Ein Beitrag von: Jessica Tremp
Obwohl die australische Fotokünstlerin Jessica Tremp lieber Bilder als Worte sprechen lässt, konnten wir ihr im Interview ein paar Sätze entlocken. Darüber, wie die Natur sich immer wieder einschleicht, wie Bilder entstehen, die Arbeit mit Menschen vor der Kamera und das Leben an sich.
Hallo Jessica. Danke, dass Du Dir die Zeit für ein Interview mit uns nimmst. Zuerst, erzähl uns doch mal ein bisschen was über Dich: Wer bist Du, was machst Du?
Hallo, mein Name ist Jessica Tremp, kürzliche habe ich die magische 30-Jahre-Grenze überschritten und lebe mit meinem gütigen Musiker-Mann, unserem Sohn Syd und einem geretteten ehemaligen Renn-Windhund namens Soda in Melbourne in Australien. Ich bin praktizierende Fotokünstlerin.
Ich habe schon immer das Bedürfnis verspürt, mich selbst kreativ auszudrücken, angefangen von Tanzen und Singen über Schreiben und Zeichnen, jedoch ist die Fotografie das einzige Medium, das sich fest bei mir eingehakt und mich nicht mehr losgelassen hat.
Was tut Fotografie oder was gibt sie Dir, was andere Ausdrucksformen nicht können?
Es ist einfach so passiert, dass die Fotografie am meisten hängen geblieben ist unter all den Formen der Kreativität, in denen ich mich versucht habe. Sie alle geben mir die Möglichkeit, Dinge auf unterschiedliche Arten auszudrücken.
Wäre ich ein besserer Maler, wäre das vielleicht auch ein interessanter Weg gewesen, den ich hätte einschlagen können. Aber ich denke, dass die Fotografie einfach etwas ist, worin ich ganz natürlich besser war.
Was sind wiederkehrende Themen in Deinen Arbeiten?
Natur, Tiere, Menschen und ein bisschen Melancholie.
Natur in der Form von Pflanzen oder Tieren schafft es immer, sich einzuschleichen. Selbst, wenn ich versuche, mal ein Portrait in einem eher sauberen, minimalistischen Stil zu machen, finden ein paar Blumen oder etwas Blattwerk ihren Weg in den Bildausschnitt. Ich würde gern eine Erklärung dafür abgeben, aber es scheint eine eher unterbewusste Liebesaffäre zu sein, die ich damit habe.
Themen scheinen sich auch ohne meine direkte Lenkung zu entwickeln, aber ein bisschen Melancholie ist meistens offensichtlich. Oft ist das, was ich mitteilen möchte, das Bedürfnis, von etwas ziemlich Außergewöhnlichem gewiegt zu werden oder Teil von etwas Einfacherem, aber viel Größeren zu sein als wir im Alltäglichen zu sein scheinen.
Ich finde es wirklich schwer zu erklären, daher fotografiere ich auch, anstatt zu schreiben.
Wie entstehen Deine Arbeiten? Planst Du vorher jedes Detail oder drückst Du nur im richtigen Moment auf den Auslöser?
Normalerweise gehe ich mit einer vagen Idee los, aber das Endresultat ist ziemlich selten das, was ich erwartet habe. Es ist manchmal so viel besser und manchmal schrecklich. Aber das ist es auch, was ich am Fotografieren am meisten liebe: Es lenkt viel mehr mich als anders herum. Ich mag es auch sehr, einfach das zu benutzen, was direkt um mich herum ist, also schätze ich, dass es meistens ziemlich spontan ist.
Entwickeln sich Deine Serien auch so oder arbeitest Du an ihnen anders?
Lustigerweise denke ich, dass die besseren sich vollkommen natürlich und organisch entwickeln. Diejenigen, bei denen ich dazu neige, zu lange darüber nachzudenken und sie zu planen, enttäuschen mich immer ein bisschen.
Als ich angefangen habe, habe ich erst in Einzelbildern gearbeitet und über den Verlauf der Jahre wurde ich glücklicher mit mehreren Bildern, die alleinstehend vielleicht nicht besonders spektakulär sind, aber etwas vermitteln, wenn sie zusammenstehen. Auch, wenn es vielleicht nur eine kleine Studie statt einer tatsächlich durchdachten Serie ist.
Welche Rolle spielt Nachbearbeitung in Deinen Arbeiten?
Definitiv eine große. Für mich wäre es ohne sie, als würde man den Teig zusammenrühren, ohne anschließend auch den Kuchen daraus zu backen. Genauso wie beim Fotografieren selbst lasse ich mich dabei vom Bild lenken. Manchmal verwende ich etwas mehr Zeit darauf und manchmal mag ich es, alles etwas zurückhaltender und minimalistischer zu halten.
Kannst Du uns etwas darüber erzählen, wer die Menschen vor Deiner Kamera sind? Was sind Deine Gedanken und Gefühle darüber, mit Modellen, Freunden oder auch Dir selbst zu arbeiten?
Ich bevorzuge es, mit Freunden oder mir selbst zu arbeiten anstatt mit Modellen, einfach, weil ich das Gefühl habe, dass ich mich dann weniger erklären muss, dass es okay ist, wenn etwas misslingt, es gibt einfach mehr Freiheit, zu entdecken und zu kreieren.
Wenn ich mit Modellen arbeite, kann ich fühlen, dass ich mit einer vorbereiteten Idee in die Begegnung gehen muss, um in der Lage zu sein, etwas abzuliefern, für mich selbst und auch für sie, damit ihre Zeit es auch wert ist.
Ich arbeitete auch sehr viel mit mir selbst als Modell, einfach, weil ich ja immer da war, wenn ich das Bedürfnis hatte, zu fotografieren und etwas zu kreieren. Ich muss aber auch sagen, dass ich hier und da mit einem Modell gearbeitet habe, das ich nie vorher getroffen, mit dem ich aber sofort eine Verdingung hatte.
Das ist eigentlich eine unglaubliche Sache, wenn man mal darüber nachdenkt: Man kann Menschen seit Jahren kennen und wenn man sie dann auf der Straße trifft, kann man nur über das Wetter reden.
Andererseits kann man mit einem Fremden, der manchmal sogar nackt vor einem steht, in einem Raum sein und beide müssen sofort ihre Schutzpanzer ablegen. Es gibt nicht viele Situationen, in denen man sich so verletzlich fühlt, ohne jemanden vorher kennengelernt zu haben. Gelegentlich entsteht Magie aus so aufgeladener Energie.
Ich habe gesehen, dass Du auch Hochzeiten und Auftragsarbeiten fotografierst. Wie balancierst Du das mit Deinen freien Arbeiten?
Ich versuche, nicht mehr als zwei Hochzeiten pro Monat anzunehmen. So bleibt es immer noch Spaß und erfrischend, sie zu fotografieren. Eigene Projekte und Aufträge zu jonglieren, ist mir in der Vergangenheit nicht immer leicht gefallen, aber ich denke, dass ich nun mehr und mehr eine gute Balance zwischen ihnen finde.
Ich fühle mich sehr glücklich, in der Lage zu sein, meinen Lebensunterhalt mit dem zu verdienen, was ich liebe und ich genieße auch die unterschiedlichen Herangehensweisen an die Fotografie, zum Beispiel bei einer Hochzeit. Anstatt ein Bild ganz von Neuem zu erschaffen, nehme ich auf, was vor mir dort schon da ist, auf eine neue und interessante Weise.
Als Du 18 warst, bist Du von der Schweiz nach Melbourne umgezogen. Zurückblickend, was denkst Du, welchen Einfluss große Veränderungen wie diese im Leben haben?
Ich denke, dass es in diesem speziellen Fall eine Mischung aus dem Gefühl, unglücklich zu sein mit dem Weg, den ich bildungsmäßig eingeschlagen hatte (ich studierte auf Lehramt), dem Bedürfnis, die Welt zu entdecken und der reinen, alten Teenager-Rebellion war. Es hat eine Weile gedauert, bis ich in Melbourne Fuß gefasst hatte, aber inzwischen finde ich es schwer vorstellbar, irgendwo anders zu wohnen.
Obwohl ich mich auch schon dabei erwischt habe, davon tagzuträumen, in Paris oder New York Teller zu waschen, um mein Leben zu finanzieren, das voller zeitgenössischem Tanz, dem Füttern streunender Katzen und dem Ausgeben eines Monatsgehaltes für ein Gemälde wäre.
Ich denke, dass der Umzug mich auf eine Art definitiv frei gemacht hat. Als ich ankam, nahm ich ein Jahr lang in Vollzeit Tanzkurse. Etwas, das ich in der Schweiz nie hätte tun können, weil es zu verpönt gewesen wäre. Natürlich wäre ich nie ein Tänzer geworden, aber die Tatsache, dass es in Ordnung war, anzustreben was auch immer ich wollte, war es, die mein Leben komplett verändert hat.
Nun konzentriere ich mich auf die nächste Verändung, die vor mir liegt: Ein Flecken Land zwischen den Gummibäumen der australischen Landschaft, inmitten einer kleinen, aber blühenden und aufgeschlossenen Gemeinschaft. Ein Esel namens Gloria, den ich jeden Morgen mit meinem Sohn füttere. Große, offene Fenster, durch die Musik vom Plattenspieler hinausdringt. Zwei Studios: Eines für meinen Mann, der darin aufnimmt und eines für mich. Große Speisen für Freunde kochen, die vorbeikommen. Und mehr lesen.
Was hast Du noch für Pläne für die nähere und fernere Zukunft?
Abgesehen vom Umzug genieße ich wirklich, wie alles gerade ist und wohin es geht. Ich liebe es mehr, eine Mutter zu sein, als ich je gedacht hätte, dass ich es würde. Ich denke, dass meine Zukunftspläne sind, noch viel mehr Entdecker der Welt zu sein. Ob das nun durch Musik, Reisen, Lesen oder Kreativität geschieht.
Was die Fotografie angeht, hoffe ich, weiterhin zu lernen, mich selbst technisch zu verbessern und auch, meinen freien Arbeiten tiefere Gedanken zu geben.
Vielen Dank, Jessica, und alles Gute für die Zukunft!
kwerfeldein – Fotografie Magazin
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