Ein Beitrag von: Stefan Hefele
Mit einem sehr guten Gefühl konnten wir unsere Tour wieder Richtung Norden fortsetzen. Kaum ahnend, dass allem noch die Krone aufgesetzt werden sollte.
Wir hatten noch so manchen Ort auf unserer To-Do-Liste und haben uns absichtlich dafür entschieden, nicht schon alles bei der Hinfahrt abzufahren. So blieb auch die Rückfahrt spannend.
Wir wussten, dass es uns wegen der widrigen Bedingungen und des vielen Schnees eventuell unmöglich war, bestimmte Plätze zu erreichen. Kvalvika wird aber als wohl schönster Strand der Lofoten gehandelt und das war uns auf jeden Fall einen Versuch wert.
Dick eingepackt und mit Energieriegeln ausgerüstet, starteten wir unseren Marsch am Fjord Selfjorden bei einer roten Fischerhütte. Der erste Anstieg war schon recht mühsam und wir erreichten ein langgezogenes Tal, das zu durchqueren fast schon einem Halbmarathon ähnelte.
Ich ging voraus und sank immer wieder bis zur Hüfte in tiefen Schneeverwehungen ein. Tückische, versteckte Felsspalten machten das Vorankommen noch halsbrecherischer. Als wir endlich den höchsten Punkt erreichten, pfiff uns ein fieser Wind vom Meer kommend um die Ohren.
Vor uns lag ein tief eingeschneites, steiles Geröllfeld. Wir wogen unsere Chancen ab und kamen zum Entschluss, dass umzukehren die wohl gesündere Lösung war. Wir waren beide sehr hungrig und nach einer kurzen Pause hinter einem windgeschützten Stein ging es wieder bergab. Vor der letzten Steigung eröffnete sich uns ein faszinierendes Panorama mit Blick über den Selfjorden im weichen Licht der untergegangenen Sonne.
Die Konturen des windgeglätteten Schnees nutzte ich für die Bildgestaltung. Weiches Licht und das viele Weiß waren in dem Moment eine richtige Wohltat für die Sinne. Manchmal muss man eben große Hürden nehmen, um kleine aber sehr angenehme Erfolge zu feiern.
Schon auf dem Hinweg wollten wir den schönen Strand von Utakleiv anfahren, wurden jedoch durch wildes Schneegestöber und schlechte Sicht gezwungen, unsere Reise fortzusetzen. Unser nächster Halt war also Utakleiv, mit der Hoffnung auf besseres Wetter.
Die Aussichten waren gut und als wir ankamen wurde uns zwar kein Traumlicht geboten, jedoch schneite es nicht und sogar eine dezente Färbung lag in den Wolken. Jeder von uns packte seine Sachen zusammen und so gingen wir den Rest des Tages unserer Arbeit nach.
Auf den glitschigen, ins Meer ragenden Felsen, die mit Löchern und den verschiedensten Steinen in unterschiedlichen Farben gesäumt waren, war das fotografische Auge gefordert und so entstanden ein paar sehr interessante Fotos.
Es wurde langsam, doch stetig dunkler und bald war nicht mehr genug Licht vorhanden, um vernünftige Seelandschaften zu fotografieren. Nachdem wir eine Woche lang jede Nacht vergeblich einige Stunden in der Kälte auf die Aurora gewartet hatten, hatte ich keine Lust mehr, mir meinen Hintern abzufrieren.
Der Tag war sehr anstrengend gewesen und ich beschloss, früher in den Schlafsack zu steigen. Felix wollte draußen nur noch etwas Musik hören und eine Zigarette rauchen. Als ich gerade in die Traumwelt verschwand, hämmerte er ans Auto und schrie: „POLARLICHTER!!“
In diesem Moment packte mich das Adrenalin und wir stürmten in totaler Dunkelheit über die mit tiefen Schnee bedeckten Felsen zur glitschigen Küste. Welch Glück, dass wir gerade an einem der schönsten Küstenabschnitte der Lofoten waren.
Alles fühlte sich an wie im Traum: Die Aurora wurde immer heftiger und trumpfte mit ihrem ganzen Farbspektrum auf. Während wir wie ferngesteuert über die rutschigen Felsen kletterten, wurde mir bewusst, welch unglaubliches Schauspiel wir hier gerade sehen durften.
Nach über einer Stunde Shooting kletterte ich in tiefer Dankbarkeit zurück in den Schlafsack und konnte beruhigter schlafen als je zuvor.
Früh morgens beschloss ich, mir den sandigen Teil des Strandes vorzunehmen. Die Wolken waren sehr dicht, aber es kündigte sich eine warme Färbung in den immer wieder auftauchenden Wolkenlücken an.
Mit Steinen lässt sich wunderbar ein Bild gestalten. Etwas Geduld und ein offener Blick und man findet meist eine für das Auge angenehme Formation. Spielt dann noch, wie in diesem Fall, die Komponente Glück mit rein, vervollständigen die sonst eher passiven Wolken das Kunstwerk.
Schnell stellte ich meine Kamera aufs Hochformat ein, wählte eine etwas kürzere Langzeitbelichtung von einer Sekunde und fokussierte so, dass der komplette Bildausschnitt scharf war. Dank der Belichtungszeit von einer Sekunde war es mir möglich, die brechende Welle und die Bewegung der Gischt einzufangen.
Nach einem äußerst erfrolgreichen Besuch in Utakleiv – nicht zuletzt wegen der Polarlichter – neigte sich unsere Reise so langsam dem Ende zu. Während wir eine kurvenreiche Bergstrecke fuhren, wurde die Luft plötzlich in sattes Gold getränkt.
Nebelschwaden und tiefhängende Wolken wurden von frühem Morgenlicht durchflutet und ergaben ein zauberhaftes, verträumtes Bild.
Den restlichen Tag waren wir wieder auf der Suche nach einer passenden Location, jedoch ohne großen Erfolg. Außerdem hingen schon fast den ganzen Tag dicke Wolken am Himmel, die kaum Licht freigaben. So kam es, dass wir bis in die anbrechende Nacht ans nördliche Ende der Inselkette vorankamen.
Die einzelnen zerklüffteten Inseln der Lofoten sind übrigens seit einigen Jahren mit Brücken oder Tunneln miteinander verbunden, so dass man recht angenehm ohne Fähre zurechtkommt.
Noch in der Dämmerung versuchten wir, uns mit Hilfe unseres Kartenmaterials vorzustellen, welche Gegend ein eventuelles Fotomotiv bergen konnte. Schließlich bogen wir auf eine wenig befahrene Straße ab, die uns zum im Nordosten gelegenen Morfjorden führte.
Mittlerweile nun schon zu dunkel für Tageslichtaufnahmen, inspizierten wir trotzalledem mit Kopflampen ausgestattet die Gegend. Man weiß ja nie, schließlich hatten wir letzte Nacht das Glück und sahen Nordlichter. Ganz bestimmt würde uns das zwei Tage hintereinander passieren, witzelten wir.
Geduldig trotzten wir zum wiederholten Male, verpackt in warme Klamotten und dicke Schuhe, der Kälte und warteten stundenlang bei Minusgraden, während wir in den Himmel starrten. Die Wolkendecke löste sich etwas und die Pracht des funkelnden Sternenhimmels offenbarte sich uns.
Mit kaum Lichtverschmutzung um uns herum konnten wir problemlos die Milchstraße sehen. Ich machte einen Testschuss gen Himmel und sah, dass eine längliche Wolke vor uns leicht grün schimmerte und gar keine Wolke war, sondern ein Polarlicht, das dort schon ein Weilchen auf seinen Einsatz gewartet hatte.
Der Himmel hatte endgültig wieder unsere Aufmerksamkeit. Das lange Warten hatte sich erneut gelohnt. Nun musste sich die Aurora Borealis nur noch in all ihrer Schönheit entfalten. Einige Zeit später ging es los: Erst tänzelte sie nur langsam und sanft über einen Bereich im Himmel, bis schließlich alle Fesseln fielen und sie uns erneut ein Schauspiel, das ich nicht in Worte fassen kann, darbot.
Plötzlich eröffnete sich ein Feuerwerk direkt über unseren Köpfen. Zügig richtete ich das Stativ aus und wählte eine kurze Brennweite von 15 mm, um die gigantischen Ausmaße der „Explosion“ einzufangen. Gerade mit meiner 36MP auflösenden Nikon D800E muss ich penibel fokussieren.
Bei Offenblende f/2,8 stellte ich den Fokus schon im Vorhinein ein. Empfindlichkeit wählte ich auf ISO 800 bei einer Belichtung von 30 s. Auslöser gedrückt, warten. Der Bildschirm blitzte auf. Auf so ein Ergebnis hatte ich kaum gehofft. Es machte mich in dem Moment einfach nur gllücklich.
Das ganze Ausmaß des gigantischen Sonnensturms ist hier recht gut zu sehen. Ein Beweisportrait, das ich wohl bis an mein Lebensende gerne vorzeigen werde.
Die letzte Nacht auf den Lofoten hatte es also noch einmal so richtig in sich. Keinen besseren Zeitpunkt hätte es geben können, um eine besondere Reise zu beenden.
Ich hoffe, den winterlichen Charme der Inselkette jenseits des Polarkreises so eingefangen zu haben, dass Euch die ganze Mystik und Dramatik, die die Inseln ausstrahlen, erreicht hat. Weitere Bilder der traumhaften Lofoten gibt es für Neugierige auf meiner Webseite.
kwerfeldein – Fotografie Magazin
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