Der neue Fotoband „Wall: Israeli and Palestinian Landscapes“ des tschechischen Fotojournalisten und Magnum-Fotografen Josef Koudelka ist in vielfacher Hinsicht ein echtes Schwergewicht: Das Thema, die Bilder, das Format – nichts an diesem Buch ist einfach zu konsumieren. Aber gerade deswegen lohnt sich die Auseinandersetzung damit sehr.
In den Jahren von 2008 bis 2012 machte Josef Koudelka großformatige Panorama-Aufnahmen entlang der Grenze zwischen Israel und Palästina. Er fotografierte die 750 Kilometer lange „Wall“, verschiedene Grenzanlagen in Ost-Jerusalem, Hebron, Ramallah, Betlehem und in mehreren israelischen Siedlungen im Grenzbereich zu Palästina.
„Wall: Israeli and Palestinian Landscapes“ bündelt auf 120 Seiten eine Auswahl von 54 Fotografien aus diesen vier Jahren, die sich jeweils in hochkontrastigem Schwarzweiß über eine Doppelseite von 70 x 26 cm erstrecken.
Man sieht eingezäunte Straßen, massive Betonmauern, Stacheldraht, Militäranlagen, elektrische Zäune. Die Kette eines Panzer schlängelt sich über den Sandboden, Graffiti erzählen von Gewalt, Betonpfeiler stehen wie Denkmäler vor einer Hügelkette.
Überall sehen die Grenzanlagen anders aus, aber eines ist ihnen immer gemein: Sie wirken bedrückend, groß, massiv, abschreckend, vor allem die Mauer selbst, die sich in bis zu acht Metern Höhe durch die Landschaft schlängelt.
Die apokalyptischen Bilder einer fremdartigen, bedrohlichen Landschaft stellen Fragen nach dem Sinn von menschlichen Bauwerken im Allgemeinen, Fragen nach dem Umgang der Menschen miteinander, aber auch mit der Natur.
Kouldelkas Fotografien sind neutral, soweit das bei so einem Thema möglich ist, auf der Oberfläche scheinen sie nur dokumentarisch, aber es sind keine schönen Bilder. Er geht an die Grenze in ihren vielen Erscheinungsformen heran wie ein Journalist, aber es gelingt ihm durch das Breitbildformat und durch die Abbildung in schwarzweiß auch, eine ungeheuere Emotionalität und künstlerische Wucht in die Bilder zu legen, ohne dass Menschen auf ihnen zu sehen sind.
Man sucht als Betrachter nach Hinweisen von Leben in diesen Bildern, als wären sie Aufnahmen von einem fremden Planeten. Aber man findet neben den gewaltigen Bauwerken der Abgrenzung nur ein paar dürre Bäume und das an eine der Mauern gesprühte Bild eines jungen Mannes mit einer Maschinenpistole.
Eine Chronologie der geschichtlichen Ereignisse der Region ist vorangestellt, ein Glossar am Ende schließt das Buch ab und erklärt die politischen Kontexte und Zusammenhänge. Wenn man „Wall“ in Ruhe durchgesehen hat, fühlt man sich plötzlich sehr nah dran am Konflikt zwischen Israel und Palästina.
Fazit: „Wall“ ist ein hochpolitisches, ein emotionales, beeindruckendes, sehr empfehlenswertes Buch, das definitiv nicht nur für an politischem Fotojournalismus interessierte Menschen eine Besonderheit ist.
„Wall“ von Josef Koudelka* ist als Hardcover-Ausgabe beim Verlag Prestel erschienen und umfasst 128 Seiten.
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kwerfeldein – Fotografie Magazin
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