Ein Beitrag von: Christian Hamann
Noch nie habe ich so gefroren und mich gleichzeitig so wohl gefühlt. Wie jedes Jahr bin ich im Winter wieder in Chicago unterwegs. Windy City, Chi-Town, Heart of America, Second Home. Für mich ist keine Stadt der USA so einladend und mit Heimatgefühlen verbunden wie die große Stadt am See.
Kalte Winter sind mir nicht fremd, doch die Winter in Chicago sind eine Art Lotterie. Im späten November kann man noch mit einem eiskalten Kaffee am Millenium Park sitzen und die Sonne genießen, um einen Tag später zu bemerken, dass man vielleicht doch den Polarparka hätte einpacken sollen.
Dieser Tag ist anders, er ist einfach perfekt. Kühl aber nicht kalt, sonnendurchflutete Straßenschluchten und schattige Hinterhöfe. Und so wandere ich ohne Ziel durch das Herz von Chicago-Downtown, dem Stadtteil mit den weltbekannten, überirdischen Subways – The Loop.
Chicago hat diesen unbeschreiblichen Charme. Patina wohin man schaut. Flugrost an den Trassen der Subway, vergilbte Schilder als Zeugen der alten Zeit von Schlachthöfen, Al Capone und den Filmerinnerungen an die Blues Brothers.
In Gedanken versunken wandere ich also über die South Wabash Avenue in Richtung Norden und stromere durch die vielen namenlosen Verbindungsgassen. Das Sonnenlicht als Kompass und die Kamera immer in der Hand.
Verlaufen kann man sich eigentlich gar nicht und wenn man doch mal Hilfe braucht: Chicagoer sind absolute Lokalpatrioten und helfen mit einem Lächeln und ein paar guten Tipps.
Innerhalb der Loop befindet sich das Finanzzentrum der Stadt. Banken und Börsen neben Starbucks und Shoppingmall. Ein buntes Treiben um mich herum und gleichzeitig so surreal. Alles hetzt von Termin zu Termin, während ich ohne Ziel einfach nur die Stadt in mich aufzusaugen versuche.
Nach vielen Blocks und Gassen schmerzen die Füsse und der Magen knurrt. Ich springe in die Subway und lasse mich einmal um den Stadtteil fahren.
Jetzt habe ich ein Ziel: Das alte Exchequer, Stammlokal von Al Capone mit der weltbekannten Deep Dish Pizza. Im Exchequer scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Wären da nicht Bilder von Michael Jordans großen Siegen mit den Bulls an der Wand, man würde sich in der Zeit zurückversetzt fühlen und Big Al jeden Moment erwarten.
Und so sitze ich zum Abschluss meines freien Tages in dem alten Schuppen, trinke ein Bier, esse meine Pizza, gehe meine Bilder auf der Kamera durch und staune, wohin mich meine Füße an diesem perfekten Wintertag in Chicago trugen.
kwerfeldein – Fotografie Magazin
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