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Auf der Straße zwischen Film und Sensor

14 Aug

© Max Slobodda

Ein Beitrag von: Max Slobodda

Als ich angefragt wurde, ob ich meine Bilder bei kwerfeldein vorstellen möchte, war ich sehr erfreut. Gleichzeitig war ich jedoch auch verunsichert. Sind doch die Fotos, die Ihr hier seht, noch aus der Zeit, in der ich glaubte, dass sich meine mir selbst gesetzten Standarss niemals ändern würden. Die Fotos sind aus meiner analogen Zeit und als Würdigung an meine geliebte Contax T2 zu verstehen.
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Zwischen Kreativität und Perfektionismus

09 Oct

Achtung, es folgt eine Provokation. In erster Linie provoziere ich mich selbst, aber das mag daran liegen, dass ich gerade anfällig dafür bin. Auf der Suche danach, was ich fotografisch eigentlich will, hatte sich zwischen Fragen nach Bildstil, Genre, Philosophie und Technik eine Menge an Frustration angestaut. Das mag jetzt nach chronischer Unzufriedenheit klingen, aber das ist es nicht. Es ist eher das Bedürfnis innerhalb des eigenen Schaffens, relevant zu sein.

Das ist natürlich ein großes Wort: Relevant. Und es wirft viele weitere Fragen auf. Relevant für wen? In welcher Zeit? Aus welcher Intention heraus? Durch welche Medien? Die Liste ist lang. Irgendwann zwischen solchen wirren Gedankengängen hatte ich dann eine digitale Begegnung mit einem Schulbusfahrer aus New York, die mir subjektiv irgendwie besonders vorkam.

Auf Flickr bin ich, mit eben erwähnten Überlegungen im Hinterkopf, über die Bilder von Kenneth Vogelsberg gestolpert. Bei der Flut an Bildern, die täglich auf verschiedenen Kanälen über mich herein bricht, verwunderte es mich, dass mein Blick an seinen Bildern hängen blieb. Aus fotografischer Sicht fand ich nämlich nichts, womit ich die scheinbar vorhandene Anziehungskraft hätte erklären können.

Sonnenlicht auf einer Veranda

Diese Verwunderung führte nunmehr dazu, dass ich den Bilden länger Aufmerksamkeit schenkte, einzelne herauspickte, analysierte, das spärlich ausgefüllte Profil las und das Bild des Fotografen näher betrachtete. Wirkt das Ganze auf mich skurril oder kann man es schon exzentrisch nennen? Irgendwann war ich wieder bei einem großen Wort angelangt, das mir geeignet vorkam, zu beschreiben, was ich an diesen Bildern fand: Authentizität.

Vom griechischen „authentikós“ abstammend, meint es soviel wie „echt“, „glaubwürdig“, umgangssprachlich auch mit „Originalität“ verbunden. Damit war ich dann auch wieder bei meinen Gedanken zur Relevanz angelangt. Denn Authentizität zählt für mich durchaus zu wichtigen Merkmalen, die etwas relevant werden lassen. Authentizität ist außerdem etwas, um das ich bei jedem Gebrauch der Kamera ringe.

Auf der Gegenseite steht die Reproduktion. Natürlich lassen sich keine klaren Grenzen zwischen Inspiration und Reproduktion ziehen, sofern man sich von der Arbeit anderer inspirieren lässt. Jedoch scheint die perfekte Reproduktion dessen, was als qualitativ gute Fotografie durchgeht, ein Konzept zu sein, das beinahe dem Alleinanspruch auf Seelenheil der katholischen Kirche nahe kommt.

Blick durch Busfenster

Ich habe mich schon vor einiger Zeit aus einer der großen Foto-Plattformen zurückgezogen, weil ich gelangweilt war vom Streben nach technischer Perfektion. Das klingt jetzt ziemlich arrogant, aber das war nun einmal mein Beweggrund. Ich konnte einfach keine HDR-Aufnahmen, Langzeitbelichtungen und perfekt ausgeleuchtete Ringblitz-Studiofotos von Frauen in Unterwäsche mehr sehen. Zwar braucht sich niemand für persönlichen Geschmack zu rechtfertigen, ich möchte aber an dieser Stelle dennoch sagen, dass ich mit diesen vollkommen subjektiven Aussagen niemanden angreifen will.

Zurück zu Kenneth Vogelsberg. Trotz der täglichen Bilderflut bin ich immer noch so grün hinter den Ohren, dass ich ständig auf Fotografen stoße, deren Arbeit mich verblüfft, fasziniert, bewegt und inspiriert. Kenneth Vogelsberg ist keiner davon, aber er hat es geschafft, dass ich ebenso viel Zeit mit dem Betrachten seiner Bilder verbrachte wie mit dem Durchblättern eines schicken Hochglanz-Bildbandes. Und irgendwann fand mein ungeübtes Auge auch Gründe dafür.

Ein kleiner Hund und ein Mensch, der an einem Bus lehnt.

Ein mögliches, weit verbreitetes Kriterium dafür, wie jemand ein Motiv auswählt, das fotografiert werden soll, ist Schönheit. Menschen fotografieren Dinge, die sie schön finden. Zwar hat sich die Fotografie seit ihren Anfängen ein Stück weit von dieser Herangehensweise emanzipiert und neben dieser eine Vielzahl weiterer Ansätze entwickelt.

Jedoch scheint mir die Fotografie, die mich so langweilt und enttäuscht, eben dieses Prinzip, um den Anspruch der Perfektion erweitert, konsequent durchzuexerzieren. Ich habe grundsätzlich nichts gegen technische Perfektion und lese selbst dauernd Tests über irgendwelche Konsumgüter, die mich scheinbar meine Ideen besser umsetzen lassen sollen.

Kürzt man aber die Kreativität aus der Gleichung raus, so erhält man die heutzutage weit verbreitete Formel „Reproduktion + technische Perfektion = hohe Qualität“. Es fliegen einem als Fotograf, der diese Formel in fotografischer Regeltreue befolgt, erbauende Mengen an virtuellen Herzchen und Sternchen zu, aber nach der Persönlichkeit in der Colorkey-Erdbeere, die man sich vom gewonnenen Print-Gutschein auf Acrylglas hat drucken lassen, sucht man vergebens.

Bevor ich nun Drohbriefe von Colorkey-Print-Besitzern bekomme, möchte ich nochmals sagen, dass man diese Ansichten absolut nicht teilen muss. Ich sehe das nun einmal so und versuche, mich dabei auch an die eigene Nase zu packen.

Vielleicht lassen sich all diese Überlegungen auch einfach darauf zurück führen, dass mit mir etwas nicht stimmt, aber ich fasse jede Einladung einer Stock-Foto-Seite, die in meinem Postfach landet, als negative Kritik auf. Das mag wieder schrecklich überheblich klingen, aber ich denke, wenn ich mir in meiner Fotografie ein Ziel stecken will, muss ich Prioritäten setzen. Und das bedeutet auch, zu wissen, was ich nicht will.

Ein Stinktier auf einem Stuhl

Die ständige Reproduktion von perfekt ausgeleuchteten Portraits, beeindruckenden Landschaftsaufnahmen und poetischen Bildergeschichten, der ich, trotz Ringen, dauernd verfalle, kommt in meinen Augen nicht an die Authentizität der Aufnahmen heran, die Kenneth Vogelsberg scheinbar nebenbei in seinem Alltag produziert.

Ich entdecke in seinen Bildern einen Blick für Licht und Schatten, für absurde Situationskomik, für Linien und Spiegelungen, die ich in so manchem Gewinnerfoto eines Foto-Wettbewerbs ebenso vermisse wie in meinen eigenen Arbeiten, die oftmals auch nur gern das wären, was ich bei anderen bestaune.

Diese Faszination mag daher kommen, dass seine Kompositionen außerhalb meines Erfahrungsbereichs liegen, aber vielleicht ist es auch gerade der ehrliche Blick auf die Dinge, die er zeigen möchte. Keine romantisierten Blumenkränze, sondern ein selektiver, offener Einblick in die Welt, wie er sie sieht.

Autos spiegeln sich in einer Glastür

Die Tatsache, dass eine (im konventionellen Sinn) technisch fehlerhafte Fotografie gefühlsmäßig wirksamer sein kann als ein technisch fehlerloses Bild, wird auf jene schockierend wirken, die naiv genug sind, zu glauben, dass technische Perfektion den wahren Wert eines Fotos ausmacht.

Andreas Feininger –

In meiner fotografischen Pubertät mag das gerade eine Phase sein, in der ich diese Schnappschüsse interessanter finde als jene auf Hochglanz nachbearbeiteten Bilder, die viel Lob ernten, in ihrem Kern aber nur die banale Reproduktion eines Erfolgsrezepts sind.

Auf das Wesentliche reduziert wünsche ich mir mehr Elemente eines Kenneth Vogelsberg in der fotografischen Welt, anstatt der ständigen Reproduktion von Motiven, die so auch in der Bilderrahmen-Abteilung eines Möbelhauses hängen könnten. Das ist in Sachen Authentizität alles andere als ein Qualitätsmerkmal, egal wie viele Tutorials zur Belichtung und Bearbeitung nötig waren.

Ich mag Tutorials und lerne gern von Menschen, die etwas von ihrem Können und Wissen weitergeben wollen. Dazu zählt auch, Erfolgsrezepte und Möglichkeiten auszuprobieren, die einem die Fotografie bietet. Irgendwie muss man sich ja auf den Weg begeben. Ich habe deshalb auch eine Liste mit Dingen, die ich gern einmal ausprobieren und nachmachen möchte. Nach meinem Verständnis sollte sich aber daraus ein eigener Weg abzeichnen.

Ein verlassenes Haus

Ich liebe es, durch andere inspiriert zu werden und führe eine lange Liste von Bildern und Künstlern, denen ich nacheifere. Dieser gedankliche Prozess ist keineswegs abgeschlossen. Gerade am Punkt der Relevanz werde ich sicher noch länger verweilen. Momentan denke ich, ein Bild ist relevant – für den Künstler, den Betrachter oder beide – wenn es seinen Zweck erfüllt. Wenn es vermittelt, was es vermitteln soll. Auch die Colorkey-Erdbeere hat so ihre Berechtigung, auf Servietten oder Obstkörbchen vielleicht.


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Zwischen Ästhetik und Konzept

04 Oct

Erst Modell, dann Fotografin – diese Reihenfolge findet sich in letzter Zeit immer öfter. Aber Natalia Evelyn Bencicova ist gerade einmal 21 Jahre alt und macht auch definitiv nicht irgendwelche Fotos. Ihre Arbeiten bewegen sich gleich in mehreren Schnittfeldern.

Die Künstlerin wuchs in Bratislava auf, lebte nun einige Monate in Berlin, weil sie das Gefühl hatte, dass es the place to be sei und nachdem sie dort die Kreativität, die förmlich in der Luft liegt, weil so viele junge, kreative Köpfe dorthin strömen, aufgesogen und in einige Projekte umgesetzt hat, zieht es sie nun nach Wien. An die Univerität für angewandte Kunst.

In Evelyns Arbeiten ist erst einmal nur klar, dass es sich um gestellte Werke handelt. Dann wird es schon schwieriger, weil sich die Bilder zwischen Kunst- und Werbe-Ästhetik, überhaupt zwischen ästhetisch und konzeptuell sowie persönlich und öffentlich bewegen. In mehreren Schichten schälen sich mögliche Bedeutungsebenen heraus.

Obwohl sie es vorzieht, jedem Betrachter die Interpretation ihrer Arbeiten zu überlassen, gibt es Ansätze beispielsweise für ihre Serie „ECCE HOMO“: Es geht um die Gesellschaft und wie Einzelne in ihr zurechtkommen. Im Grunde geht es um jeden. Jeden einzelnen. Daher sind die Körper nackt und anonym, ohne Eigenschaften. Gestapelt in kalten, unpersönlichen Räumen bilden sie einen seltsamen Kontrast. Die Räume wirken in ihrer unmenschlichen Gestaltung geradezu gefährlich auf die ungeschützten, hilflosen, verletzlichen Körper.

Einige nackte Menschen sind in offene Schränke sortiert.

Einige nackte Menschen liegen in einem Krankenhausflur.

Einige nackte Menschen liegen auf einem Podium in einem Verwaltungssaal.

Einige nackte Menschen symmetrisch angeordnet in einem Waschzimmer.

Einige nackte Menschen symmetrisch angeordnet auf und unter Behandlungstischen.

Einige nackte Menschen stehen aufgereiht aneinander in einem Tanzraum.

Es wäre spannend, einmal einer Session beizuwohnen. Evelyn sagt selbst, dass es einer der schwierigsten Teile ihrer Arbeit ist, ihre Ideen dem Team vor Ort zu erklären. Die Komposition und Posen der Akteure sind zwar im Vorfeld geplant, doch am Ort des Geschehens ergeben sich immer Änderungen, weil die ursprüngliche Idee nicht ganz so funktioniert und etwas geändert werden muss.

Dann erklärt Evelyn jedem einzelnen Modell seine Rolle im Foto, macht Posen vor, liegt seltsam auf dem Boden herum, läuft von hier nach da, ruft Dinge quer durch den Raum. Sie erwartet von den Modellen, sich ganz für das Projekt einzubringen und tut im Gegenzug für dieses Vertrauen in ihre Arbeit alles, um die Einzelteile zu einem bestmöglichen, ganz neuen Ganzen zusammenzuführen.

Eine nackte Frau mit Glatze hält eine Sphinx-Katze auf dem Arm.

Rückansicht zweier nackter Frauen, die sich umarmen.

Eine beleibte, nackte Frau von hinten, die von einer weiteren Person umarmt wird.

Mein Stil ist irgendwo zwischen visuell und konzeptuell. Ein schönes Bild ist für mich nicht mehr genug, aber ich glaube immer noch, dass ein starkes Konzept immer ein einer kraftvollen Ästhetik begleitet werden sollte. Ein starker visueller Reiz bekommt Aufmerksamkeit und erst damit bekommt man die Möglichkeit und Verantwortung, dem Betrachter eine Botschaft zu übermitteln.

Natürlich gibt es ein paar Regeln für diese Art der Ästhetik und es ist gut, sie zu kennen, aber nicht, ihnen einfach blind zu folgen. Em Ende des Tages geht es bei einem guten Foto nicht um die Technik – es ist das Foto selbst, das entscheidend dafür ist, ob Du es ansehen willst.

Portrait einer Frau mit weißer Skulptur auf dem Kopf, aus der weiße Flüssigkeit fließt.

Portrait einer Frau mit zwei weißen Skulpturen und weißer Farbe.

Portrait einer nackten Frau mit weißer Skulptur über den Kopf gestülpt, aus der eine weiße Flüssigkeit fließt.

Ich habe mit etwas angefangen, was man Fashion-Fotografie nennen könnte. Aber heutzutage halte ich die Werbung für ein Produkt nicht mehr für wichtig genug, um meine Zeit und Anstrengungen in so etwas zu investieren. Ich möchte studieren, um mich dann um die Verbreitung von Ideen zu kümmern, die unter die Menschen gebracht und geteilt werden sollten.

Portrait einer Frau mit Fischen.

Portrait einer Frau mit Tintenfisch.

Portrait einer nackten, in Folie gehüllten Frau vor einer Wand aus Holzstämmen, ebenfalls in Folie verpackt.

Portrait einer nackten, in Folie gehüllten Frau vor einer Wand aus Holzstämmen, ebenfalls in Folie verpackt.

Wenn ich jemandem, egal wem, einen Rat geben sollte, wäre es: Kreiere! Hör nicht auf, bis Du es genießt! Höre den Menschen zu, die versuchen, dich zu entmutigen, aber glaube ihnen nicht, denn Du wirst ihnen zeigen, dass sie falsch lagen. Wisse jeden Rat zu schätzen, merk Dir, wer Dich unterstützt hat und wenn es möglich ist, handle genauso und hilf jedem, denn sie werden es sich wiederum merken.

Warte nicht zu lange auf den richtigen Moment, denn er wird niemals kommen. Du selbst kannst bestimmen, wann die Zeit für etwas gekommen ist – normalerweise ist es genau JETZT.

Portrait: Dunkle Mehrfachbelichtung.Portrait: Dunkle Mehrfachbelichtung.
Portrait: Dunkle Mehrfachbelichtung.Portrait: Dunkle Mehrfachbelichtung.

Wenn Evenlyn beschreibt, wie es sich anfühlt, wenn sie eine Idee hat, die umgesetzt zu werden drängt, ist es fast, als hätte sie in meinen Kopf geschaut und gesehen, was dort bei mir in dieser Situation los ist:

Die Inspiration ist etwas, das mich geradezu voranschleift und das so intensiv, dass sie zum wichtigsten meiner Gundbedürfnisse wird. Während ich eine Idee habe, an die ich glaube, kann ich nicht richtig schlafen oder irgendetwas anderes machen bis zu dem Moment, in dem ich sie endlich umsetzen kann. Es ist das Gefühl von großer Faszination und Wichtigkeit, das mich beinahe übersteigt und mich fast ohne mein Zutun durch den gesamten Prozess zieht.

Diese zwanghafte Leidenschaft für die Umsetzung ihrer Ideen zeigt sich auch, wenn Evelyn dann loslegt, sie in die Tat umzusetzen. Sie sucht wochen- und monatelang Modelle und schaut sich auch mal 50 Orte an, um den richtigen für ein Konzept zu finden. Manchmal muss sich das ganze Team vor Ort unfassbar beeilen oder auch extrem leise arbeiten, weil der Besitzer des Gebäudes gar nicht weiß, was da hinter einer unverschlossenen Tür passiert. Aber gerade diese schrägen Situationen ergeben hinterher wiederum die besten Erinnerungen.

Evelyns Arbeiten könnt Ihr auf ihrer Webseite, Facebook, Instagram oder Behance verfolgen.


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Zuhause zwischen schwarzen Hügeln

20 Aug

Ein Beitrag von: Jens Olof Lasthein

2012 wurde ich vom Musée de la Photographie in Charleroi eingeladen, um die Stadt nach meinem eigenen Gutdünken zu fotografieren. Diese Chance nahm ich gern an und es stellte sich als der Beginn einer neuen Liebesgeschichte heraus. Die Ausstellung der Bilder folgte im Frühling 2013 und erst vor ein paar Monaten erschien das dazugehörige Buch. Das ist die Geschichte dahinter:

Ein Sessel in hohem, grünem Gras.

Blick über die Schulter eines Zugführers.

Ein Mann in gelbem Hemd an einer Straßenkreuzung.

Marchienne-au-Pont

Es ist ein heißer Tag und ich bin schon seit Stunden gelaufen. Nichts passiert wirklich. Die Sonne hämmert auf meinen Schädel und ich habe zu wenig Wasser dabei. Dann, als ich um eine Ecke biege, sehe ich einen Jungen auf einem Rad. Er schwitzt ebenfalls und hat sein T-Shirt ausgezogen, macht kleine Tricks die Straße hoch und runter.

Als er mich sieht, gibt er sich noch mehr Mühe, zu imponieren, dreht eine Runde um mich, prüft die Situation. Wir sehen uns an und ich mache ein paar Bilder. Etwas weiter die Straße runter sehe ich seinen Freund, scheu, auf einem anderen Fahrrad auf ihn warten, den Abstand wahrend. Ich würde ihn gern mit einbeziehen.

Dann hört man einen Ruf vom Ende der Straße. Ich sehe einen Mann, der sich mit langen Schritten nähert. Der Vater. Ohne nachzudenken, weiß ich: Das ist der Moment der Entscheidung. Ich gehe geradewegs auf ihn zu, suche den Blickkontakt und noch bevor ich meinen Mund öffne, um mit den wenigen französischen Worten, die ich kann, meine Anwesenheit zu erklären, sehe ich, dass alles in Ordnung sein wird.

Der Vater und ein Nachbar sind darin vertieft, ein Auto nach einem Unfall wiederzubeleben und die Jungs radeln um sie herum, schauen zu und fordern die elterliche Autorität heraus. Die Männer zeigen mir die Gegend und als wir in den Garten wollen, springt ein riesiger Hund fast über den Zaun, um uns anzuspringen.

Der kleine Garten ist voller Skulpturen: Griechische Nymphen, ein winziger Chopper, steinerne Löwen und Gänse, ein altertümlicher Filmprojektor, ein verrosteter Amboss, ein Springbrunnen mit kleinen Schwänen – alles über die Jahre vom Großvater gesammelt. Später am Nachmittag überreden mich die Jungs, ihnen in den Wald zu folgen, um dort einigen ihrer waghalsigeren Tricks beizuwohnen.

Als wir zurück sind, ist auch der Großvater da. Er durchbohrt mich geradezu mit seinem Blick, als wir uns die Hände schütteln und ich bemerke die blaue Träne, die unter sein rechtes Auge tätowiert ist. Sie setzen sich alle in seinen großen Van und fahren in einer Staubwolke davon und winken energisch auf Wiedersehen.

Ein Mädchen mit einem Hahn auf dem Arm, in einem Hinterhof.

Ein Mann vor einem Zugfenster, durch das man eine Industriegegend sieht.

Ein Mann hängt lässig aus einem Autofenster.

La Ville Haute

Als ich eine Gruppe junger Marokkaner fotografiere, werde ich von einem Mann mit Pferdeschwanz auf die andere Seite der Straße gerufen. Neckisch lädt er mich dazu ein, ihn auch zu fotografieren, er knöpft sein Shirt auf, beginnt zu posieren und ein warmes Glitzern in seinen Augen wird sichtbar. Ich bin sofort von seiner Offenheit entzückt.

Er trinkt gemeinsam mit ein paar Freunden, seiner jungen Tochter und ihrem Baby ein paar Bier an den Tischen vor einem Pub. Drinnen gibt es einen Billardtisch, wo ein paar Freunde anfangen zu spielen. Ich gehe immer hin und her zwischen draußen und drinnen, trinke Bier, quatsche mit den Leuten und fotografiere. Und dann sehe ich sie.

Sie sitzt ganz allein an der Wand. An den anderen Tischen sitzen ältere Paare, die sich unterhalten, Bier trinken, vor jeder Person stehen zwei Pints, aber diese Frau trinkt an ihrem Tisch elegant ein Glas Rotwein. Ihre etwas traurigen Augen erreichen mich über den Billardtisch hinweg und ich werde geradezu physikalisch zur anderen Seite gezogen.

Wir müssen nichts sagen. Ich hocke mich einfach vor ihr hin, lasse die Linse langsam über die Szenerie schweifen, halte meinen Atem an und hoffe darauf, dass ihre Anmut über dem Bild prangen wird.

Zwei junge Männer posieren auf einer Motorhaube vor einer Industrielandschaft.

Eine einzelne Frau in einer Kneipe, an den Nebentischen ältere Paare.

Ein Mann posiert mit einer jungen Frau und einem Baby im Arm vor einem Pub.

Dampremy

Das Abendlicht schwindet und der Regen, der schon seit einer Weile in der Luft hing, beginnt nun zu fallen – und ich bin mir nicht länger sicher, in welcher Richtung eigentlich die Metrostation liegt. Jemand hat einen alten Ledersessel an einer Straßenecke ausgesetzt und als ich ihn fotografiere, hält ein Mann neben mir an, lächelt über die Situation und fragt mich freundlich, ob er mich auf eine Tasse Kaffee nach drinnen einladen dürfe.

Ich verhindere, über den Papageienkäfig zu stolpern und schiebe einen Berg Wäsche und Ölgemälde zur Seite, um auf dem Sofa etwas Platz zum Sitzen zu haben. Mostapha zeigt mir stolz seine Taube und lässt sie mich halten, bevor wir Kaffee trinken und er mir Fotos seiner Karriere als marokkanischer Box-Champion, später -Trainer in Charleroi zeigt. All das, während sein kleiner Hahn mit Federhosen frei in den Zimmern herumläuft.

Der Hahn gehört seiner jüngsten Tochter, die gerade von der Schule nach Hause kommt. Von dem Moment an, in dem sie den Raum betritt, strahlt das Zimmer durch ihre Präsenz. Ihr Name, „Jamila“, der „schön“ heißt, könnte nicht passender gewählt sein und als ihr Blick mich offen und neugierig trifft, enthüllt er das natürlichste Selbstbewussein, das man sich vorstellen kann.

Ihr Vater schmilzt ganz einfach in ihrer Anwesenheit. Ich muss einfach einen Weg finden, um zu abzubilden. Drinnen ist es zu dunkel, also gehen wir nach draußen in ihren kleinen Hinterhof, um die letzten Strahlen des Tageslichts zu erhaschen. Die Luft ist mehr als kühl und sie trägt keine Jacke.

Trotzdem steht sie unglaublich still, hält den Hahn und blickt ernst in meine Augen, während ich langsam Bild für Bild belichte. Als wir wieder nach drinnen in die Wärme gehen, wo ihr Vater singt und seine Laute spielt, macht sie eine Zeichnung eines Mädchens, das ein Kamel durch eine Wüste reitet, an einem großen Kaktus vorbei, mit ihrem Geldbeutel am Schwanz.

Drei Männer vor einer Industrielandschaft.

Ein junger Mann im Gegenlicht vor einer Industrielandschaft und überwucherten Gleisen.

Zwei Jungen auf Fahrrädern, im Hintergrund schrauben zwei Männer an einem Auto.

Ouest

Ich bin schon ein paar Mal zu dieser Ecke am Kreisverkehr am Rande der Mittelstadt zurückgekommen, die ein bisschen einsam daliegt, wo die Industrie ihre Schornsteine hinter der Hochringstraße hinausragt und wo die Plastikpalmen vor dem brasilianischen Restaurant stehen.

Heute ist mein letzter Tag, ich bin wieder hier, laufe hin und her, warte auf… etwas. Und dann kommt er. Mit seinen dunklen, hypnotischen Augen, einem beeindruckenden Schnäuzer, behaarter Brust und Armen ist er wie die Figur aus einer Fantasiegeschichte.

Mein Herz hört auf zu schlagen, als ich auf ihn zugehe. Wir sehen einander an. Ohne meinen Blick von ihm abzuwenden, mache ich ein Bild. Er geht an mir vorbei und schaut die Straße entlang um die Ecke. Langsam dreht er sich um, bleibt direkt vor mir stehen und durchbohrt mich mit seinem Blick.

Ich mache noch ein Bild, gerade als ein Bus vorbeifährt, der genauso grellgelb ist wie sein Shirt und die Plastikpalmen. Als ich die Kamera herunter nehme, bricht er in ein großes Lachen aus und setzt seinen Weg dorthin, von wo er gekommen ist, fort.

 

Gilly

Der Verkehr staut sich aus irgendeinem Grund und die Autos bewegen sich langsam entlang der engen Straße. Ein junger Typ ruft mir aus seinem Auto etwas zu und während ich ihn fotografiere, fühle ich etwas im Augenwinkel. Als ich mich umdrehe, blicke ich in das Gesicht eines Mannes, der mich neugierig ansieht und an einer Mauer lehnt, die einen schmalen Weg entlang führt.

Ich werde instinktiv von seinen intensiven Augen angezogen. Normalerweise ziehe ich es vor, nicht zu fragen, bevor ich jemanden fotografiere, aber bei diesem Mann lässt mich irgendetwas meine Taktik ändern, sodass ich ihn frage, ob ich ein Bild von ihm machen darf, als ich die Kamera hebe.

Er hebt nicht einmal eine Augenbraue, als er „pas d’problème“ sagt. Keine weiteren Worte sind nötig und der Lärm der Straße verschwindet, während ich all meine Energie auf ihn konzentriere. Sein Name ist Samir und das ist der Beginn einer Freundschaft und vieler guter Stunden, in denen wir die Straßen entlang gelaufen sind, er mich herumgeführt, mir von seinem Charleroi, seinen Visionen und der Wichtigkeit, dem Leben auf der Straße gegenüber aufmerksam zu sein, erzählt hat.

Eine grüne Wiese mit Fußballtor vor einer Industrielandschaft im Hintergrund.

Drei Männer vor einer Kneipe mit roter Holzfassade.

Ein Mann steht vor einer Kneipe und beobachtet einen anderen Mann, der im Eingang auf allen Vieren hockt.

Marchienne

Es ist der Abend des Halbfinalspiels zwischen Italien und Deutschland bei der Fußball-Europameisterschaft und ich bin auf dem Weg, das Spiel auf einer großen Leinwand beim Stadion zu sehen. Ich erwarte eine aufgekratzte Stimmung, da die Gruppe der italienischen Einwanderer und ihrer Kinder einen großen Teil der Bevölkerung in Charleroi ausmacht.

Aber als ich an Ouest vorbeikomme, sehe ich das magische Licht der untergehenden Sonne, die sich durch dunkle Gewitterwolken über der Industriegegend von Marchienne kämpft. Es ist unwiderstehlich, also verlasse ich den Bus und beginne, durch ein majestätisches Spiel von Licht und Dunkelheit und teilweise peitschendem Regen zu laufen.

Es sind fast keine Autos auf der Straße, alle schauen das Spiel und bald habe ich den Fußball komplett vergessen. Ich treffe Domino, der selbst allein ohne Ziel unterwegs ist und fotografiere ihn zwischen überwachsenen Schienen, sich auflösend vor der untergehenden Sonne.

Wir gehen zusammen weiter, ein Auto hupt und zwei seiner Freunde, die auf dem Weg zu einer Party in Dampremy sind, strecken ihre Köpfe raus. Bevor Domino sich ihnen anschließt, fotografiere ich sie vor einem Hintergrund aus surrealem Licht, den Hochschienen der Metro und den Schornsteinen von Cockeril.

Während die Sonne verschwindet, gehe ich weiter die Rue de la Providence entlang und bald bin ich von tiefem Blau umgeben, nur unterbrochen von den spärlichen Straßenlaternen, begleitet von absoluter Stille. Aber dann, ganz plötzlich, sehe ich ein einzelnes Auto, das sich weit entfernt auf der Straße nähert.

Und es hupt wie wild. Und die Insassen hängen aus den Fenstern heraus. Und jetzt sehe ich auch die italienische Flagge! Innerhalb von zehn Minuten ist die leere Straße, die von Marchienne durch die weite Industriegegend ins Stadtzentrum führt, brechend voll mit hupenden Autos und fröhlich schreienden Italienern.

Während ich der Stadt entgegenlaufe und von der wachsenden Menge umfangen werde, sehe ich noch mehr Flaggen: Spanier, Portugiesen, Marokkaner, Algerier, Türken – alle jubeln und wollen diese gute Party nicht verpassen.

Ein rauchender Mann über einer geöffneten Motorhaube.

Eine Industrielandschaft am Ufer eines Kanals.

Ein überwachsener Hügel, eine große Pfütze und darin ein Autoreifen.

La Ville Basse

Das Dreieck ist eine faszinierende Gegend. Dort treffe ich Auguy und seine Freunde, die abhängen und mit ihren Hunden spielen. Manchmal schreien die Prostituierten mich wütend an, wenn sie mich mit meiner Kamera sehen, andere flirten fröhlich, wollen aber trotzdem nicht fotografiert werden, da sie Familien haben, die nichts von ihrem Nebenjob wissen.

Die Häuser in der Gegend sind teilweise verlassen, eines ist ausgebrannt, die meisten werden abgerissen, wenn das Stadtzentrum wiederaufgebaut wird. An der Ecke eines kleinen Platzes ist eine Bar, die mich schon seit dem ersten Mal in Versuchung führt, als ich ihre rote Holzfassade und das Neonschild mit der Aufschrift „Bar Les Anges“ sah.

Es ist schwer zu sagen warum, aber sie hat eine betörende Aura um sich und an diesem speziellen Tag beschloss ich, sie mir genauer anzusehen. Aber als ich versuche, ein Paar an einem der Außentische zu fotografieren, wird mir gesagt, dass ich lieber verschwinden sollte, wenn ich es nicht gerade vorziehe, mein Gesicht demoliert zu bekommen.

Also folge ich dem Rat, meinem schwächeren Ich unterlegen. Aber meine Neugier siegt doch. Ich lasse mich nicht so einfach verjagen und komme etwas später wieder. Der angsteinflößende Typ ist immer noch da, aber jetzt steht Axel in der Tür, mit einem Auge von einer Augenklappe bedeckt, während er mit seinem gesunden Auge den Platz absucht.

Aus irgendeinem Grund habe ich bei ihm ein gutes Gefühl, also gehe ich geradeaus auf ihn zu und bin sicher, dass er bereit ist, zu spielen. Ebenso sind auch seine Freunde und Freunde seiner Freunde aufgelegt, die für den Rest des Abends und der Nacht vorbeikommen.

Der fliegende Haarschopf eines Mädchens vor einer Industrielandschaft am Ufer eines Kanals.

Ein junger Mann mit Kapuze an einer Bushaltestelle in goldenem Licht.

Eine junge Frau vor einem Wohnhaus, neben dem eine Disco hell erleuchtet steht.

Ich kam das erste Mal vor einigen Jahren nach Charleroi und sah seine Silhouette durch beschlagene Autoscheiben hindurch, während ich auf den Hochstraßen fuhr. Ich lief die Straßen entlang und hörte mir Geschichten über das Schwarze Land an, das Lang der Kohlebergwerke, und die Rote Stadt, was sich auf das Leuchten der früheren Stahlindustrie bezieht, die Tag und Nacht lief – und irgendwie war ich fasziniert.

Nun war ich zurückgekehrt, um dort mehr Zeit zu verbringen und mehr rauszufinden. Ich sprach mit den Leuten, erfuhr etwas über ihr Leben in der Stadt damals und heute, über die Wellen der Einwanderung der Bergwerksarbeiter aus Südeuropa, Nordafrika und sonstwo, über das florierende Stadtleben als es Arbeit für alle gab, über die Depression, die auf die Schließung der Bergwerke und Industrie folgte, das sich alles zu der Stimmung vermischte, die ich hier fand.

Und ich war von der rauen Schönheit der Stadt und der Leute verführt, die wissen, wie man teilt, die einem Aufmerksamkeit entgegenbringen und sich gegenseitig respektieren. In den letzten Jahren war die Stadt großen Veränderungen unterworfen, die Leute diskutieren, sorgen sich oft darum, was die neuen Zeiten wohl bringen mögen.

Es ist keim Geheimnis, dass es offizielle Bemühungen gibt, das Image von Charleroi zu verändern. Indem man eine Stadt mit glänzenden Fassaden und teuren Mieten kreiert, zielt man darauf ab, wohlhabende Neulinge und erfolgreiche Unternehmen anzuziehen. Hoffentlich denken die Stadtplaner aber auch an die Menschen, die bereits hier leben – jene, die die Träger des einzigartigen und wirklich internationalen Charmes von Charleroi sind.

Eine Ansammlung von Menschen, die skeptisch gucken.

Auf einer Straßenkreuzung hält ein Mann die Tür zu einem Auto auf, in dem gerade ein Hund verschwindet.

Zwei junge Männer an einer Bahnhaltestelle.

Die hier gezeigten Bilder stammen aus Jens Olof Lastheins Buch „Home Among Black Hills“*, das aktuell leider vergriffen ist.

Dieser Artikel wurde für Euch von Aileen Wessely aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.

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Versteckt am Rand zwischen Traum und Realität

13 Apr

Manchmal, wenn ich mit Künstlern in Kontakt stehe, um sie Euch hier vorzustellen, ist es spannend, zu sehen, welche Informationen sie über sich selbst preisgeben und welche verschwiegen bleiben. So wie bei der jungen polnischen Fotokünstlerin, die unter dem Pseudonym Inpluvia Tenebrae im Netz auftritt.

Ihren echten Namen verrät sie nicht, aber viel über sich selbst und ihr Leben außerhalb der Fotografie. Sie ist Jahrgang ’93 und studiert an der Elektronischen Fakultät der Technischen Universität von Breslau, nachdem sie im letzten Jahr ihr Musikdiplom (sie spielt Violine) abgeschlossen hat.

Die Fotografie betreibt sie als Hobby, nur für sich selbst. Sie hilft ihr, aus der Realität auszubrechen. Sie ist eine Träumerin. Fasziniert und gleichzeitig verängstigt von der sie umgebenden realen Welt. In der Fotografie kann sie alles anders aussehen lassen als es in der Wirklichkeit ist.

Ich sehe sehr leicht fantastische, märchenhafte Elemente. Meine Bilder zeigen die Welt am Rande, die sich zwischen Traum und Realität versteckt. Dinge, die die Menschen nicht sehen, weil sie zu beschäftigt sind und zu müde, um darüber nachzudenken, wie außergewöhnlich die Welt ist.

In ihren Arbeiten geht es oft um die Themen Einsamkeit, Anders- und Fremdsein. Sie versucht, in die dunklen Nischen der menschlichen Natur vorzudringen. Wie man sieht, unternimmt sie oft Ausflüge in verschiedene experimentelle Techniken, um Bilder mit ungewöhnlichen Effekten zu erzielen.

Mit dieser Philosophie erschafft sie eine eigene, fast schwarzweiße Welt aus Portraits, Straßenaufnahmen, surrealen Waldszenen und geradezu ätherischen Aufnahmen von namenlosen Heiligen und Details im Dunkel.

a sad song of the tall trees © Inpluvia Tenebrae

potwory nie ludzie © Inpluvia Tenebrae

alewdomunajlepiej © Inpluvia Tenebrae

beauty can't be seen © Inpluvia Tenebraemy favorite things © Inpluvia Tenebrae

© Inpluvia Tenebrae

still haunting me © Inpluvia Tenebrae

from distant worlds © Inpluvia Tenebrae

his house © Inpluvia Tenebraejourney © Inpluvia Tenebrae

who we are © Inpluvia Tenebrae

kosmki © Inpluvia Tenebrae

prelude in c minor © Inpluvia Tenebrae

ideulicami © Inpluvia Tenebraedotwarzyci © Inpluvia Tenebrae

between dream and reality © Inpluvia Tenebrae

white spaces © Inpluvia Tenebrae

wietrznie niespokojny © Inpluvia Tenebrae

Inpluvias Bilder findet Ihr bei deviantART sowie auf ihrem Tumblr und Blogspot. Außerdem betreibt sie zwei weitere Blogspots mit interessanten Eindrücken aus den polnischen Städten Brzeg und Breslau.


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Zwischen Autobahn und Tagebau

30 Oct

Ein Beitrag von: Sebastian Mölleken

Es ist oft nur ein ganz kurzer Moment, ein Blick im Vorbeifahren, ein Satz im Radio, eine Zeile in der Zeitung oder ein Bild im Internet, das meine Aufmerksamkeit weckt. Es setzt etwas in Bewegung und lässt mich nicht mehr los. Vielleicht eine angeborene Neugier, die mich antreibt, die in mir den Wunsch weckt, tiefer blicken zu wollen und die dafür sorgt, dass ich mich monatelang mit einem Thema beschäftige.

Ich habe mich bei meiner Arbeit in den letzten Jahren immer wieder gefragt: Wie leben Menschen unter besonderen Bedingungen? Ich war in einem Gefängnis und in einem Asylbewerberheim. Ich habe mich gefragt: Wie leben Menschen entlang einer Autobahn? Oder eben auch: Wie leben sie mit einem Tagebau?

Tagebau © Sebastial Mölleken

Alle Menschen, die ich dabei kennen gelernt und fotografiert habe, hatten etwas gemeinsam: Sie passen ihr Leben jeden Tag an Umstände an, die uns zunächst fremd sind, die wir auf den ersten Blick nicht verstehen können, die uns vielleicht sogar unwirklich, abstoßend, bedrohlich oder skurril erscheinen. Für diese Menschen sind sie aber normal geworden, sie haben sie angenommen und sich damit arrangiert. Mich interessieren genau diese Menschen und diese Lebensumstände – und wie sie einander prägen.

Zwischen Mensch und Landschaft gibt es dabei eine tiefe Verbundenheit: Die Landschaft prägt den Menschen, der in ihr lebt und gleichzeitig prägt auch der Mensch die Landschaft. Es ist eine Symbiose, deren Verbundenheit oftmals an ihren Widrigkeiten noch stärker wird. Der Mensch und seine Umwelt scheinen mir unzertrennlich. Fast immer bestehen daher auch meine Arbeiten aus Portraits und Landschaften im weitesten Sinne.

Tagebau © Sebastian Mölleken

Dabei ist es egal, an welchem Thema ich arbeite. Ob ich an der A40 stehe und Tausende von Autos an mir vorbeirasen oder ob ich vor einem 250 Meter tiefen Loch stehe, das ein Bagger langsam durch die Landschaft gräbt. Die Fragen, die ich mir stelle, bleiben gleich: Wer lebt hier und wie lebt er hier? Wie sieht seine Umwelt aus und wie wirkt sie auf ihn ein?

Viele Monate lang beschäftigte ich mich mit der A40 und mit dem, was ich hinter den Schallschutzwänden fand. Ich nahm jede Ausfahrt, lief die Strecke auf und ab, immer auf der Suche nach dem, was man im Vorbeifahren nicht sieht. Was ich fand, waren teils skurrile Landschaften, die uns zeigen, wie sehr sich der Mensch arrangieren kann und wie er sein Leben an diese Umstände anpasst. Er macht Campingurlaub im Schutze der Schallschutzwand, er weidet seine Kühe unter der Autobahnbrücke, er geht schwimmen im Dunst des Verkehrs und selbst aus dem Grab blickt manch einer noch Richtung Autobahn.

Tagebau © Sebastian MöllekenTagebau © Sebastian Mölleken

Die Menschen, die ich traf, fanden das nicht ungewöhnlich. Sie haben sich so sehr daran gewöhnt, dass sie den Lärm gar nicht mehr hören. Ich suchte unter ihnen nach einem Querschnitt durch das Ruhrgebiet und fand die unterschiedlichsten Typen: Vom Kleingärtner in Bochum über den Studenten in Essen bis hin zum Pferdebauern in Moers waren für mich alle gleich interessant. Aus Landschaften und Portraits entstand so ein Gesamtbild, das für mich das Gefühl einer ganzen Region widerspiegelt.

Mit Unterstützung der RWE Stiftung bekam ich dann die Möglichkeit, eine neue Arbeit anzufertigen. Ich entschied mich für das Thema „Tagebau“, ohne zunächst eine Ahnung von dessen tatsächlichen Ausmaßen zu haben.

Tagebau © Sebastian Mölleken

Als ich dann zum ersten Mal im Tagebau Garzweiler und in den angrenzenden Gebieten unterwegs war, wurde ich von den Eindrücken und von der Größe dieses Projektes beinahe erdrückt. „Hier wird der Tagebau in den 40er Jahren sein“, sagte die Begleitperson, die mir am ersten Tag zur Seite stand. Wir befanden uns weit ab vom jetzigen „Loch“. In den 40er Jahren? Es hörte sich an, als spreche sie von der Vergangenheit, doch sie meinte die Zukunft.

Noch heute ist mir die Logistik dieses monumentalen Eingriffs ein Rätsel und jedes Mal, wenn ich dort war, hatte ich das Gefühl, der Wirklichkeit entkommen zu sein. Alles scheint irreal, fast surreal, wie in einem Film oder Traum. Die Empfindung für Zeit und Größe verschiebt sich, denn hier herrschen andere Dimensionen.

Tagebau © Sebastian Mölleken

Nachdem ich die ersten Eindrücke verarbeitet hatte, kamen schnell wieder dieselben Fragen in mir auf, die mich auch sonst beschäftigen. Sie dienten mir als Orientierung in dieser fremden Welt:
Wer lebt hier und wie tut er das? Welche Aufgaben hat der Mensch hier? Wie sieht seine Umwelt aus und wie wirken Mensch und Umwelt aufeinander ein?

Wichtig war mir dabei, verschiedene Positionen deutlich zu machen. Nur die alte, für den Tagebau geopferte Welt zu zeigen, wäre mir zu einfach gewesen. Und es wäre auch schlichtweg falsch. Es werden Orte abgerissen – es werden aber auch neue, moderne Orte erschaffen. Die Umwelt wird angegriffen, aber es wird Energie gewonnen, die wir benötigen. Ich habe Menschen gesprochen, für die ihre Umsiedlung ein schlimmes Ereignis war, aber ich habe genauso mit Menschen gesprochen, die sich über ihre neue Heimat freuen. Es gibt beide Seiten und das zeigen auch meine Bilder.

Tagebau © Sebastian MöllekenTagebau © Sebastian Mölleken

Egal, ob ich in einem verlassenen Ort durch die leeren Straßen lief, ob ich am Rande des Tagebaus vor dem gewaltigen Bagger stand oder ob ich die Neubausiedlung durchquerte: Es herrschte immer und überall eine besondere Atmosphäre. Sie ist schwer zu beschreiben, es liegt einfach etwas in der Luft, von dem ich hoffe, es mit meinen Bildern transportieren zu können.

2012 erschien mein Buch „Tagebau“ im Kettler-Verlag. Darin fasse ich die ganze Arbeit zusammen und zeige einen umfassenden Blick auf die verschiedenen Aspekte rund um Garzweiler II. Das Buch kann direkt bei mir zum Vorzugspreis erworben werden, Bestellung über meine Homepage. Vor Kurzem wurde die Arbeit nun mit dem Felix-Schoeller-Award für Landschafts- und Naturfotografie ausgezeichnet.


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Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

10 Oct

Ein Beitrag von: Kristina Leimkühler

Es war ziemlich heiß, den ganzen Tag über, und jetzt auf dem Meer gen Abend endlich kühler, sogar schon kühl genug, um ins Fleece zu schlüpfen. Über dem Schiff tauchen die ersten Sterne auf, je mehr Zeit vergeht, desto düsterer werden Wasser und Himmel und umso funkelnder die Lichter der Insel in der Ferne.

Durch die rostigen Stufen hindurch sehe ich die meist weißen Autos im Bauch der Fähre schaukeln. Die Vorhersage, dass beim Verreisen mit Großformatkamera sowieso gleich ein Koffer voll sei, habe ich zunächst nicht glauben wollen, bis es zum Packtag kam und dann, zusammen mit digitalem Equipment und Zubehör, mein Handgepäck von zwölf Kilogramm ausgefüllt war.

Die Linhof wiegt auf ihrer Stange nur etwa so viel wie eine Mamiya Rb67, also um die drei Kilogramm, aber mit Tuch, den Kassetten, fünf an der Zahl, dem Film, einem Puster, Wasserwaage, Putztuch, Wechselsack und Drahtauslöser addiert sich so einiges an Gewicht auf. Was noch auf die zwölf Kilogramm fehlte, habe ich dann mit einer 5D mit 50mm und 100mm aufgefüllt.

Ich war nun zum dritten Mal im Oman, konnte mir also genug Gedanken machen, was ich abbilden möchte bzw. was ich da überhaupt sehe. Es war unkompliziert, die Kamera mitzunehmen, auf der Hinreise musste ich sie nicht auspacken. Vor Ort hatten wir ein Auto gemietet, also ideale Bedingungen für Großformat.

Die Berge und die Weite im Oman machen mich staunen. Das Format 13x18cm sollte genau das richtige sein, um sie abzubilden. Während ich mit einem Mal all die Farben wirklich sah, an die ich mich von meinen vorherigen Bildern nur noch traumartig erinnert hatte, verloren wir uns zwischen grauem Staub und Steinen, zwischen rotem Sand und Geröll.

© Kristina Leimkühler

Die Kamera war schnell auf- und abgebaut. Schwieriger, viel schwieriger war es, den wirklich richtigen Punkt für eine Aufnahme zu finden. Auch, weil das Gelände schwer zugänglich ist. Während ich einige Bilder bereits im Kopf hatte, überkamen mich während der Reise Zweifel, zu wenige Bilder gemacht zu haben und Unglaube, dass ich das, was ich abbilden wollte, schon in der silbernen Schachtel hatte.

Die Filme habe ich immer nachts gewechselt, im Zelt, im Wechselsack. Fünf Kassetten hatte ich dabei, das war auch am besten Tag genug. Die Hitze der Tage machte es unmöglich, sich während des Bildermachens zu enthusiastisch zu gebärden, allerdings war ich jeden Abend voller Vorfreude, wenn ich ein oder zwei Blatt Film mehr in meine selbst gebaute, lichtdichte Aufbewahrungsdose gelegt hatte.

In einem Fall haben wir uns entschlossen, die Kamera mit in einen Wadi zu nehmen, zum Glück hat B. die meiste Zeit den Koffer getragen. Hier hatte ich die Kamera aufgebaut, um ein Bild von mir zu machen, beziehungsweise machen zu lassen, und obwohl wir an einem schwer zugänglichen Ort waren, kam eine Gruppe Saudis vorbei, die tatsächlich an der Kamera interessiert war.

Da ich zunächst noch auf irgendeinem Felsbrocken klettern war, hörte ich amüsiert zu, wie der Liebste den Jungs das erklärte, was ich ihm wiederum Minuten zuvor erklärt hatte, damit er das Bild machen könne und stelle mich dann dazu: Hier Blende und Belichtung einstellen, da drunter schlüpfen, um Bild und Schärfe einzustellen, da dann die Filmkassette einschieben und dann auslösen. Und dass die Kamera etwa 40 Jahre alt sei.

© Kristina Leimkühler

Eines Mittags, am Ende einer Ebene, nach einem kurvenreichen, langen Aufstieg durch leeres Land, durch frisch gesprengten Fels und rotbraunes Geröll, eröffnete sich vor uns plötzlich eine Weite, in der ich Berge sah, wie ich sie bisher nur gezeichnet kannte. Ich stellte die Linhof auf eine Anhöhe und kroch unters Tuch. Ein Auto schlich langsam hinter uns vorbei, daraus schauten drei Paar misstrauische Augen.

Die Fotos von diesem Tag sind, als einzige, auf mir nicht erklärbare Weise ins Licht gekommen; so bleiben sie denn nur in meinem Kopf. Zurück in Berlin habe ich die Negative bei Fotoimpex entwickeln lassen. Auf dem Stapel war dann vermerkt, dass ich den Belichtungsmesser checken sollte, weil die Bilder alle unterbelichtet seien. Zuvor hatte ich keine Probleme mit dem Belichtungsmesser gehabt. Vielleicht war mein f/45-Projekt nicht die beste Idee.

Ich habe einige wenige perfekt belichtete Fotos und viele, die leider nur ein recht dünnes Negativ abgeben. Noch habe ich keine exzessive Dunkelkammerarbeit betreiben können, um zu sehen, was sich rausholen lässt. Die digitalen Scans lassen mich in Details verlieren und durch graue Riesengebirge tauchen. Ich glaube, dass meine Idee, die Größe dessen, was ich im Oman sehen kann, mit einem umso größeren Negativ besser darstellen zu können, nicht aufgegangen ist.

Detail © Kristina Leimkühler

Zumindest nicht, wenn ich in meinen bisherigen Maßen denke, mit denen ich Bilder im Internet oder meinem Vergrößerer erzeuge und betrachte. Es ist vorstellbar, dass das Ausmaß dessen, was zu sehen ist, sich auf Abzügen ab einer Größe von A2 erschließt. Vielleicht hat der außerordentlich hell strahlende Himmel das Ergebnis der Belichtungsmessung verfälscht. Vielleicht ist aber auch einfach der Größe des Negativs wegen viel mehr Detailarbeit nötig, die sich auch bereits jetzt bei den Scans sichtbar auszahlt.

Mit den Bildern bin ich eigentlich nur in zwei Fällen zufrieden. Bei manchen mag ich Details. Ich stelle die Bilder also nicht rein unter der Idee zu dem Artikel, weil ich sie top gelungen finde, sondern um zu zeigen, was (mir) möglich war und um zu bebildern, wie es mir damit ergangen ist. Die Kosten halten sich übrigens, sofern man bei schwarzweiß bleibt, in relativen Grenzen.

Adox wird diesen Planfilm nicht weiter produzieren (hier lag man bei einem Euro pro Negativ), dann bleibt Ilford, was dann, soweit ich mich erinnere, 1,50€ pro Negativ bedeutet. Die Entwicklung kostet ab vier Stück 2,26€. Ich weiß nicht so recht, ob ich die Kamera weiterhin für Außenaufnahmen nutzen werde, denn ich denke bei der Motivauswahl bedarf es da mehr Sorgfalt.

Im Innenraum habe ich gute Erfahrungen gemacht mit ihr; auch, was die Belichtung angeht. Da war es dann genau der Großformateffekt, den ich mir vorgestellt hatte und von einer Sinar kannte – wow.


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Zwischen Bunkern und Blindgängern

03 Nov

Ein Beitrag von: Sebastian Sczepanski

Wilde Tiere in fernen Ländern abzulichten, das verbinden viele mit dem Thema Naturfotografie. Für mich bedeutet sie jedoch vor allem, die Natur vor der eigenen Haustür und in der näheren Umgebung zu entdecken und festzuhalten.

Aufgewachsen mitten im Ruhrgebiet, faszinierten mich dabei fotografisch von Anfang an vom Menschen beeinflusste und geschundene Gebiete. Im Jahr 2008 zog ich aus Nordrhein-Westfalen in den Osten Deutschlands. Seitdem interessieren mich vor allem die ehemaligen Truppenübungsplätze der Sowjetarmee.

Ihre Formen- und Artenvielfalt, die ich in einem Fotoprojekt zu porträtieren versuche, verdanken sie den Eiszeitgletschern und den Manövern der Roten Armee im gleichen Maße.

Der rege Übungsbetrieb des Militärs, zu dem Panzerfahrten und unbeabsichtigte Flächenbrände gehörten, rissen tiefe Wunden in die Landschaft und zerstörten diese wahllos. Stets war der Zufall mit im Spiel und sorgte für eine mosaikartige Ausprägung der Landschaft. Nachdem im Jahr 1994 die letzten sowjetischen Truppen abzogen, übernahm die Natur wieder das Kommando.

Inzwischen haben Truppenübungsplätze vor allem unter Naturschützern einen ganz besonderen Ruf, denn viele Tier- und Pflanzenarten, die andernorts bereits ausgestorben sind, finden hier einen letzten Rückzugsraum. Ideale Bedingungen also für Naturfotografen.

Heute prägen große Heideflächen, Sandwüsten, Moore und unberührte Birken-Kiefern-Wälder die ehemaligen Truppenübungsplätze. Größtenteils mit Blindgängern verseucht, sind viele Bereiche nur mit Sondergenehmigung zu betreten. In den Sommermonaten entzündet sich hin und wieder alte Munition, was zu Bränden führt und zeigt, dass auch nach zwanzig Jahren immer noch Gefahr besteht.

Dennoch bin ich so oft es geht auf den Truppenübungsplätzen Brandenburgs unterwegs, die aufgrund ihrer enormen Größe und der schlechten Wegenetze jede Tour zu einer zeitintensiven machen. Die meisten Motive erreiche ich zu Fuß, was im lockeren Sand auf Dauer mühselig ist und die Bedingungen zusätzlich erschwert.

Gerade aber der Sand ist eine Komponente, die ich fotografisch sehr gern in die Bilder einbaue. Kaum etwas ist typischer für diese Gegend und besonders das warme Abendlicht lässt jedes Sandkorn leuchten wie ein Diamant.

Beliebte Motive in den Sandheiden sind für mich die Springspinnen. Gerade einmal vier bis zehn Millimeter groß und immer „auf dem Sprung“, sind sie nicht leicht zu fotografieren. Schafft man es dennoch, sich ihnen in einem entsprechenden Abbildungsmaßstab von weit über 1:1 zu nähern, entstehen interessante Aufnahmen.

Besonders die großen Augen ziehen den Betrachter in ihren Bann. Mangels eines Lupenobjektives im Hause Nikon nutze ich dafür einen 1,4x-Konverter und einem 3dpt-Achromaten am Sigma 150mm f/2,8 EX DG Makro.

Auch die eher monotonen Kiefernforste, die in den Randbereichen der Truppenübungsplätze großflächig angebaut wurden, nutze ich gern als Motiv. Mit Hilfe von Doppelbelichtungen oder Wischern gelingen auch in auf den ersten Blick uninteressanten Wäldern besondere Bilder.

Ebenso geben die mit Nadeln, Kiefernzapfen und Rentierflechten bedeckten Böden mit dem richtigen Ausschnitt abwechslungsreiche Motive ab.

Alte Eichenwälder, die zu Zeiten der militärischen Nutzung keine Axt gesehen haben, existieren ebenfalls und bieten seltenen Arten wie Hirschkäfer und Großem Eichenbock einen geeigneten Lebensraum. Bei solchen dämmerungsaktiven Arten nutze ich gern einen Blitz.

In der Naturfotografie oft verpönt, halte ich ihn – solange er gut eingesetzt wird – für ein nützliches und oft sogar unverzichtbares Hilfsmittel.

Besonders für die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland sind Truppenübungsplätze von großer Bedeutung. Die Gebiete sind unbesiedelt und kaum durch Straßen zerschnitten.

Auf den von mir oft aufgesuchten Plätzen Lieberose und Jüterbog gab es 2011 das erste Mal Wolfsnachwuchs. Sich mitten in einem deutschen Wolfsrevier zu bewegen, ist etwas ganz Besonderes, jede frische Wolfsfährte ein unglaubliches Erlebnis.

Neben zahlreichen Spuren gelang mir jedoch erst eine einzige kurze Beobachtung eines ausgewachsenen Wolfes. Die Hoffnung auf eine Wolfsaufnahme gebe ich natürlich nicht auf und habe somit neben der üblichen Ausrüstung für Makrofotografie stets auch das schwere Teleobjektiv dabei.

Doch die Fülle an Insekten, Spinnen, Reptilien und besonderen Pflanzenarten, die es auf Truppenübungsplätzen zu fotografieren gibt, entschädigen für das schwere Gepäck und lassen keine Tour vergeblich sein.

Besonders gern versuche ich dann, sehr tiefe Kamerapositionen einzunehmen und so eine leichte Vernebelung des Vordergrundes zu erreichen. Dies gibt den Aufnahmen einen luftig-leichten Charakter.

Bei Schmetterlingen auf Blüten nutze ich gern anderen Blüten im unscharfen Vordergrund, um diesen Effekt zu erzielen. Gerade Schmetterlinge verdienen dieses „Leichte“, was diese Bilder vermitteln.

Wohin mich mein Fotoprojekt letztendlich führen wird, ist noch unklar. Aufgrund der vielfältigen Motive werde ich sicherlich noch einige Jahre auf den Truppenübungsplätzen Brandenburgs unterwegs sein. Ich habe noch zahlreiche Bilder im Kopf, deren Umsetzung einige Zeit in Anspruch nehmen wird.


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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