manchmal sein kann, eine Arbeit einem bestimmten Genre zuzuordnen, merken wir ja regelmäßig bei der Redaktionsarbeit. Manchmal kann Straße eben auch Portrait sein oder Reportage. Die Grenzen sind da fließend.

Ich würde allerdings nicht so weit gehen und ein Insektenmakro der Straßenfotografie zuordnen, wenn es tatsächlich nur eine Fliege in der Bokehfalle zeigt. In dem Fall würde mir einfach der Zusammenhang zur Straße fehlen.

Martin: Nick Turpin hat dahingehend einen interessanten Ansatz. Darf ich zitieren? Ich mache es einmal:

I have talked about Street Photography as an approach, an attitude rather than a place where the pictures are made…

Was mir an diesem Halbsatz gefällt, ist das komplette Auslassen jeglicher Ortsbestimmungen bzw. Definitionen, sondern dass er es als eine Form der Herangehensweise betrachtet.

Würdest Du dem zustimmen?

Robert: Ach ja, der Herr Turpin. Er scheint einer der Fotografen zu sein, denen wichtig ist, welchem Genre sich seine Art von Fotografie zuordnen lässt.

Ich habe, ehrlich gesagt, immer ein bisschen Schwierigkeiten, wenn sich Fotografen ganz bewusst mit einem Genre schmücken. Er erklärt Straßenfotografie damit zu einem, seinem, Lifestyle, was mir persönlich zu wenig ist. Das riecht mir zu sehr nach Aufmerksamkeitsmarketing.

Gleichzeitig finde ich an dem Zitat aber auch gut, dass es die Perspektive des Fotografen darstellt und eben gerade kein wissenschaftlicher Definitionsversuch ist.

Du siehst, ich bin da zwiegespalten.

Martin: Lass uns kurz abschweifen. Warum sollte man nicht sagen, dass man Straßenfotograf ist? Was gefällt Dir daran nicht? Ich habe das unter (Straßen-)Fotografen schon oft gehört, dass sie es nicht mögen, wenn andere sich so nennen. Es scheint mir ein genrebezogenes Phänomen zu sein, zumindest fällt mir das in anderen Bereichen der Fotografie nicht so deutlich auf.

Robert: Och, das soll schon jeder so machen, wie er mag. Ich habe auch nichts dagegen, wenn andere sich so nennen. Ich würde mich nur selbst nie als Straßenfotografen bezeichnen. Auch wenn es vielleicht Fotos gibt, die ich gemacht habe, die sich diesem Genre zuordnen lassen.

Wäre die Straßenfotografie eine Stadt, würde ich gewissermaßen ein Zugezogener sein. Ich schließe aber nicht aus, dass es Fotografen gibt, die sich mit dem Genre indentifizieren möchten.

Mir fällt übrigens immer wieder auf, dass es deutlich mehr männliche Straßenfotografen gibt. Was glaubst Du, woran liegt das?

Martin: Das ist eine sehr gute Frage. Mir fällt da gerade keine wirkliche Antwort ein. Jedes Mal, wenn ich einen Ansatzversuch konstruiere, widerlegt der sich von selbst. Daher muss ich passen.

Wie siehst Du es?

Robert: Ich habe natürlich auch keine allgemeingültige Antwort darauf. Aber vielleicht hat es etwas mit Jagdinstinkt zu tun? Es geht zwar nicht um Wild, aber doch um flüchtige und einmalige Augenblicke, die Aufmerksamkeit erfordern und die Fähigkeit, sie schnell einzufangen. Schau mal: Schon in der Sprache offenbart sich ja die Referenz zur Jagd – einen Moment einfangen. Das finde ich interessant.

Martin: Stimmt, das ist interessant. Jedoch bin ich mir unsicher, ob das tatsächlich etwas mit Straßenfotografie als Genre zu tun hat oder eher in verschiedenen Bereichen der Fotografie ein Phänomen ist. Ich kenne zum Beispiel auch mehr männliche als weibliche: Landschaftsfotografen, Sportfotografen, Tierfotografen, Automobilfotografen und Makrofotografen. In vielen dieser Genres geht es um die Jagd nach dem Bild und möglicherweise trifft da Deine Vermutung sogar teilweise zu.

Robert: Hm, ich glaube, jetzt verstehe ich, was Du meinst. Es ist schwierig, eine genaue Erklärung zu finden, die nicht auch auf andere Bereiche zutrifft. Liegt das aber nicht vielleicht in der Natur der Begrifflichkeiten selbst? Sie sind eben nicht definitiv.

Ich habe keine Ahnung, wann der Begriff Straßenfotografie erstmals aufgekommen ist und wieso eigentlich. Ich denke, es gab vermutlich irgendwann einfach das Bedürfnis, eine bestimmte Art von Fotografie von einer anderen abzugrenzen. Deshalb hat sich diese Bezeichnung dann etabliert. Kategorisierungen sind ja immer auch ein Versuch, Komplexes zu vereinfachen bzw. verständlich zu halten.

Jedenfalls hat es sicherlich nicht plopp gemacht und plötzlich war die Straßenfotografie geboren …

Martin: Ich denke, die Historiker werden sich darüber streiten. Denn es gibt ja vermutlich einen Unterschied zwischen der Geburt eines Genres und der Benutzung des Begriffes für dieses Genre. Was ich interessant finde, ist die Wechselwirkung der Benennung selbst und des Begriffes auf das Genre.

Robert: Ganz genau. Ich glaube, das ist eben nicht direkt kausal. Ein Begriff ist nicht plötzlich da. Viele reden viel. Dann kommt einer und sagt was, das alle wiederholen und so vervielfältigt sich der Begriff. Und es gibt keine klare Regel, nach der das passiert. Es passiert einfach.

Martin: Um auf die Straßenfotografie zurückzukommen: Es gibt ja immer wieder Diskussionen darüber, was sie nun eigentlich ist und was nicht. Und wir zwei sind gerade mittendrin…

Ein Beispiel: Dieses Bild von Daguerre gilt als die erste Aufnahme (1938) eines lebenden Menschen. Die Aufnahme dauerte mehr als 10 Minuten. Lange Zeit haben die Menschen draußen fotografiert, einfach weil da genug Licht war, um die damals noch sehr niedrigempfindlichen Aufnahmemedien zu belichten.

Sie haben ihre Plattenkameras durch die Gegend geschleppt und eben damit fotografiert. Als dann irgendwann Kameras entwickelt wurden, mit denen man aus der Hand fotografieren konnte – die Kodak Box-Kamera ist da sicher vielen ein Begriff – begannen die Menschen, Schnappschüsse des alltäglichen, ungestellten Lebens zu machen.

Populär wurde die Straßenfotografie aber durch Atget. Er fotografierte von 1890 bis 1920 in Paris, das auch als Geburtsstadt der Straßenfotografie gilt. Für Atget waren jedoch Menschen nicht zwingend Bestandteil des Bildes.

Robert: Sicher, das war ja auch nicht seine Absicht. Er bezeichnete das bestimmt selbst auch nicht als Straßenfotografie. Er hielt einfach fest, was er mit der damaligen Technik aufnehmen konnte. Und dass die Menschen in dem von Dir aufgeführten Beispielbild übrigens alles andere als spontan interagierten, dürfte einleuchten.

Uns geht es heute ganz anders. Wir haben ja praktisch jede historisch denkbare Aufnahmetechnik zur Verfügung. Darüber hinaus schaffen wir auch stetig neue. Es wird also immer wichtiger, uns zu entscheiden, welche Technik wir wofür verwenden.

Für das Einfangen von ungestellten Momenten bietet sich natürlich möglichst schnell zu bedienende Technik an. Was vor hundert Jahren die Leica war, ist heute das Smartphone.

Martin: Über die Zeit hat sich die Größe der Aufnahmegeräte zu Gunsten der Straßenfotografie ständig reduziert. Wenn man mal überlegt, wie groß die Kameras zu Beginn waren und dass wir heute selbige einfach aus der Hosentasche ziehen, ist das schon beeindruckend.

Und es ermöglicht uns deshalb zeitgleich Aufnahmen ungestellter Momente, weil die Kamera an sich immer weniger Reaktionen bei den Fotografierten auslöst. Eine Fachkamera auf der Straße wird sofort beäugt und als etwas Besonderes betrachtet. Ein Smartphone hingegen haben viele, selbst, wenn sie nicht damit fotografieren.

Smartphonekameras haben jedoch nach wie vor Grenzen. Mit einer 1/4000 Sekunde bei Blende 16 zu fotografieren wird damit schwierig, auch die Objektivqualität und Sensorgröße spielen eine nicht kleine Rolle. Dennoch ist auch das nur eine Frage der Zeit, bis die Technik da dem Ideal näher kommt.

Robert: Ich finde den Punkt interessant, den Du mit der fehlenden Reaktion der Fotografierten ansprichst. Mittlerweile lassen sich Fotoapparate ja auch schon in Echtzeit über das Smartphone steuern. Übertrieben gesagt: Wir sehen da vielleicht so etwas wie einer Dronifizierung der Fotoapparate entgegen.

Man entkoppelt praktisch den Sucher vom Aufnahmegerät. Die alte Kulturtechnik, eine Kamera ans Auge zu halten, um ein Bild zu machen, ist dafür also nicht mehr notwendig. Sie wird dadurch allerdings nicht ersetzt, sondern existiert neben der entkoppelten Aufnahme weiter.

Das unbemerkte, ungestellte Fotografieren wird nun also leichter. Es würde mich nicht wundern, wenn bald noch mehr Fotografen der Straßenfotografie fröhnten.

Martin: Wenn wir schon bei der Technik sind: Was ist Dein präferiertes Arbeitsgerät für die Straßenfotografie?

Robert: Ich selbst bin eher altmodisch unterwegs. Für schnelle Momente und wenig Gepäck nutze ich gern eine Leica. Mein derzeitiger Liebling ist aber meine Hasselblad. Der Blick in den Schachtsucher auf die Mattscheibe erzeugt ein angenehmes Bildgefühl und ermöglicht eine akkurate Komposition, die ich gelegentlich mit lebendigen Elementen aufmische, die von selbst ins Bild spaziert kommen.

Eine echte Herausforderung wäre für mich allerdings irgendwann, mal mit einer Großformatkamera „Street zu machen“.

Du nutzt ja eher kleinere Apparate, oder?

Martin: Ja, ich mag die Leichtigkeit und Größe der X100s schon sehr. Der Sensor ist super und ich kann, wenn die Sonne scheint, bei 1/4000stel mit Blende 14 fotografieren, ohne hinterher meinen ISO-Rausch ausschlafen zu müssen.

Ab und zu fotografiere ich jedoch noch mit meiner 5D und benutze an der gern feste Brennweiten. Vollformat ist halt dann doch eine nette Abwechslung.

Bald werde ich mich – mal sehen, wie lange – an einer AE-1 versuchen, die mir Katja verkauft hat. Analog und Street, das habe ich bisher noch nicht erfolgreich bewerkstelligt.

Robert: Ah, schön, dass Du das mal analog ausprobieren willst. Klar, eine neue Arbeitsweise ist anfangs immer erst einmal eine Herausforderung. Ich vermute aber, mit mehr und mehr Übung wirst Du Ergebnisse erzielen, die Dich zufrieden machen.

Ich kenne das, ich habe selbst über die Jahre erst einmal eine ganze Menge Mist fabriziert. Ich denke, ein gutes Ziel ist, dass man irgendwann auf vormals Produziertes zurückblicken kann und es dann noch immer die eigenen aktuellen Ansprüche erfüllt.

Martin: Ich mag die Herausforderung, deshalb möchte ich es auch mal probieren – vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass ich mir die Straßenfotografie an sich ausgesucht habe, weil sie für mich genau die richtige Mischung aus Berechenbarkeit und Herausforderung darstellt. Die Straßenfotografie ist einfach toll.


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Lebendige Geschichten über nicht lebende Wesen

31 Jan

Ein Beitrag von: Dina Belenko

Ich bin Autodidaktin. Meine erste Kamera kam durch Zufall in meine Hände, aber seitdem ich zum ersten Mal versucht habe, etwas Magisches mit Hilfe ganz gewöhnlicher Dinge zu erzählen, kann ich nicht mehr aufhören, zu fotografieren.

Ich glaube, einfache Dinge können genauso ausdrucksstark sein wie menschliche Gesichter. Sie besitzen meist Abdrücke unserer eigenen Emotionen, Erwartungen und Empfindungen. Sie altern und gehen kaputt, ganz genau so wie wir auch.

Pastry adventurer © Dina BelenkoUFO: kitchen thief © Dina Belenko

Jedes Ding, jede Sache trägt irgendein geschicktes Rätsel, ein Geheimnis in sich, das die menschliche Fantasie anregt. Ich liebe dies alles: Tassen, Puzzle, Glasstückchen, Papierflugzeuge, ich liebe all das, was sie mitteilen können. Dies alles ist unsere menschliche Welt, nur etwas langsamer, etwas ausgewogener, etwas harmonischer.

In Russland gilt das Stillleben als eines der eher unbeliebtesten Genres. Es wird lediglich als eine langweilige Anhäufung von Blumen und Früchten angesehen. Das ist etwas unfair, weil auch ein ganz anderes Stillleben als die genannten existiert: Ein metaphorisches, ein erzählerisches und ein interessantes Stillleben.

In solchen Aufnahmen gibt es meist eine wirkliche Geschichte. Diese schafft man dafür, um auch mal nicht schöne Dinge zu präsentieren und ihre Verbindung miteinander aufzuzeigen. Solche Stillleben erzählen Geschichten und ich glaube, dass solche das absolut Wichtigste in jedem Fotogenre sind.

The best coffee in the world © Dina Belenko

Ich bevorzuge das Stillleben, weil genau hier die Rolle des Zufalls unglaublich beschränkt ist. Jedes einzelne Detail kann aufs Genaueste kontrolliert werden. Man darf sich als Regisseur fühlen, dem alles, was sich auf der Fläche vor ihm befindet, unterliegt. Jeder Misserfolg ist nur sein eigener Misserfolg, aber dafür ist auch jeder Sieg komplett sein eigener Sieg.

Jedes einzelne Ding befindet sich in einem Knäuel aus Assoziationen, Erfindungen und Mythen. Man muss nur an einem einzigen Fädchen ziehen und schon eröffnen sich unglaublich viele Geschichten, die man mit anderen teilen will. Ich suche mir einfach die am besten gelungenste Geschichte aus und mache dann davon ein Foto.

Reindeer (Powdered sugar) © Dina BelenkoUnderground © Dina Belenko

Dieser Artikel wurde von Ljuba Gonchar für uns aus dem Russischen ins Deutsche übersetzt. Danke!


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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Über analoge Ehrlichkeit und Blumen im Haar

17 Jan

Ein Beitrag von: Lisa Licht

Angefangen hat alles vor fünf Jahren als ich noch zur Schule gegangen bin und mir das Wahlfach Fotografie verglichen mit allen anderen ziemlich sympathisch war. Ich habe zu dieser Zeit eine alte analoge Canon von meinem Opa bekommen und hatte einen unglaublich beeindruckenden Lehrer. Kennt Ihr das, wenn man merkt, dass jemand seine Arbeit wirklich liebt? Das passiert in meiner Welt leider gar nicht so oft.

Mich beeindruckt so etwas aber ungemein. Mein Fotografie-Lehrer ist so jemand. Ein Fotograf der alten Schule mit dicker Hornbrille und Bart. Er hat damals etwas ziemlich Gutes gemacht: Er hat mich komplett angesteckt mit seiner Liebe und Hingabe zur Fotografie.

Nina © Lisa Licht

LenaPola © Lisa Licht

Ich werde niemals den Geruch der Chemikalien in unserer kleinen Schuldunkelkammer vergessen, die Spannung beim Entwickeln, das Geschrei, wenn ein Schüler mal aus Versehen auf den Lichtschalter am und dann alle tierisch lachen mussten.

Ich liebe die Analogfotografie, weil sie rein und ursprünglich ist und eine unglaubliche Tiefe besitzt. Sie zeigt, dass man in der Kunst an keiner Stelle etwas vortäuschen muss, um etwas Schönes zu erschaffen.

Elisa © Lisa Licht

Maria © Lisa Licht

Für mich ist das der wichtigste Grundsatz in meinen Fotos: Natürlichkeit. Den Menschen so zeigen wie er ist oder es zumindest so gut es geht versuchen. Diese Art des Fotografierens in der digitalen Fotografie behalten.

Das heißt nicht, ohne Bildbearbeitung auszukommen. Aber es heißt, besondere Züge, die zu Individuen dazugehören, zu behalten, egal ob diese jetzt der Mehrheit gefallen oder nicht.

Mir geht es mit meiner Fotografie immer um den Menschen – auch, wenn ich mich immer noch nicht entscheiden könnte, welcher Bereich mir dabei am meisten Freude macht.

Lisa © Lisa Licht

LenaKleid © Lisa Licht

Was zum Beispiel in der Welt der Mode wirklich großartig ist, ist, dass man in andere Welten schlüpfen kann. Dass man gestalten kann. Dass das Thema Mode eigentlich, wenn man genau hinsieht, kein oberflächliches Thema ist, sondern die Kleidung eines Menschen unglaublich viel über ihren Träger aussagt.

Ich weiß aber nicht, ob ich in der Fashion/Beauty-Fotografie zurecht kommen würde, weil ich wirklich kein oberflächlicher Mensch bin und manche Konventionen in diesem Bereich sicher nicht einfach hinnehmen könnte.

Auf der anderen Seite würde mir sicher sehr viel Farbe fehlen, wenn ich mich jetzt entschließen würde, nur noch journalistisch, ehrlich und dokumentarisch zu fotografieren und ich keinem, der vor meiner Kamera steht, mehr eine Blume ins Haar stecken dürfte.

Lisa&Nemo © Lisa Licht

Christina © Lisa Licht

Ich glaube, wir Fotografen arbeiten am produktivsten und inspiriertesten, wenn wir ein starkes Gefühl haben. Egal ob es ein positives oder ein negatives Gefühl ist. Ich merke, dass mir besondere Ideen kommen, wenn ich besonders glücklich bin. Dann sind die Motive in meinen Fotos Menschen oder Dinge, die ich liebe. Ballerinas, Federgestalten oder Sternenmädchen zum Beispiel.

Aber genauso sprudelt es nur so an Ideen, wenn mich etwas wirklich ärgert. Beides kann total beeindruckend sein. Wenn jemand mir mit einem Foto zeigt, wie schön die Welt doch ist, aber genauso, wenn man Schmerz oder Ärger mit einem Foto verarbeiten kann. Das ist es, was ich am meisten an der Fotografie liebe.


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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Über Freiheit

03 Oct

Ein Beitrag von: Fabian Rüther

Die letzten 13 Monate arbeitete ich an einem Bildband über Freiheit. Das Ergebnis ist eine Sammlung aus sehr grafischen und surrealistischen Portraits von Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Mit Menschen aus über 35 verschiedenen Nationen arbeitete ich zusammen. Darunter waren Länder wie Korea, Taiwan, China, Vietnam, Weißrussland, die Türkei, Saudi Arabien und viele mehr.

Natürlich konnte ich nicht die Geschichte der Deutschen außen vorlassen und so fotografierte ich unter anderem die Politikerin Vera Lengsfeld, die von ihrem Mann während der Stasi-Zeit 30 Jahre lang bespitzelt wurde. Doch nicht nur politische Themen im Hinblick auf Freiheit sollten behandelt werden.

Tu?rkei - Fatih © Fabian RütherWeißrussland - Zhenya © Fabian Rüther

Wir reden hier von einem Wort, einem Begriff, der viel elementarer ist, als die Politik. Es geht vor allem um den Menschen und seine Geschichte.

Die Welt hat nie eine gute Definition für das Wort „Freiheit“ gefunden.
(Abraham Lincoln)

Eine zutreffende Definition für Freiheit zu ermitteln, ist womöglich ebenso schwierig, wie das Rad neu zu erfinden. Ich kann und möchte somit auch nicht meine Interpretation von Freiheit aufdrücken. Würden Umfragen zur Hilfe gezogen, um zu definieren, was Freiheit eigentlich ist, würden die Antworten mehr Auskunft über den Probanden als Individuum geben, als Auskunft zur Definition.

USA - Abigal © Fabian RütherGriechenland - Errikos © Fabian Rüther

Im Ausschlussverfahren nähern wir uns der Lösung, denn wir haben durch unser kultur- und geschichtlich geprägtes Wertesystem erlernt, was Freiheit zumindest nicht sein kann: Gesetze, Zensuren, Diktaturen und Zwänge. Alles Begriffe, die wir konträr zur Freiheit assoziieren. Jedoch vergessen wir dabei, dass Gesetze (zwar nicht immer und überall) Stützen unserer Freiheit sind. Was passiert, wenn diese nicht vorhanden sind, können wir nahezu monatlich in den USA verfolgen …

Doch wie wichtig ist uns Deutschen das Thema? Denn ist es nicht so, dass wir erst verstehen, wie elementar etwas ist, wenn es uns weggenommen wird? Zumindest ist das ein Eindruck, der mich während meiner Arbeit immer begleitet hat durch den einfachen Fakt, dass vor allem mehr Menschen aus Ländern wie China, der Türkei und Ostdeutschland sich für das Projekt gemeldet haben als Menschen aus der Schweiz oder aus Holland oder eben Westdeutschland. Dennoch, die Bereitschaft eine Message in die Welt zu tragen, war riesig und hat mich einfach überwältigt. Über 200 Anfragen, von denen es letztendlich 70 ins Buch geschafft haben.

Ein Blick ins Buch

Vietnam – Julia – Boat People.

Vietnam - Julia © Fabian Rüther

In der Folge des Vietnamkrieges 1970 in Südostasien versuchten über 1,6 Millionen Menschen aus Angst um das eigene Leben über den Seeweg ins Ausland zu fliehen. An Land war Vietnam ausschließlich von Staaten umgeben, die sich kaum als Zuflucht eigneten. Aus diesem Grund versuchten viele die Flucht über das Südchinesische Meer. Man nannte diese Menschen „Boat People“.

Die meisten Boote trugen zwischen 150 und 600 Personen. Der Zustand der Boote war unzureichend, viele Menschen starben auf dem Seeweg durch Nahrungsmangel, Wasserknappheit und Krankheiten. Deshalb erreichten über 250.000 Menschen nicht die Küste und fanden ihren Tod im Meer.

Viel Glück hatten dabei die Eltern von Julia Nhi. Sie gehörten zu den damaligen Bootsflüchtlingen und konnten durch ein Rettungsboot in Sicherheit gebracht werden. Mit der Rettung wurde nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch der Weg für Julia und ihre Geschwister gesichert.

~

Deutschland – Falk – Wer ist mehr?

Falk © Fabian Rüther

Ich habe mich im Osten nicht wirklich unfrei gefühlt. Ich konnte aus meinem Klassenzimmer Häuser sehen, die in Westberlin standen. Dass ich dort nicht hingehen durfte, war genauso, wie die Tatsache, dass ich nicht so viel Schokolade essen durfte, wie ich gerne wollte und das meine Eltern immer recht haben, auch wenn ich glaube, dass sie manchmal nicht recht hatten. Man darf als Kind nicht alles und muss lernen mit Grenzen umzugehen.

Das finde ich auch heute noch so und ich finde Leute lächerlich, die glauben, dass sie frei sind oder die glauben, dass sie freier sind als jemand anderes. Freiheit hat viel mit Selbstverständnis zu tun. Wenn in Amerika die Freiheit propagiert wurde, sich vom Tellerwäscher zum Millionär hocharbeiten zu können und es tatsächlich Leute gibt, denen das gelingt, so wurde in der DDR propagiert, sich als Arbeiter frei von Ausbeutung zu fühlen und es gibt tatsächlich Leute, die das empfunden haben.

Der Spruch: „Ich bin Bergmann, wer ist mehr!“ Symbolisiert für mich dieses Selbstverständnis. Ich bin in diesem Land großgeworden. Es ist auch mein Selbstverständnis, auch wenn ich nicht aus einer Arbeiterfamilie stamme. Ich sehe Freiheit grundsätzlich kritisch und empfinde Freiheitskämpfer wie Männer, die mit allen Frauen schlafen wollen, alle Autos fahren wollen, alle Schokolade essen wollen und ihre Eltern nicht achten.

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USA – Abigal – Zu viel Freiheit?

Abigal - Buchblick

Das Massaker von Denver bei der Premiere von „The Dark Knight“ hat wieder einmal die Diskussion um schärfere Waffengesetze in Amerika angeheizt. Doch, wie nach jeder Tragödie die mit einem zu liberalen Waffengesetz ihren Anfang hat, verlief sich auch diese schnell im Sand.

„Ein Sturmgewehr, zwei Glock Pistolen, ein Jagdgewehr, mehr als 6000 Kugeln. Erlaubte Shopping-Tour eines 24-jährigen Studenten“ betitelte die Bild Zeitung den Irrsinn. Die sogenannte liberale Gesetzgebung schafft die Grundlage, dass Bürger Waffen zum Selbstschutz besitzen dürfen – doch die Frage, die sich hier stellt ist eher, warum solche Möglichkeiten derartig ausgenutzt werden. Ein Zeichen dafür was geschehen kann, wenn dem Menschen zu viel Freiheit gelassen wird?

Die blanken Zahlen sind eindeutig – die USA hatte 2010 mehr als 15-mal so viele Opfer durch Schusswaffendelikte im eigenen Land, als durch ihre Auslandseinsätze und Kriege zusammen:

„Zahl der 2010 im Irak gefallenen
oder verunglückten US-Soldaten: 60

Zahl der 2010 in Afghanistan gefallenen
oder verunglückten US-Soldaten: 499

Zahl der 2010 in den USA durch
Schusswaffen getöteten Menschen: 8775“

Quelle: Band Eins – Thomas Schmelzer

~

Dies sind nur drei von insgesamt 70 Beispielen aus dem Buch. Wer sich für mehr interessiert, bekommt auf Behance einen weiteren Einblick.


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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Über das Leben und meinen Platz darin

20 Sep

Ein Beitrag von: Jeffrey Ladd

In den späten 1980er Jahren studierte ich Fotografie an der „School of Visual Arts“ in New York City und einer meiner wichtigsten Lehrer dort war ein Mann namens Thomas Roma.

Tom ist ein sehr angesehener Fotograf und hat einen immensen fotografischen Output: Er ist der Autor von 15 Fotobüchern, wurde mit der Guggenheim Fellowship geehrt und hatte 1996 eine Einzelausstellung am Museum of Modern Art in New York.

Daneben stellte er in seiner Freizeit Kameras unter dem Namen Siciliano Camera Works in Brooklyn her. Seine Mittelformatkameras wurden von Lee Friedlander, Tod Papageorge, Henry Wessel, Len Jenshal und vielen andern Fotografen seit den 70ern benutzt.

Eines seiner Kamera-Designs, das mein Interesse weckte, war eine 35mm-Panorama-Kamera, die eine Mittelformat-Mamiya-Linse mit einer Nikon-F-Kamera durch einen Aluminium-Adapter, den er selbst hergestellt hatte, verband.

Es war eine sehr schöne Kamera mit einem klaren, hellen Sucher, die ein 3×1″-Format auf Kleinbild-Film belichtete. Er nannte sie „Pannaroma 1X3“ nach seiner Frau Ann und stellte insgesamt 60 Exemplare davon her.

07-1668-41 © Jeffrey Ladd

1991 hatte ich das Glück, eine Kamera aus zweiter Hand etwas günstiger kaufen zu können und arbeitete zehn Jahre daran, mit ihr zu fotografieren. Obwohl es eine einfach zu bedienende Kamera war – alles war manuell einzustellen, Belichtungszeit und Blende, fokussiert wurde über die Schärfentiefe-Skala auf dem Objektiv – war das Erstellen eines schnellen Bildes mit einer einfachen Juxtaposition zweier Objekte extrem schwierig. Ich habe eine kleine Handvoll Bilder gemacht, die ich als gelungen bewerte.

Bevor ich diese Kamera hatte, fotografierte ich hauptsächlich mit einer Messsucherkamera von Leica in U-Bahnen, Nachtclubs und auf den Straßen. Mit diesem neuen Werkzeug erweiterte sich mein Interesse jedoch und schloss Landschaften, Nachbarschaften, intime Portraits meiner Beziehungen, Freunde und Familie mit ein.

10-4138-12 © Jeffrey Ladd

Diese Arbeit mit der Pannaroma 1X3, die hier vorgestellt wird, stellte ich später unter dem Projekt-Titel „Lay of the Land“ zusammen.

In meiner Praxis hat Fotografie weniger damit zu tun, „gute Fotos“ zu machen. Ich fotografiere stattdessen, um über das Leben und meinen Platz darin zu lernen.

Kameras sind treue Begleiter geworden und manchmal fühlen sie sich an wie eine Erweiterung meines Schreibarmes und die guten Fotos, die selten in meinen Kontaktbögen auftauchen, sind erfreuliche Nebenprodukte meiner Neugier und Ausdauer.

Während ich auf den Straßen von Manhattan fotografierte, war ich mehr an kleinen, unscheinbaren Gesten des Lebens interessiert als an den offensichtlichen Dingen wie einem dramatischen Streit auf der Straße.

14-2040-15a © Jeffrey Ladd

Ich bin während meiner „Karriere“ an viele unterschiedliche Themen herangegangen, jedoch stoßen immer noch die Dinge, die ich in meinem Hinterhof fotografiere, auf Resonanz.

Die Sprache, derer sich meine Fotografie bedient – schwarzweiß und im Dokumentarstil – wird sicher vielen bekannt vorkommen, die mit der Geschichte der Fotografie vertraut sind.

Ich möchte nicht das Rad neu erfinden, eher etwas über meinen Instinkt und meine Neugier herausfinden, indem ich dieselbe Sprache der Künstler benutze, zu denen ich immer wieder aufgeschaut habe, um mich zu inspirieren.

13-2008-13 © Jeffrey Ladd

Fotografie in dieser digitalen Epoche scheint so einfach: Du machst die Kamera an, richtest sie auf irgendetwas, wählst den Ausschnitt und einen Moment. Diese Aktion kann fast jeder durchführen und etwas machen, das wie ein „tolles Bild“ aussieht.

Doch die wesentlich schwierigere Aufgabe ist es, etwas zu machen, das ein Betrachter über Jahrzehnte oder ein ganzes Leben lang ansieht und das für ihn jedes Mal eine neue Entdeckung ist.

Das ist es, was mich an der Fotografie begeistert. Wie kann ich über 25 Jahre lang ein Foto von Robert Frank ansehen und es packt mich immer noch?

08-2089-05 © Jeffrey Ladd

Ich kann nicht denselben Witz hören, das gleiche Buch lesen oder den gleichen Film hunderte Male ansehen, ohne dass es langweilig wird. Aber manche Fotografien können mich nach Hunderten (oder vielleicht Tausenden?) Betrachtungen immer noch mitreißen und mein Verständnis von ihnen – gar vom Leben selbst – aufrütteln.

Darüber bin ich verwundert. Wie kann ich das in mit meinen eigenen Bildern erreichen, ohne auf große Theatralik oder künstlerisches, intensives „Lifting“ angewiesen zu sein?

Nach 25 Jahren bin ich aus New York weggezogen und habe eine deutsche Frau geheiratet, die meine Sehnsucht, in Europa zu leben, teilte. So zogen wir nach Köln. Mein neues Projekt dreht sich um das Erfassen der Feinheiten dessen, was es bedeutet, „zu Hause zu sein“, da ich nun mein Leben woanders führe und versuche, eine neue Sprache zu lernen.

05-1757-20 © Jeffrey Ladd

Ebenfalls entwickle ich gerade eine neue visuelle Sprache mit einer alten Mittelformat-Mamiya, mit der ich meine Wohngegend in Köln fotografiere. Und ich verstehe, dass viele Betrachter ganz anders denken werden über das, was ich an meinen Fotos als wichtig erachte. Ich respektiere das.

Meine Beziehung zur Fotografie ist von außen betrachtet vollständig undramatisch, jedoch ist sie der stärkste Leitfaden in meinem täglichen Leben und der Neugier. Ich wüsste nicht, was ich sonst tun sollte und werde dies mein Leben lang weiter verfolgen.

Martin Gommel hat diesen Artikel für Euch aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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kwerfeldein diskutiert: Über Kopie, Inspiration und Idee

09 Feb

Vor ein paar Wochen trudelte bei uns folgender Kommentar ein, den wir mal ganz mutig aus dem Zusammenhang reißen und lesen:

„Allein die Flut solcher Bilder im Internet verrät, dass es sich hierbei um ein massenkompatibles Sujet handelt. Mir erschließt sich der Sinn solcher Bilder allerdings nicht so ganz. Was will der Fotograf hier zeigen? Der inflationäre Umgang mit dem Graufilter und das beharren auf einer Schwarzweiß-Wiedergabe stempelt die Aufnahmen für mich als reine Effekthascherei ab. Warum wird hier nicht mal mit Farben, Kontrasten und Perspektiven experimentiert? Zugegeben, es gibt wirklich wenige Fotografen, die auf dem Gebiet der Landschaftsfotografie neue Sichtweisen vermitteln können, aber ewig auf den selben Effekten herumzureiten kann es nun auch nicht sein. Dann lieber mal den Deckel auf dem Objektiv lassen, und einfach nur spazieren gehen.“

Martin: Daraus ergeben sich viele Fragen, denen wir uns in den nächsten Zeilen bewusst ausgesetzt haben: Macht es Sinn, ein Foto zu machen, das in dieser Form schon einmal ungefähr so gemacht wurde? Ist es erstrebenswert, immer nach Neuem zu suchen oder auch legitim, Vorhandendes weiterzutragen? Oder sollten wir doch lieber gleich „den Deckel auf dem Objektiv lassen und einfach nur spazieren gehen“?

Robert: Zuerst einmal finde ich es wichtig, zu verstehen, mit welcher Motivation Menschen Fotos machen. Und vielleicht hilft es auch für die Beantwortung dieser Fragen, einmal die zwanghafte Fotografie-ist-Kunst-Projektion auszublenden.

Frei nach Susan Sontag: Die meisten Leute, die ein Aufnahmegerät bedienen können, fotografieren gar nicht mit dem Drang, zwangsläufig Kunst zu machen.

Wie bei jedem Massenphänomen ist es für die meisten einfach ein Vergnügen oder Teil eines sozialen Ritus und vielleicht auch einfach das Bedürfnis, Erinnerungen festzuhalten, zu sammeln und mit anderen zu teilen.

Dass auf diese Weise verschiedene Fotografen bildinhaltliche Dopplungen erzeugen, ob nun absichtlich oder unbewusst, ist einfach Teil des Massenphänomens, sich mit Bildern über Erlebnisse und Erfahrungen auszutauschen.

Jemandem zu sagen „Mach das Foto nicht, das gibt es schon.“ wäre etwa vergleichbar mit „Halt bloß die Klappe. Den Satz, den Du gerade sagen willst, haben schon 3.972 Menschen vor Dir gesagt.“

Martin: Womit Du die Fotografie mit der alltäglichen Kommunikation vergleichst. Was mir sehr gut gefällt, denn zu solchen Zwecken wird sie ja auch eingesetzt. Und in einem Gespräch wird oft das noch einmal unterstrichen, was vorher jemand anderes gesagt hat.

Dass es sich hierbei nie exakt um das Gleiche handelt, hört man schon an der Stimme. Und diese lässt sich, um den Kreis zur Fotografie wieder zu schließen, auch in der Fotografie wiederfinden. Denn 100% kopieren, das will mit Sicherheit niemand, zumindest nicht auf Dauer. Wie sehen das die anderen?

Normen: Ich finde es grundsätzlich in Ordnung, wenn man während der eigenen Entwicklung in der Anfangszeit versucht, andere Fotografen zu „kopieren“, jedoch sollte man in so einem Fall dann so ehrlich sein und die Quelle der Inspiration mit angeben. Damit können die meisten kopierten Fotografen leben und der Kopierende bricht sich dabei nicht wirklich einen Zacken aus der Krone.

Ist es nicht oft sogar gut, ein ähnliches Foto noch einmal zu machen? So gibt es unzählige Fotos der Golden Gate Bridge, viele davon hätten nicht gemacht werden müssen, andere hingegen sind es absolut wert.

Katja: Normen, klar sind es einige absolut wert. Aber sind das nicht genau die wenigen, die aus einer anderen, selteneren Perspektive fotografiert wurden? Oder bei denen zum Motiv der Brücke noch weitere seltenere Gegebenheiten kommen, wie Nebel oder der Sonnenuntergang? Und damit sind diese wenigen doch keine einfachen Kopien mehr.

Den Versuch, ein Foto 1:1 kopieren zu wollen, kann ich zum Teil nachvollzielen. Es ist sicher eine Herausforderung und man kann dabei etwas über Technik, Licht und so weiter lernen. Was ich nicht verstehe, ist, dass diese Motive dann stolz gezeigt werden.

Und das geschieht sehr oft, wenn ich mir die Communities ansehe. Ich denke da gerade an das Motiv mit dem Ring zwischen zwei Buchseiten, dessen Schatten ein Herz wirft. Das habe ich schon so unglaublich oft gesehen und klicke meist direkt weg, egal wie gut es gemacht ist.

Normen: Da hast Du natürlich recht, dass die besseren Fotos irgendwelche Besonderheiten aufweisen.

Aber in mich hineinblickend kann ich sagen, dass ich es mir wohl kaum verkneifen könnte, ein Foto von der in Nebel gehüllten Brücke zu machen, obwohl ich weiß, dass es Fotografen gibt, die dies schon besser gemacht haben als ich. In dem Moment würde es mir auch nicht in den Sinn kommen, jemanden zu kopieren, da ich gar keine Vorlage zur Kopie im Kopf hätte.

Von daher würde ich jetzt erst einmal die Meinung vertreten, dass es in Ordnung ist, wenn man Fotos macht, die es in ähnlicher Weise schon gibt. Gerade in der Entwicklungsphase ist es sicherlich in Ordnung, sich an anderen Fotos zu orientieren, bevor man sich gar nichts mehr traut und lieber zu Hause bleibt.

Wie sehr beschäftigt Euch eigentlich der Gedanke, etwas Neues zu schaffen?

Martin: Aktuell überhaupt nicht. Ich habe einfach genug damit zu tun, viele gute Fotos zu machen und mir ist es letztendlich egal, wer wie wann wo was schon einmal gemacht hat. Der Vergleich mit anderen war bei mir nach den ersten drei Jahren Fotografieren gegessen, davon habe ich mich bewusst getrennt, weil mich das zu sehr unter Druck gesetzt hat.

Beim Fotografieren auf der Straße nehme ich alles auf, was irgendwie toll aussieht. Da schalte ich den Kopf aus und mache einfach, solange die Konzentration reicht. Hinterher suche ich dann die besten aus. Natürlich kann es sein, dass jemand ein Foto dieser Art schon einmal gemacht hat. Damit habe ich aber kein Problem.

Ich denke sowieso, dass niemand einfach aus sich heraus etwas Neues erschaffen kann. Denn wir sind nun einmal von anderen beeinflusst, ob wir das wollen oder nicht. Zu sagen, man mache etwas „ganz Eigenes“ ist für mich etwas naiv, denn jeder ist inspiriert von der Arbeit anderer und das beeinflusst – wenn auch nur unterbewusst. Und das ist auch gut so, ich finde daran nichts Schlechtes.

Wie würdest Du, Robert, die Frage von Normen beantworten?

Robert: Wenn ich ehrlich bin, steht für mich selbst gar nicht im Vordergrund, zwanghaft etwas Neues zu schaffen. Gut zu sampeln, das heißt, Vorbilder* zu sammeln, sie anders zu mischen, über Lücken und Brüche mithilfe der eigenen Vorstellungskraft hinweg zu improvisieren und so insgesamt etwas zu schaffen, womit ich selbst zufrieden bin, ist eigentlich alles. Fotografie ist Jazz. Nebenbei bemerkt ist auch dieser Satz nur geliehen.

* Hier wäre eigentlich „Vorideen“ ein angemessenerer Begriff als Vorbilder. Gerade die Inspiration aus fotofremden Bereichen ist mitunter würziger als die Wurst aus der eigenen Brühe.

Ich finde übrigens Katjas Bildbeispiele für den Ring, der einen herzförmigen Schatten auf die Seiten eines aufgeschlagenen Buches wirft, sehr interessant. Nicht wegen des Bildes selbst, sondern eher, weil Katja hier anhand eines Begriffes (der wiederum als Idee auf einem Bild basiert) relevantes Material aus den Datenbanken (hier: Flickr und Fotocommunity) herausgefiltert hat.

Die auf verfügbare Daten anwendbare Suchfunktion ist also das technische Hilfsmittel, das uns überhaupt erst zu erkennen ermöglicht, dass es viele solche sich ähnelnde Bilder gibt. Ich finde die Überlegung interessant, ob wir uns die eingangs gestellte Frage auch gestellt hätten, wenn es dieses technische Hilfsmittel nicht geben würde. Vielleicht führt das jetzt aber auch zu weit…

Normen: Vermutlich hätten wir anders argumentiert. Überlegt doch mal, wie lange das Internet erst als Instrument der Verbreitung genutzt wird. 15 Jahre? 20 Jahre? Weitergedacht werden in den kommenden 50 Jahren noch unfassbar viele Fotos gemacht werden und man wird immer mehr den Eindruck gewinnen, dass es alles schon gegeben hat und man nichts Neues mehr macht.

Ich denke auch, dass es oftmals auch eine Sache des Geldes ist, vorhandene (neue) Ideen umzusetzen. So würden sicherlich viele Fotografen gern Fotos mit einem Aufwand ähnlich wie bei Gregory Crewdson machen und so mancher Landschaftsfotograf würde sicherlich gern einen Helikopter haben, um andere Perspektiven zu bekommen.

Ich denke, dass man in seinem Sujet die Fotos einfach mit Liebe und Leidenschaft machen sollte. Diese Herangehensweise führt dann dazu, dass man eine eigene Bildsprache entwickelt und möglicherweise dann auch als Vorbild für andere dient.

Katja: Das klingt, als wären wir uns alle einig. Jeder soll fotografieren, was er möchte, auch gern dasselbe Motiv. Und wenn die „Inspiration“ einverstanden ist, darf man das Bild auch veröffentlichen. Warum auch immer man das möchte. Dieser Teil erschließt sich mir nach wie vor nicht.

Wurde denn schon einmal jemand von Euch auf irgendeine Art und Weise kopiert?

Robert: Naja, Katja, ich verstehe schon, dass es Dich verwundert, wenn mehrere Autoren das augenscheinlich gleiche Bild machen und dann stolz das Resultat auch (mit)teilen, womöglich noch so als wäre es auf ihrem eigenen Mist gewachsen. Die Motivation dafür steht, denke ich, kaum in irgendeinem nachvollziehbaren Zusammenhang mit dem Bild selbst.

Wenn man das Kopieren als legitim akzeptieren möchte, kommt es, finde ich, entscheidend darauf an, was eigentlich kopiert wird – ein Bild oder eine Idee?

Der massenhaft wiederholten Kopie eines Bildes kann man schnell überdrüssig werden, wie wir am Beispiel des Herzschattens schon festgestellt haben. Hingegen eine Idee zu kopieren, ist schwieriger und im direkten Vergleich mitunter weniger offensichtlich.

Und um nun endlich den Bogen mit einer Antwort auf Deine Frage zu schließen, Katja: Ja, es kam schon vor, dass Bilder, die ich gemacht habe, in technischer Weise imitiert wurden, wobei ich allerdings merke, dass meine Idee dahinter gar nicht verstanden wurde. Der „Look“ ist ähnlich, aber das „Warum“ fehlt. Respekt zolle ich Bildern, die mit einem Verständnis für das Warum ihrer Vorbilder diese kreativ nutzen und neu interpretieren.

Martin: Ja, auch von mir wurden schon Bildideen übernommen, ein und dasselbe Bild „kopiert“ hat aber noch niemand – und das geht technisch auch nicht, außer jemand klaut das Foto und setzt es bei sich in den Stream – was auch schon passiert ist.

In gewisser Weise bin ich jedoch davon überzeugt, dass wir alle kopieren, wenn auch nicht bewusst. Wir übernehmen einen Stil, eine Idee, eine Pose, eine Art, zu sehen und und und. Ich glaube, niemand kann von sich behaupten, etwas gänzlich Neues zu schaffen – denn wir alle sind in einem Netz (Web) von Menschen, die uns inspirieren.

Der Herzschatten ist ein gutes Beispiel dafür, wie Menschen imitieren. Bücher und Ringe sehen eben fast alle gleich aus, aber mit offener Blende Menschen auf der Straße fotografieren, da unterscheiden sich auch nur die Menschen und der Hintergrund – auch, wenn jedes Bild anders aussieht.

Wie gesagt: Ich finde es schwierig, hier von „klauen“ oder „kopieren“ zu sprechen, denn keiner ist eine Insel, wie schon Thomas Merton sagte.

Normen: Wenn man sich nun einmal umschaut, gibt es eigentlich in allen Richtungen, in denen etwas geschaffen wird, eine Art Epoche, also einen Stil, der für einen bestimmten Zeitraum besonders bevorzugt wurde. Sei es in der Architektur, der Malerei oder in der Musik; überall finden wir ähnliche Werke, die unweigerlich durch Inspirationen entstanden sind. Ich kann Martin also nur Recht geben. Es ist nicht möglich, sich nicht inspirieren zu lassen, selbst wenn man es nicht möchte.

Martin: Ich kenne ganz gut von mir selbst, dass mir das Streben nach Originalität manchmal sogar im Wege stand. Früher habe ich dann manchmal lieber gar kein Foto gemacht, als eines, das ich in dieser Form schon einmal gesehen hatte. Daraus entstand dann ein destruktiver Druck, der, zumindest was die Kreativität anbelangt, ein Schuss in den Ofen war. Kennt Ihr das auch? Oder läuft es bei Euch einfach?

Katja: Ich habe mir bisher keinen Druck bezüglich der Originalität gemacht, aber einige Ideen verworfen, wenn ich sie ähnlich öfter gesehen habe. Zum Beispiel gab es vor Kurzem viele kreative Portraitbilder, bei denen Mehl oder farbiges Pulver verwendet wurden.

Nachdem ich das erste Foto damit gesehen hatte, fand ich es großartig und überlegte, wie man dieses Pulver noch verwenden könnte. Die Tage darauf sah ich aber immer mehr dieser Bilder und verlor die Lust an dieser Idee; ja, sogar die Lust an den Fotos, die mich zu Beginn so faszinierten.

Versteht mich nicht falsch, ich finde Wiederholungen nicht an sich schlecht. Dass „I follow rivers“ von Triggerfinger gecovert wurde, ist großartig, denn die „Kopie“ ist viel besser als das Original. Aus „Covern“ kann auch in der Fotografie etwas Anderes und für mich Besseres, Interessanteres entstehen.

Vielleicht nimmt man sich mit dem Originalitätsdenken doch mehr Möglichkeiten als man manchmal denkt.

Robert: Ja, das sehe ich auch so. Wobei das Streben nach Authentizität und Originalität an sich erst einmal nichts Schlechtes ist. Es sollte nur nicht die oberste Direktive für das eigene Schaffen sein. Zu leicht baut man sich sonst einen Turm aus den Erwartungen eines ausgedachten Publikums und immer wieder Ausreden, um der eigentlichen Arbeit auszuweichen.

Und Martin, um auf Deine Frage einzugehen: Abgesehen davon, dass ich solche Situationen nur selten erlebe, gibt es, finde ich, überhaupt keinen Grund, ein Foto nicht zu machen, weil ich mich in diesem Moment an ein bereits existierendes Bild erinnere. Es kann ja auch sehr reizvoll sein, bewusst und unbefangen ein schönes Zitat zu erstellen, ohne sich zu ängstlich den Kopf darüber zu zerbrechen, ob eine Kopie nun legitim ist oder nicht.

Man lernt auch nicht beim Nachdenken über seine Möglichkeiten, sondern beim Machen. Und virtuelle Ausreden zu konstruieren, weshalb man jetzt gerade nicht fotografieren sollte, ist nichts als hinderlich.

Martin: Da stimme ich Dir zu, Robert.

Und an dieser Stelle übergeben wir das Wort an unsere Leser. Wie seht Ihr das? Könnt Ihr unseren Gedanken folgen? Wo habt Ihr eine anderen Standpunkt? Wir sind gespannt und lesen mit.


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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Von Frankreich über Spanien nach Skandinavien – Teil 2

08 Feb

Ein Beitrag von: Ronny Behnert

Die Sonne hatte den Horizont noch nicht erreicht und ich machte mich nach meiner Reise durch Frankreich auf den Weg durch die Dunkelheit zu meinem neuen Ziel: Bilbao. Oder viel mehr dem architektonischen Glanzpunkt dieser Stadt: Dem Guggenheim Museum.

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Bilbao, die größte und wichtigste Stadt im Baskenland genießt leider einen zweifelhaften Ruhm als eine der unattraktivsten Städte Spaniens. Das Guggenheim Museum, das sich mir schon von Weitem zeigte, machte dieses Negativurteil aber nach Erblicken wieder wett.

Die Sonne ging gerade auf, als ich mich an die Arbeit machte und die fast organischen, glänzenden Formen dieses architektonischen Meisterwerkes fotografierte. Frank O. Gehry hat sich, und das behaupte ich ruhigen Gewissens, mit diesem Gebäude selbst übertroffen. Mit etwas Geduld und Umblick habe ich mir weitere interessante Standorte gesucht, um das Museum aus ein paar anderen Blickwinkeln zu portraitieren.

Die lebendigen Formen ließen mich das Gebäude als eine Art „schwarze Königin“ erleben, die sich unter ihrer dunklen Krone mit der Sonne erhebt und im heller werdenden Sonnenlicht erstrahlt, um sich abends dem immerwährenden Zyklus hinzugeben und die Krone im Akt einer architektonischen Inthronisation im Dunkel der Nacht abzulegen.

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Um die Mittagszeit machte ich mich – wieder im strahlenden Sonnenlicht – auf den Weg in den Küstenort Zumaia, nördlich der Stadt Bilbao, kurz vor der französischen Grenze. Zumaia ist bekannt für einen schmalen, kurzen Küstenabschnitt, der so abenteuerlich zerklüftete Felsen aufweist, die sich wie Speere in den Atlantischen Ozean schneiden, dass man meinen könnte, man befände sich auf dem Mond.

Nach einer längeren Suche hatte ich den kleinen Abschnitt dann entdeckt und wurde nicht enttäuscht. „That’s one small step for mankind, one giant leap for me“, um dabei an Neil Armstrong zu denken.

Die vom Wasser geschliffenen, spitzen und teils merkwürdig geformten Vorsprünge zogen sich weit in den Ozean und es war möglich, auf ihnen zu klettern, um gute, eher seltene Blickwinkel dieses Phänomens zu erhalten. Mit nassen (wirklich sehr nassen) Füßen machte ich mich anschließend auf den Weg zurück nach Biarritz, um mich auf meine Rückreise gen Deutschland vorzubereiten.

~

Ein paar schöne und vor allem eindrucksvolle Tage gingen zu Ende und ich flog trotzdem mit zwei lachenden Augen zurück in die Heimat. Kopenhagen und Malmö standen kurz bevor und ich freute mich auf ein spannendes Äquivalent zu Frankreich.

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So ging es nur kurze Zeit später mit dem Flieger in die dänische Haupt- und Hafenstadt Kopenhagen, die mich in herrlichstem Sonnenschein empfing. Wer meine Arbeiten schon eine Zeit lang verfolgt, wird mittlerweile wissen, dass ich selten bei hartem Sonnenlicht fotografiere und strenge Licht- und Schattenbildungen vermeide, um meinen Arbeiten ein homogenes, weiches Äußeres zu verleihen.

Der Tag verging also, indem ich mir geeignete Orte zum Fotografieren suchte, um bei geeignetem Wetter direkt dort beginnen zu können. Am nächsten Morgen war das Wetter so, wie ich es bestellt hatte! Wolken. Graue, dicke, schnell vorbeiziehende Wolken.

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Mein erstes Ziel, auf das ich mich festgelegt hatte, war die Øresundsbron zwischen Dänemark und Schweden, mit fast 8 Kilometern Länge die weltweit längste Schrägseilbrücke. Die einfachste Möglichkeit, in die schwedische Hafenstadt Malmö zu gelangen, ist die Fahrt mit einem der stündlich abfahrenden Züge vom Kopenhagener Hauptbahnhof oder direkt vom Flughafen Kastrup. Weitere Möglichkeiten bestehen darin, die Brücke mit dem Auto zu überqueren oder eine etwas längere, dafür aber idyllischere Fahrt mit der Fähre über den Øresund.

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Ausgestiegen am ersten Bahnhof auf dem schwedischen Festland und euphorisiert von der Tatsache, dass ich die Brücke in nur wenigen Minuten fotografieren könnte, lief ich flotten Schrittes in Richtung Küste. Der Bus benötigt vom Bahnhof bis zur Brücke etwa acht Minuten. Da kann ein Fußmarsch nicht ewig dauern.

Der Schein trügte, denn nach zwei Stunden Marsch durch die schwedische Einöde war ich noch immer nicht am Ziel und hatte mich trotz GPS im Telefon verlaufen. Die Schweden – und diese Tatsache finde ich ausgesprochen vorbildlich – sprechen ein perfektes Englisch und sind sehr hilfsbereit, so dass man einen zufällig vorbeikommenden Radfahrer oder Fußgänger einfach fragen kann, wie man auf schnellstem Wege zur Brücke kommt.

Nach zweieinhalb Stunden mit kiloweise Gepäck auf dem Rücken, gelangte ich zur Öresundbrücke. Das Wetter war noch immer perfekt. Graue, dicke Wolken zogen sich über den Horizont, der Wind blies mäßig, die See war ruhig. Den Bogen, den die Brücke an der höchsten Stelle bildet, fand ich ausgesprochen fotogen.

Auch hier, wie schon bei der Pont de l’Île de Ré, erinnerte mich das Bauwerk aufgrund der vier Pfeiler in der Mitte der Brücke an ein gigantisches, versteinertes Urgetüm, das sich streckt und spannt, um die Weite der Bucht zu überwinden. Überwältigend! Ein Meisterwerk, das sich vor meiner Linse räkelte und mir die Chance gab, meine Langzeitbelichtungen zu machen.

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Malmö bietet aber auch sonst ein paar absolute Highlights: Der Turning Torso von Calatrava und das westliche Hafengebiet mit vielen Motiven und Objekten, die sich gerade für Langzeitaufnahmen eignen, so dass ich ein paar Tage später beschloss, ein zweites Mal nach Malmö zu fahren.

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In Zentrum Kopenhagens locken Gebäude wie der Rundetårn, der das älteste Observatorium Europas beherbergt. Über einen in Spiralen nach oben gezogenen Gang gelangt man nach siebeneinhalb Drehungen im Zentrum des Turms auf eine Plattform und kann von dort einen wundervollen Blick über Kopenhagen und Umgebung genießen. Erst von oben kann man erkennen, wie weitläufig sich diese Stadt in die Breite zieht und dass zahlreiche interessant verzierte Kirchtürme zwischen den sonst eher flachen Gebäuden aufragen.

Im „runden Turm“ hielt ich mich vergleichsweise lang auf, da Licht und Kontraste in dort schwer zu bewältigen waren. Verfügbares Licht fällt ausschließlich durch winzige Fenster nach innen, so dass der Gang des Turms meist im Dunkeln liegt und teilsweise eine ungünstige Schattenbildung produziert.

Das Licht der Fenster reflektierte an den weißen Wänden allerdings so stark, dass eine harmonische Belichtung viel Zeit in Anspruch nahm. Hat man den perfekten Standpunkt gefunden, hieß es nur noch, auf den passenden Moment zu warten, um Architektur und Leben in Form einer sich im Bild bewegenden Person miteinander in Verbindung zu bringen. Ein Statist, der die sonst eher statische Dynamik des Turm aufhebt, aber nicht unterwirft.

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Ein eher ungeplantes Motiv befindet sich ständig vor den Augen vieler Nutzer der öffentlichen Verkehrsmittel, wird aber wohl eher unbemerkt hingenommen: Die Kopenhagener Metro hat den Vorteil einer führerlosen Fahrt, so dass es dem Fahrgast ermöglicht wird, von vorn nach hinten durch die Bahn zu schauen und den Transport durch die Tunnelsysteme unterhalb der Stadt – nur durch eine Front- und Heckcheibe getrennt – zu genießen.

Mit etwas Geschick und Geduld schafft man es, freihand so nah an die Scheibe zu gelangen, dass die Spiegelung der Beleuchtung im Sucher verschwindet und eine Aufnahme von 1/5 oder 1/6 s möglich wird, die eine spannende Dynamik mit scharfen Linien im Foto zeigt und den Tunnel, der hinter einem verschwindet, zusätzlich in die Länge zieht.

Man hat schnell den Dreh raus und ist meist ungestört, da ein Großteil der Kopenhagener Bevölkerung eher auf das Fahrrad als allgemeines Transportmittel zurückgreift und die Metro somit zum Glück mäßig besetzt ist.

Mein Fazit des fünftägigen skandinavischen Besuchs, dessen Fotos in der Werkgruppe Øresund zusammengefasst wurden: Lohnenswert! Weitere Fotostrecken und Werkgruppen befinden sich gerade in Planung, also haltet Ausschau nach weiteren Håggards, die Euch hoffentlich genauso gefallen.


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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Im Gespräch mit Kevin Best über Stillleben-Fotografie

17 Jan

Zugegeben, wir behandeln einige fotografische Genres etwas stiefmütterlich. Höchste Zeit also, sich mal gezielt auf die Suche nach großartigen Vertretern von Nischen zu machen, über die man nicht alltäglich stolpert. Die ihren Kollegen in breitensportähnlichen Disziplinen wie Portrait oder Landschaft aber in nichts nachstehen.

Den Anfang unserer langfristig angelegten Aufholaktion für unterbesetzte Genres macht heute der Stillleben-Fotograf Kevin Best. Auf seiner Webseite und in seinem Flickr-Stream lassen sich seine aufwändigen und verblüffenden Kompositionen bestaunen. Nun lassen wir ihn im Interview aber selbst ausführlich zu Wort kommen.

Hallo Kevin. Danke, dass Du Dir die Zeit für ein Interview mit uns nimmst. Erzähl uns doch zuerst einmal ein bisschen was über Dich: Wer bist Du, was machst Du?

Mein Name ist Kevin Best, ich wurde in Neuseeland geboren, lebe jetzt aber in Sydney. Am Australian Centre for Photography habe ich Fotografie studiert und stelle inzwischen international aus.

Geboren und aufgewachsen fern der künstlerischen Metropolen Europoas, begegnete ich der niederländischen Stillleben-Malerei des 17. Jahrhunderts mit keinerlei Vorurteilen oder Befangenheiten.

Anders als ein Betrachter, der mit diesen Bildern aufgewachsen ist und sie daher als klischeehaft sehen mag, sind sie für mich dynamisch und sehr lebhaft. Die Geschichte, die sie von Ausbeutung, Eitelkeit, Gier und Zwang erzählen, hallt durch die Jahrhunderte nach und ist bemerkenswert zeitgenössisch.

Diese Fähigkeit, Geschichten aus Dingen zu kreieren anstatt aus Menschen oder Orten, ist es, was mich antreibt.

Die Dinge, die wir besitzen; die Dinge, die wir benutzen; die Dinge, die wir behalten; die Dinge, die wir wergwerfen – all diese Dinge definieren uns. Wir bewerten andere Menschen danach, welche Dinge sie zeigen, unser Selbstwertgefühl ist verpackt in den Dingen, die wir besitzen.

Viele Fotografen und Künstler sehen das Stillleben als Übungsgenre. Eine Schale voller Früchte ist ein sehr günstiges, unkompliziertes Modell und wird stundenlang stillsitzen, während Du Deine Technik perfektionierst. Es wurde immer als die niederste Form der Kunst angesehen, eher Dekoration. Ich benutze es als ein Vehikel, um komplexe Gedanken auszudrücken und für gemächliches Nachsinnen.

Ich benutze dabei ganz schamlos die Requisiten und den Stil der niederländischen Meister, um die Geschichten zu transportieren, da es in meinen Augen die Zeitlosigkeit und Universalität der Aussage zeigt.

Wie bist Du überhaupt auf die Idee gekommen, die Motive der Stillleben-Gemälde in die Fotografie zu bringen?

Ich wünschte, dass ich behaupten könnte, der erste zu sein, der die Motive der Stillleben-Maler benutzt, aber die niederländischen Meister haben die Fotografen inspiriert, seit dieses Medium sich entwickelt hat. Roger Fenton, Thomas Williams, Adolphe Braun, William Lake Price und Heinrich Kühn nutzten alle den Stil und die Motive des 17. Jahrhunderts in den 1850er Jahren.

Aber da ihre Aufnahmen schwarzweiß oder sepia waren, konnten sie nie den unglaublichen Realismus der Gemälde erreichen und demonstrierten so eher, wie schwach das Medium beim Abbilden der wortwörtlichen Wahrheit war.

Im 20. Jahrhundert folgte die Stillleben-Fotografie den Trends in der Malerei, vom Kubismus zur Abstraktion, vom Surrealismus zur Pop Art. Indem sie diese Stile benutzten, konnten sie eine andere Art der Wahrheit zeigen und erreichten, dass wir die Welt auf eine neue Weise sahen.

Der traditionelle Stil der Stillleben wurde größtenteils gemieden, zweifelsohne, weil Fotografen genauso wie Künstler verzweifelt versuchten, etwas Neues zu sagen, was sicherlich eine der Schlüsselrollen des Künstlers an sich ist.

In der jüngeren Vergangenheit haben einige Fotografen wie Dave LaChapelle und australische Kollegen wie Marian Drew und Robyn Stacey sich von den Niederländern inspirieren lassen. Aber anders als ich beziehen sie moderne Elemente mit ein und ihre Werke können ebenso wie die der frühen Fotografen nie mit den Originalgemälden verwechselt werden.

Mein Ziel ist gerade das Gegenteil: Ich möchte den Betrachter verwirren, ich möchte, dass er sich wundert, ob er denn nun eine Fotografie, ein Gemälde oder die Fotografie eines Gemäldes ansieht.

Ich möchte im Betrachte einen Sinn für Verwunderung wecken, um das Handwerk und die Hingabe zu würdigen, die für die Herstellung des Werkes nötig ist. Gerade so, wie die Betrachter der Originalgemälde.

Frühere Künstler haben diesen Moment der Verwunderung mit Tricks erreicht, zum Beispiel haben sie eine peinlich genau gemalte Fliege in ihre Gemälde integriert, in der Hoffnung, dass der Betrachter versuchen würde, sie von der Leinwand zu wischen. Oder sie malten einen Vorhang vor die Szene und hofften, dass jemand versuchen würde, ihn zur Seite zu schieben.

Ich möchte, dass meine Werke die gleiche Art von Verwunderung auslösen. Ich hoffe auch darauf, dass die Betrachter sich fragen, worin der Sinn besteht, diese alten Bilder wieder aufzuwärmen, weil sie dann vielleicht den Wert von Veränderung in Frage stellen.

Weißt Du, ob Du diese Ziele meistens auch erreichst? Was sind für gewöhnlich Reaktionen der Betrachter auf Deine Arbeiten?

Die Leute haben meine Fotografien oft für Gemälde und nennen sie auch so, nachdem ich ihnen gesagt habe, dass es eine Fotografie ist; manchmal sogar mehrmals. Wenn es wie ein Gemälde aussieht, muss es eines sein.

In meinem Flickrstream habe ich oft sehr detaillierte Beschreibungen der Symbolik, die in meinen Arbeiten steckt und ich weiß aus den vielen E-Mails, die ich bekomme, dass dies Leute dazu angeregt hat, über die Originalgemälde in einem zeitgenössischeren Licht nachzudenken.

Erst kürzlich wurde ich auf das Blog eines Professors der New York University hingewiesen, der in großartiger Tiefe ein Gemälde von Peiter Claesz beschrieb, das sich als eines meiner Fotografien entpuppte. Er war völlig verblüfft, als ich ihn darauf hinwies.

Wie entwickelst Du die Idee zu einem neuen Bild?

Ich beziehe meine Inspiration aus vielen Quellen: Von einem speziellen Objekt, einem Gedicht oder Sprichtwort, von einem besonders schönen Obst oder Gemüse. Oft webe ich komplexe Erzählungen in meine Arbeiten, deshalb beginne ich meistens mit einem einzelnen Objekt und füge andere hinzu, um eine Geschichte zu entwickeln, bis sie vollständig ist.

Mir, als jemandem, der ziemlich neu im Genre der Stillleben-Fotografie ist, scheint sie voller strenger Kompositionsregeln zu sein. Würdest Du dem zustimmen?

Die traditionellen Stillleben-Maler haben eindeutig eine Sammlung von Techniken entwickelt, um Tiefe und Bewegung in ihre Gemälde zu integrieren und viele dieser kompositorischen Anordnungen haben sich auch auf die Fotografie übertragen.

Ohne diese Techniken kann ein Stillleben ziemlich flach aussehen und dem Auge keine Möglichkeit geben, um zu wandern. Aber wie immer in der Kunst sind da draußen Regelbrecher unterwegs.

Ori Gersht jagt Stillleben-Kompositionen wortwörtlich in die Luft, Walker Evans hat Bilder von Stillleben eher gefunden als sie zu komponieren und Irving Penn hat Stillleben von weggeworfenen Zigarettenstummeln gemacht.

Dieses Genre kann genauso abwechslungsreich und ergiebig sein wie jedes andere. Regeln können helfen, aber auch immer gebrochen werden.

Kannst Du uns mehr über die Vorbereitungen zu einer Fotosession erzählen?

Einige gehen ziemlich schnell, da ich eine große Bandbreite von Objekten angesammelt habe, um die Bilder zu komponieren, aber andere erfordern es, besondere Dinge zu beschaffen oder herzustellen, um eine Erzählung, die mir vorschwebt, zu vollenden.

Normalerweise mache ich eine Testaufnahme, grüble ein paar Tage darüber und vermerke alle Änderungen auf meinem iPad. Dann mache ich eine weitere Aufnahme und arbeite damit ebenso und diesen Prozess wiederhole ich so lange, bis alles perfekt ausbalanciert ist.

Welche Rolle spielt Nachbearbeitung in Deiner Arbeit?

Gute Frage.

Ich weiß, dass viele Fotografen inbrünstige Photoshop-Gegner sind, ich bin keiner von ihnen. Ich bin kein Fotojournalist; für mich ist das Ziel der Fotografie, dem Leben einzuhauchen, was ich mir vorgestellt habe und was die Kamera ohne weitere Hilfe produzieren kann, reicht mir nie.

Ich benutze Abwedler und Nachbelichter, um den Blick zu den Schlüsselelementen einer Komposition zu lenken. Oder um den Objekten mehr Tiefe zu geben. Ich sättige oder entsättige Objekte, um sie mehr oder weniger prominent hervortreten zu lassen.

Nur sehr selten baue ich nachträglich Dinge in eine Szene ein, da sie sich alle gegenseitig reflektieren und es sich dann falsch anfühlt. Aber ich würde nicht zögern, digital ein schönes Fenster des 16. Jahrhunderts hinter meinem Stillleben einzufügen, wenn ich es brauche, um meine Geschichte abzurunden, aber leider keines in meinem Studio habe.

Und wenn eine Erzählung einen Fisch, gefangen in einer Blase, die durch einen Wald von Kerzenständern schwebt, erfordert, dann wird eben ein bisschen Nachbearbeitung nötig sein.

Gibt es spezielle Fotografen, die Dich inspiriert haben?

Ich bin eher von Malern wie Willem Kalf, Pieter Claesz, Vermeer und Rembrandt inspisiert als von Fotografen, aber ich bin ein großer Bewunderer von Irving Penn.

Ich habe gelesen, dass Du auch für ein Kochbuch fotografiert hast. Wo kann man Deine Werke sonst noch finden?

Ich stelle in Lumas-Galerien aus und werde in ihren Büchern publiziert. Meine Bilder sind auch in einem Buch, das in der australischen Kunsterziehung genutzt wird und in zu vielen Magazinen, um sie alle zu nennen.

Weil ich ständig nach meiner Technik gefragt werde, habe ich selbst auch ein eBook namens Still Life Photography* veröffentlicht, das die Philosophie und Techniken erklärt, die ich benutze, um meine Stillleben zu kreieren.

Was sind Deine Träume und Ziele für die Zukunft?

Wenn man sich an die Ansichten der Vanitas-Gemälde der niederländischen Meister hält, dann ist alles Eitelkeit und unsere Zukunft ist der Tod. Unterwegs dorthin hoffe ich, ein bisschen was darüber zu lernen, wie man ein gutes Leben lebt und ein bisschen von dem, was ich lerne, weiterzugeben.

Vielen Dank, Kevin!

Ich habe das Interview mit Kevin Best auf Englisch geführt und anschließend ins Deutsche übersetzt.

* Das ist ein Affiliate-Link zu Amazon. Wenn Ihr darüber etwas kauft, erhalten wir eine kleine Provision, Ihr bezahlt aber keinen Cent mehr.


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Videos und Filme über Fotografen

23 Dec

Derzeit bin ich auf der Suche nach etwas ganz Bestimmtem, das sicher auch andere interessiert: Ich suche Filme und Videos über Fotografen. Und deshalb starte ich eine Umfrage hier im Magazin.

Letztes Wochenende war Martin Wolf bei mir zu Besuch und wenn wir nicht gerade draußen unterwegs waren, schauten wir uns lauter Videos an, die Straßenfotografen vorstellen. Und da kam ich wieder auf den Geschmack.

Es ist einfach spannend, zu sehen, wie Fotografen ihr Leben gestalten, wie sie zu ihren Fotos kommen und vor allem: Sie beim Fotografieren zu bestaunen. Und ganz oft wird dann klar: Die kochen auch nur mit Wasser.

Außerdem habe ich seitdem eine große Lust, noch viel mehr Filme und Videos über erfahrene Fotografen anzusehen. Das ist außerdem nicht die schlechteste Beschäftigung, um an diesen dunklen Wintertagen die Abende zu nutzen. Und mich interessieren auch nicht nur Filme über Straßenfotografen, sondern überhaupt tolle Fotografen jeglicher Art.

Und da wir mit diesem Magazin einige Fotografen und Kenner ebensolcher erreichen, dachte ich mir, machste mal ‘ne Umfrage.

Also liebe Leser, welche Filme und Videos über Fotografen könnt Ihr mir und anderen Interessierten empfehlen? Wenn es sich um Youtube- oder Vimeo-Videos handelt, dann baut doch am besten gleich einen Link in den Kommentar. Und bitte schreibt auch gleich dazu, um welches fotografische Genre es sich im jeweiligen Film handelt. Ich bin gespannt und Ihr sicher auch.


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Von Frankreich über Spanien nach Skandinavien – Teil 1

06 Dec

Ein Beitrag von: Ronny Behnert

„Auch die Verzweiflung hat ihre Ekstase.“
(Victor Hugo, Französischer Schriftsteller)

Kurzerhand entschloss ich mich, mich auf die Französische Atlantikküste mit ihren vom Wasser zerklüfteten Felsen und ihren romantischen Fischerhütten einzulassen. Also flog ich über Paris nach Nantes, um von dort, unterhalb der Bretagne, meine Reise zu starten.

Das Wetter war perfekt. Dicke, graue Wolken, die mich seit Paris begleiteten und den ersten Wunschort „Saint Michel Chef Chef“ in ein fabelhaftes Licht tauchten. Die Besonderheit dieses Ortes besteht darin, dass sich die urtypischen Cabanes, die französischen Fischerhütten, mitten auf dem Meer befinden und nicht über Stege direkt vom Festland erreichbar sind. Sie wirken wie verwunschene Schlösser, die dort auf ihre Erlösung warten. Auf ihren Prinzen, der sie wachküsst…

Die abenteuerlichen Strukturen der Felsen taten ihr Übriges und ich war verzaubert von dieser wunderbaren Landschaft. Das Stativ wurde aufgebaut und ich verbrachte Stunden damit, die Wellen, das Wasser und die Wolken im Foto festzuhalten, bis die Sonne unterging und die Fischerhütten langsam in der Dämmerung verschwanden.

Am nächsten Tag ging es mit dem Auto weiter Richtung La Rochelle zu einem beeindruckenden Monument, wie ich es so noch nicht gesehen habe. Die Île de Ré ist mit dem Festland durch eine 2,9 km lange, sehr interessant gewölbte Brücke, der Pont de l’Île de Ré verbunden, die sich wie ein riesiger Dinosaurier über den Atlantik streckt.

Beide Seiten des Bauwerks sind ausgesprochen fotogen und so beschloss ich, aufgrund des Sonnenstandes die Brücke morgens von der einen und abends von der anderen Seite zu fotografieren, was perfekt gelang. Das Wetter war ideal, um den Dichtefilter zu nutzen und die langen Belichtungszeiten auszunutzen. Gerade abends stand die Sonne gut im Rücken und warf ein tolles Licht auf dieses architektonische Meisterwerk.

Im Laufe des Tages verfolgte ich das Ziel, die berühmten Muschelbänke des Bassin d’Arcachon zu fotografieren. Das Wetter machte mir jedoch einen dicken Strich durch die Rechnung. Sonne, Sonne und nochmals Sonne und dazu kam, dass bereits Ebbe herrschte als ich ankam und die Muschelbänke somit trocken lagen und von den Fischern und Arbeitern geleert wurden.

An sich sind diese Bänke ein wunderschönes Motiv, nur im grellen Sonnenlicht verliert der Ort seine Ausstrahlung. Ich beschloss, die Kamera nicht aufzubauen und fuhr enttäuscht zurück. Manchmal muss man nachgeben und wissen, wann es sich lohnt, Fotos zu erstellen – und wann nicht.

Abends ging es trotz des unfotogenen Wetters zur Wharf de la Salie, einer überdimensionalen Rohrkonstruktion, die weit ins Meer ragt. Dort genoss ich den Sonnenuntergang und wartete, bis die Sonne hinter dem Horizont verschwand, um mit dem Fotografieren zu beginnen. Das war Entspannung pur – und für mich die schönste Art zu fotografieren. Erst beim Erstellen von Langzeitbelichtungen lerne ich, was Ruhe wirklich bedeutet und fühle mich mit meiner Umgebung verbunden. Verschmolzen mit Mutter Natur.

Fortgesetzt wurde die Reise über die romantischen kleine Fischerorte Port des Barques und Saint Palais sur Mer nach Bordeaux, das mich stark überraschte. Die Mischung alter Bausubstanz mit modernen Elementen macht Bordeaux zu einem tollen Reiseziel.

Der absolute Höhepunkt war der Miroir d’Eau gegenüber des Place de la Bourse. Die Sonne kam auch hier immer wieder zwischen den wenigen Wolken hervor, was mir aber bei diesem Motiv wenig ausmachte, da sie mir im Rücken stand und somit die Gebäude des Place de la Bourse wunderschön beleuchtete.

Der Miroir d’Eau (übersetzt: „Wasserspiegel“) erstreckt sich auf einer Fläche von 3.450 m² und ist somit der momentan größte Wasserspiegel der Erde. Er wird von einem 2 cm hohen Wasserfilm gebildet, der auf Granitplatten von Pumpen aufgebaut wird, die das Wasser aus einem unterirdischen, 800 m³ fassenden Reservoir holen. Nach einer computergesteuerten Zeit werden elektrische Ventile geöffnet und das Wasser läuft wieder ab in den Untergrund, wo es wieder abgekühlt wird. Dann kann ein feiner Nebel entstehen, dessen Intensität abhängig ist von der Lufttemperatur.

Dieser Nebel tritt dann aus 900 Öffnungen aus. Er kann bis zu zwei Meter hoch aufsteigen, auch das abhängig von der Temperaturdifferenz zwischen dem Wasser und der Luft. Ein leichter Wind herrschte, der es dem feinen Nebel ermöglichte, höher in die Luft zu steigen und den Menschen, die augenscheinlich extra deshalb kamen, viel Freude bereitete. Die Luft war sehr warm, so dass das Wasser den Besuchern eine willkommene Abkühlung bot.

Zirka zwei Stunden verbrachte ich damit, auf den immer wiederkehrenden Nebel zu warten und die Personen beim Spaß in dem Dunst zu fotografieren. Auch hier galt es, einen tollen Moment zu erwischen und ich konzentrierte mich vor allem auf die Kinder, die sich im Nebel vor Freude fast überschlugen. Was für ein tolles Bauwerk.

Das nächste Ziel war Biarritz, im Süden der Französischen Republik. Biarritz ist ein sehr beliebtes Reiseziel für alle Franzosen und auch hier stand die Sonne fast wolkenlos hoch am Himmel, was das Fotografieren und das Erstellen von Langzeitbelichtungen stark erschwerte. Dazu kam eine unerwartete Hitzewelle, die den eigentlichen Beweggrund der Reise, das Fotografieren, zusätzlich behinderte.

Da ich drei Tage in Biarritz verbrachte, nahm ich mir vor, gerade morgens und abends auf die Pirsch zu gehen, da der Wetterbericht für die Tageszeiten herrlichstes Sommerwetter versprach. „Auch die Verzweiflung hat ihre Ekstase“ – dieses Zitat Victor Hugos schoss mir bei diesem Wetter immer wieder durch den Kopf. Ich wollte brauchbare Fotos produzieren, doch die Sonne war in diesen Tagen nicht meine Freundin.

Gerade morgens funktionierte das Fotosschießen jedoch sehr gut. Das Licht und der Dunst über dem Atlantischen Ozean bildeten eine tolle Kulisse, der man sich schwer widersetzen konnte.
Da es trotz fotountauglichen Wetters funktionierte und ein paar gute Aufnahmen erstellt wurden, beschloss ich, mich weiter gen Süden nach Spanien zu bewegen.

Von Spanien und wie es mich von dort nach Skandinavien verschlagen hat, erzähle ich Euch im zweiten Teil meines Reiseberichts.


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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