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Cannes mit Weitwinkel und ohne Akkreditierung

26 Jul

Ein Beitrag von: Alison McCauley

Das erste Mal ging ich 2013 zum Filmfestival in Cannes. Obwohl ich normalerweise eher an ruhigeren und sozial interessanten Geschichten interessiert bin, habe ich die Gelegenheit wahrgenommen, da ich einen Platz zum Übernachten in Cannes hatte und es liebe, an geschäftigen, brummenden Orten zu fotografieren.

Ich war jeden Tag auf dem Festival fotografieren, aber am Ende der Veranstaltung realisierte ich, dass ich nicht genug Bilder gesammelt hatte, die ich für stark genug hielt, die Geschichte zu erzählen, die ich rüberbringen wollte. Also bin ich im nächsten Jahr noch einmal hingefahren.

Ein Mann mit Sonnenbrille auf einem Werbeplakat, davor Äste eines Nadelbaums.

Ein Sicherheitsbeamter mit Sonnenbrille spricht per Funkarmband mit jemandem.

Dann versuchte ich, eine Presse-Akkreditierung für das Festival 2014 zu bekommen, bevor mir auffiel, dass alles, was dieser Pass mir erlauben würde, war, mich ebenfalls in die Reihe der Paparazzi zu stellen und die offiziellen Foto-Gelegenheiten der Stars und Sternchen wahrzunehmen – etwas, woran ich absolut kein Interesse hatte.

Also entschied ich, einen Schritt zurück zu machen und das Festival ebenso zu fotografieren wie ich es 2013 getan hatte – vom öffentlichen Standpunkt aus. Ich lief also herum, stellte mich an und wartete gemeinsam mit der Öffentlichkeit. Meistens richtete ich meine Linse auf ebendiese Öffentlichkeit, deren Verhalten ich so viel interessanter fand als die choreografierten Auftritte der Filmindustrie-Profis.

Menschenmenge vor einem Kino.

Eine Gruppe Frauen wartet vor einem Gebäude.

Jeden Abend schaute ich mir auf dem Bildschirm die Bilder an, die ich an diesem Tag gemacht hatte und war jedes Mal enttäuscht. Immer, wenn ich nach Hause kam, hatte ich das Gefühl, nicht das zu haben, was ich wollte. Ich gab die Idee einer Serie komplett auf und an diesem Punkt hörte ich auch auf, eine logische, lineare Geschichte erzählen zu wollen. Ich ließ kleine Abzüge meiner Lieblingsbilder machen und schob sie herum. Es fing an, zu funktionieren.

Was ich ebenfalls mag, ist die Herausforderung, einen kurzen, knackigen Text zu einer Serie von Fotos zu schreiben und ich versuche immer, meine Geschichten so gut wie möglich zu recherchieren. Ich verwende fast so viel Zeit für die Recherche wie für die Fotos selbst. Es folgen ein paar der Fakten, die ich gesammelt habe und Gedanken, die ich hatte.

Zwei Frauen mit Engelsflügeln gehen eine Straße entlang.

Eine Frau posiert für viele Fotografen.

Das Filmfestival Cannes zeigt eine breite Spanne von Filmen und es brüstet sich selbst damit, aufstrebende Talente und eine große Palette fremdsprachiger Filme zu präsentieren. Das Festival unterstützt sowohl traditionelle Künstler sowie innovative, Möglichkeiten überschreitende Produktionen.

Es ist auch eine glatte, wohlgeölte, aufmerksamkeitsheischende Geld-Maschine. Das jährliche Budget beträgt etwa 20 Millionen Euro und die Veranstaltung spielt wiederum 25 Millionen Euro in nur zwölf Tagen ein.

Ein paar Leute und ein Auto am Straßenrand.

Ein paar Leute und Autos nachts am Straßenrand.

Jedes Jahr verdreifacht sich die Bevölkerung von Cannes beinahe von 70.000 auf 200.000 während des jährlichen Filmfestivals. Schauspieler, Regisseure, Produzenten, Manager, Fans, Playboys, Callgirls und Hoffnungsvolle strömen in Scharen nach Cannes zum Festival. In 2013 nahmen über 4.000 Journalisten daran teil. Kenner der Filmindustrie halten das Festival für die weltweite Gelegenheit Nummer eins, um Verträge abzuschließen und nützliche Kontakte zu knüpfen.

Eine Kinoleinwand, die draußen im Dunkeln aufgestellt ist.

Eine Kinoleinwand zwischen zwei Zeltspitzen.

Ein Bild von zwei Frauen liegt auf nassen Steinen.

Das Festival zieht ebenfalls mehr Trittbrettfahrer an als jedes andere. Tausende wohlhabender Promis und Lust Suchender tauchen bei dem auf, was sie für die größte Party des Jahres halten. Es gibt dort eine mit Sex, Alkohol und Drogen angefüllte Subkultur, die das schillernde Festival umgibt.

Geschätzte 200 Callgirls, die durchschnittlich 3.000 € pro Nacht verdienen, strömen in jeder Nacht in die großen Hotels und wieder hinaus. Es gibt sogar einige „Yacht-Mädchen“, die fest auf den Yachten im alten Hafen eingesetzt sind. Gerüchten zufolge ist der Übergang zwischen professionellen Prostituierten und C-Schauspielerinnen oder Modellen, die für Geld Sex mit reichen Männern haben, fließend.

Ein luxuriöses Haus in der Dämmerung.

Wohnblöcke, davor Palmen.

Palmen vor einem wolkigen Himmel.

Im Jahr 2014 behielten etwa 200 örtliche Polizisten die Straßen von Cannes im Auge, nachdem es 2013 einen gewaltigen Juwelenraub gab. Zusätzlich gab es noch etwa 400 private Sicherheitsbeamte und bewaffneten Polizeischutz.

Und schlussendlich gibt es da noch die Horden enthusiastischer Fans. Sie sind die Film-Gucker, die die Industrie am Leben und im Fluss erhalten. Sie bekommen nur selten Karten für die Filme und werden eher nicht zu den Parties eingeladen. Sie scheinen damit glücklich zu sein, ab und zu einen Blick auf ihren Lieblingsschauspieler erhaschen und begierig die glitzernde, schillernde Atmosphäre aufsaugen zu können.

Dieser Artikel wurde von Aileen Wessely für Euch aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.


kwerfeldein – Fotografie Magazin | Fotocommunity

 
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Bildvorstellung: Das Foto ohne Titel

06 May

Da wir gerade dabei sind, von jeder Redakteurin und jedem Redakteur ein Bild vorzustellen, bin ich nun an der Reihe. Und ich zeige heute ein Foto, zu dem mir schlichtweg kein Titel einfiel. Jedoch ist es mir trotzdem wert, hier gezeigt zu werden, weil ich persönlich sehr viel damit verbinde.

Vor zwei Wochen haben wir uns in der Redaktion dazu entschlossen, dass jeder von uns ein Bild im Magazin vorzustellt. Wichtigstes Kriterium: Der persönliche Bezug. Es solle sich um ein Foto handeln, mit dem der- oder diejenige viel verbindet. Ich entschied mich für dieses hier.

Ich mag es nicht, wenn ich als Betrachter dazu aufgefordert werde, bei den Fotos anderer Dinge hinein zu interpretieren, die nicht da sind. Diese Form des Überphilosophierens nervt mich ungemein und deshalb wähle ich meist Bildtitel, die nichts vorwegnehmen und maximal das benennen, was da ist. Ganz im Gegenteil zu früher, da konnte mir gar nicht genug Pathos in eine Zeile passen.

Doch wie der Zufall es so will, fiel mir beim Posten dieses Fotos… überhaupt nichts ein. Nun wäre es ein Leichtes gewesen, nachträglich für die Vorstellung hier irgendetwas wie „Die Tasche“ (uhuuuuu) oder „Von den 5 Mülltonnen“ (wie grandios!) aufzusetzen. Jedoch, halt, es geht um den persönlichen Bezug. Und nicht darum, das Foto aufzuplustern.

Das Foto selbst enstand am 16. April in Karlsruhe auf einer meiner Fototouren. Vielleicht kennt das der eine oder die andere, ich verfalle derzeit immer wieder in so eine Art Trott beim Fotografieren. Ich mache Fotos, laufe weiter, mache wieder Fotos und bin in so einer Art Minitrance, kurz vorm Tagträumen.

Als ich jedoch vor diese Unterführung kam, war ich sofort hellwach und „da“. Die dezenten Farben erinnerten mich an irgendeine dreckige Vorstadt irgendwo anders – aber nicht an Karlsruhe, der sauberen Technikstadt im Süden Deutschlands. Ich überlegte noch, das Foto ganz ohne Menschen zu machen, jedoch kam recht schnell eins zum anderen.

Im Hintergrund tauchten zwei große Laster der Müllabfuhr auf, ein Auto drängte mich zur Seite, fuhr die Einfahrt hinein und eine halbe Minute später stapfte mir dieses Ehepaar entgegen. Ich positionierte mich wieder Richtung Einfahrtsmitte und machte mit dem iPhone ein paar Aufnahmen.

Foto ohne Titel © Martin Gommel

Ich mag das Foto, weil es auf undramatische Art und Weise das Leben in der Stadt zeigt, wie es ist. Alle Menschlein gehen ihren Tätigkeiten nach, sei das nun der Einkauf oder die Arbeit – in diesem Fall, den Müll der anderen zu entsorgen. Aus diesem Grunde habe ich es auch so gelassen, wie es ist und nicht in schwarzweiß umgewandelt.

Die dezenten Farben sorgen dafür, dass das Bild (für mich) glaubwürdig bleibt – dabei wäre es nicht schwer gewesen, es heller zu machen, den Lichtkegel im Hintergrund zu verstärken und die Dramatik somit zu verdreifachen. Im Nachhinein ist mir aufgefallen, dass das Foto auch nicht wirklich perfekt ausbalanciert ist – dafür ist im unteren Bildbereich zu viel Dunkelheit im Gegensatz zum oberen Rand.

Und klar, das Bild wäre zusätzlich sauberer, wenn ich gewartet hätte, bis die Müllmänner vorbeigegangen, das Auto eingeparkt und das Ehepaar aus dem Bild verschwunden wären. Mit der 5D und dem Superweitwinkel fotografiert, vielleicht im Hintergrund eine einzige Person, aufgerissene Lichter – klar, das wäre ein Hingucker. Und hätte auf Flickr 150 Favs. So habe ich früher fotografiert.

Was ich vor Jahren noch mit jedem Bild tat, lasse ich heute sein. Denn es geht mir heute mehr um die Glaubwürdigkeit meiner Bilder. Kurz: Ich möchte nicht mehr übertreiben.

Hingegen liebe ich diese unscheinbaren Momente des Alltags, die zusammenwirken und zusammen wirken. Unaufgeregt und dennoch auf ihre Weise schön und bemerkenswert.

Dieses Bild verkörpert genau das. Für mich persönlich.


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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