Ein Beitrag von: Arif Asci
Seoul ist ein ganz besonderer Ort auf Erden! Heutzutage hat fast jeder Dritte den Song „Gangnam Style“ auf YouTube gesehen. Ein hypnotisches Stück Musik und Tanz, das allmählich jeden, der es ansieht, dazu zwingt, mitzumachen. Psy ist der populärste Musiker Südkoreas.
„Gangnam“ ist so etwas wie die Avenue des Champs-Élysées in Paris, wo sich das Geld, Fashion- und Marken-Läden für einige der schönsten Mädchen von Asien aneinanderreihen. Was Psy in seiner Musik nun macht, ist, sich über diese versnobten, neureichen Leute lustig zu machen.
Während Korea vor 50 Jahren nur ein armes Bauernland war, genießt es nun, eine der weitentwickeltsten Wirtschaften der Welt zu sein. Und Seoul ist das glänzende Aushängeschild Koreas mit fast 15 Millionen Einwohnern. Während Weltkonzerne wie Samsung, LG und Hyundai High-Tech-Produkte verkaufen, werden koreanische Filme und TV-Serien in vielen Ländern konsumiert.
Als Straßenfotograf habe ich Gangnam tatsächlich nur ein einziges Mal besucht. Es hat mir nicht sehr gefallen und ich habe mich stattdessen gefragt, wo das bescheidenere koreanische Straßenleben zu finden ist, wie in Hungic, Insadong, Myongdong und versteckte schmanische und buddhistische Tempel hier und da, natürlich auch Marktplätze und kleine Gässchen.
Seoul liegt an einem Fluss, sogar einem richtig großen, doch leider verhindert die gierige Stadtplanung lockere Strände, an denen man sich wundern und Leute beobachten könnte. Aber das Stadtzentrum ist sehr dynamisch, besonders abends und sogar nachts, dann liegt ein unglaublicher Rhythmus in der Luft.
Man kann Seoul nicht beherrschen oder gefangen nehmen, dafür nimmt sie dich sofort gefangen. Ich sage absichtlich „sie“, da Seoul ziemlich feminin ist. Die Farben der Stoffe, die koreanische Frauen tragen, sind so eizigartig, dass ich schnell anfing, mit diesen farbenfrohen Motiven zu spielen. Und ich denke, dass die Stadt generell eine besondere Farbe trägt: Jadegrün!
Meine erste Reise nach Seoul war vor vielen Jahren, 1998, und es war nur für ein paar Tage, sodass ich mich nur an die graue, feuchte Luft erinnere und an eine von einem Erdbeben zerstörte Straße. Leider! Ich habe kein einziges Foto von dieser Reise. Es war nur ein kleiner Zwischenstopp auf einer ziemlich billigen Rundreise von Hong Kong nach Taipei, Tokio und Seoul.
2007 wurde ich eingeladen, eine Fotoausstellung in Seoul zu eröffnen, die mein Leben für immer verändern sollte. Es war ein Istanbul-Panorama mit Schwarzweißfotos. Während der dreiwöchigen Ausstellung wollte ich die pulsierende Stadt mit meiner sperrigen, mit Schwarzweißfilm geladenen 6×17-Panorama-Kamera festhalten, wie ich es seit vielen Jahren in Istanbul machte. Aber es hat nicht funktioniert!
Koreaner bewegen sich so schnell, die Stadt bebte vor Farbenfreude, ich konnte das so einfach nicht einfangen. In Istanbul konnte ich am Bosporus sitzen, ein Glas Tee trinken, ein paar Fischer, eine Katze und zwei Hunde für fast eine Stunde beobachten, dabei die Kamera bereit in meiner Hand und zum Beispiel, wenn ein Hund und die Katze anfangen zu kämpfen oder wenn eine Frau mit einem Schirm die Szene betritt, den Auslöser drücken.
In Seoul passiert so etwas nicht. Teehäuser und Bier-Bars sind in Obergeschossen gelegen, sodass man nirgendwo draußen sitzen und die Leute beobachten konnte. Und wenn man mit ihnen Schritt halten wollte, müsste man rennen! Man sollte in die bunten Massen also nur mit einer kleineren Kamera eintauchen. Meistens hört man den Ruf: Pali! Pali! Das heißt „Schnell! Schnell!“
Die Digitalkameras waren damals (2007) noch nicht weit genug entwickelt, zumindest für meine Ansprüche. Ich hätte noch nicht einmal gedacht, dass ich mir jemals eine kaufen würde, aber dann weckte eine gebrauchte Kamera meine Aufmerksamkeit: Eine sehr handliche 6×12-Linhof!
Aber ich musste auch meinen verwendeten Film ändern. Nach fast einer ganzen Dekade lud ich meine Kamera mit Farbfilm und streunte durch die liebenswerten Straßen von Seoul. Ich erinnere mich daran, dass ich 20 bis 30 Filme pro Tag füllte, ausgezeichnete Labore meine Filme entwickelten und ich sogar schon am nächsten Tag die Kontaktabzüge sehen konnte. Koreaner sind die am härtesten arbeitenden Menschen auf diesem Planeten!
Innerhalb von nur drei Wochen fühlte ich, dass ich meine fotografische Vision vielleicht auf eine neue Ebene würde heben können. Und es passierte tatsächlich. Als ich nach Istanbul zurückkam, hatte ich schon einen Vertrag mit einem koreanischen Verlag in der Tasche, um bald zurückzukommen, dort noch ein paar Monate zu arbeiten und ein Farb-Portfolio über Seoul zu veröffentlichen.
Als ich dann wieder nach Seoul kam, fühlte ich mich wie zuhause. Die U-Bahn ist die vielleicht leichtverständlichste, obwohl sie eine der größten der Welt ist und die Stadt hatte so viele Vorteile gegenüber Peking, Shanghai, Hong Kong und Tokio. Große Abwechslung beim Essen der Straßenverkäufer, extrem günstig und köstlich!
Die meisten Sehenswürdigkeiten der Stadt lassen sich zu Fuß leicht erreichen, was für einen Straßenfotografen sehr wichtig ist. Und das Wichtigste: Koreaner sind so freundlich, so hilfsbereit Fremden gegenüber, besonders jemandem, der sie mit einer Kamera anschaut.
Dieser Artikel wurde von Aileen Wessely für Euch aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.
kwerfeldein – Fotografie Magazin | Fotocommunity
You must be logged in to post a comment.