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Posts Tagged ‘Idee’

Von der Idee zum Bild mit Laura Zalenga

29 Apr

Viele kennen sicher das 52-Wochen-Projekt. Dieses Jahr habe ich mich einer Gruppe angeschlossen, die für jede Woche ein gemeinsames Thema hat. In Woche 16 stand „Emotion“ auf dem Plan und ich ein bisschen auf dem Schlauch.

Sonntag Mittag. Noch acht Stunden bis zum Ende der Woche und noch kein Foto für „Emotionen“ in Sicht. Ich hatte einige Ideen durchgedacht, mehrere Emotionen in einem Foto zu kombinieren, aber das wäre ein einziges Gefühlschaos geworden. Mir war klar, dass es kein fröhlich lachendes Bild werden würde. Wer meine Bilder kennt, weiß, dass ich eher den melancholischen Geschichten verfallen bin.

Aber Tränenbilder gibt es schon so viele. Ich hatte zwar Ideen, aber fand diese nach spätestens drei Minuten schon mehrfach auf diversen Plattformen umgesetzt. Ja ja, man könnte unzählige Artikel zum Thema „eine einmalige Idee gibt es nicht“ schreiben.

Was mich schließlich zu meiner Idee führte, war eine einfach 90°-Drehung. Auf all den Bildern, die ich fand, liefen die Tränen das Gesicht hinunter. Also beschloss ich mich, dem liegenden Weinen zu widmen und sich meine Tränen in einem kleinen See um das Auge sammeln zu lassen.

pond © Laura Zalenga

Einfacher gedacht als getan. Man legt sich ja nicht einfach mal mit dem Fernauslöser in der Hand unter sein Stativ und fängt auf Knopfdruck an zu weinen. Zumal gleich einen ganzen See. Daher ist dies eines der wenigen Bilder, für die ich mir einen Assistenten suchen musste.

„Ähm, hast Du kurz Zeit, mir Wasser ins Auge zu schütten?“
„Wie bitte?“

Was soll ich sagen, ich kann sehr gut wie ein kleiner Dackel schauen.

Ich hätte nie gedacht, dass es so schwer sein würde, einen kleinen Wasserteich auf einem Auge zu positionieren. An irgendeiner Seite läuft es immer über und zerstört die Spannung der geschlossenen Form.

pond © Laura Zalenga

Außerdem hätte es sich vielleicht doch gelohnt, das sprudelnde Mineralwasser in der Flasche durch Leitungswasser zu ersetzen. Na ja, wer faul sein will, muss leiden.

Mit schmerzendem Auge bin ich dann auch ein wenig ungeduldig geworden und habe meinen Assistenten leicht verärgert gefragt, ob er sich auch wirklich Mühe gibt, einfach nur einen kleinen See in meinem Auge zu zaubern, statt einer großen Pfütze unter meinem Kopf.

Wir haben am Ende noch die Rollen getauscht und ich bin sehr, sehr kleinlaut geworden, als ich bemerkt habe, dass es fast unmöglich ist. Nächstes Mal dann also mit Plan und Pipette.

pond © Laura Zalenga

goldfisch © Laura Zalenga

In der Bearbeitung ging es mir darum, den kleinen, etwas zu unscheinbaren Teich stärker herauszuarbeiten. Ich versuchte, den Hautton so gleichmäßig wie möglich zu gestalten, entfernte das ablenkende Stückchen Ohr und die Haare am Boden und wählte einen etwas näheren Ausschnitt.

Die Idee mit dem kleinen Goldfisch kam mir irgendwann während des Bearbeitens. Ich musste an „Cry me a river“ denken und wie bei mir aus dem Fluss ein kleiner Teich geworden war. Diese Idee vom „Teich“ im Gesicht, wollte ich verstärken und meine erste Assoziation war ein Goldfisch.

pond © Laura Zalenga

Mir gefällt es, wenn ich den Betrachter ein wenig zum Schmunzeln oder Nachdenken bringen kann. Wenn er oder sie sich überlegen kann, ob es das Gesicht eines Riesen ist oder doch ein winziger Goldfisch.

Wenige Dinge machen mir so viel Spaß wie das Kreieren von Bildern, die ohne die Möglichkeiten der Bildbearbeitung nur in meinem Kopf möglich wären.


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Von der Idee zum Bild mit David Uzochukwu

24 Apr

Ein Beitrag von: David Uzochukwu

Mein ursprüngliches Konzept für das Foto „Shine“ war das eines vergessenen Jungen. Er sollte sich, mit Staub und Motten bedeckt, selbst umarmen und melancholisch in die Kamera sehen. Ich fand das Verlassene daran interessant, die Schönheit im Dunklen.

Eigentlich hatte ich das Bild als Selbstporträt geplant. Ich konnte mich bloß nie dazu überwinden, das Bild zu schießen. Irgendetwas schien schon vorher nicht zu passen. Langsam wurde es kalt und ich hatte keine Lust, mich mitten in ein matschiges Feld zu stellen, wie es das Konzept eigentlich vorsah. Noch dazu stellte ich es mir mehr als kompliziert vor, mich selbst mit Staub (also Mehl), zu bedecken und es dabei gut aussehen zu lassen.

Dann aber stand ich im Oktober mit Fotofreunden auf dem Dachboden eines verlassenen Hauses. Der dort aufwirbelnde Staub im Sonnenlicht sah mehr als faszinierend aus und ich hatte alles dabei, was ich für das Bild brauchte. Ich dachte mir: Jetzt oder nie. Nikolas erklärte sich bereit, Modell zu stehen und ich war froh, mich nicht selbst mit zwei Kilo Mehl beschütten zu müssen.

Making-Of © David Uzochukwu

Making-Of © David Uzochukwu

Making-Of © David Uzochukwu

Wir hatten alle einen Riesenspaß dabei, mit dem Mehl zu werfen und es wild herumtanzen zu sehen. Die Atmosphäre war toll und ich wusste, dass die dunkle Ursprungsidee einfach nicht mehr passte. Und so ließ ich Nikolas in Licht und Mehl baden und gab mein Bestes, die Stimmung einzufangen.

In der Nachbearbeitung veränderte ich die Farben leicht und schärfte nach, damit das Mehl noch besser zu erkennen war.

Shine © David Uzochukwu

Das Foto ist weit entfernt von dem, was ich ursprünglich geplant hatte. Aber das ist absolut in Ordnung, denn wenn ich mir das Bild heute ansehe, versetzt es mich jedes Mal zurück zur Entstehung. Es lässt mich an die Energie meiner Freunde und ihre fantastische Kreativität denken – und ich muss ganz automatisch lächeln.


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Eine Idee auf Reisen??

23 Mar

Ein Beitrag von: Laura Zalenga

Nachdem hier auf kwerfeldein vor Kurzem über das Thema „Kopie, Inspiration und Idee“ diskutiert wurde, wollte ich mich ausführlicher damit beschäftigen, was passiert, wenn man vom Bild eines anderen inspiriert wird. Und was daraus entstehen kann.

Ob es das spezielle Format, ein Accessoire, der Bildaufbau, die Thematik oder das Konzept ist – etwas an einem Bild fesselt den Betrachter so sehr, dass es bewusst oder unbewusst gespeichert wird. Entweder man entscheidet sich dann bewusst, einen Aspekt aufzugreifen und ihn zu einem eigenen Bild zu entwickeln oder es geschieht, ohne dass man es merkt. Es ist mir selbst schon passiert, dass ich erst Wochen, nachdem ich ein Foto gemacht habe, einen Teil meiner Idee in einem altbekannten Bild wiedergefunden habe.

Ich habe unzählige Beispiele gefunden von Fotografen, die unter ihrem Bild das Foto eines anderen Fotografen als Quelle der Inspiration angegeben haben. Für mich hat dieser Hinweis die Bilder umso spannender gemacht, da es toll ist, zu sehen, was aus der Idee eines anderen werden kann. ?Acht Bildpaare habe ich ausgewählt und den jeweils inspirierten Fotografen um ein paar Worte zu seinem Werk, der Intention und zur Inspiration an sich gebeten.

Einen tollen Gedanken von Thomas Mann, möchte ich Euch noch auf die Reise durch die folgenden Bilder mitgeben: ?„Fantasie haben heißt nicht, sich etwas auszudenken, es heißt, sich aus den Dingen etwas zu machen.“

Growing thoughts – Mister Sullivan
Growing thoughts – Mister Sullivan

Half Kiwi – Chloe Smith
Half Kiwi – Chloe Smith

Chloe: „Als ich Michaels Foto sah, musste ich schmunzeln. Ich sah den Baum als Erweiterung des Kopfes. Es könnten Adern sein oder das Gehirn oder einfach eine krause Haarpracht. Ich mochte die Eigentümlichkeit der Kombination und wie zwei zusammenhangslose Dinge so gut harmonieren können. ?Also nahm ich diesen Aspekt, ein Objekt als Erweiterung eines Fotos zu nutzen, als Inspiration für mein Bild.? Meine Interpretation ist eine Anspielung auf meine Herkunft. Die Kiwi steht für Neuseeland, woher meine Mutter stammt.?“

rorschach. - Robby Cavanaugh
rorschach. – Robby Cavanaugh

This Is Only A Test – Joel Robbinson
This Is Only A Test – Joel Robbinson

Joel: „Die Idee meines Fotos entstand nicht direkt als eine Inspiration aus Robbys Foto, aber nachdem das Konzept in meinem Kopf anfing, Form anzunehmen, erkannte ich, dass es große Teile seiner Idee und Vision widerspiegelte. Ich wollte aber, dass es eine Kombination aus einem von ihm inspirierten Foto und meiner ganz eigenen Geschichte und Symbolik wird. Ich nahm sein Foto also als Leitfaden für die Gestaltung (schwarz und weiß) meines Bildes, aber ich versucht auch sehr stark, meinen eigenen Stil in der Bearbeitung und im Konzept einzubringen.

Mein Konzept basierte auf der Idee, getestet zu werden und war inspiriert von Rorschachtests und was sie über Dich aussagen. Ich hatte noch nicht viele konzeptionelle Bilder gesehen, die dieses Prüfverfahren als Inspiration nutzten, aber Robbys hat mich eindeutig dazu inspiriert, meine eigene Version zu erschaffen.“

pollen covered – Laura Zalenga
pollen covered – Laura Zalenga

reanimation – Ana Santl
reanimation – Ana Santl

?Ana: „Ursprünglich hatte ich nicht vor, das Foto von Laura ‚nachzumachen‘, wie man das gern sagt. Es war eher intuitiv: Ich bewunderte die kleinen Minzenblätter und erst dann hatte ich mich entschieden, sie unter die Augen aufzukleben. Währenddessen war das Bild von ihr irgendwo in meinem Hinterkopf, es war aber doch anwesend und beeinflusste mich.“

makes light and, life. - imfreelykeely
makes light and, life. – imfreelykeely

untitled – Gibson Regester
untitled – Gibson Regester

Gibson: „Nun, jeder Künstler muss das, was er oder sie durch die eigenen Augen sieht, übersetzen. Daher musste auch ich, was ich gesehen hatte in mein eigenes Kunstwerk übersetzen. Es erwies sich nicht als schwieriger, sondern sogar einfacher, ein Bild zu produzieren für das ich eine feste Quelle der Inspiration hatte. ?Sofort nachdem ich Keelys Foto gesehen hatte, erschien in meinem Kopf ein Bild, das ich machen wollte. Ich nahm also die Quelle der Inspiration und nutzte sie, um mein eigenes einzigartiges Stück zu schaffen. Denn was bedeutet einzigartig wirklich?

Es ist etwas, das aus dem riesigen Eintopf des Lebens entsteht, den wir, aus den Zutaten unzähliger anderer Menschen, machen. Wir lassen ihn den ganzen Tag lang ziehen und dann haben wir endlich unser eigenes einzigartiges Gericht, das sich in unsere Persönlichkeit, unsere Kunstwerke, unsere Verwendung von Sprache usw. übersetzen lässt. In diesem speziellen Fall waren es die Zweige, die scheinbar aus dem Kopf des Mädchens zu wachsen scheinen, die mich inspirierten. Es sieht einfach so schön und organischen aus und inspirierte mich sehr. Also musste ich meine eigene Wald-Frau aus meiner eigenen rothaarigen Schönheit machen.“

In need of rescue – Sophie Ellis
In need of rescue – Sophie Ellis

untitled – Noukka Signe
untitled – Noukka Signe

Noukka: „Sophies Arbeiten waren schon immer eine Inspiration für mich. Die Art und Weise wie sie die Welt und sich selbst einfängt, ist wunderbar und sehr einzigartig. ??Als Herausforderung für mich habe ich beschlossen, ein Foto, inspiriert von der Weite in ihren Fotos und der Tatsache, dass sie darin sehr klein erscheint, zu versuchen.? Ihr Stil ist ganz anders als meiner, da ich meistens mit Nahaufnahme arbeite, bei denen der Hintergrund keine solch bedeutende Rolle spielt.

Also bin ich mit einem anderen Objektiv als üblich losgezogen und suchte nach neuen Locations, in die Sophie in meiner Vorstellung hineinpassen könnte. Die Dinge, die ich im Auge behielt, waren ‚kleines Mädchen in einer großen Welt‘ und ‚versuche verschiedene Posen‘, denn das waren die Dinge, die ich so sehr an Sophies Bildern liebte. – Das und natürlich, die Landschaft wunderschön wiederzugeben. Es gestaltete sich als eine echte Herausforderung! Ich hatte schon vorher eine Menge Respekt für Sophie gehabt, aber nach dieser Aufnahme noch viel mehr.?“

Fragile Wings – Kyle Thompson
Fragile Wings – Kyle Thompson

Invisible Wings – Moritz Aust
Invisible Wings – Moritz Aust

Moritz: „Ich denke, der größte Punkt, warum ich Kyle als Inspiration genommen hatte war, dass seine Fotos schon immer eine große Inspiration für mich waren. Ganz besonders haben mich seine ‚cloth wings‘-Fotos begeistert. Gerade diese Ungewissheit, ob man diese Flügel mit dem Stoff überhaupt auch hinbekommen würde, hat mich angespornt. Die Umsetzung war nicht ganz einfach für mich, da ich selbst nicht genau wusste, wie man solche Stoffflügel macht.

Nach unzähligen Versuchen hatte ich dann endlich ein Foto, auf dem der Stoff wie Flügel aussah. Ich bin auf jedem Fall mit dem Vorsatz losgezogen, Kyle als Inspiration zu nutzen. Ich wollte mich eigentlich sehr von Kyles Foto absetzen und nur die Flügel als größtes Element aus seinen Fotos nutzen. Doch zum Schluss habe ich dann auch Teile seiner Pose übernommen, da ich mit keiner anderen zufrieden war.

Von was ich mich aber auf jeden Fall absetzten wollte, ist die Bearbeitung. Ich wollte auf keinen Fall eine ‚Kopie‘ seines Fotos erzeugen und habe deshalb meinen eigenen Bearbeitungsstil gewählt. Inspiration ist für mich ein großes Thema. Viele Personen haben mich bereits inspiriert und viele wurden von mir inspiriert. Für mich ist sich inspirieren zu lassen nichts Schlechtes, solange man nicht versucht, eine Kopie des Fotos zu erstellen. Man sollte sich nur soweit inspirieren lassen, dass das Foto noch eine persönliche Note hat.“??????

~

Eigentlich gibt es nicht viel mehr zu sagen; die Bilder und ihre Geschichten sprechen für sich. Ich hoffe, Ihr seid genauso positiv überrascht wie ich, was aus der Idee des einen im Verstand des anderen entstehen kann.? Mich zumindest hat all diese ‚Inspiriertheit‘ sehr inspiriert.

Es wird Zeit für einen langen Spaziergang durch den Flickr-Wald und am 500px-Feld vorbei. Vielleicht trifft man sich ja beim Ideensammeln. ?Solange wir am Ende die Quelle unserer Inspiration nennen, gibt es doch nichts Schöneres, als eine Idee von Kopf zu Kopf wandern zu lassen.


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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Von der Idee zum Fotobuch

17 Mar

Von meinem selbstgemachten Fotobuch „still“ haben wir im Dezember schon ein Exemplar im Adventskalender verlost. Seitdem habe ich noch einige weitere gedruckt, gebunden, verschickt und während dieser meditativen Handarbeiten meine Gedanken kreisen lassen.

Dabei habe ich nicht nur den Ablauf der Buchherstellung und die Qualität der einzelnen Bücher verbessern können, sondern mir ist im Nachhinein auch klar geworden, wie spannend auch die Entstehung des finalen Buchkonzeptes war. In beides – Konzeptentwicklung und Buchherstellung – möchte ich Euch nun Einblicke gewähren, die von Fotos des handwerklichen Prozesses illustriert werden.

© Aileen Wessely

Der Plan

Irgendwann im Juli letzten Jahres kam (zugegebenenermaßen nicht zum ersten Mal) die Idee auf, aus meinen eigenen Fotos ein Buch zu machen. Andere machen Abzüge der eigenen Bilder, kleben sie in Alben oder hängen sie sich an die Wand. Ich wollte meine Bilder auch einmal besonders hervorheben, aber nicht nur für mich, sondern für die Menschen, die sie besonders mögen.

Eine Erwähnung von Marit zum Thema Buchbinden gab mir den entscheidenden Anstoß und ich begann, im allwissenden Internet Anleitungen zu verschiedenen Buchbindetechniken zu lesen. Ein paar auch für mich Laien machbare schienen dabei zu sein, also ging ich in meiner Euphorie direkt die nächste große Baustelle des Projektes an: Den Druck.

Da ich ganz generell lieber so viel wie möglich selbst mache, anstatt nur irgendwo einen schnöden Druckauftrag abzuschicken, zog ich verschieden starke Papiersorten, die ich gerade zur Hand hatte, durch meinen Drucker, der zu diesen ersten Testzwecken von mir veranlasst ein paar meiner eigenen Lieblingsbilder ausspuckte.

© Aileen Wessely

An diesem Punkt ist mein Hang zum Selbermachen der wichtigste Formgeber des bis dato inhaltlich völlig offenen Buchprojektes geworden. Denn: Wenn ich das Buch selbst machen wollte, würde es sich nach den Möglichkeiten meines Druckers richten. Ausgangspapierformat also am einfachsten A4 und von einer Sorte, die sich leicht im Einzelhandel beziehen ließe.

Beim Anblick der gedruckten Testbilder wurde auch ganz schnell klar, dass die Druckqualität der Farbbilder nicht ausreichend war. Ich hätte nun anfangen können, mich mit der Kalibrierung von Druckern zu beschäftigen, aber diese Möglichkeit zog ich nicht ernsthaft in Erwägung, da die Schwarzweißbilder absolut hervorragend aussahen.

Damit stand bereits der Fundus fest, aus dem ich schöpfen würde: Meine analogen Schwarzweißbilder. Entgegen dem, was ich die meiste Zeit präsentiere, also so gut wie keine Portraits. Eine gute Gelegenheit, wenig beachteten Bildern noch einmal eine neue Öffentlichkeit zu schenken.

© Aileen Wessely

Als ich alle in Frage kommenden Bilder sichtete, wurde mir schnell klar, dass das Buchformat – hoch oder quer – eine schwere Entscheidung sein würde. Ich blätterte durch ein paar Fotobände und stellte fest, dass bei genauer Betrachtung alle furchtbar waren: Hochformate müssen damit leben, immer nur halb so groß zu sein wie Querformate, die mit einem hässlichen Falz in der Mitte verunstaltet sind – bisher war mir das nie aufgefallen.

Über diese Unzulänglichkeiten hätte ich mich ärgern können. Tat ich aber nicht, da ich kein fantastisches Wunschprojekt im Kopf hatte, von dem sie mich abbrachten. Sogar ganz im Gegenteil: Ich empfand es als sehr angenehm, durch Einschränkungen der Technik und eigene Ideale zu Form und Inhalt geleitet zu werden, die sich so Stück für Stück fast von selbst ergaben.

So war klar: Die Seiten müssten quadratisch sein, damit ich Hoch- und Querformate jeweils in der gleichen Bildgröße einseitig präsentieren kann. An diese Notwendigkeit musste ich mich erst gewöhnen, da ich quadratische Bücher bisher immer mit den unsäglichen Sprüche- und Geschenk-Büchern für einfallslose Menschen, die in der letzten Minute etwas Billiges für den Geburtstag von Tante Klara suchen, in Verbindung gebracht hatte.

© Aileen Wessely

Für quadratische Seiten hätte ich nun entweder große Papierbögen druckergerecht teilen oder von A4-Blättern etwas abschneiden müssen. Die eine Möglichkeit wäre zu viel Schneiderei gewesen, die andere hätte ein zu kleines Endformat zur Folge gehabt. So entstanden die halben Seiten.

Halbe Seiten? Genau. Ich ließ den zum 2:1-Format fehlenden Teil der A4-Blätter einfach weg, um ohne Schneiden die ganzen, normalen Blätter benutzen zu können. Daraus ergaben sich aber wiederum zwei Dinge:

1. Würde man beim Betrachten eines Bildes immer auf der gegenüberliegenden Seite ein halbes anderes Bild sehen.
2. Mussten die halben Seiten zwingend mit Text gefüllt werden, damit sie nicht nur als faule Rudimente mit an Bord sind.

© Aileen Wessely

Für das erste Problem hatte ich schnell eine Lösung, inspiriert von alten Fotoalben und ihrem Spinnenpapier: Ich kann zwischen zwei Blätter jeweils Transparentpapier mit ins Buch binden, sodass die gegenüberliegenden Bildseiten stärker verdeckt werden, aber die Bilder noch blass durchschimmern.

Leider löste diese Konstruktion in meinem Kopf eine euphorisch-kreative Kaskade aus: Den Bildern kann ich so etwas wie Gedichte an die Seite stellen, die mit der Halbdurchsichtigkeit des Transparentpapiers spielen, indem sie teilweise auf das Transparentpapier und teilweise auf das normale Papier darunter gedruckt werden. Zwei Gedichte, die übereinander gelegt ein neues ergeben.

Puh. Eine Idee, die so starre formale Vorgaben macht, dass die Qualität der Texte sicherlich leiden wird, da ich ja auch kein erfahrener Poet bin. Zum Glück musste ich mich daran nicht versuchen, da mein Drucker die Idee vereitelte: Die Blätter des Transparentpapiers waren mit insgesamt knapp 80 cm Länge zu lang für ihn.

© Aileen Wessely

So musste ich „nur“ noch für die knapp 80 Bilder, auf die ich mich mit mir selbst nach wochenlangem Aussieben, Erweitern, Verwerfen, Sortieren und Wiederneuanordnen geeinigt hatte, jeweils ein paar Worte finden. Nach den ersten niedergeschriebenen Textfragmenten fand sich dafür schnell ein Rhythmus von jeweils drei plus zwei kurzen Zeilen.

Beim Aneinanderreihen der ausgewählten Bilder schaute ich automatisch auf Gemeinsamkeiten, Gegensätze, Assoziationen und hatte schnell so etwas wie eine abstrakte Geschichte im Kopf, die mich von einem zum anderen Bild leitete, Übergänge schuf. Aus diesen Erinnerungen, Gefühlen und den im Laufe der Jahre vergebenen Bildtiteln tippte ich innerhalb von zwei Tagen meine Texte – nachts und mit etwas Rotwein: Meinen persönlich optimalen Rahmenbedingungen für freie Gedankenassoziationsketten.

Da meine Bildtitel normalerweise Englisch sind, der größte Teil des zu erwartenden Publikums – aber wer weiß! – allerdings deutschsprachig, stand auch schnell fest, dass die Ausgabe zweisprachig werden würde. Eine neue Herausforderung, die gleichzeitig aber auch vielen der Textfragmente ihre Form gab, wenn ich eine der beiden Versionen verändern musste, um mit dem vorhandenen Platz auszukommen.

© Aileen Wessely

Das Layout der einzelnen Seiten war schnell gefunden: Die Bilder so groß wie möglich, aber mangels formatfüllendem Druck mit so viel Abstand zu den Rändern, dass der bei jedem Blatt etwas anders ausfallende Papiereinzug des Druckers nicht unangenehm auffallen würde oder im abschließenden Beschnitt des Buchblocks korrigierbar wäre.

Beim wunderbaren Buch „The Moon Is For Adults Only“ von Laura Makabresku hatte ich mich ein paar Wochen zuvor in den Umschlag verliebt, der ein gefaltetes Poster ist. Das wollte ich auch haben. Bekam ich dann auch, nachdem ich im Spätherbst mehrere Wochen lang verzweifelt nach einer erschwinglichen, aber qualitativen Möglichkeit suchte, mein Umschlagbild 30 mal in A2 – Papier nicht zu dünn, nicht zu dick – drucken zu lassen.

© Aileen Wessely

Die Umsetzung

Dass ich mir bei der Wahl meines Formates gedacht hatte, dass das Zuschneiden von Papier ins Format 2:1 zu viel Schneiderei wäre, ließ mich nun über mich selbst lachen, als endlich alles vorbereitet war und ich zusammentrug, was für ein einzelnes Exemplar alles zu tun war:

  • 20 Blätter Transparentpapier zuschneiden (von der Rolle, 20 x 0,66 m)
  • Buchinhalt drucken, 40 Blatt doppelseitig
  • Transparent- und Normalpapier falzen
  • Alle Blätter für die Bindung lochen
  • Den Buchblock binden
  • Buchrücken verleimen, trocknen lassen
  • Buchblock ringsherum beschneiden
  • Lesebändchen ankleben
  • Cover ankleben
  • Poster-Umschlag falten
  • Nummerieren und signieren
  • Halbtot in einen Sessel kippen

© Aileen Wessely

Die Herstellung des ersten Buches zog sich so über mehrere Tage und Nachtschichten hin. Viele Schritte machte ich zum ersten Mal, auch wenn ich sie mir in meiner Vorstellung schon genau zurechtgelegt hatte. Natürlich klappte so einiges nicht so wie gedacht, ich war kurz davor, alles hinzuwerfen und machte dann vom Ehrgeiz gepackt doch weiter.

Nachdem ich monatelang am Inhalt, also den Bildern, ihrer Reihenfolge und den Worten, die sie begleiten und hoffentlich beim Betrachter weitere Dimensionen öffnen würden, gearbeitet hatte, war ich damit rundum zufrieden, stolz darauf und energiegeladen genug, für jede Widrigkeit eine Lösung zu finden!

Inzwischen habe ich durch Routine, eine veränderte Reihenfolge und teilweise gleichzeitiges Erledigen von mehreren Arbeitsschritten die Arbeitszeit pro Exemplar auf etwa die Hälfte reduziert. Das sind zwar immer noch etwa zehn Stunden, aber es ist jedes Mal ein überwältigendes Gefühl, ein fertiges Buch in der Hand zu halten. Es zu wiegen.

© Aileen Wessely

Der Prozess beginnt damit, das Transparentpapier von der Rolle in knapp 80 cm lange Bahnen zu schneiden. Gar nicht so einfach, dabei keine Flecken oder Knicke zu verursachen und überall rechte Winkel zu erhalten, damit nicht alles krumm und schief wird.

Anschließend drucke ich den Buchinhalt. Jedes Blatt wird einzeln in den Drucker eingelegt, da ich beim Testen bemerkt habe, dass die manuelle Zufuhr das Blatt fast ganz gerade einzieht. Das dauert natürlich richtig lange, aber währenddessen falze ich schon einmal das Transparentpapier und die fertig bedruckten Blätter.

Danach werden alle Blätter mit einer Schablone, Nähnadel und einem Fingerhut für die sich anschließende Bindung vorgestochen. Wenn ich hier sehr ordentlich arbeite, geht die Bindung danach richtig schnell, weil ich alle drei Löcher, die in jedem Heft des Buches übereinanderliegen, mit der Nadel auf einmal finde, anstatt blind und wild im Blätterhaufen herumzustochern.

© Aileen Wessely

Nachdem ich mir verschiedene Möglichkeiten zur Buchbindung angesehen hatte, habe ich eine eigene Variante entwickelt, die nicht so furchtbar viel Faden verbraucht wie die meisten anderen, die den Faden am Buchrücken über die ganze Länge hoch und runter führen. Da mein Buch mit gut 2 cm sehr dick geworden ist, binde ich am Rücken vier Mal mit gewachsten, dreifachen Fäden. Fühlt sich stabil an.

Die ersten Exemplare hatte ich bereits an diesem Punkt mit Schraubzwingen zwischen zwei Platten fixiert und den Buchrücken mit Ponal verleimt, verstärkt mit Mullbinde. Den an einer Seite schon verklebten Buchblock dann noch zu beschneiden, wurde aber nicht so richtig schön und auch große Schneidemaschinen fransten die Blätter aus, da der Buchblock durch die halben Seiten nicht gleichmäßig dick ist.

Also beschneide ich inzwischen zuerst und verleime erst dann den Buchrücken. Dabei fiel meine Wahl auf Ponal, da dieser sich als Holzleim auf Wasserbasis nicht nur oberflächlich mit dem Papier verbindet und nach dem Trocknen noch eine gute Flexibilität hat. (Toll, auf welchen Spezialgebieten man lernt.) Immerhin möchte man das Buch nicht nur ins Regal stellen, sondern auch durchblättern, also den Buchrücken hin und her biegen.

© Aileen Wessely

Das erste Exemplar – und damit das ganze Projekt – wäre an dieser Stelle beinahe gescheitert, da ich es nach dem Leimen zu früh aus der Presse nahm und dann zusehen musste, wie der ganze Brocken sich wellte und vollkommen verzog, während ich auch noch versuchte, den ganzen Buchblock auf einmal zu schneiden.

Zum Glück war es mitten in der Nacht und ich dachte mir: Pack das Ding wieder in die Presse, schlaf erst einmal richtig aus und träum davon, dass Du morgen früh auf wundersame Weise alles noch rettest. Die Presse hat es geradegebogen und der Morgen brachte die richtige Idee, den Block stückweise zu schneiden.

Die letzten Schritte, in denen die Lesebändchen, das Cover, der Umschlag und die Nummerierung gemacht werden, sind eigentlich nur i-Tüpfelchen. Und trotzdem runden genau diese Rahmenelemente ein Buch erst so richtig ab. Vielleicht kann man diese Verwandlung aber auch nur dann erkennen, wenn man einmal erlebt hat, wie sich das mulmige, verkrampfte Gefühl im Bauch, mit dem man den nackten, verleimten Buchblock betrachtet, der einen schon Stunden des Lebens und der Feinmotorik gekostet hat, durch den letzten Schliff in vollkommen federleichten Stolz auflöst.

© Aileen Wessely

Wer bis hierhin gelesen hat, hegt wahrscheinlich ohnehin ein Interesse für Handwerkliches und Kurioses abseits der reinen Fotografie; fragt sich aber möglicherweise dennoch, warum ich so ausführlich meine Erfahrungen bei der Herstellung eines Buches beschreibe, anstatt ein Tutorial zur Bildbearbeitung zu schreiben.

Weil ich Euch anregen möchte, Euren Stolz auf die eigenen Bilder noch einmal um ein Vielfachtes zu steigern, indem: Ihr Euch einmal Eure eigenen Lieblingsbilder aussucht. Sie länger betrachtet als jemals zuvor, dabei Verbindungen und neue Gedanken in ihnen findet. Euch etwas wirklich Großes für diese besonderen Bilder ausdenkt. Euch an der Idee festbeißt. Sie verdammt nochmal umsetzt!

PS: Und meine private Seelenklempnerin ist natürlich ganz vernarrt in die Erweiterung der Fotos um assoziativ-lyrische Textfragmente. Tausend Mal besser als Traumdeutung. Mal sehen, wann ich meinen Artistproof wieder zurück habe…


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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kwerfeldein diskutiert: Über Kopie, Inspiration und Idee

09 Feb

Vor ein paar Wochen trudelte bei uns folgender Kommentar ein, den wir mal ganz mutig aus dem Zusammenhang reißen und lesen:

„Allein die Flut solcher Bilder im Internet verrät, dass es sich hierbei um ein massenkompatibles Sujet handelt. Mir erschließt sich der Sinn solcher Bilder allerdings nicht so ganz. Was will der Fotograf hier zeigen? Der inflationäre Umgang mit dem Graufilter und das beharren auf einer Schwarzweiß-Wiedergabe stempelt die Aufnahmen für mich als reine Effekthascherei ab. Warum wird hier nicht mal mit Farben, Kontrasten und Perspektiven experimentiert? Zugegeben, es gibt wirklich wenige Fotografen, die auf dem Gebiet der Landschaftsfotografie neue Sichtweisen vermitteln können, aber ewig auf den selben Effekten herumzureiten kann es nun auch nicht sein. Dann lieber mal den Deckel auf dem Objektiv lassen, und einfach nur spazieren gehen.“

Martin: Daraus ergeben sich viele Fragen, denen wir uns in den nächsten Zeilen bewusst ausgesetzt haben: Macht es Sinn, ein Foto zu machen, das in dieser Form schon einmal ungefähr so gemacht wurde? Ist es erstrebenswert, immer nach Neuem zu suchen oder auch legitim, Vorhandendes weiterzutragen? Oder sollten wir doch lieber gleich „den Deckel auf dem Objektiv lassen und einfach nur spazieren gehen“?

Robert: Zuerst einmal finde ich es wichtig, zu verstehen, mit welcher Motivation Menschen Fotos machen. Und vielleicht hilft es auch für die Beantwortung dieser Fragen, einmal die zwanghafte Fotografie-ist-Kunst-Projektion auszublenden.

Frei nach Susan Sontag: Die meisten Leute, die ein Aufnahmegerät bedienen können, fotografieren gar nicht mit dem Drang, zwangsläufig Kunst zu machen.

Wie bei jedem Massenphänomen ist es für die meisten einfach ein Vergnügen oder Teil eines sozialen Ritus und vielleicht auch einfach das Bedürfnis, Erinnerungen festzuhalten, zu sammeln und mit anderen zu teilen.

Dass auf diese Weise verschiedene Fotografen bildinhaltliche Dopplungen erzeugen, ob nun absichtlich oder unbewusst, ist einfach Teil des Massenphänomens, sich mit Bildern über Erlebnisse und Erfahrungen auszutauschen.

Jemandem zu sagen „Mach das Foto nicht, das gibt es schon.“ wäre etwa vergleichbar mit „Halt bloß die Klappe. Den Satz, den Du gerade sagen willst, haben schon 3.972 Menschen vor Dir gesagt.“

Martin: Womit Du die Fotografie mit der alltäglichen Kommunikation vergleichst. Was mir sehr gut gefällt, denn zu solchen Zwecken wird sie ja auch eingesetzt. Und in einem Gespräch wird oft das noch einmal unterstrichen, was vorher jemand anderes gesagt hat.

Dass es sich hierbei nie exakt um das Gleiche handelt, hört man schon an der Stimme. Und diese lässt sich, um den Kreis zur Fotografie wieder zu schließen, auch in der Fotografie wiederfinden. Denn 100% kopieren, das will mit Sicherheit niemand, zumindest nicht auf Dauer. Wie sehen das die anderen?

Normen: Ich finde es grundsätzlich in Ordnung, wenn man während der eigenen Entwicklung in der Anfangszeit versucht, andere Fotografen zu „kopieren“, jedoch sollte man in so einem Fall dann so ehrlich sein und die Quelle der Inspiration mit angeben. Damit können die meisten kopierten Fotografen leben und der Kopierende bricht sich dabei nicht wirklich einen Zacken aus der Krone.

Ist es nicht oft sogar gut, ein ähnliches Foto noch einmal zu machen? So gibt es unzählige Fotos der Golden Gate Bridge, viele davon hätten nicht gemacht werden müssen, andere hingegen sind es absolut wert.

Katja: Normen, klar sind es einige absolut wert. Aber sind das nicht genau die wenigen, die aus einer anderen, selteneren Perspektive fotografiert wurden? Oder bei denen zum Motiv der Brücke noch weitere seltenere Gegebenheiten kommen, wie Nebel oder der Sonnenuntergang? Und damit sind diese wenigen doch keine einfachen Kopien mehr.

Den Versuch, ein Foto 1:1 kopieren zu wollen, kann ich zum Teil nachvollzielen. Es ist sicher eine Herausforderung und man kann dabei etwas über Technik, Licht und so weiter lernen. Was ich nicht verstehe, ist, dass diese Motive dann stolz gezeigt werden.

Und das geschieht sehr oft, wenn ich mir die Communities ansehe. Ich denke da gerade an das Motiv mit dem Ring zwischen zwei Buchseiten, dessen Schatten ein Herz wirft. Das habe ich schon so unglaublich oft gesehen und klicke meist direkt weg, egal wie gut es gemacht ist.

Normen: Da hast Du natürlich recht, dass die besseren Fotos irgendwelche Besonderheiten aufweisen.

Aber in mich hineinblickend kann ich sagen, dass ich es mir wohl kaum verkneifen könnte, ein Foto von der in Nebel gehüllten Brücke zu machen, obwohl ich weiß, dass es Fotografen gibt, die dies schon besser gemacht haben als ich. In dem Moment würde es mir auch nicht in den Sinn kommen, jemanden zu kopieren, da ich gar keine Vorlage zur Kopie im Kopf hätte.

Von daher würde ich jetzt erst einmal die Meinung vertreten, dass es in Ordnung ist, wenn man Fotos macht, die es in ähnlicher Weise schon gibt. Gerade in der Entwicklungsphase ist es sicherlich in Ordnung, sich an anderen Fotos zu orientieren, bevor man sich gar nichts mehr traut und lieber zu Hause bleibt.

Wie sehr beschäftigt Euch eigentlich der Gedanke, etwas Neues zu schaffen?

Martin: Aktuell überhaupt nicht. Ich habe einfach genug damit zu tun, viele gute Fotos zu machen und mir ist es letztendlich egal, wer wie wann wo was schon einmal gemacht hat. Der Vergleich mit anderen war bei mir nach den ersten drei Jahren Fotografieren gegessen, davon habe ich mich bewusst getrennt, weil mich das zu sehr unter Druck gesetzt hat.

Beim Fotografieren auf der Straße nehme ich alles auf, was irgendwie toll aussieht. Da schalte ich den Kopf aus und mache einfach, solange die Konzentration reicht. Hinterher suche ich dann die besten aus. Natürlich kann es sein, dass jemand ein Foto dieser Art schon einmal gemacht hat. Damit habe ich aber kein Problem.

Ich denke sowieso, dass niemand einfach aus sich heraus etwas Neues erschaffen kann. Denn wir sind nun einmal von anderen beeinflusst, ob wir das wollen oder nicht. Zu sagen, man mache etwas „ganz Eigenes“ ist für mich etwas naiv, denn jeder ist inspiriert von der Arbeit anderer und das beeinflusst – wenn auch nur unterbewusst. Und das ist auch gut so, ich finde daran nichts Schlechtes.

Wie würdest Du, Robert, die Frage von Normen beantworten?

Robert: Wenn ich ehrlich bin, steht für mich selbst gar nicht im Vordergrund, zwanghaft etwas Neues zu schaffen. Gut zu sampeln, das heißt, Vorbilder* zu sammeln, sie anders zu mischen, über Lücken und Brüche mithilfe der eigenen Vorstellungskraft hinweg zu improvisieren und so insgesamt etwas zu schaffen, womit ich selbst zufrieden bin, ist eigentlich alles. Fotografie ist Jazz. Nebenbei bemerkt ist auch dieser Satz nur geliehen.

* Hier wäre eigentlich „Vorideen“ ein angemessenerer Begriff als Vorbilder. Gerade die Inspiration aus fotofremden Bereichen ist mitunter würziger als die Wurst aus der eigenen Brühe.

Ich finde übrigens Katjas Bildbeispiele für den Ring, der einen herzförmigen Schatten auf die Seiten eines aufgeschlagenen Buches wirft, sehr interessant. Nicht wegen des Bildes selbst, sondern eher, weil Katja hier anhand eines Begriffes (der wiederum als Idee auf einem Bild basiert) relevantes Material aus den Datenbanken (hier: Flickr und Fotocommunity) herausgefiltert hat.

Die auf verfügbare Daten anwendbare Suchfunktion ist also das technische Hilfsmittel, das uns überhaupt erst zu erkennen ermöglicht, dass es viele solche sich ähnelnde Bilder gibt. Ich finde die Überlegung interessant, ob wir uns die eingangs gestellte Frage auch gestellt hätten, wenn es dieses technische Hilfsmittel nicht geben würde. Vielleicht führt das jetzt aber auch zu weit…

Normen: Vermutlich hätten wir anders argumentiert. Überlegt doch mal, wie lange das Internet erst als Instrument der Verbreitung genutzt wird. 15 Jahre? 20 Jahre? Weitergedacht werden in den kommenden 50 Jahren noch unfassbar viele Fotos gemacht werden und man wird immer mehr den Eindruck gewinnen, dass es alles schon gegeben hat und man nichts Neues mehr macht.

Ich denke auch, dass es oftmals auch eine Sache des Geldes ist, vorhandene (neue) Ideen umzusetzen. So würden sicherlich viele Fotografen gern Fotos mit einem Aufwand ähnlich wie bei Gregory Crewdson machen und so mancher Landschaftsfotograf würde sicherlich gern einen Helikopter haben, um andere Perspektiven zu bekommen.

Ich denke, dass man in seinem Sujet die Fotos einfach mit Liebe und Leidenschaft machen sollte. Diese Herangehensweise führt dann dazu, dass man eine eigene Bildsprache entwickelt und möglicherweise dann auch als Vorbild für andere dient.

Katja: Das klingt, als wären wir uns alle einig. Jeder soll fotografieren, was er möchte, auch gern dasselbe Motiv. Und wenn die „Inspiration“ einverstanden ist, darf man das Bild auch veröffentlichen. Warum auch immer man das möchte. Dieser Teil erschließt sich mir nach wie vor nicht.

Wurde denn schon einmal jemand von Euch auf irgendeine Art und Weise kopiert?

Robert: Naja, Katja, ich verstehe schon, dass es Dich verwundert, wenn mehrere Autoren das augenscheinlich gleiche Bild machen und dann stolz das Resultat auch (mit)teilen, womöglich noch so als wäre es auf ihrem eigenen Mist gewachsen. Die Motivation dafür steht, denke ich, kaum in irgendeinem nachvollziehbaren Zusammenhang mit dem Bild selbst.

Wenn man das Kopieren als legitim akzeptieren möchte, kommt es, finde ich, entscheidend darauf an, was eigentlich kopiert wird – ein Bild oder eine Idee?

Der massenhaft wiederholten Kopie eines Bildes kann man schnell überdrüssig werden, wie wir am Beispiel des Herzschattens schon festgestellt haben. Hingegen eine Idee zu kopieren, ist schwieriger und im direkten Vergleich mitunter weniger offensichtlich.

Und um nun endlich den Bogen mit einer Antwort auf Deine Frage zu schließen, Katja: Ja, es kam schon vor, dass Bilder, die ich gemacht habe, in technischer Weise imitiert wurden, wobei ich allerdings merke, dass meine Idee dahinter gar nicht verstanden wurde. Der „Look“ ist ähnlich, aber das „Warum“ fehlt. Respekt zolle ich Bildern, die mit einem Verständnis für das Warum ihrer Vorbilder diese kreativ nutzen und neu interpretieren.

Martin: Ja, auch von mir wurden schon Bildideen übernommen, ein und dasselbe Bild „kopiert“ hat aber noch niemand – und das geht technisch auch nicht, außer jemand klaut das Foto und setzt es bei sich in den Stream – was auch schon passiert ist.

In gewisser Weise bin ich jedoch davon überzeugt, dass wir alle kopieren, wenn auch nicht bewusst. Wir übernehmen einen Stil, eine Idee, eine Pose, eine Art, zu sehen und und und. Ich glaube, niemand kann von sich behaupten, etwas gänzlich Neues zu schaffen – denn wir alle sind in einem Netz (Web) von Menschen, die uns inspirieren.

Der Herzschatten ist ein gutes Beispiel dafür, wie Menschen imitieren. Bücher und Ringe sehen eben fast alle gleich aus, aber mit offener Blende Menschen auf der Straße fotografieren, da unterscheiden sich auch nur die Menschen und der Hintergrund – auch, wenn jedes Bild anders aussieht.

Wie gesagt: Ich finde es schwierig, hier von „klauen“ oder „kopieren“ zu sprechen, denn keiner ist eine Insel, wie schon Thomas Merton sagte.

Normen: Wenn man sich nun einmal umschaut, gibt es eigentlich in allen Richtungen, in denen etwas geschaffen wird, eine Art Epoche, also einen Stil, der für einen bestimmten Zeitraum besonders bevorzugt wurde. Sei es in der Architektur, der Malerei oder in der Musik; überall finden wir ähnliche Werke, die unweigerlich durch Inspirationen entstanden sind. Ich kann Martin also nur Recht geben. Es ist nicht möglich, sich nicht inspirieren zu lassen, selbst wenn man es nicht möchte.

Martin: Ich kenne ganz gut von mir selbst, dass mir das Streben nach Originalität manchmal sogar im Wege stand. Früher habe ich dann manchmal lieber gar kein Foto gemacht, als eines, das ich in dieser Form schon einmal gesehen hatte. Daraus entstand dann ein destruktiver Druck, der, zumindest was die Kreativität anbelangt, ein Schuss in den Ofen war. Kennt Ihr das auch? Oder läuft es bei Euch einfach?

Katja: Ich habe mir bisher keinen Druck bezüglich der Originalität gemacht, aber einige Ideen verworfen, wenn ich sie ähnlich öfter gesehen habe. Zum Beispiel gab es vor Kurzem viele kreative Portraitbilder, bei denen Mehl oder farbiges Pulver verwendet wurden.

Nachdem ich das erste Foto damit gesehen hatte, fand ich es großartig und überlegte, wie man dieses Pulver noch verwenden könnte. Die Tage darauf sah ich aber immer mehr dieser Bilder und verlor die Lust an dieser Idee; ja, sogar die Lust an den Fotos, die mich zu Beginn so faszinierten.

Versteht mich nicht falsch, ich finde Wiederholungen nicht an sich schlecht. Dass „I follow rivers“ von Triggerfinger gecovert wurde, ist großartig, denn die „Kopie“ ist viel besser als das Original. Aus „Covern“ kann auch in der Fotografie etwas Anderes und für mich Besseres, Interessanteres entstehen.

Vielleicht nimmt man sich mit dem Originalitätsdenken doch mehr Möglichkeiten als man manchmal denkt.

Robert: Ja, das sehe ich auch so. Wobei das Streben nach Authentizität und Originalität an sich erst einmal nichts Schlechtes ist. Es sollte nur nicht die oberste Direktive für das eigene Schaffen sein. Zu leicht baut man sich sonst einen Turm aus den Erwartungen eines ausgedachten Publikums und immer wieder Ausreden, um der eigentlichen Arbeit auszuweichen.

Und Martin, um auf Deine Frage einzugehen: Abgesehen davon, dass ich solche Situationen nur selten erlebe, gibt es, finde ich, überhaupt keinen Grund, ein Foto nicht zu machen, weil ich mich in diesem Moment an ein bereits existierendes Bild erinnere. Es kann ja auch sehr reizvoll sein, bewusst und unbefangen ein schönes Zitat zu erstellen, ohne sich zu ängstlich den Kopf darüber zu zerbrechen, ob eine Kopie nun legitim ist oder nicht.

Man lernt auch nicht beim Nachdenken über seine Möglichkeiten, sondern beim Machen. Und virtuelle Ausreden zu konstruieren, weshalb man jetzt gerade nicht fotografieren sollte, ist nichts als hinderlich.

Martin: Da stimme ich Dir zu, Robert.

Und an dieser Stelle übergeben wir das Wort an unsere Leser. Wie seht Ihr das? Könnt Ihr unseren Gedanken folgen? Wo habt Ihr eine anderen Standpunkt? Wir sind gespannt und lesen mit.


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
Comments Off on kwerfeldein diskutiert: Über Kopie, Inspiration und Idee

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