Ein Beitrag von: Laura Callsen
Kommt Dir dieses Gefühl bekannt vor? Du sitzt vor Deinen letzten Fotografien und stellst fest, dass Du nicht zufrieden bist. Du betrachtest Deine Bilder näher, versuchst herauszufinden, was Dich stört, doch kannst nichts finden.
Das Licht ist gut, die Schärfe stimmt, der Ausdruck des Modelles passt, auch die Farben sind schön und harmonieren miteinander. Wieso also diese Unzufriedenheit? Fakt ist: Du hast ein gelungenes Bild, das vor den Augen anderer bestehen kann.
Aber ist Dir das selbst wirklich genug? Ich musste diese Frage für mich irgendwann mit einem klaren Nein beantworten. Lange Zeit reichte es mir, klassische, simple Portraits zu machen, wie die, die Du hier siehst.
Ich denke, dass ich mit dieser Art von Bildern durchaus zufrieden sein könnte. Ich finde sie immer noch gut und bin meinen Modellen sehr dankbar, dass ich sie fotografieren durfte und dass sie so viel von ihrem Wesen für meine Bilder gaben.
Schaue ich mir meine alten Fotos heute allerdings an, muss ich mir eingestehen, dass da nicht viel von mir selbst drin steckt. Meine alten Fotografien scheinen eine heile Welt zu zeigen, die in meinem Inneren so jedoch nicht existiert.
Ich hatte bereits seit etwa zwei Jahren fotografiert, als mir bewusst wurde, dass meine Bilder zwar hübsch, jedoch ohne großen Inhalt waren. Ich sehnte mich nach mehr Inhalt, nach tieferen Gefühlen für meine Fotografien.
Ich stand vor dem Problem, dass ich mich kaum mit meinen eigenen Bildern identifizieren konnte. Mir das einzugestehen war nicht leicht und ich wusste, dass ich so nicht weiter machen wollte. Veränderung musste her, dringend!
Wo wollte ich hin mit dem, was ich tat? Kunst und damit auch die Fotografie ist eine Möglichkeit, Gedanken zu verarbeiten und sie an die Oberfläche zu bringen, sie sichtbar zu machen. Das war es, was ich wollte.
Ich versuchte also, den Fokus mehr auf den Ausdruck des Modells und weniger auf Kriterien wie Schärfe und die generelle Bildqualität zu legen. Weg von der „technischen Perfektion“, um die es so oft zu gehen scheint, hin zum ganz und gar nicht perfekten Gefühl. Immer häufiger machte ich Selbstportraits, wie diese hier, bei denen ich mit meiner Mimik und meiner Körperhaltung experimentierte.
Aufwendige Bildbearbeitung nutzte ich dabei selten, viel wichtiger war es mir, allein über den Gesichtsausdruck und die Körperhaltung Gefühle zu vermitteln. Nutzte ich mich selbst als Modell, funktionierte das auch relativ gut. Hatte ich jedoch ein anderes Modell als mich selbst vor der Linse, fiel es mir schwer, deutlich zu machen, dass ich einen anderen und vor allem neuen Weg einschlagen wollte.
Ich kam nicht richtig von bereits eingeschlagenen Wegen weg und rutschte immer wieder in alte Muster. Betrachtet man meine Bilder im zeitlichen Verlauf, wird dieser innere Konflikt sichtbar. Es lässt sich keine einheitliche Linie erkennen, was mich selbst manchmal sehr stört.
Der Prozess, in dem ich mich befand, zog sich hin, stagnierte zum Teil und machte an der einen oder anderen Stelle sogar kehrt. Ich stellte fest, dass ich Angst vor einer zu großen Veränderung hatte. Ich klebte förmlich an meinen alten Bildern fest, ohne mich lösen zu können.
Es dauerte sehr lange, bis ich mutiger wurde und wirklich eine Veränderung in meinen Fotografien bemerkte. Eines der ersten Bilder, bei dem ich einen deutlichen Unterschied feststellte, kannst Du über diesem Absatz sehen. Ich entdeckte die Möglichkeiten, die einem die Bildbearbeitung schenken kann, für mich ganz neu.
Doppel-und Mehrfachbelichtungen mit Hilfe des PCs zu erstellen, fand ich dabei besonders spannend. Das war Anfang des letzten Jahres. Zum ersten Mal gelang es mir, ein Modell so einzufangen, wie ich es mir gewünscht und vorgestellt hatte. Dies war ein wichtiger Schritt für mich, der mir zeigte, dass ich auf dem richtigen Weg war.
Diese Bilder waren schon sehr viel näher an dem, was ich von der Fotografie wollte, als meine bisherigen Arbeiten, doch mein Prozess hatte gerade erst begonnen. Ich hatte viel zu lange Angst vor Experimenten gehabt, da ich bereits etwas gefunden hatte, das anderen Menschen gefallen hatte. Was, wenn meine neuen Bilder dies nicht täten? Was, wenn meine Bilder niemanden erreichen würden?
Besondere Angst vor den Reaktionen anderer hatte ich bei diesem Bild. Es zeigt eine Idee, ein tieferes Gefühl und ist damit nicht mehr nur die simple Abbildung eines Gesichtes. Es ist in jeder Hinsicht unperfekt. Die Schärfe liegt nicht hundertprozentig auf den Augen und auch der Bildwinkel ist nicht grade schmeichelhaft, es ist kein wirklich hübsches Portrait. Doch: Es ist nicht uninteressant.
Natürlich kann man all die Dinge kritisieren, die ich eben erwähnte, doch nur weil Kritik berechtigt ist, zeugt sie noch lange nicht von Verständnis für den Gedanken, der hinter einem Bild steckt. Ich reichte dieses Bild, mit dem ich mir selbst so unsicher war, bei einem Wettbewerb zu Thema „Bewegung“ ein.
Ich entschloss mich, meine „Komfortzone“ zu verlassen, etwas zu wagen, auch wenn ich mir keine Chance ausmalte, zu gewinnen. Umso überraschter war ich, als mir mitgeteilt wurde, dass mein Bild zusammen mit 50 anderen in den Bildband kommen würde, der als Teil des Wettbewerbs geplant gewesen war.
Diese Angst hatte meine Kreativität blockiert. Ich wollte Veränderung, wollte mutig sein und blieb doch in Gewohnheiten stecken. Kunst ist immer mit Neuorientierung verknüpft. Man kann nicht ewig ein und demselben Weg folgen, da man früher oder später in einer Sackgasse endet.
Ging es auch anderen so wie mir? Es gibt diese Fotografen, die von Beginn an einen gewissen Stil zu haben scheinen. Manch einer hat einen schwermütigen, düsteren Stil, der andere einen leichten, anmutigen Stil, der voller Harmonie zu sein scheint. Kennst Du das Gefühl, dass jeder einen Stil zu haben scheint, doch wenn Du Deine Bilder betrachtest findest Du nichts Eigenes daran? Wo ist Dein eigener Stil?
Seit ungefähr einem halben Jahr habe ich das Gefühl, eine gewisse Konstanz gefunden zu haben. Ich habe das Gefühl, in meinem Prozess einen großen Schritt weiter gekommen zu sein. Auf einmal habe ich viel mehr Ideen als früher, was für Bilder ich wirklich machen möchte.
Es ist, als wäre die Blockade, die so lange mein Denken gehemmt hatte, nicht mehr so groß, was, so glaube ich, auch auf meinen letzten Fotografien deutlich wird. Meine Fotografien sind düsterer geworden. Sie sind nachdenklicher, manchmal etwas unwirklich, aber doch so viel greifbarer als die Bilder, die ich vor zwei Jahren gemacht habe.
Vielleicht geht es auch nur mir so. Vielleicht sind sie nur für mich greifbarer geworden aber genau das ist es, was letztendlich zählt. Momentan sammle ich neue Ideen und warte darauf, sie umsetzen zu können. In der Hoffnung, endlich einen eigenen Stil zu entwickeln, mit dem ich selbst zufrieden sein kann.
Mut zu Veränderung allein reicht nicht, habe ich festgestellt. Wichtig ist vor allem, sich von Altbekanntem lösen zu können, wenn man sich nach Veränderung sehnt. Es ist wie mit einem Exfreund, der einen enttäuscht hat. Er ist nicht das, was man wollte, doch die Gefühle, die einmal da waren, verschwinden nicht von heute auf morgen.
Wichtig in der Kunst und im Leben ist es, ehrlich zu sich selbst zu sein und sich immer wieder aufs Neue zu fragen, was man eigentlich möchte. Ich möchte Bilder machen, die ehrlich sind und die mehr sind als nur die Abbildung eines hübschen Gesichtes. Bilder, die vielleicht einen Gedanken bei einem anderen Menschen auslösen können, den es sonst nicht gegeben hätte. Das ist mein innerer Antrieb.
Mein Ratschlag für jeden, der das Gefühl kennt, etwas ändern zu wollen? Setze Dich nicht zu sehr unter Druck, lass Dich von Misserfolgen und Rückschlägen nicht entmutigen. Mach Dir selbst nichts vor. Wenn Du nicht zufrieden bist, dann hat das seine Gründe, egal was andere sagen.
Menschen, die Deine Arbeiten schätzen, werden dies auch noch tun, wenn Du etwas änderst. Versuche, den Bereich, in dem Du Dich am wohlsten fühlst, auch mal zu verlassen und finde Deinen eigenen Antrieb. Nimm Dir Kritik zu Herzen, aber lasse sie nicht Deine Arbeiten bestimmen. Suche nach etwas, das Dich im Leben bewegt.
Behalte Dein eigenes Glück und Deine eigene Zufriedenheit im Auge. Die einfache Wahrheit hinter all dem, die manchmal so schwer zu beherzigen ist, ist folgende: Du machst Deine Bilder für niemand anderen als für Dich selbst.
kwerfeldein – Fotografie Magazin
You must be logged in to post a comment.