Robert Capa. Kennt Ihr diesen Namen? Falls nein: Er wäre letzte Woche 100 Jahre alt geworden. Capa war der Kriegsfotograf seiner Zeit, Mitgründer der Fotoagentur Magnum Photos und ein unverbesserlicher Frauenheld. Heute stelle ich ein Foto von ihm vor, das mich schon lange beschäftigt.
Dabei handelt es ich um ein Bild, das der gebürtige Ungar Robert „Bob“ Capa am 6. Juni 1944 fotografierte, als die ersten amerikanischen Streitkräfte an der Küste der Normandie eintrafen, um Frankreich zu befreien.
Ich sehe amerikanische Soldaten, wie sie vollgepackt zur Küste rennen. Das Wasser schäumt auf und mein Blick fällt zuerst auf den letzten Soldaten, dem das Wasser noch bis zu den Oberschenkeln reicht. Des öfteren habe ich mich gefragt, ob dem Mann eine Hand fehlt, aber dafür wäre der Arm zu lang.
Ich frage mich, was wohl in den Soldaten vor sich geht. Sie werden aufgeregt sein, Herzklopfen haben und vielleicht hoffen, nicht schon in den ersten Sekunden zu sterben. Das Adrenalin pumpt sich in Bahnen durchs Blut und mit dem Sprung ins Wasser ist erst einmal alles davon durchdrungen.
Es ist 6.30 Uhr (GMT+2) morgens. Das Wasser ist kalt und so auch der nahende Tod. Hat man vielleicht vorher noch gescherzt oder voreinander geprahlt, hört hier der Spaß auf. Auf der anderen Seite sind deutsche Soldaten. Es ist der Feind, dem Einhalt zu gebieten ist.
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Den Fotografen sieht man bekanntlich nicht. Aber sein Standpunkt verrät, dass er sich nicht auf den Schiffen verkriecht, sondern sich mitten ins Geschehen begibt. Und sich somit auch der Gefahr aussetzt, selbst im Getümmel als Soldat erkannt und von den Schützen per Kopfschuss getötet zu werden.
Doch das ist kein Zufall. Während sein Kollege George Rodger an Land an einem ruhigen Strand fotografierte, entschied Capa, mit zwei Contax-Kameras bestückt bei der allerersten Welle der Amerikaner in „Omaha“ dabei zu sein, die zu den blutigsten gehörte. 2000 amerikanische Soldaten sollten dort fallen.
Von den 106 Aufnahmen der blutigen Schlacht blieben jedoch nur 8 übrig1. Capa war im Auftrag des LIFE Magazines vor Ort, dessen Dunkelkammer-Assistent so aufgeregt war, dass er den Trocknungsprozess durch die Anhebung der Hitze beschleunigen wollte und somit fast alle Aufnahmen zerstörte. Capa erfuhr eine Woche später davon, jedoch drohte er dem Magazin überraschenderweise die Kündigung an, sollten sie den Assistenten feuern.
Eine dieser Aufnahmen ist das oben gezeigte Foto. Als Life die Aufnahmen veröffentlichte, wurde die Qualität der Bilder damit erklärt, dass Capa durch die Hitze der Schlacht wohl nicht richtig fokussieren konnte. Was Capa wiederum so stinksauer machte, dass er seine Autobiografie provokant „Slightly Out Of Focus“* nannte.
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Robert Capa, geboren am 22. Oktober 1913 in Budapest, starb am 25. Mai 1954 in Thai-Binh, als er auf eine Mine trat. Er gilt bis heute als einer der bedeutendsten Fotografen und hinterließ ein Erbe von 70.000 Negativen.
Informationen zum Bildband
„Robert Capa: The Definitive Collection“*. 572 Seiten, 937 Abbildungen, Englisch. Erschienen am 1. November 2004, Phaidon Press. Preis: 39,95 €. Größe: 4,3 x 24,8 x 24,8 cm.
1 Meine Quellen unterscheiden sich in der Aussage. Russel Miller spricht in der Magnum-Biografie von 8 geretteten und 106 gemachten Aufnahmen, Capa-Biograf Whelan spricht im angepriesenen Band von 11 gerretteten und 72 gemachten Aufnahmen.
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kwerfeldein – Fotografie Magazin
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