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Wie man ein geiles Foto macht

14 Aug

Ich beginne diesen Artikel mit einem komischen Gefühl im Bauch. Ich habe schon oft darüber nachgedacht, dieses Thema anzuschneiden, hier in unserem Magazin. In meinem Kopf fliegen tausend Argumente hin und her und dieser Artikel ist der Versuch, diese zu ordnen.

Wie Ihr schon lesen könnt, drehen sich meine Gedanken um einen Themenkomplex, der nicht ganz leicht zu fassen ist. Wenn ich versuche, das alles in einen Satz zu packen, dann würde sich das so lesen:

Alles wird erklärt.

Ich schreibe hier nichts Neues. Jede Person kennt diese Artikel und Programme, in denen alles, was mit der Fotografie zu tun hat, erklärt wird. Wie man tolle Landschaftsfotos macht, welches Licht für ein Portrait gut ist und weshalb ein Blitz bei einem Makro so wichtig ist.

Mein ungutes Gefühl gilt jedoch nicht den Artikeln und Workshops, die insbesondere Technik erklären. Mit Technik meine ich, wie man Negative entwickelt, was Bokeh ist und wie in Lightroom die Datenbank aufgebaut ist.

Dies hat meiner Meinung nach absolute Berechtigung und ist auch notwendig. Worum es mir geht, ist das Erklären von wie man ein geiles Bild macht.

Nicht die Funktion wird erklärt, sondern die Form. Foto-Magazine, Hobby-Fotografen oder irgendwelche anderen Leute erklären in Artikeln oder Videos, wie man solch ein Foto oder so einen Effekt herstellt. In kurz: Wie man fotografiert.

Und ja, ich weiß, der Übergang zwischen Technik erklären und Kreativität erklären, der ist fließend. Jedoch fällt mir auf, dass die Detailtreue, die mitunter bis ins Kleinste auserklärt wird, sehr, sehr hoch ist.

Ihr merkt, ich kämpfe immer noch mit den Worten, aber so langsam komme ich dem Phenomen näher. Workshops, Video-Anleitungen und Blogartikel, die sich „In 10 Schritten zum perfekten (bitte Wunsch einfügen)-Foto“ nennen, beleuchten jeden noch so ungeahnten Schritt, führen „Anfänger und Fortgeschrittene“ (was auch immer das ist) direkt zum fotografischen Erfolg.

Erfolg. Ganz wichtig. Erfolg.

Was mich an alle dem stört, ist Folgendes: Diese Fotografen erklären nicht, wie sie selbst arbeiten, sondern, wie man ein tolles Bild macht. Das impliziert schon sprachlich eine fachliche Hohheit, die niemand haben kann. Denn gerade in der Fotografie ist gut oder toll doch sehr davon abhängig, wer das Bild betrachtet.

Dazu kommt – und das finde ich viel schlimmer – dass aus diesem How-To-Gedöns ein riesiger Markt entstanden ist, der jeden Mausklick bis zum „jetzt hier drücken“ vormacht.

Was passiert? Jedes Fünkchen eigener Kreativität, jeder Anschein eines Selbst-Entdecken-Wollens wird unterdrückt. Wir haben ja genügend Profis, die uns die richtigen Schritte vormachen.

Meine Kritik gilt also nicht denjenigen, die verständlich machen, wie man einen Lith-Print macht oder wie eine Langzeitbelichtung zu erledigen ist, sondern dieser riesigen Maschinerie derjenigen (ja, es sind meistens Männer), die uns sogar sagen wollen, was wir wie zu fotografieren haben.

Was kommt dabei heraus? Eine große Masse an Fotografien, die alle so aussehen, wie es die Meister vorgemacht haben. Kopien von Kopien von Kopien. In diesem Zusammenhang sei vorangestellt, dass Foto-Gurus fast immer so tun, als ob sie auf die ganzen Tricks selbst gekommen sind. Ist klar.

Was mir dabei ein schlechtes Gefühl macht, ist Folgendes: Dieser Markt macht die Kreativität und Eigenständigkeit von Fotografie-Begeisterten schon von klein auf kaputt.

Anstatt zu befördern, den eigenen Kopf einzuschalten, in sich hineinzuhören, einfach auszuprobieren und einen persönlichen Weg mit der Fotografie zu gehen, wird ständig befeuert, dass doch nun diese Technik der Hit, diese Kamera das kann und es den hundertachtundzwanzigsten Workshop für aalglatte Haut im Strobisten-Streiflicht-Studio-Setting gibt.

Eine Frau mit einem Oberteil, auf dem STOP MAKING SENSE steht.

Alles wird erklärt.

An dieser Stelle muss ich so ehrlich sein und sagen, dass ich das auch schon gemacht habe. Ich habe zig How-To-Posts geschrieben, Workshops gegeben und Videos publiziert, in denen ich genau diesen Weg gegangen bin. Zwar habe ich mich immer unwohl dabei gefühlt, den Erklär-Bär zu spielen und diesem Gefühl hätte ich früher auch folgen sollen.

Denn heute bin ich nicht sehr stolz darauf. Ehrlich gesagt schäme ich mich ein wenig dafür.

Denn wer einmal auf diesen Zug aufspringt und jeden kleinen Scheiß in Mini-Portiönchen erkären kann, bekommt relativ schnell ganz viele Fans. Und wer viele Fans hat, kann relativ schnell auch viel Geld verdienen (Ausnahmen gibt es immer). Es dauert meist nicht lange, da klingelt schon das Telefon und irgendjemand bietet Dir Geld dafür an, das, was Du machst, ganz groß rauszubringen.

Doch ich habe mich irgendwann gefragt, ob es das ist, was ich will. Ob ich mein Leben lang den Erklär-Bär spielen oder einfach mal selbst fotografieren will. Erfahrung sammeln. Die Fotografie erst einmal zu erleben und irgendwann, wenn ich alt und grau bin, vielleicht einen Workshop zu machen, der Leute herausfordert, der sie auf die eigene Bahn bringt.

Doch zuvor muss ich erst einmal meine eigene Bahn finden. Und da bin ich noch lange nicht.

Ich selbst habe mir, was Anleitungen und How-Tos betrifft, 2011 vorgenommen, erst einmal die Klappe zu halten. Zu machen, zu erleben und von meinen Erfahrungen zu sprechen, wenn ich hier schreibe. Meine Fotos zu zeigen, wenn ich sie zeigenswert finde, aber nicht darauf rumzuhacken, wann ich wie fotografiert habe und den Leser so für dumm zu verkaufen.

Kurz: Meinen Weg zu gehen und zu versuchen, aus der ganzen Suppe und den Wertvorstellungen, die ich jahrelang so vergöttert habe, herauszufinden und etwas zu machen, was erst einmal nur mir gefällt.

Meine Familie und Freunde zu fotografieren und ihnen immer wieder mal ein Foto zuzustecken, ohne Tamtam. Meine Welt festzuhalten, ohne dem ständige Drang zu folgen, anderen zu erklären, wie sie das auch machen können.

Für mich ist die Fotografie sehr intim und persönlich. Sie hat etwas mit mir und nicht mit den vorgekauten Vorstellungen von anderen zu tun.

Aus diesem Grunde bedauere ich, wie seelenlos so viel in Foto-Magazinen und -Blogs publiziert wird. Ich finde es schade, wenn ein Medium wie die Fotografie so nervtötend mit Bullshit-Erklärungen und Das ist ein geiles Bild, mach es nach, dann hast Du auch ein geiles Bild voll ist.

Wo ist hier das Menschliche? Der Zweifel? Das Rotzige? Das unperfekte Leben einer Person, die versucht, mit der Fotografie klarzukommen? Die stolpert? Die dazulernt? Die einfach lebt? Wo?

Nein, aus jedem Schrittchen, das man dazugelernt hat, bastelt man ein How-To. Ich finde das schade. Und ich möchte damit nichts (mehr) zu tun haben. Und ich weiß, wie verlockend es sein kann, alles zu erklären.


kwerfeldein – Fotografie Magazin | Fotocommunity

 
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