Anfang Juli war es schwül und heiß in Saigon. Die tropische Sonne brannte mir auf den Pelz und ein zähes Gemisch aus Abgasen und meinem eigenen Schweiß in den Augen.
Ich stand auf einer Autobrücke, wollte eine Langzeitbelichtung des mir entgegenströmenden Mopedschwarms machen und hatte meine Hasselblad Mittelformatkamera auf’s Stativ gesetzt.
Als ich durch den Schachtsucher das Bild komponieren wollte, merkte ich, wie mein Rüstzeug abrupt an Boden verlor, weil eine in Gegenrichtung des übrigen Verkehrs vorbeifahrende Hand nach ihm griff. Geistesgegenwärtig umklammerte ich das Stativ und konnte dadurch größeres Übel verhindern. Als ich den Kopf hob, sah ich, wie zwei helmlose Halunken auf ihrem Moped davonknatterten.
Beinahe hätte meine treue Begleiterin unfreiwillig den Besitzer gewechselt. Durch das Gerangel war sie auf den Asphalt gekullert, Sucher und Mattscheibe waren herausgesprungen, das Magazin vom Gehäuse gesprengt. Sollte das etwa ihr Ende sein?
Innerhalb der vergangenen paar Jahre hat mein Apparatefuhrpark mehrfach Metamorphosen durchlaufen. Einige analoge Kleinbild- und Mittelformatkameras sind durch meine Hände gegangen sowie diverse zugehörige Objektive, meist mit normaler bis weitwinkliger Brennweite.
Ein Apparat, dem ich allerdings seit fünf Jahren treu geblieben bin, ist meine Hasselblad. Ich habe mich sehr an das quadratische Mittelformat gewöhnt. Ist es manch einem vielleicht zu starr, gefällt mir die Ruhe und Ausgewogenheit, die sich da hinein komponieren lässt.
Ich verwende sie häufig in Kombination mit einem 80 mm f/2.8 Carl Zeiss Planar Normalobjektiv und seltener mit einem 40 mm f/4 Carl Zeiss Distagon Weitwinkelobjektiv. Das zweite kommt inzwischen weit öfter an einer anderen Kamera zum Einsatz. Mehr dazu aber später.
Für Langzeitbelichtungen setze ich sie auf das oben bereits erwähnte Stativ – ein älteres Manfrotto-Modell. Abgesehen von seiner ausgezeichneten Standfestigkeit, finde ich, dass es auch eine ästhetische Symbiose mit der Kamera bildet (siehe Artikelbild). Mit dem 141RC 3-Wege-Stativkopf lassen sich Stadt- und Architekturaufnahmen präzise komponieren.
Da ich meist konzeptionell und über längere Zeit parallel an verschiedenen Bildserien arbeite, nutze ich zwei 6×6-Rollfilmmagazine. Eins ist für gewöhnlich gefüllt mit niedrigempfindlichem Schwarzweißfilm (dem recht neuen Rollei RPX 25), dem optimalen Material für meine städtischen Langzeitbelichtungen.
Das andere Magazin ist stets gefüllt mit Farbfilm, vorzugsweise mit Kodak Portra 160* oder 400*, da mir die milde Farbwiedergabe dieses Films gefällt.
Obwohl ich inzwischen immer seltener im analogen Kleinbildformat fotografiere, versuche ich, ihm treu zu bleiben. Ein bisschen Nostalgie muss sein, denn damit hat bei mir vor vielen Jahren alles angefangen.
Aus diesem Grund habe ich mir vor einiger Zeit eine Leica M6 und das Voigtländer 35 mm f/1.2* gegönnt. Diese Kombination bereitet mir sowohl auf der Straße als auch bei der Dokumentation von Familienfesten sehr viel Vergnügen.
Das (nicht zu) weitwinkelige, lichtstarke Objektiv ist beispielsweise im Zusammenspiel mit einem Ilford HP5+* auch bestens für Aufnahmen im Zwielicht und Halbdunkel geeignet.
Greife ich etwas tiefer in meine Werkzeugkiste, dann findet sich darin noch eine besondere Perle – eine Voigtländer Avus 9×12 Plattenkamera.
In Anbetracht ihres Alters von fast hundert Jahren ist es faszinierend, dass sie noch immer einwandfrei funktioniert. Sie kommt nicht besonders oft, aber doch regelmäßig zum Einsatz; immer dann, wenn ich wieder einmal Lust verspüre, mich an Portraitfotos zu versuchen.
Hatte ich sie zunächst mit einigen Testaufnahmen auf Planfilm auf Funktion überprüft, so nutze ich sie inzwischen überwiegend in Verbindung mit einem Rollfilmrückteil. So reize ich zwar nicht ihr volles Format aus, kann sie dafür aber bequemer und weniger kostspielig anwenden.
Für Architekturdokumentationen und Auftragsarbeiten arbeite ich mit einer Nikon D800*. Neben dem am opulentesten auflösenden Sensor, den der DSLR-Markt derzeit hergibt, finde ich sie zudem auch noch verhältnismäßig handlich.
Allerdings sagt das einer, der für gewöhnlich mit einem Acht-Kilo-Rucksack und einem massiven Stahlstativ über der Schulter Stadtspaziergänge unternimmt.
Da ich als Linienfetischist besonderen Wert auf die Eliminierung stürzender Linien lege, nutze ich oft das Nikon 24 mm f/3.5 Tilt-Shift-Objektiv*. Was mir an diesem Objektiv besonders gefällt: Es ist relativ kompakt.
Ist es etwas schummriger, bietet sich der Einsatz meines Einbeinstativs* mit Kugelkopf und Actiongriff* an. Bei guten Lichverhältnissen kann ich mit dem Objektiv aber auch problemlos aus der Hand fotografieren. Das wiederum begünstigt, situativ und mit einem reportagebeeinflussten Ansatz zu arbeiten.
Oft genug gibt es Situationen, in denen es meiner Ansicht nach genauso interessant ist, ein Gebäude im Zusammenhang damit zu zeigen, was in ihm und in seiner Umgebung geschieht, als es ausschließlich als isolierten menschenleeren Baukörper darzustellen.
Meiner Shiftwut musste ich im vergangenen Jahr erneut nachgeben, als ich auf ein fantastisches Accessoire stieß, das eine ungeahnte Potenzsteigerung meiner Nikon versprach. Aufgrund des verhältnismäßig hohen Anschaffungspreises und der Tatsache, dass nur wenig Referenzmaterial im Netz dazu zu finden war, kontaktierte ich kurzerhand den Hersteller.
Es stellte sich heraus, dass Zörk, das mittelständische Unternehmen mit Sitz in München, seit nunmehr einem Vierteljahrhundert spezialisiert ist auf die Herstellung verschiedenster abenteuerlicher technischer Erweiterungen für analoge und digitale Kamerasysteme und damit offenbar schon lange eine lukrative Nische bedient.
Herr Zörkendörfer persönlich rief mich außerhalb seiner Werkstattzeit zurück, um mich eingehend über die Funktionsweise des Adapters meiner Wahl zu beraten. Sehr kundenorientiert, sehr sympathisch.
Zwei Wochen später war ich stolzer Besitzer eines Adapters, der mir erlaubte, meine Hasselblad-Objektive an der Nikon zu verwenden. Der Adapter nutzt überdies den wesentlich größeren Bildkreis der Objektive aus; durch einen Shiftweg von insgesamt 40 mm (etwa das Doppelte der herkömmlichen Shiftobjektive), lässt sich durch nachträgliches Zusammenfügen der Teilbilder die Sensorgröße der Kamera effektiv bis auf das Zweieinhalbfache erweitern.
Obwohl ich aus Gewohnheit lieber mit Festbrennweiten arbeite, befindet sich auch das Zoom-Nikkor 24 – 70 mm f/2.8G ED* in meinem Besteckkasten. Eier legt es zwar nicht, als Wollmilchsau würde ich es aber schon bezeichnen, da es den für meine Zwecke nützlichsten Brennweitenbereich anstandslos abdeckt.
Ein Objektiv, das ich mir immer öfter für Aufträge leihe, ist das 14 – 24 mm Weitwinkelzoom*. War ich anfangs skeptisch ob der enormen perspektivischen Verzerrung, die es am unteren Anschlag im Bild verursacht, so habe ich inzwischen gemerkt, dass es sich doch sehr gut für die Abbildung von kleinen Innenräumen eignet.
Ja, und dann finden sich da noch das Nikon SB 900 Blitzgerät, diverse Filter, Adapter, Drahtauslöser oder lose Teile, die im Orbit um meine Kernausrüstung kreisen und deren einziger Zweck es zu sein scheint, verloren zu gehen, verschlissen oder vergessen zu werden.
Die Katalogisierung, Zusammenfügung und Bearbeitung meiner Bilddaten nehme ich in Adobe Lightroom* vor. Komplexere Pixelarbeit, wie beispielsweise das Enfernen von Chipdreck und Negativkratzern oder das Setzen aufwändigerer Auswahlmasken erledige ich in Photoshop und mithilfe eines Wacom Grafiktabletts*.
Für meine analogen Taten habe ich einen hybriden Workflow entwickelt. Gebe ich die Filme zunächst ins Labor meines Vertrauens, digitalisiere ich sie anschließend selbst mittels eines Epson V700. Danach durchlaufen sie den gleichen Prozess wie digitale Aufnahmen.
Und was wurde nun eigentlich aus der Hasselblad nach ihrem Sturz auf den Asphalt? Sie hat ihn überlebt und mich anschließend noch weitere drei Wochen in Asien begleitet. Auf dem Tiananmen-Platz in Peking gewann ich mit ihrer Hilfe gar das Vertrauen eines mich vernehmenden Staatssicherheitsbeamten, indem ich sie ihm unbefangen in die Hände legte.
Mit dieser Geste gelang es mir, jeglichen Verdacht auszuräumen, ich könnte möglicherweise für eine dem chinesischen Staat feindliche Organisation tätig sein. Ironischerweise blockierte der Aufziehmechanismus der Kamera just am ersten Tag zurück in Deutschland. Jetzt ist sie beim Doktor, aber ich bin sehr zuversichtlich, dass sie es schafft.
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