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Posts Tagged ‘Geister’

Lost Places: Kirche der Geister

08 Nov

Ein Lost Place, der nichts für schwache Nerven ist, ist die verlassene tschechische Kirche St. George. Geister sitzen hier auf den alten Holzbänken, beten oder tuscheln zu zweit unter einem gemeinsamen Tuch. Einige stehen im hinteren Bereich und scheinen den Eingang zu einem weiteren Raum zu bewachen. Ganz ehrlich: Wer sich völlig ahnungslos in diese Kirche begibt, bekommt den Schock seines Lebens.

Da die Geister Teil eines Kunstprojektes sind, passiert dies jedoch recht selten. Die meisten Besucher kommen gerade wegen dieser einzigartigen Installation in das kleine Dorf. Es handelt sich bei den Geistern um die Bachelorarbeit von Jakub Hadrava, der an der Westböhmischen Universität in Pilsen Kunst und Design studierte.

Über 30 Geister aus Gips in einer Kirche sitzend.

Geister aus Gips auf Kirchbänken.

Gipsgeister auf der Kirchenbank sitzend von der Seite.

Fotos: Suspiciousminds

Das Projekt soll zum Innehalten anregen. In der Region Pilsen gibt es viele absichtlich zerstörte Orte mit bewegter Vergangenheit. Die Geister stehen für die Erinnerungen, für die Menschen, die damals an diesem Ort saßen, um zu beten und für die er sehr wichtig war. Und in der Tat wirkt eine Kirche voller Geister weit leerer als eine gänzlich leere Kirche und regt zum Nachdenken an.

Oft liest man von der Kirche der neun Geister, mittlerweile beherbergt sie mit über 30 Gipsfiguren jedoch deutlich mehr. Sie sollen die Besucher zurück in die Vergangenheit holen, in der der Glaube noch einen sehr großen Einfluss auf das Leben der Menschen hatte. Und völlig spurlos geht die Installation an keinem vorbei.

Kircheninneres. Geister auf der Kirchbank mit einfallenden Licht,

Gips-Geister auf Kirchbänken sitzend von oben fotografiert.

Vier stehende Geister vor einem Eingang.

Fotos: Peter Untermaierhofer

Teilweise berichten Fotografen von plötzlich zuschlagenden Türen, sich bewegenden Vorhängen, Kameraproblemen und leeren Batterien in kürzester Zeit. Ob hier die Nerven mit dem einen oder anderen durchgehen oder doch mehr dahinter steckt, überlasse ich jedem selbst.

Erbaut wurde die Kirche bereits 1352. Nach einem verheerenden Brand um 1800 wurde sie im gotischen Stil wieder neu aufgebaut. Nur Teile des mittelalterlichen Mauerwerks blieben erhalten. Nachdem Teile der Decke während einer Trauerfeier 1968 einstürzten, schloss man die Kirche wegen Baumängeln und überließ sie zunächst dem Verfall, bis Jakub Hadrava sie für seine Installation entdeckte.

Loch in der Decke, ringsrum lässt sich ein Heiligenschein erahnen.

Ein Geist aus Gips steht vor einer hölzernen TürKirchgang mit drei unscharfen Geistern im Hintergrund
Geister sitzen auf einer Kirchbank. Von oben fotografiert.

Fotos und Titelbild: Christoph Schaarschmidt / Laura Kaiser

Die Wände im Inneren der Kirche sind zum Großteil schon sehr mitgenommen und es sind kaum Gemälde oder Verzierungen erhalten geblieben. Nur die Inschrift „Mein Haus ist ein Bethaus. Luk. 19/46“ steht noch gut sichtbar über dem Altarbogen.

Die Kirche befindet sich in Lukowa, einem Ortsteil der tschechischen Kleinstadt Manetin in der Region Pilsen. Ganz im Gegensatz zu vielen Lost Places ist dieser Ort völlig legal zu besichtigen, ja der Besuch ist sogar gewünscht.

Die Kirche ist Teil einer Wanderroute, die mehrere Kirchen miteinander verbindet und im Rahmen des Programms „Pilsen – Kulturhauptstadt Europas 2015“ beworben wird. Der Eintritt ist frei, es wird jedoch um Spenden zur Instandhaltung gebeten.


kwerfeldein – Fotografie Magazin | Fotocommunity

 
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Portraits: Geister und ein Kind

20 Feb

In der Ausstellung „Portraits“, die demnächst in der aff Galerie in Berlin anläuft, werden Arbeiten aus der Serie „Geister“ unserer Redakteurin Marit Beer gemeinsam mit Bildern aus „One Child“ von Dvorah Kern präsentiert. Anlass genug, sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Arbeiten beider Fotografinnen anzusehen.

Zuerst einmal lassen sich Eckdaten ausmachen, die Grund genug sein könnten, gerade diese Bilder nebeneinander zu zeigen. Marit Beer und Dvorah Kern sind beide junge Frauen, die in Berlin leben, arbeiten und analog fotografieren. – Das allein macht aber noch keine zwei Stile, die sich unbedingt vertragen müssen.

Es gibt auch genug Unterschiede. Spannung entsteht durch Nähe, Intimität, ständigem Zusammensein auf der einen und Fremdheit, Herantasten, nur einzelnen kurzen Treffen auf der anderen Seite. Die eigenen Innenwelten finden beide Fotografinnen von ihren Gegenübern reflektiert und halten diese neben den Geschichten, die sich vor der Kamera abspielen, ebenfalls auf Film fest.

Dvorah Kern begleitete die Entwicklung ihrer kleinen Schwester im Alter von etwa 7 bis 14 Jahren fotografisch. Es gab dabei kein gestalterisches Konzept, keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder objektive Dokumentation. Stattdessen finden sich Fragmente spontaner Beobachtungen, ungestellter Momente, kindlicher Koketterie auf dem Weg zum Erwachsenwerden.

Die wie selbstverständlich vorhandene Nähe zwischen Geschwistern, die nur schwer und selten zwischen völlig Fremden entsteht, fehlte bei Marits Arbeit mit Modellen vollkommen. Durch das Hinzufügen einer noch stärker verfremdenden Ebene – der Folie – machte sie sich auf die Suche nach Nähe zu den fremden Menschen vor ihrer Linse.

Ghosts © Marit Beer

Sie verbergen sich auf Nebelfeldern im Morgengrauen oder des Nachts in unseren Zimmern außerhalb des Lichtscheins der Leselampe, wenn wir die Seiten des Buches weiterblättern. Manchmal erzählen wir ihre schönen, manchmal auch traurigen oder sogar grausamen Geschichten weiter. Und manchmal versuchen wir, sie festzuhalten.

Sie suchte die Details der Geschichten, die sie nur wage von den Fremden kannte. Durch die ort- und zeitlose Struktur der Folie hindurch kann der Betrachter diese Geschichten nun selbst fortsetzen. Inspiriert von den Gefühlen, die die Fremden mit Marit im Bild zwischen den Zeilen eingefroren haben.

So entstehen ähnliche Stimmungen mit Andeutungen des Suchen und Findens von Nähe und Fremdheit, Vertrauen und Kennenlernen, gemeinsamen Jahren oder Momenten – trotz unterschiedlicher Herangehensweisen zwischen Spontanität und Inszenierung, zufälligem Ort und Licht oder arrangierter Stimmung im Nichts.

Ghosts © Marit Beer

Eine Schwester, so nah und vertraut wie einem nur jemand sein kann, wird durch die Entwicklung, durch erwachsenes Anderswerden fremd. Fremde, deren Lebensläufe sich nur für wenige Stunden treffen, um dann wieder auseinanderzudriften, kommen sich für den Hauch eines Augenblicks so nah, dass eine tiefere Verbundenheit in den Graustufen zwischen Schwarz und Weiß festgehalten werden kann – bevor sie mit dem nächsten Windhauch, der durch die Folie fährt, wieder aus Raum und Zeit getragen wird.

~

Ausstellung

Portraits: „Geister“ von Marit Beer, „One Child“ von Dvorah Kern
Zeit: 2. – 24. März 2013
Vernissage am 1. März 2013 um 19 Uhr
Ort: aff Galerie, Kochhannstrasse 14, 10249 Berlin
Link


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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