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Posts Tagged ‘Oder’

Transzendenz oder der Blick nach innen

17 Jul

Ein seltsames Wesen im Dunkeln.

Der Begriff „Transzendenz“ tauchte schon sehr früh in meinem Wortschatz auf. Ich glaube mich zu erinnern, ihn aus dem Mund meines Großvaters gehört zu haben, als ich mit ihm und meiner Großmutter wieder einmal in der Messe saß. Was meine Eltern als versierte Wissenschaftler übrigens gar nicht so toll fanden, mich aber mitgehen ließen, weil die Atmosphäre des alten Kirchenschiffs und der Duft nach Weihrauch eine zu große Fasziniation auf mich ausübten.
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Fotoskulpturen oder Der Stand der Dinge

26 Feb

Ein Stück Rollrasen liegt auf einem Bett.

Zum ersten Mal so richtig begegnet sind mir zufällige Skulpturen letztes Jahr beim Streunen durch die Berge Islands. Zwischendurch haben wir immer wieder gestapelte Steinberge gefunden, die einen einsam in der Landschaft, manche zu Hunderten auf einem Pass. Einige waren stabil, unversehrt und voller Moos, andere fragile Bauten, die beim nächsten Sturm mit Sicherheit umgeweht worden sind. Sie werden also danach nur noch auf dem Foto existieren, das ich von ihnen gemacht habe.
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Teufelszeug oder Spielkram

10 Nov

Ein Beitrag von: Tilman Haerdle

Ich benutze Instagram, seitdem es öffentlich verfügbar war und neben dem Umstand, dass ich darüber meine Liebe zur Fotografie entdeckt habe, verschafft es mir bis heute die Möglichkeit, mit herausragenden Fotografen aus aller Welt in Kontakt zu kommen. Schon relativ früh stieß ich dabei auf die New Yorker Fotografen Sion Fullana und Anton Kawasaki. Beide sind mehrheitlich dem Genre Straßenfotografie zuzuordnen, lassen sich darauf aber nicht festlegen.

In diesem Artikel möchte ich Euch Sion Fullana vorstellen, der neben der Straßenfotografie auch spannende Portraits zu bieten hat, in einem weiteren Artikel folgt dann das Interview mit seinem Ehemann Anton Kawasaki.

Ich habe Sion zu verschiedenen Themen befragt, zuerst natürlich, wie er überhaupt zur Fotografie kam. Während Instagram für viele Menschen überhaupt erst die Tür für die richtige Fotografie aufstieß, kam Sion schon früh mit der Kamera in Kontakt.

Wie kamst Du zur Fotografie – und warum gerade Straßenfotografie und Portraits?

Mein ganzes Leben war ich schon von der Macht der Bilder und der Möglichkeit, damit Geschichten zu erzählen, fasziniert. Ich habe Comics verschlungen, seit ich acht Jahre alt war, später studierte ich Journalismus und Film.

Ich weiß, wie man Geschichten erzählt und Fotografie hat mich immer begeistert, auch wenn mich der technische Aspekt eher abgeschreckt hat, weil ich dachte, dass mir die Fähigkeit und das Auge fehlte, um sie in mein Schaffen zu integrieren.

Dann zog ich 2006 nach New York und arbeitete als freiberuflicher Journalist. Dadurch hatte ich genug freie Zeit, um die Stadt zu Fuß zu erkunden. Die Energie und die faszinierenden Menschen, die man an jeder Straßenecke finden konnte, waren der Beginn meiner Liebe zu New York.

Vier Polizisten an einer Wand.

Mein Ehemann Anton (damals noch mein Freund) schenkte mir zum Geburtstag im Juli 2008 ein iPhone 3G. Mobile Fotografie und ihre Möglichkeiten fand ich schon immer interessant, meine ersten Gehversuche unternahm ich mit einem Motorola Razr, das ich allerdings irgendwann auf einem meiner Streifzüge verloren hatte.

Sobald ich das iPhone das erste Mal mit auf die Straße nahm, konnte ich nicht mehr aufhören, zu fotografieren. Ich begann, meine Bilder auf Flickr zu posten, nur wenige Monate später begann ich meine Karriere als Fotograf und genau das hat mein Leben von Grund auf verändert.

Meine Vorliebe für Straßenfotografie und Portraitarbeiten rührt sicher von meinem Interesse an der conditio humana, dem Menschsein an sich, her. Es ist schon eine Kombination aus urbanem Voyeurismus und Mitgefühl.

Ich liebe die Interaktionen, die man auf der Straße zu sehen bekommt, und auch, wenn das etwas abgedroschen klingt, um mit Cartier-Bresson zu sprechen, ich bin besessen davon, diese „decisive moments“, diese entscheidenden Momente einzufangen; nicht notwendigerweise die ganz verrückten Geschichten…

Es können winzige Momente von Interesse sein, nur eine einzelne Person, die an mir vorbeigeht oder die ich an einer Straßenecke sehe. Es geht mir darum, diese flüchtigen Funken von Emotion, Körpersprache, diese kleinen Gesten einzufangen und zu bewahren – vergangen in einem Augenblinzeln, wenn man schnell geht und achtlos ist gegenüber dem, was und wer einen umgibt.

Matrosen haben Spaß.

Ich mag es, diese Fragmente des alltäglichen Lebens ganz fremder Menschen festzuhalten, ich suche nach Bedeutung und den Details quasi zwischen den Zeilen. Ich habe auf Backspaces ein Fotoessay verfasst, „Die Ethik des Unsichtbarseins“, in dem ich mein Vorgehen erkläre, vom äußersten Respekt gegenüber meinen Motiven und dem Versuch, ihnen Würde zu geben.

Deine Portraits sind bemerkenswert. Du beschreibst sie als „cinematografisch“, beeinflusst durch den Film. Sind Deine Portraits Auftragsarbeiten oder verwendest Du Szenarien, die Du vorfindest, um Fremde abzulichten? Und wenn es beauftragte Portraits sind, wie sieht die Arbeit mit dem Kunden aus, um auf das gewünschte Ergebnis zu kommen?

Es freut mich, dass ich mehr über meine Portraits erzählen kann und danke für das Kompliment! Ich erhalte selten die Gelegenheit, darüber zu sprechen und doch ist das ein Genre, das mich nicht loslässt und das ich immer weiter ausloten möchte.

Mein Studium der Filmwissenschaften liefert den Hintergrund für den filmischen Look. Wenn man sich nur ein Bild eines Darstellers in einem Film ansieht, erhält man diese Kombination aus Geschichte und Emotion, mit einem Kontext, der es ermöglicht, die Person entweder besser zu verstehen oder sie im Gegenteil eher mysteriöser zu machen.

Im besten Falle möchte man, dass der Betrachter eine der beiden Reaktionen empfindet oder dass er sich anstrengen muss, um zu verstehen, was er da sieht; dass er sich darüber Fragen stellt.

Portrait eines Paares, im Vordergrund der Mann.

Wenn ich Portraits fotografiere, dann handelt es sich entweder um Auftragsarbeiten oder um Projekte mit einer von mehreren „Musen“, mit denen ich gern zusammenarbeite und die es mir erlauben, neue Erzählweisen mit der Kamera auszuprobieren.

In New York bin ich glücklich genug, gute Freunde zu haben, die Schauspieler oder Künstler sind, die keine Scheu vor der Kamera haben und gern in eine Rolle schlüpfen. Es ist wirklich ein Traum, immer wieder diese Chance nutzen zu können.

Mit jedem neuen Portrait versuche ich zuerst, die Person, die ich fotografiere, genauer kennenzulernen. Sei es nun, dass ich mehr über ihren Geschmack erfahre, ihre Persönlichkeit, ihre Vorlieben oder dass ich durch meine Intuition und mein Einfühlungsvermögen etwas erfahre.

Wenn ich in der Lage bin, die Energie meines Motivs zu spüren, dann kann ich versuchen, sie an meine Vision heranzuführen, um so zu einem fesselnden Bild zu kommen. Manchmal versetzt sie das in Erstaunen, es kann sie schockieren, wenn sie sich in diesen Bildern sehen.

Susan Sontag schrieb einmal, dass jemanden zu fotografieren bedeutet, dass man Zugang zu einem sehr intimen Teil eines Menschen bekommt, den diese, für gewöhnlich nicht derart greifbar, in Form eines Portraits sehen. Ich denke, das trifft es gut.

Eine Frau mit Schirm im Regen.

Ich sehe viele Raucher in Deinen Bildern – ist das eine Sache der besonderen Ästhetik, der Stimmung oder gibt es hier andere Motive, speziell unter dem Gesichtspunkt, dass Rauchen in den USA so sehr geächtet ist?

Tja, das ist eine spannende Frage, die Antwort ist nicht so einfach. Ganz offensichtlich ist die Ästhetik großartig und sehr fotogen, wenn Rauch mit ins Spiel kommt, atmosphärisch dicht und eben auch wieder sehr filmisch.

Dass ich mich so sehr zum Rauchen hingezogen fühle, fasziniert mich selbst. Es ist mir als ehemaligem Raucher klar, wie sehr Rauchen der Gesundheit schadet und dass meine Bilder eher dazu beitragen, Rauchen als „cool“ darzustellen.

Ich bin mir dieses Dilemmas sehr bewusst, auch darüber habe ich mich in einem Fotoessay ausgelassen, „Die Dichotomie des Rauchens“.

Ein rauchender Mann.

Wo ziehst Du die Grenze zwischen Straßen- und Dokumentarfotografie? Viele würden Deine dokumentarischen Aufnahmen eher der Straßenfotografie zuordnen.

Das stimmt! Die Grenzen sind hier fließend und auch Fotojournalismus spielt bei mir eine Rolle. Wo ist die Grenze? Meiner Ansicht nach zielt die Straßenfotografie eher auf einzelne Bilder ab, die eine Geschichte für sich erzählen können, durchaus mit einem künstlerischen Ansatz.

Dokumentarfotografie ist für mich eher projektorientiert und kann auch Portraits beinhalten, um eine tiefergehende, nuancenreichere Geschichte zu erzählen, mit mehr Kontext, über ein Thema, eine Person oder Gruppierung, eine Firma, ein Ereignis.

So gesehen kann ein relevanter Teil des Werks eines Straßenfotografen ebenso zu einer Dokumentation werden, auch wenn das bei der Betrachtung einzelner Bilder so noch gar nicht klar oder beabsichtigt war.

Was ich am Genre der Straßenfotografie so mag, ist, dass sie die Realität eines längeren Zeitraums abbilden kann.

Kämpfende Männer mit Publikum.

Ich kann mir Bilder der letzten zehn Jahre in 20 Jahren ansehen und bin in der Lage zu sehen, wie sich Menschen kleideten, was sie in der Stadt machten (ein Buch lesend oder wie sich die Mehrheit versunken im Smartphone durch die Stadt bewegt), welche Hunderassen beliebt waren, ob die Menschen insgesamt fröhlicher oder bedrückter aussahen, wie viele Menschen einsam und verloren in der Menge aussahen, in einer großen Stadt wie dieser.

Wenn wir uns Straßenfotografie näher ansehen, wie bewertest Du das? Derzeit sieht man eine enge Begriffsdefinition: Farbe, unbeschnitten, ungestellt, keine „künstlerische“ Bearbeitung.

Hilft diese Kategorisierung Deiner Meinung nach dem Genre, um den zeitgenössischen ästhetischen Geschmack zu treffen? Ich persönlich fühle mich durch solche Anforderungen eher eingeengt, wenn ich sehe, wie viele Möglichkeiten die Straßenfotografie eigentlich bietet.

Ganz ehrlich: Solche Regeln, Dogmen oder wie auch immer man es nennen mag, habe ich immer sehr deutlich abgelehnt: Man sieht in sozialen Netzwerken wie Instagram Tags wie #NoCrop oder #NoFilter und es gibt diese Puristen, die nur die analoge Fotografie für echt halten und meinen, dass mobile Fotografie Teufelszeug oder Spielkram ist.

Eine Person schützt sich mit einer Zeitung auf dem Kopf vor dem Regen.

Das lässt mich immer schaudern. Umgekehrt ist es grauenhaft zu sehen, was manche Leute unter dem Etikett „Straßenfotografie“ posten: Das Bild eines Fensters oder eine Ampel auf einer Straße ohne Menschen; Spielereien mit selektiver Farbe, wo nur ein Detail farbig ist und der Rest schwarzweiß; extreme Vignetten oder Unschärfe, die nur dazu dient, den Hintergrund auszublenden; Krücken, die nur dazu da sind, schlechte Kompositionen auszugleichen; oder einfach Bilder, die so künstlich sind, dass sie eher wie ein digitales Gemälde als wie eine Fotografie aussehen.

Straßenfotografie basiert auf echtem Leben, es geht um die Geschichte, um den Inhalt und nicht um den Look oder irgendwelche Spielereien. Wenn der Betrachter zuerst die Vignette oder die Unschärfe wahrnimmt, die Textur oder den Rahmen, bevor er das Motiv sieht, dann ist das ein Problem.

Dennoch bin ich der Überzeugung, dass jeder Künstler eine klare Vorstellung davon haben sollte, was er mit der Geschichte im Bild ausdrücken will und wenn das bedeutet, dass nicht gewollte Elemente weggeschnitten werden oder dass das Bild in schwarzweiß die Stimmung besser transportiert bzw. Farben die Aufmerksamkeit vom Motiv abziehen, dann sind solche Operationen absolut legitim.

Was das „ungestellte“ angeht, so gibt es da ja hitzige Debatten rund um das, was ein Bild zur Straßenfotografie macht. Manche Menschen sehen alles, was draußen fotografiert wird und nicht Landschaft darstellt, als gültig an.

Für mich beginnt Straßenfotografie da, wo ein Bild unbemerkt und unposiert aufgenommen wurde, wenn man selbst „unsichtbar“ ist. Straßenportraits sind Bilder, bei denen mein Motiv sich meiner Anwesenheit bewusst ist und/oder für mich posiert. Diese Unterscheidung ist relevant für die Art des Bilds, das man so bekommt.

Diverse Portraits, zwei an der Zahl.

Benutzt Du auf der Straße nur das iPhone oder auch herkömmliche Kameras, vielleicht sogar Film?

Für meine Portraits oder andere Auftragsarbeiten nutze ich alle möglichen Kameras, Spiegelreflex ebenso wie Film oder Polaroid.

Auf der Straße gehe ich davon aus, dass ca. 95 % meiner Bilder mit einer mobilen Kamera gemacht wurden und ich bin ein sehr aktiver Verfechter dieses Werkzeugs, nicht zuletzt wegen seiner Unauffälligkeit und weil es so praktisch ist.

Es ist immer dabei und wenn man erst einmal die wesentlichen Apps verstanden hat, ist man schnell und immer bereit für das nächste Bild, ohne sich große technische Gedanken machen zu müssen.

Situationskomik einer Kunstausstellung.

Man muss, mangels Zoom, nah ans Motiv, das hat den Vorteil, dass man Teil des Geschehens wird und die Geschichte besser erspürt, außerdem kann man sich mehr auf die Komposition und die Stimmung konzentrieren, ohne sich nach jedem Bild neue Gedanken über die Einstellungen machen zu müssen.

Manchmal bringt ein „weniger“ mehr Freiheit mit sich.


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Identität oder Die Macht der Wörter

06 Oct

Lauren Renner ist eine New Yorker Fotografin, die sich seit 4 Jahren mit ihrem Projekt „In Others’ Words“ mit dem Zusammenhang zwischen Identität, menschlicher Interaktion und Stereotypen in der westlichen Gesellschaft auseinandersetzt.

Oftmals ist die Selbst- eine ganz andere als die Fremdwahrnehmung. Je mehr wir von der Gesellschaft um uns herum mit Etiketten versehen werden, desto weniger wissen wir, wer wir eigentlich sind. Die Grenzen verschwimmen mit jedem Wort, das uns an den Kopf geschmissen wurde und unsere eigene Identität verblasst dahinter.

Identität ist als ein Gefühl der Identität, d. h. der Kontinuität und Einheit mit sich selbst zu verstehen. Dieses Gefühl der Identität wird durch Interaktion mit anderen und im Kontext der eigenen Kultur geklärt und es ist als ein Prozess zu verstehen, der lebenslang dauert.1

Identität muss sich Schritt für Schritt erarbeitet werden und diese komplexe Entwicklung ist bei jedem Menschen durchzogen von Krisen, die vor allem durch unsere Wahrnehmung in der Gesellschaft ausgelöst werden. Lauren Renner hat es sich zum Thema gemacht, dieses Phänomen mit ihrer Serie „In Others’ Words“ zu visualisieren und den Teilnehmern damit zu helfen, sich von den Beschreibungen anderer zu lösen.

„Der Stempel, den wir von der Gesellschaft aufgedrückt bekommen, unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von dem, wie wir uns selbst sehen“, erklärt sie und fotografiert darum nackte Menschen, die mit nichts bekleidet sind als mit den Beschriftungen, die sie im Laufe ihres Lebens unfreiwillig durch andere erfahren haben. Diesen Mantel der Fremdwahrnehmung wollen sie dadurch ablegen.

Zwei nackte und beschriftete Personen stehen auf einem Balkon.

Zwei nackte und beschriftete Frauen.

Lauren hat Freiwillige gesucht, die Lust hatten, sich auf dieses Experiment einzulassen. Unabhängig von individueller enthnischer Zugehörigkeit, Geschlecht, sexueller Orientierung, Alter oder kulturellem Hintergrund wollte sie Menschen zusammenbringen, die sich vorher nie begegnet waren und die doch durch dieses Foto-Projekt vereint werden sollten.

Trotz dieser offenen Kriterien sind es fast ausschließlich junge Menschen, die sich zusammengefunden haben. Es scheint, als seien es gerade junge Erwachsene, die sich an der Schnittstelle von Kindheit und Adoleszenz ihrer eigenen Identität besonders unsicher sind. Sie lassen sich vermehrt von ihrem Umfeld irritieren und dennoch ist die Meinung anderer von höchster Wichtigkeit für das Selbstkonzept. Dies kann die berühmte Schere zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung öffnen.

Eine nackte und beschriftete Frau steht auf einer Brücke.

Vor jedem Shootingtermin sollten die Teilnehmer eine handschriftliche Liste anfertigen, auf der sie all diese Labels notierten, die ihnen an irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens begegnet sind. Ein vielleicht gut gemeintes Kompliment kann genauso Stereotype erzeugen wie eine Beleidigung und auch Bezeichnungen wie Freak oder Langweiler geben dem Menschen einen Stempel, den er gar nicht haben möchte.

Ob diese Zuschreibungen positiv, negativ oder selbstbezeichnend sind, war für die Liste der Teilnehmer also egal, das einzige Kriterium war, dass es aus dem eigenen Erfahrungsschatz stammte. Die fertige Liste wurde dann zur Vorlage für die Körperbeschriftungen am Shootingtag.

Liste mit Zuschreibungen

Liste mit Zuschreibungen

Am frühen Morgen trafen sich die Teilnehmer mit Lauren Renner, um sich kennenzulernen, auszutauschen und gemeinsam die nackten Körper zu beschriften. Diesen Prozess hat die Fotografin ebenfalls dokumentiert und die entstandenene Making-Of-Bilder stehen gleichberechtigt neben den eigentlichen Fotos, die im Laufe des Tages geschossen wurden, auf ihrer Webseite. Die Freude an dem Projekt und dem Miteinanderteilen ist den Menschen oftmals ins Gesicht geschrieben und die besondere Stimmung und Energie ist spürbar.

Eine Frau lacht herzlich.

Eine Frau bemalt den Bauch einer anderen Frau.

Ein Mann beschriftet einen anderen Mann.

Die „In Others’ Words“-Fotos enstanden dann an einem öffentlichen Ort. Lauren Renner benutzt meistens eine 4×5-Großformatkamera, Nikon D80, Minolta X700, Canon A-1 oder Polaroid 360 Land Camera für ihre Bilder. Sie arbeitet seit inzwischen vier Jahren an dem Projekt und ist immer weiter auf der Suche nach Freiwilligen.

Die Teilnehmer beschrieben das Experiment als positiv, einprägsam und auch als lebensverändernd, weil es ihnen dadurch möglich wurde, sich selbst aus der Enge der Wörter zu befreien und in ihre eigene Haut mit ihren eigenen Sichtweise zu schlüpfen.

Zwei nackte und beschriftete Männer stehen auf einer Straße.

Vier nackte Menschen stehen auf einer Wiese.

Zwei nackte und beschriftete Männer stehen am Strand.

Lauren Renner möchte Stereotype nicht beseitigen, sondern die Menschen mehr dafür sensibilisieren, diese Zuschreibungen zu differenzieren und zu filtern, sich nicht mehr einem Stereotyp unterordnen zu lassen. Die Macht der Wörter sollte uns allen bewusst sein, wenn wir mit und über Menschen reden. Dieses großartige Projekt ist noch lange nicht abgeschlossen und sie plant zur Zeit eine große Tour durch Europa.

Wenn Du also Lust hast, am Projekt teilzunehmen, bietet Lauren Dir einen Platz bei „In Others’ Words“ im Austausch gegen Kost und Logis. Jede_r ist willkommen, schreib einfach eine E-Mail mit dem Betreff „IOW Travel Exchange“ an lauren@laurenrenner.com.

1 Erikson, 1968


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Inspiration oder Plagiat? Ein Drahtseilakt.

28 Aug

Das Internet beherbergt ein Sammelsurium an Bildern, die sich häufig wiederholen. Doch worin besteht der Kern von Kreativität? Was versteht man unter schöpferischer Leistung? Wodurch unterscheidet man Inspiration und Plagiat? Ein Beitrag über Gedankendiebstahl in der Fotografie und über den Wert von Kreativität.

Vor einiger Zeit beriet ich einen Freund bei der Erstellung einer Bewerbung für eine Kunsthochschule. Ihm fehlten die richtigen Ideen. Ich riet ihm, sich mal ein paar Bücher zu schnappen und sich davon inspirieren zu lassen. Unter anderem schickte ich ihm einen Link zu einem Künstler, der aktiv in die Natur eingriff und dies fotografisch dokumentierte.

Nach ein paar Wochen zeigte mir dieser Freund die Bewerbung, die er bereits eingereicht hatte. Mit großen Erstaunen sah ich, dass seine Arbeit eine fast detailgetreue Kopie des von mir empfohlenen Künstlers war. Noch verblüffter jedoch war ich, als er meinte, dass dies seine eigene Idee gewesen sei. Diese Erfahrung machte mich stutzig und ich begann, mich mit Plagiaten innerhalb der Kunst näher zu befassen.

Kopie des Originals (Blick aus dem Arbeitszimmer von Le Gras, Joseph Nicéphore Niépce, 1926)

Kopie des Originals (Blick aus dem Arbeitszimmer von Le Gras, Joseph Nicéphore Niépce, 1926)

Plagiate in der Kunst sind keine Neuerscheinung. Viele Künstler haben Picasso nicht in ihr Atelier geladen, weil dieser bekannt für gutes Adaptieren von unveröffentlichten und unbekannten Kunstwerken war. „Schlechte Künstler kopieren, herausragende stehlen.“, soll Picasso einst gesagt haben.

Plagiate können aber auch legal, also Teil eines Konzepts, sein. Künstlerinnen wie Elaine Sturtevant und Sherrie Levine haben Werke von Roy Lichtenstein, Jasper Johns oder Andy Warhol bewusst 1:1 kopiert. Ihre Arbeiten zählen zur Appropriation Art, die dafür steht, dass bestehende Kunstwerke vervielfältigt werden. Der Akt des Kopierens ist demnach das Konzept. Fälschen ohne Quellenangabe ist hingegen strafbar, wie der relativ aktuelle Fall Wolfgang Beltracchi zeigte.

Auf diese Strömungen der Appropriation Art bezugnehmend, hat Cornelia Sollfranck Netzwerk-Generatoren entworfen. Über die Eingabe eines Suchbegriffs erstellt dieses Programm eine Collage aus verschiedenen Bildern zum gleichen Thema. Damit hinterfragt Sollfranck nicht nur die Wiederverwendung von Themen in der Kunst, sondern auch die Flut der Bilder.

Wir leben in einer Zeit, in der Bilder wie Eintagsfliegen auf dem Bildschirm erscheinen und wieder vergehen. Anders als Eintagsfliegen scheint jedoch die eine oder andere Idee in leicht veränderter Form wiederaufzuerstehen.

Kopie einer Kopie des Originals (Blick aus dem Arbeitszimmer von Le Gras, Joseph Nicéphore Niépce, 1926)

Kopie einer Kopie des Originals (Blick aus dem Arbeitszimmer von Le Gras, Joseph Nicéphore Niépce, 1926)

Doch worin liegt der Kern einer guten, eigenen Idee?

Grundlegend ist es schlau, wenn man sich Inspiration holt, denn tatsächlich ist das Bestandteil eines Entwicklungsprozesses. Menschen lernen von anderen, indem sie imitieren. Ohne Nachahmung gäbe es keinen Fortschritt. So beginnen Amateurfotografen meist damit, Motive, die ihnen gefallen, zu kopieren. In den wenigsten Fällen wird eine Referenz oder „Inspirationsquelle“ kenntlich gemacht. Dies führt dann dazu, dass wir im Internet die Kopie einer Kopie einer Kopie wiederfinden.

Neben dem Wunsch, sich zu verbessern, steckt darin auch ein Wunsch nach Anerkennung. Mein Fotografielehrer Oliver S. Scholten meinte dazu:

Wenn Euch etwas gefällt, probiert es aus, macht es nach, aber lasst es um Himmels Willen in der Schublade verschwinden und zeigt es bloß niemandem. Der Prozess des Fotografierens ist im Optimalfall Belohnung genug.

Dies zeigt auch das Beispiel von Vivian Maier, die jahrelang fotografiert hat, ohne ihre Bilder zu veröffentlichen. Ihre Arbeiten sind erst nach ihrem Tod durch einen Auktionsverkauf aufgetaucht. Lob hat nicht lange Bestand. Was jedoch überdauert und nicht käuflich ist, ist die Erfahrung einer stetigen Weiterentwicklung. Und eine gute Idee zu entwickeln, braucht Zeit.

Paradigmatisch sind verschiedene Fotografien, die bestimmten Trends zuordenbar sind. Zeitgleich mit Erscheinen der Dokumentation „Die Woodmans“ waren beispielsweise Bilder mit einer Francesca-Woodman-Ästhetik sehr beliebt. Dieses Kopieren ist jedoch keine Kunst, sondern ein Üben von Fotografietechniken. Im Zweifelsfall ist es sogar ratsam, den urhebenden Künstler um Zustimmung zu fragen. Im besten Fall resultiert daraus, worum es in der Kunst eigentlich gehen sollte: Um Austausch und Kooperation.

Kopie einer Kopie einer Kopie des Originals (Blick aus dem Arbeitszimmer von Le Gras, Joseph Nicéphore Niépce, 1926)

Kopie einer Kopie einer Kopie des Originals (Blick aus dem Arbeitszimmer von Le Gras, Joseph Nicéphore Niépce, 1926)

Worin liegt der Unterschied zwischen Inspiration und Plagiat?

Die Grenze zwischen Inspiration und Plagiat ist nicht klar, sondern die Übergänge zwischen beiden Polen sind fließend (siehe auch der Artikel von Laura Zalenga). Das sieht man in vielen Fotoportalen, die an vielen Stellen vor inspirierten Plagiaten blühen. Solche Fotoportale sind die Schublade des Fotografen, einerseits mit dem Vorteil, andere an der eigenen Entwicklung teilhaben zu lassen, andererseits verführt sie aber auch zum Adaptieren.

Worin der Unterschied zwischen Inspiration und Plagiat liegt, zeigen verschiedene Plagiatsfälle innerhalb der Kunst. So zum Beispiel der Fall Rehberger. Rehberger hatte ein Kunstwerk für die Berliner Staatsbibliothek geschaffen, das so stark an ein Op-Art-Gemälde von Bridget Riley erinnert, dass das Werk nach wenigen Tagen verhüllt wurde. In solchen Fällen greift das Urheberrechtsgesetz. Dazu Robert Walter, Gründer und Geschäftsführer der Panthermedia GmbH in der Profifoto:

Eine Fotografie ist dann ein Plagiat, wenn das fotografierte Objekt nachgestellt und erneut fotografiert wurde. Wird bei dem Nachstellen einer bereits vorhandenen Fotografie die in der Vorlage verkörperte schöpferische Leistung übernommen, handelt es sich um eine Vervielfältigung in Form der Bearbeitung, die der Einwilligung des Urhebers des bearbeiteten Werkes bedarf.

Ein ähnlicher Fall wie der von Rehberger wurde vor einiger Zeit in der Presse diskutiert. David Burdney wurde vorgeworfen, dass er das Konzept und die Art der Präsentation seiner Arbeiten von Sze Tsung Leong geklaut hat. Die Ähnlichkeit ist so deutlich, dass man hier nicht von einer eigenen schöpferischen Leistung ausgehen kann.

Kopie einer Kopie einer Kopie einer Kopie des Originals (Blick aus dem Arbeitszimmer von Le Gras, Joseph Nicéphore Niépce, 1926)

Kopie einer Kopie einer Kopie einer Kopie des Originals (Blick aus dem Arbeitszimmer von Le Gras, Joseph Nicéphore Niépce, 1926)

Aber was versteht man unter schöpferischer Leistung?

Laut Urheberrechtsgesetz muss ein Werk zum Ersten eine wahrnehmbare Formgestalt aufweisen. Zum Zweiten muss es sich um eine persönliche geistige Schöpfung handeln, das heißt, Werke von Tieren zählen nicht als Kunstwerk. Und zum Dritten muss ein Werk individuelle Züge tragen, das heißt, es darf keine Kopie eines anderen Werkes sein. In unklaren Fällen kommt häufig die Frage auf, wer von wem kopiert hat. Das Datum dient häufig als Beleg, wer das jeweilige Kunstwerk erschaffen hat. Ob und wieviel Eigenheit das Werk aufweist, entscheidet ein Gericht.

Welche Konsequenzen das haben kann, zeigt der Fall von Vanessa Beecroft. Sie hat Buchstaben aus nackten Frauenkörpern für Louis Vuitton entworfen. Diese Idee stammte ursprünglich von Anthon Beeke, von dem sie sich, wie die Künstlerin auch zugab, aus einer Zeitschrift aus den 70er Jahren „inspirieren“ ließ.

Vuitton musste nicht nur eine hohe Entschädigung zahlen, sondern das 2007 erschienene Buch der Künstlerin einstampfen lassen. Interessanterweise beschuldigte Vanessa Beecroft erst kürzlich ihren ehemaligen Partner, den italienischen Künstler Maurizio Cattelan, ihre Ideen gestohlen zu haben. Vor dem Hintergrund der Vuitton-Affaire regt dieser Protest zum Schmunzeln an, aber tatsächlich ist es nicht das erste Mal, dass Cattelan Plagiarismus vorgeworfen wird.

Kopie einer Kopie einer Kopie einer Kopie einer Kopie des Originals (Blick aus dem Arbeitszimmer von Le Gras, Joseph Nicéphore Niépce, 1926)

Kopie einer Kopie einer Kopie einer Kopie einer Kopie des Originals (Blick aus dem Arbeitszimmer von Le Gras, Joseph Nicéphore Niépce, 1926)

Gibt es überhaupt universelle Ideen? Können zwei Menschen nicht doch die gleiche Ideen zu unterschiedlichen Zeitpunkten haben?

Hierzu greift das bekannte Beispiel des Berliner Künstlers Michael Luther, der eine Fotografie aus einer Tageszeitung mit malerischen Mitteln umgesetzt hat. Auf seiner Ausstellung wurde er darauf hingewiesen, dass Damien Hirst an einem exakt gleichen Bild mit exakt der gleichen Idee arbeitet. Motive, Lichtführung, Kontraste und Farbsetzung waren fast identisch. Solche Fälle sind zwar unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich.

In letzter Zeit wird daher verstärkt die Notwendigkeit geäußert, dass beim Umgang mit Plagiaten in der Kunst die gleichen Regeln gelten sollten wie in der Wissenschaft. Als guter Wissenschaftler muss man Notizen über das Gelesene machen und einen Überblick haben. Vergleichbar zeichnet sich ein guter Künstler dadurch aus, dass er oder sie über die historische Entwicklung der Fotografie und verschiedene Vor- oder Zeitgleichdenker informiert ist. Ob man sich eine Textpassage merkt oder eine visuelles Bild: Kopie bleibt Kopie. Plagiat bleibt Plagiat.

Als problematisch kann auch ein stetiges mangelndes Unrechtsbewusstsein unserer Generation „Copy-Paste“ gesehen werden. In der Episode „The Chicken Thief“ der Fernsehserie „Die Waltons“ kopiert Ben das „Sommergedicht“ von Jon Boy und gewinnt einen Poesiepreis beim Liberty Magazine. Der anfängliche Neid über die Kreativität von Jon Boy und der Wunsch nach Anerkennung kippt relativ schnell in Schuldgefühle, die dazu führen, dass er sich Jon Boy offenbart. Jon Boy verzeiht und weist darauf hin, dass bei Ben ein kreativer Prozess statt fand, denn er hat ein Wintergedicht („A Winter Mountain“) und kein Sommergedicht geschrieben.

Kopie einer Kopie einer Kopie einer Kopie einer Kopie einer Kopie des Originals (Blick aus dem Arbeitszimmer von Le Gras, Joseph Nicéphore Niépce, 1926)

Kopie einer Kopie einer Kopie einer Kopie einer Kopie einer Kopie des Originals (Blick aus dem Arbeitszimmer von Le Gras, Joseph Nicéphore Niépce, 1926)

Fazit

Es ist immer einfacher, eine vorhandene gute Idee zu verbessern.
Das ist jedoch keine Kunst. Vielleicht ist das gutes Handwerk.
Vor allem bringt es die Kunst bzw. die Fotografie nur kleinschrittig voran.

Dies belegt auch das Beispiel meines Freundes, den ich am Anfang erwähnte. Er erhielt eine Absage von der Kunsthochschule, mit dem Argument, dass man solche oder ähnliche Arbeiten bereits zu oft gesehen habe. Das sei wohl gerade „in“, sagte man ihm in einem persönlichen Gespräch. Exakt kopiert, wie hier, wird zwar selten, aber ein gutes Kunstwerk zeichnet sich durch ein Alleinstellungsmerkmal aus, das nicht nur aus guter Technik, sondern auch aus eigenem Inhalt besteht.

Am Ende steht immer die Frage im Raum, wozu man ein Bild macht. Wer primär Anerkennung sucht, sollte vielleicht kurz innehalten und den Finger leise vom Auslöser heben. Wenn man weiß, was man mit seinen Fotografien aussagen möchte, hat man hingegen schon einen großen Schritt in Richtung Kunst gemacht.

 

Bildnachweis

Das Titelbild stammt von Joseph Nicéphore Niépce aus dem Jahre 1926. Es ist vermutlich das erste dauerhafte Foto weltweit und stellt einen Blick aus dem Arbeitszimmer des Fotografen dar. (Linzenzfrei gekennzeichnet von Creative Commons)

Danksagung

Bei der Erstellung dieses Artikels haben einige Personen mitgewirkt. Dank geht an den Fotografen Jens Pepper und den Wissenschaftler Christian Kaufmann für Vorschläge für weiterführende Links und Literaturhinweise. Meinem Fotolehrer Oliver S. Scholten, sowie Marit Beer und Schall & Schnabel sei für die bereichernden abendfüllenden Diskussionen gedankt.


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kwerfeldein diskutiert: Ein gutes Foto braucht ein gutes Motiv! Oder?

09 Jul

Ich (Normen) erlebte vor einiger Zeit eine Situation, in der eine Großmutter beim Betrachten eines Fotos ihres Enkels Folgendes äußerte: „Das ist aber ein schönes Foto!“ In diesem Moment wurde mir klar, dass die Großmutter nicht das Foto schön fand, sondern nur das Motiv. Aus dem schönen Motiv wurde ein schönes Foto.

Mir stellte sich dann die Frage: Kann man eigentlich in der Beurteilung von Fotografien eine Grenze zwischen dem Foto als Endprodukt und dem Motiv ziehen? Sicherlich, denn nicht jedes gute Motiv führt am Ende zu einem guten Foto. Wenn es so etwas wie ein gutes Motiv geben sollte, können dann dennoch gute Fotos aus einem scheinbar schlechten Motiv entstehen?

Ich möchte einfach mal die Runde eröffnen und frage Euch: Welche Voraussetzungen muss ein gutes Motiv erfüllen?

Martin: Ich finde es persönlich sehr schwer, ein gutes Motiv als solches zu definieren, denn so löse ich es zu sehr aus dem Kontext, in dem es steht. Ein Würfel mit einem Meter Kantenlänge wirkt vor einem großen Wasserfall ganz anders als in einem weißen Raum – und das ganz ohne Wertung. Außerdem spielen hier vor allem unsere kulturell und familiär geprägten Präferenzen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Und wie im obigen Beispiel zu erkennen, kann das einfach nur auf der Beziehungsebene passieren. So viel zur Theorie.

In der fotografischen Praxis auf der Straße erlebe ich jedoch täglich, wie ich aktiv selektiere. Wen fotografiere ich und wen nicht? Für mich sind meistens die Menschen am interessantesten (= ein gutes Motiv), die aus der Masse herausstechen und ungewöhnlich im Rahmen des Gewöhnlichen auf meine Sehgewohnheiten wirken.

Robert: Ein Foto kann technisch gut umgesetzt, aber inhaltlich banal sein und umgekehrt ist natürlich ein auffälliges Motiv allein noch kein Garant für ein gutes Foto.

Darüber, was ein Motiv sein kann, entscheidet zunächst einmal der Fotograf. Seine Motivation mag ein persönlicher Bezug zu dem sein, was er fotografieren möchte. Wer das Foto anschließend betrachtet, kann allerdings eine ganz andere Sichtweise haben, weil er eine andere oder vielleicht gar keine Beziehung zum Motiv hat. Insofern stelle auch ich es mir sehr schwierig vor, ein Foto und sein Motiv nach objektiven Gesichtspunkten als gut zu beurteilen.

Sebastian: Mit dieser allzu subjektiven Ebene wäre ich vorsichtig, Robert. Ein gutes Foto ist ein gutes Foto, ich glaube schon, dass man das halbwegs objektiv bewerten kann. Das Motiv ist einerseits eine ganz andere Ebene, andererseits aber auch nicht vom Bild zu lösen.

Ich denke da immer an Literatur bei dem Kontext. Die besten Bücher sind oft die, in denen oberflächlich gar nicht viel passiert und sich die Handlung eher in Gedanken und Assoziationen abspielt und sich um Dinge dreht, die jeder kennt wie etwa Liebe und Tod.

Soll heißen: Ich denke, das Motiv muss gar nicht spektakulär oder außergewöhnlich sein, um es in einem überraschenden und neuen Kontext zu zeigen, der beim Betrachter viel mehr auslöst als ein totales Actionsuperdupermotiv, das langweilig fotografiert ist. Insofern würde ich fast sagen: Eher banale Motive ergeben oft die stärksten Bilder, wenn sie gut fotografiert sind.

Normen: Da fällt mir sofort Andreas Gursky und seine Fotografie „99 cent“ ein. Vollgepackte Regale in einem Supermarkt würden die meisten Fotografen vermutlich nicht als lohnenswertes Motiv in Betracht ziehen. Gursky tat es und es entstand eine der berühmtesten Fotografien der Welt.

Ich würde deshalb sagen, dass, wenn in der Fotografie vom Motiv gesprochen wird, allein der Fotograf entscheiden kann, ob es gut ist oder nicht. Ohne eine positive Abwägung des Fotografen ist die Entstehung eines guten Fotos nicht möglich.

Martin: Moment mal. Im Falle des reinen Fotoliebhabers, der aus reiner Zuneigung zu seinem Sujet fotografiert, mag das stimmen. Steigen wir jedoch mal in die professionelle Ebene ein, in der Kunden ein ganz bestimmtes Motiv in einem ganz bestimmten Kontext haben. Dann entscheidet eben nicht mehr der Fotograf allein, was gut ist und was nicht. Und im Ernstfall gibt es eben keine Kohle.

Und wenn wir jetzt mal einen Schritt zurück gehen und noch einmal den Fotoliebhaber ansehen, dann hat auch er einen Kunden, denn niemand (bis auf ein paar Ausnahmen) fotografiert nur für sich. Jede und jeder hat eine Absicht und jeder möchte irgendetwas erreichen. Und sei es selbst eine schockierte Ablehnung seitens der Betrachter. Wenn der Fotograf oder die Fotografin exakt das erreichen wollte, dann war das Foto – und somit auch das Motiv – gut.

Sebastian: Sehe ich überhaupt nicht so. Da kommen wir aber jetzt schnell an die Trennung von künstlerischer und kommerzieller Fotografie und wie (wenn überhaupt) das am Ende wirklich gut zusammengeht. Im Gegenteil ist es meiner Meinung nach gerade in der künstlerischen Fotografie so, dass man den „Kunden“ (in dem Fall das Publikum oder die Galerie oder den Sammler) beim Machen des Bildes so weit wie möglich außen vor lassen sollte. Wenn Du Dein Publikum schon im Entstehungsprozess mit reinrechnest, dann geht das leider oft übelst daneben.

Bei der kommerziellen Fotografie ist es dann genau anders herum. Du kriegst Dein Motiv vorgegeben (oder hast ein Motiv, das Du immer fotografierst und von dem Du weißt, dass es das Publikum kauft) und tobst Dich eben anderweitig kreativ aus. Aber braucht ein gutes Foto jetzt eigentlich auch ein gutes Motiv? Ich denke das immer noch nicht, für mich kann man aus jedem Motiv ein gutes Foto machen.

Normen: Ich fasse das mal kurz zusammen: Wir müssen in unserer Diskussion zwischen verschiedenen Grundlagen der Beurteilung unterscheiden. Zum Einen gibt es einen Unterschied zwischen künstlerischer und kommerzieller Fotografie und zum Anderen die unterschiedliche Beurteilung des Motivs durch Fotograf und Betrachter.

Deshalb könnte man jetzt wieder den Geschmackshammer rausholen und die Diskussion an dieser Stelle beenden. Machen wir aber nicht, denn in der Beurteilung eines Fotos kann es meiner Meinung nach eigentlich immer nur eine Person geben: Den Betrachter, unabhängig davon, ob er Kunde, Fotograf oder was auch immer ist. Es kann ja schließlich nicht das Ziel sein, ein Foto für allgemeingültig gut zu erklären.

Wie ist das bei mir? Wenn ich ein Motiv nicht mag, dann kann die Fotografie zwar technisch sehr gut sein und ich kann auch der Allgemeinheit zugestehen, es gut zu finden, persönlich lasse ich es aber nicht an mich heran und demnach würde es bei mir auch nicht in die Kategorie „gut“ fallen.

Robert: Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, weshalb man fotografieren sollte, was man nicht mag. Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn.

Selbst, wenn es sich um einen schwierigen Auftrag handelt, muss man sich auf irgendeiner Ebene einen Zugang verschaffen, sonst produziert man doch für die Mülltonne und zur eigenen genauso wie zur Unzufriedenheit des Kunden.

Um mal auf die Beurteilung der Fotos zurückzukommen: Ich denke, man sollte im Blick haben, welchen Zweck das Bild erfüllen soll. Irgendeine Referenz braucht es für die Beurteilung doch immer, denn genauso wie ein Mensch ist auch ein Foto keine Insel.

Was mich sehr interessiert, ist, zu betrachten, wie und warum manche Bilder sich medial rapide ausbreiten und kollektiv anklingen.

Sebastian, was in Bezug darauf Deinen Standpunkt einer möglichen objektiven Bewertbarkeit angeht, möchte ich gern ein Beispiel für ein kollektiv als gut befundenes Bild herbeiziehen.

Manch einer kennt es sicher, die Rede ist von der Vogelperspektive von Iwan Baan hinunter auf das nächtliche Manhattan nach dem großen Sturm im vergangenen Jahr. Während die umliegenden Teile der Stadt noch aufleuchten, liegt der vordere Teil der Halbinsel aufgrund eines massiven Stromausfalls im Dunkeln.

Warum hat dieses Bild solch eine Durchschlagkraft entwickelt? Die Ursache liegt sicherlich darin, dass sich diejenigen, die es gesehen haben, sofort in irgendeiner Weise damit identifizieren konnten. Sagen wir, es ist vielleicht die natürliche Angst von uns Menschen vor dem Untergang oder vor etwas, das stärker ist als wir.

Das Foto hat also einen unverkennbaren Symbolcharakter, vielleicht auch, weil es schon vielmals vorher fotografiert wurde. Aber eben noch nie so und in diesem Zusammenhang.

Es ist unbestreitbar ein gutes Foto, weil es etwas anklingen lässt, was im kollektiven Gedächtnis steckt. Ich wäre hier dennoch vorsichtig, denn Konsens im kollektiven Gedächtnis lässt sich allzu leicht mit Objektivität verwechseln.

Genauso wie die Entscheidung für ein Motiv höchst subjektiv ist, bleibt meiner Meinung nach auch die Betrachtung und Beurteilung des Fotos eine höchst subjektive Angelegenheit.

Martin: Und ist genau diese Spannung nicht das, was es heute so schwer macht, zu beurteilen, was ein gutes Foto ist? Dieses Alles-oder-nichts? Die vielen verschiedenen Faktoren? In diesem Chaos wird es immer schwer bleiben, ein Foto und auch ein Motiv nach gut oder schlecht zu kategorisieren. Ich denke, wir sind in diesem Gedankenkarussell nicht allein, denn es wird sicher vielen anderen, die fotografieren so gehen wie uns.

Ein wichtiger Maßstab ist jedenfalls – und daran hat sicher niemand einen Zweifel – der eigene Geschmack. Doch mit jedem weiteren Maßstab, der unvermeidlich dazukommt – sei es nun ein Kunde, die Verwandtschaft oder die Community des Internets – wird es um ein Vielfaches komplexer.

Jedoch ist meiner Meinung nach ein einziger dieser Maßstäbe nicht per se als der entscheidende zu betrachten, denn immer dann fallen wir vom Pferd in die Drecksgrube namens Pauschalisierung, die stets ein Stück Kuchen für das ganze Ding hält.

Es kommen stets viele Faktoren zusammen und dazu gehört eben auch (nicht nur) das Motiv. Das Motiv entscheidet, was im Bild zu sehen sein wird und der Fotograf entscheidet, wie es zu sehen sein wird.

Robert: Aber machst Du denn ein Foto immer erst dann, wenn Du vorher abgewogen hast, ob es gut sein könnte? Da wirste ja verrückt! Ich denke, man muss einfach Lust auf das haben, was man fotografiert, das reicht schon völlig aus.

In sofern gebe ich Dir mit dem Geschmack ein bisschen recht, Martin, obwohl ich es lieber Interesse nennen möchte. Ob das eigene Interesse dann mit Bildern des kollektiven Gedächtnisses deckungsgleich ist (vorausgesetzt, dass einem das überhaupt wichtig ist), ist eine andere Frage – eine der richtigen Intuition.

Sebastian: Ich mache eigentlich auch die Bilder immer erst, wenn ich vorher abgewogen habe, ob es gut werden könnte, Robert. Ich verstehe aber auch die andere Richtung. Aber rumlaufen und Motive „entdecken“ und dann erst einmal überlegen und werten, ob und wie das ein gutes Bild sein könnte, egal, ob man einen persönlichen Bezug dazu hat oder nicht, gehört für mich auf jeden Fall zum Fotografieren dazu.

Vielleicht ist diese Motivauswahl auch eine gute Art, um der Ausgangsfrage näherzukommen: Vielleicht braucht ein gutes Foto ja nicht unbedingt ein gutes Motiv, aber einen Fotografen, der sein Motiv sehr gut aussucht.

Da kann man natürlich so Konsensmotive nehmen, die immer gehen (Katzenbabies!) und hat dann sicher ein populäres Foto, das sich weit verbreitet, aber ein gutes Foto ist es deswegen ja noch lange nicht, um auf dieses Manhattan-Bild zurückzukommen.

Mir sagt das irgendwie nicht viel, mal davon abgesehen, dass es natürlich ‘ne tolle Perspektive ist und es auf dem Cover mit der Typografie schick aussieht und journalistisch sicher eindrucksvoll ist. Aber ist das ein gutes Foto? Ich weiß nicht. Es ist eher so ein Kleinster-gemeinsamster-Nenner-Foto der Zeitgeschichte.

Normen: Mich haut das Manhattan-Foto auch nicht aus den Latschen, aber in dem Bewusstsein des ereignisreichen Zusammenhangs ist es durchaus ein gutes Foto. Das unterstreicht, dass ein gutes Foto oftmals mehrere Dinge braucht. Manchmal sagt uns das Motiv nichts oder es erscheint auf den ersten Blick trivial, sobald aber eine Entstehungsgeschichte bekannt ist, kann das Motiv eine interessante Wirkung auf den Betrachter haben.

Auf die gleiche Weise kann sich die Beurteilung eines Fotos auch im Laufe der Zeit verändern. Ein Foto, welches heute eher unbedeutend erscheint, kann für nachfolgende Generationen ein wichtiges Foto sein.

Am Ende steht auch hier der Betrachter und dieser kann im Laufe der Zeit ein und dasselbe Foto unterschiedlich bewerten. In meinen Augen zeigt das, wie schwierig es ist, ein Foto oder Motiv für gut oder schlecht zu halten.

Robert: Ganz genau.

Martin: Werden wir doch mal praktisch: Was ist für Euch ein schlechtes Motiv? Der Titel unserer Diskussion baut ja ein wenig darauf auf, was ein gutes Motiv ist.

Sebastian: Ich würde spontan sofort antworten: Jedes Motiv kann ein schlechtes Motiv sein, sofern der Fotograf keinen eigenen Bezug dazu hat. Das widerspricht natürlich erst einmal total der „Fotografie ist Handwerk“-These, aber ich denke wirklich, dass sich Gleichgültigkeit oder gar Widerwillen gegenüber einem Motiv auch in der Qualität der Arbeit widerspiegeln. Das ist die emotionale Seite.

Objektiv schlechte Motive sind meiner Meinung nach dagegen die, die schon eine Milliarde mal von allen Ecken und Enden abfotografiert wurden und eben die, bei denen das Motiv selbst eher der Star ist, weil es eben so geformt ist, wie es geformt ist oder an sich toll aussieht. Das objektiv schlechteste Motiv überhaupt ist für mich zuerst einmal ein anderes Foto ohne jeden Kontext, danach ein anderes Kunstwerk, das neutral abgelichtet wurde, dann irgendein Bauwerk, bei dem das Bauwerk der Eyecatcher ist. Generell vielleicht Dinge, in die der Fotograf selbst nichts reinlegt.

Robert: Damit, dass sich emotionale Gleichgültigkeit gegenüber dem Fotografierten auch im Ergebnis abbildet, gehe ich sofort mit, Sebastian.

Verbundenheit zum Fotografierten ist bei einem künstlerischen Ansatz vielleicht besonders wesentlich (weil es eben um die eigene Vision von etwas geht), aber sie ist auch für eine gute kommerzielle Arbeit essentiell.

Auf Deine Frage, Martin, antworte ich: Ein Motiv kann nicht an sich gut oder schlecht sein. Ich würde eher weiter gehen und sagen, dass es entweder eins ist oder eben keins, je nachdem, ob man für sich (aus der Perspektive des Fotografen bei der Aufnahme) in der Lage ist, einen Bezug herzustellen.

Ich denke, die Grundbedeutung des Begriffs Motiv in Malerei und Fotografie als dem Gegenstand des Bildes ist zudem ein wenig zu stark auf das fertige Bild und die Perspektive des Betrachters eingestellt und zu wenig auf die des Bildschöpfers.

Nicht zuletzt sind der Bezug des Fotografen zum Fotografierten und das Warum grundlegend für das Bild. Der Fotograf ist gewissermaßen Täter und weil die Entscheidung, das Foto zu machen stattgefunden hat, existiert es.

Nicht nur was abgebildet ist, sondern auch warum, ist eigentlich das Motiv.

Und ob es gut oder schlecht ist, wer soll das glaubwürdig beurteilen?


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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Alles oder Nichts?

17 Apr

Ein Beitrag von: Jörg Rüger

„Wenn weniger mehr ist, ist nichts dann alles?“ Diesen Ausspruch des niederländischen Architekten Rem Koolhaas fand ich so interessant, dass ich ihn gern auf meine fotografischen Arbeiten beziehen wollte.

Nun ist es natürlich wenig sinnvoll, „nichts“ abbilden zu wollen. Aber ich habe den Ausspruch so interpretiert, dass eine deutliche Reduktion dessen, was man abbilden könnte, gleichzeitig ein Mehr an Ausdrucksmöglichkeiten bietet.

Das fand ich sehr interessant, weil bis dahin mein bisheriges Hauptthema – die Fotografie von verlassenen Orten – eine andere Herangehensweise erforderte.

© Jörg Rüger

Mit Koolhaas’ Ausspruch im Hinterkopf ziehe ich also los und suche mir meine Motive. Ich fokussiere mich dabei auf die Architektur oder architektonische Details.

Das Schöne daran ist, dass man diese wirklich überall findet. Ich trete auf die Straße und schon kann es losgehen: Fassaden, Mauern, Zäune, Wände und vieles andere mehr.

Ich bin mir aber gar nicht sicher, ob es denn Architekturfotografie ist, was ich da mache. Denn streng genommen hat diese Spielart der Fotografie eigentlich eher dokumentarischen Charakter.

© Jörg Rüger

Das ist es aber nicht, was ich möchte. Mir ist es nicht wichtig, das große Ganze so abzulichten, wie es jeder sieht. Ganz im Gegenteil, ich möchte mit der Auswahl von geeigneten Bildausschnitten die Motive auf Flächen, Formen, Farben und Strukturen reduzieren und damit das Gesehene abstrahieren.

Die Architektur in meiner Stadt bietet mir viele Möglichkeiten für solch eine Umsetzung. Bei einigen Motiven erkennt man dann noch, um welche Sachen es sich handelt, bei vielen aber auch nicht.

Das ist mir aber auch nicht wichtig, wenngleich die Verfremdung nicht mein eigentliches Ziel ist. Mir geht es darum, mit dieser Art der Fotografie eine veränderte Wahrnehmung der Objekte zu erreichen.

© Jörg Rüger

Die Motive werden hierdurch zu etwas Neuem und erhalten eine Eigenständigkeit. Das Haus, das Dach, das Fenster – alles bekommt eine neue Funktion, indem es zum Fotomotiv wird.

Die so fotografierten Objekte bieten Raum für Assoziationen und erhalten für jeden Betrachter eine andere Aussage oder entfalten eine andere Wirkung. Vielleicht enthalten sie auch keine Aussage, sondern werden nur als schön oder interessant empfunden.

Wenn es mir gelingt, das Interesse des Betrachters zu gewinnen, die Aufmerksamkeit auf ein Foto zu lenken, dann bin ich zufrieden. Und es freut mich, wenn ich dem einen oder anderen mit einer Aufnahme ein Rätsel aufgebe und ihn so zu einer weitergehenden Auseinandersetzung mit dem Motiv anrege.

Diese mittelbare Interaktion mit Betrachtern meiner Bilder macht für mich auch einen der Reize der Fotografie aus.

© Jörg Rüger

Wenn ich also für diese Art von Aufnahmen losziehe, dann habe ich meistens keine konkrete Idee im Kopf, bestenfalls vielleicht einen Ort, an den es mich zieht. Ich bereite solch eine Tour auch nicht weiter vor, weder gedanklich noch konzeptionell.

Wenn ich erst einmal fündig geworden bin, dann entwickelt sich die Sache meist von allein. Ich fange vorsichtig an, zu fotografieren, taste mich an das Motiv oder die Motive heran und dann passiert oft etwas, was für mich den ganz großen Reiz an der Fotografie ausmacht:

Die Sache bekommt eine eigene Dynamik, ich überlege nicht mehr lange, was ich fotografiere, ein Motiv ergibt das nächste und ganz schnell nimmt mich dieser Prozess gefangen und ich merke gar nicht, wie sich meine Speicherkarte füllt.

© Jörg Rüger

So können dann ganz schnell ein paar Stunden ins Land gehen. Das merke ich dann meist erst, wenn das Licht verschwindet oder die Speicherkarten an ihre Kapazitätsgrenzen kommen. Am Ende steht dann ein tiefes Gefühl von Zufriedenheit.

Zuhause geht es dann am Rechner weiter, wobei das Motiv für mich die Art und den Umfang der Bearbeitung vorgibt. Meistens bearbeite ich nur sehr wenig. Ich ziehe Belichtung und Kontraste an, schärfe etwas nach, korrigiere stürzende Linien und passe vielleicht auch mal den Bildausschnitt an; das sehe ich ganz undogmatisch.

© Jörg Rüger

Für mich gehört die Ausarbeitung einer Aufnahme am Rechner als zweiter Schritt in dem Prozess dazu. Ganz am Ende steht dann die Präsentation der Aufnahmen, denn wie schon ausgeführt ist mir ein Austausch über die Sachen, die ich mache, irgendwie wichtig.

Und anders würde ich ja beispielsweise nicht erfahren, ob ich mit meiner Umsetzung des eingangs erwähnten Zitats richtig liege: Ist weniger an dieser Stelle tatsächlich mehr?


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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Schön und gut? Oder eben nicht.

29 Jan

Ein Beitrag von: Heidrun Klos

Überlegungen zum schönen und guten Foto

Wenn man, wie ich, in seinem Kunststudium gesagt bekommen hat, die Fotografien, die man mache, seien „zu schön“, dann bildet sich zunächst ein sehr großes Fragezeichen im eigenen Kopf. Doch schon bald kann man es als Herausforderung betrachten, „das Schöne“ zu eliminieren.

Dies ist leichter gesagt als getan, denn man verbindet „schön“ gern mit „gut“ und eben folgerichtig „nicht schön“ mit „nicht gut“ – und wer will schon „nicht gute“ Fotos machen? Doch ist das der Fall? Und außerdem: Was bedeutet denn „schön“ eigentlich? Und „gut“? Und kombiniert: Ist ein schönes Foto eigentlich selbstredend gut? Zeit, die Überlegungen zum schönen und guten Foto niederzuschreiben.

Eigentlich ist „Sehen“ (also auch von Fotos) doch eher ein Prozess, bei dem optische und biologische Vorgänge kombiniert werden mit emotionalem Denken.* Das „reine (objektive) Sehen“ scheint, im Bezug auf Bilder oder Fotos, kaum möglich. Das deutet bereits an, was wohl kaum jemand leugnen kann: Auch das Schöne (lies: ein schönes Foto) also muss subjektiv sein, denn man sieht es.

Es gibt über das Schöne diverse philosophischen Meinungen, doch um diese zu erläutern, ist hier kaum der Ort – und zwar kenne ich die eine oder andere Meinung, jedoch bin ich kein Experte. Allerdings möchte ich – aus persönlicher Vorliebe – verweisen nach Immanuel Kant, der Schönheit in seinem dritten Hauptwerk „Kritik der Urteilskraft“ als „interesseloses Wohlgefallen“ definiert.

 

Klassisch schön – also langweilig?

Die Entscheidung, was schön ist, kann kaum allgemein beantwortet werden, denn sie liegt, wie man so schön sagt, im Auge des Betrachters. Trotzdem kann man bis zu einem gewissen Grad einen Konsens bemerken. Der klassische Schönheitsbegriff orientiert sich an Termen wie Goldener Schnitt, Symmetrie, Harmonie, aber auch Jugend, Kraft und Gesundheit. Zumeist werden Bilder, also auch Fotografien, als schön erfahren, wenn sie sich bildnerisch dieser Elemente bedienen.

Allerdings zeichnet sich mancherorts das Problem des Schönen ab: Es ist schön. Alten (immerwährenden?) Idealen unterworfen, ist es zwar zu benennen, in gewisser Weise auch kulturell belegt und weckt das Interesse, jedoch kann dieses schnell ein oberflächliches sein.

Roland Barthes, Philosoph und Schriftsteller, hat in seinem in der Fototheorie viel zitierten Buch „Die Helle Kammer. Bemerkung zur Fotografie“ zwei interessante Begriffe eingeführt, die er als die „zwei Arten des Interesses an Fotografie“ bezeichnete: Das studium und das punctum. Das studium ist eine Art höfliches Interesse, das – um es kurz zu halten – eher formal ist und in gewisser Weise ein wenig oberflächlich, eine Lektüre.

Das punctum dagegen sei jenes (Subjektive), was ihn an Fotografien tief berühre. Dazu später mehr. Das Schöne also, vermute ich, weckt das Interesse, doch es bleibt allzu leicht beim studium, da das Auge auf der glatten (perfekten?) Oberfläche, der Widerstandslosigkeit des Schönen verweilt – und sich nicht weiter bemüht, es ist geschmeichelt. Schönheit scheint bisweilen langweilig zu werden, eben weil man sich nicht daran reiben kann.

 

Die Verwerfung des Schönen

So wird gern ein Gegenkonzept entwickelt, wie vor allem deutlich in der Mode: Mitte der 90er Jahre etablierte sich beispielsweise der heroin chic, der sich kennzeichnet durch blasse Haut, Augenringe und kantige Knochenstruktur oder ein paar Jahre nach der Jahrtausendwende der geek look, durch den großen Hornbrillen und biederen Kleidungsstücken neues Leben eingehaucht wurde.

Das gemeinhin als schön empfundene wird also mitunter verworfen zugunsten des „anderen Ideals“: Des Widerborstigen und des Spannenden; denn, so mag man nun meinen, die Versuchung liegt nicht in der Perfektion, sondern allzu oft an der Grenze des Kaputten, des Verstörten, des Hässlichen. Gelegentlich mit der notwendigen Portion Ironie garniert. Ist diese Weg-Entwicklung vom Schönen eine Reaktion aus Überdruss, Trotz und Langeweile?

(Dort könnten philosophische oder auch wissenschaftliche Erläuterungen beginnen: Eine Suche nach „allgemeinen Regeln“ dessen, warum das Schöne oft verworfen wird. Und dies soll der Anregung dienen.)

Doch was bedeutet das für die Fotografie? Ist das Schöne überholt? Zu schön, zu harmonisch? Was bliebe, wäre der Bruch. Das Schöne ablösen, es loslösen vom Guten.

Ein Fotograf wird verbal gern mit „einem guten Auge“ ausgestattet – jedoch, was ist denn nun „gut“? Jedenfalls ist es in der Fotografie schon lange nicht mehr einfach schön. Doch ist es das überhaupt je gewesen? Eine erste, vorschnelle Antwort, wäre ja. Doch bereits auf den zweiten Blick muss dies revidiert werden: Sind Diane Arbus’ Fotos schön? Ja und nein. Die Fotografien des Kriegsfotografen James Nachtwey sind nicht „schön“, sie zeigen tiefstes Elend (in einer schockierenden Ästhetik). Oder die verstörenden Bilder des Hans Bellmer?

Dies sind nur drei Bespiele von vielen, bei denen sich gute und schöne Fotografie nicht einfach vereinen lassen. Wie so oft in der Fotografie ist Barthes Terminologie dienlich: Ist das punctum das Schöne? Nicht unbedingt. Es ist, nach Barthes, das, was (be)sticht, verwundet, trifft, das Unbenennbare, die Zufälligkeit der, so meine ich, ebendies auch inhärent ist: Zufällig im Bild, aber auch zu-fällig ans Auge. Ans Herz gar, möchte man sagen.

Das punctum ist es, das ein Foto nachhaltig gut macht, was berührt. Eine gute Fotografie ist – aus meiner inzwischen gewonnen Perspektive – oft nicht schön, ja sogar: Sollte es bisweilen nicht sein. Denn schön, im klassischen Sinne, hält auf, verhindert – blendet. Fotografien sollten „das Andere“ sein, bestechen, irritieren, verstören, sodass der Blick nicht auf der Oberfläche abperlt, sondern eindringt. Ein gutes Foto ist oft jenes, das Blicke aufsaugt wie ausgetrocknete Erde, die, wenn sie vollgesogen ist und ihre tiefe Schwärze zurück hat, fruchtbar wird.

Das Schöne also, im klassischen Verständnis, wird in der (Kunst-)Fotografie oft gemieden, es scheint uns verlitten. Vielleicht liegt das mit daran, dass neben der klassischen Schönheit auch immerzu der Kitsch lauert – obwohl dieser übrigens in der Kunst (und damit viele fotografische Arbeiten eingeschlossen) zunehmend legitim ist. Und warum? Weil er eben nicht schön ist, weil er die Hyperbel der Schönheit ist. Um von der Kitsch- in die Kunstschublade zu gelangen, muss er aber in seiner Ironie erkannt, behandelt und eingesehen werden. Denn Kitsch ist ehrlich (auf eine hochstaplerische Weise), er blendet nicht; er ist ein (Zu-)Geständnis im Mantel der Übertreibung. Ein Schaf im Wolfspelz, sozusagen.

 

Gute Aussichten für das Schöne

Nun ist es also, dass ein gutes Foto nicht notwendigerweise schön ist. Es sogar bisweilen besser nicht sein sollte. (Was übrigens inzwischen zwar kein Fragezeichen mehr in meinem Kopf verursacht, aber dennoch eine Herausforderung bleibt, denn natürlich habe auch ich einen ästhetischen Anspruch.) Nichtsdestotrotz, gute Aussichten für die Schönheit: Auch, ist sie in ihrer klassischen Form nicht immer willkommen, sie ist doch nötig – und sei es als Gegenkonzept – und so manches Foto entfaltet dann eine ganz eigene, bestechende Schönheit.

PS: Wohlgemerkt ist „schön“ ein äußeres und „gut“ eher ein inhaltliches Kriterium, die sich idealerweise vereinen; doch, meiner Meinung nach hat letzteres ersteres irgendwie zur Folge – aber eben nicht unbedingt im klassischen Sinne.

* Recht explizit formuliert dies zum Beispiel Elise Bisanz in „Die Überwindung des Ikonischen. Kulturwissenschaftliche Perspektiven der Bildwissenschaft“ (mit Verweis zu Derrida).


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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Männlein oder Weiblein?

15 Oct

“Ich finds ein bißchen dünn irgendwie” meinte Holger heute morgen, als ich ihm stolz meine neue Idee für eine Umfrage hier vorstellte. Und ich muss zugeben: Er hat recht. Eine Umfrage über das Geschlecht hat keinen tieferen Sinn, wirkt erstmal oberflächlich und hat auf den ersten Blick überhaupt nichts mit der Fotografie zu tun.

Oder vielleicht doch?

“Kommt aber vielleicht auf den text drum rum an” tippte Holger heute morgen als zweiten Satz in den Chat und er hat schon wieder recht. Denn vielleicht sollte ich einfach kurz erklären, warum diese Umfrage relevant sein könnte.

Ich mache mir schon länger Gedanken darum, warum die Fotografie solch eine Männerdomäne ist. Vielleicht, weil es technisches, teures Spielzeug in Mengen gibt? Vielleicht, weil wir es mögen, uns penibel über Abbildungsleistung, Hyperfokaldistanz oder anderen Firlefanz auszutauschen (ich gebs ja zu, ich mag das auch hin und wieder)? Vielleicht weil… Ich weiss es nicht. Ist eigentlich auch egal.

Denn eigentlich ist die Fotografie ein Bereich, der viel mit Emotionen, Kommunikation (was möchte ich mit dem Foto sagen) und dem Künstlerischen zu tun hat – wo Frauen häufig sehr viel kompetenter sind als wir lieben Männer. Manchmal ist es auch anders – ich schildere hier nur meine Eindrücke.

Für mich geht es hier auch nicht darum, plump und boulevardesk Männer gegen Frauen aufzuwiegeln – im Gegenteil. Ich bin der Meinung, dass wir viel voneinander lernen können und gemeinsam mehr von der Sache haben.

Jedenfalls reizt es mich schon lange, die, wenn auch triviale Frage zu stellen, wie sich das denn hier auf einem Fotografie-Blog verteilt. Das Ergebnis hat zunächst auch mal keine tiefgreifende Aussage oder liesse großartige psychologische Prognosen  zu – ist aber dennoch für mich als Herausgeber nicht ganz uninteressant.

Aber wie ist das denn jetzt. Wie verteilt sich denn das Geschlecht auf einen Blog über Fotografie? Das würde ich gerne wissen. Ich bin nunmal etwas neugierig – und vielleicht interessiert es ja auch den ein oder die Andere.

Note: There is a poll embedded within this post, please visit the site to participate in this post’s poll.

Und gerade weil das Thema so wenig Rückschlüsse zulässt, lassen wir heute mal die Kommentare zu – eine Diskussion zu dem Thema wird es hier an anderer Stelle nochmal geben. Ich bin jedenfalls gespannt, hier alle Stunde draufzuschauen und zu sehen, wie sich das entwickelt 😉

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Nasco Yankee Meet 2010 oder fast ein “bad camera day”

15 Apr
Jens Herrndorff fotografiert seit 2008 als dilettantischer Autodidakt Menschen und Mode. Er lebt und arbeitet in der Nähe von Hamburg. Mehr Infos über ihn findet Ihr auf seiner Portfolio-Webseite oder seinem Blog.

Wenn wir Deutschen an Schweden denken, fallen uns in erster Linie IKEA und Volvo, Elche und rote Holzhäuser ein. Klar, dann auch noch Astrid Lindgren, ABBA und, ja … noch mehr rote Holzhäuser. Dass Schweden aber auch in Sachen Ami-Straßenkreuzer eine echte Hochburg ist, wissen nur wenige.

Ihren Ursprung hat diese Leidenschaft in der “Raggare”-Jugendbewegung der 50er-Jahre. Rock ‘n’ Roll, US-Cars, Bier und eine gehörige Portion “White Trash” sind die wesentlichen Merkmale dieser Szene.

Während der Sommermonate treffen sich die “Raggare” und Liebhaber von US-Fahrzeugen (vornehmlich der 50er, 60er und 70er Jahre) auf unzähligen sogenannten “Meets” im ganzen Land, die von tausenden Zuschauern besucht werden. So auch vergangenes Wochenende im südschwedischen Falköping. Auf dem kleinen Flugplatz der Stadt waren beim “Nasco Yankee Meet” mehrere hundert meist hochglanzpolierte Fahrzeuge versammelt.

Grund genug für mich, meine Kamera zu schultern und nach brauchbaren Motiven Ausschau zu halten. Dabei hatte ich meine Zweitkamera – eine betagte Canon EOS 20D mit einem EF 75-300mm 1:4-5.6 III USM Zoom sowie das Canon EF-S 17-85mm 1:4-5.6 IS USM. Beides Objektive, deren Abbildungsleistung mich bis heute nicht recht überzeugt hat, die aber solide und verlässlich sind und zusammen einen großen Brennweitenbereich abdecken.

Da ich nicht alleine unterwegs war, waren die Möglichkeiten der Motivsuche aus Gründen der Rücksichtnahme und Höflichkeit ein wenig eingeschränkt. Zudem bemerkte ich nach dem Prüfen der ersten Bilder, dass ich munter im M-Modus mit den Einstellungen des Vorabends fotografiert hatte (1/200s bei ISO 800 – da kam Freude auf) und ich meine ersten Versuche also gleich wieder löschen konnte. Ein wunderbarer Start …

Also gut, alles noch mal von vorne: ich stellte auf den AV-Modus mit Blende 5.6 und ISO 400 um. Damit hatte ich die größtmögliche Blende auch im maximalen Telebereich des 75-300mm-Objektivs mit einer hoffentlich schönen Tiefenunschärfe und zugleich eine schnelle Verschlusszeit, da bei 300mm Brennweite die Gefahr des Verwackelns doch recht groß ist.

Im Brennweitenbereich von 200-300mm machte ich einige Aufnahmen der gestaffelt stehenden Fahrzeuge sowie einige Detailaufnahmen, aber irgendwie wollte sich das rechte “Feeling” nicht einstellen. Als dann die Wagen zum Cruisen auf die Rollbahn des Flugplatzes fuhren, brachte ich mich mit dem Tele am Rollbahnrand in Position und versuchte, einige Fahrzeuge im Heranfahren und beim Vorbeifahren einzufangen.

Die Autos fuhren nicht schnell und mit einer kurzen Verschlusszeit sollten scharfe Bilder kein Problem sein. Ich knipste auch noch ein paar Heckflossen im Vorbeifahren, war aber beim Blick auf den kleinen LCD-Schirm der 20D nicht wirklich zufrieden. Ich hatte den Eindruck (wieder mal) nur Mist zu fotografieren.

Zurück also zu den parkenden Fahrzeugen. Ich schnallte kurz noch das zweite Objektiv auf die Kamera, um ein paar Weitwinkelbilder zu machen, aber auch da wollte sich kein gutes Gefühl einstellen. Meine Kompositionen kamen mir bei einem weiteren Blick auf den Kameramonitor langweilig vor, die Motive mies, kurz: es war nicht mein Tag – nicht schön, aber kann ja mal sein. War halt ein “Bad camera day”. Kamera eingepackt, ab nach Haus, abhaken.

Aber wenig später ging’s dann doch noch an den Rechner. Lightroom geöffnet und siehe da: so schlimm war’s ja gar nicht! Da waren doch einige ganz ansehnliche Fotos dabei. Merke: lass Dich vom ersten Eindruck der Bilder auf dem Kameramonitor nicht gleich beeinflussen! Am Computermonitor sieht die Fotografenwelt doch gleich ganz anders aus.

Und mit ein bisschen Experimentieren und Herumspielen an den Einstellungen stellte sich allmählich das Gefühl für die Bilder ein, das ich beim Fotografieren die ganze Zeit vermisst hatte. Jetzt merkte ich plötzlich, wohin die Reise ging und wie sich die einzelnen Bilder zu einer homogenen Serie fügten.

Ich versah die Bilder mit einem relativ starken Retro-Touch, indem ich eine deutliche Vignette verwendete und mittels der Farbtemperatur einen wärmeren Look erzeugte. Zudem erhöhte ich die Schwarzwerte und verschob einige weitere Farbwerte. Plötzlich ergaben in diesem Look auch viele kompositorische Einstellungen einen Sinn, da die Bilder insbesondere durch die Vignettierung einen ganz anderen Charakter bekamen. Und auf einmal sah das alles gar nicht mehr so langweilig sondern wirklich spannend aus. Viel mehr kalifornischer Highway als schwedischer Provinzflugplatz.

Wow – der Tag war gerettet und ich war froh, dass ich mich nicht von meinen Gefühlen und vom Kameramonitor hatte leiten lassen, denn wäre es danach gegangen, hätte ich alle Bilder am liebsten sofort gelöscht – und das wäre wirklich schade gewesen.

Zum Abschluss gibt es die Lightroom-Einstellungen als Preset zum Download. Außerdem kann man alle Fotos des Tages in Jens Blog anschauen.

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