„Alte Menschen sind so geil.“ Wenn es einen Satz gibt, den ich meinen Freunden im Büro sehr, sehr oft gesagt habe, dann ist es dieser.
Irgendwann Mitte zwanzig muss es angefangen haben. Oder war es später? Ich kann mich nicht richtig daran erinnern, aber irgendwann habe ich damit begonnen, mich für alte Menschen zu interessieren.
Vielleicht liegt es auch an meiner grundsätzlichen Zuneigung Menschen gegenüber. Ja ja, ich weiß, das klingt dermaßen kitschig. Hipster sind ja eher die, die sagen, dass alle Menschen scheiße sind und sie am liebsten allein in der Natur leben würden.
Und das schreiben sie dann den lieben langen Tag ins Internet. Ist das nicht irgendwie süß?
Süß, genau, das Wort hat mir gefehlt. Alte Menschen sind süß. Wie sie mit ihrem Rollator durch die Innenstadt trippseln, ab und zu halten und in aller Ruhe Fensterläden anschauen, ach, das ist doch nur der Anfang!
Ich fucking liebe es, wie Senioren die Hände hinter dem Rücken verschränken. Das machen nur die. Nur die! Kein Jungspund würde auf die Idee kommen, so herumzulaufen! Ist das nicht toll?
Ihre herrliche Gleichgültigkeit allem gegenüber, was mit Etikette zu tun hat. Es ist ihnen egal, wer wer ist.
Und dann ihre Launen. Alte Menschen können so schön scheiße drauf sein. Motzen. Weil ihnen irgendwas quer liegt. Die Dinge nicht so laufen, wie sie bisher gelaufen sind.
Und ihr Style! Hüte! Rosenblusen! Weiße Sandalen! Cordhosen! Stoffhosen mit Bügelfalte! Hornbrillen! Ja verdammt, eine Dauerwelle!
Es tut mir leid, aber ich finde das gut. Ich finde das großartig.
Was ist das Allertollste? Wenn alte Paare Händchen haltend durch die Fußgängerzone galoppieren. Das ist – meiner Meinung nach – nicht zu toppen. Das spricht so viel.
Von Treue.
Von Liebe.
Von Zweisamkeit.
Nein, ich finde alte Menschen nicht perfekt. Sie haben ihre Schattenseiten. Klar. Sie haben vielleicht Dinge erlebt, die sie niemandem erzählen würden.
Ich möchte gar nicht den Verdacht aufkommen lassen, ich würde alte Menschen idealisieren. Auch sie haben Charakterschwächen, oh ja, das haben sie. Wer hat das nicht?
Doch ihre Eigenheiten, die haben es mir einfach angetan. Noch ein Beispiel? Ihr Dialekt. Viele alte Menschen sprechen Dialekt. Sie haben das Hochdeutsch abgelegt und unterhalten sich oft im allerderbsten Dialekt.
Und dann die Phrasen! „Na, wie?“
„Na, wie?“
Zwei Worte! Mit zwei Worten beginnen sie eine Unterhaltung mit allen Menschen, die ihnen begegnen! Na, wie?
Antwort, wieder zwei Worte: „Es muss.“ Das höchste der Gefühle ist dann ein „Und selber?“
Manche Konversation besteht nur aus diesen Zwei-Wort-Phrasen. Das ist zum einen trist, traurig und fühlt sich oft leer an. Aber es ist eine Strategie. Eine Strategie, die immer funktioniert. Damit umzugehen, schon über alles gesprochen zu haben. Never change a running system.
Ich kann mit ihnen. Ich kenne die Floskeln und ich mag es, darauf einzusteigen. Ich mag diesen Trashtalk. Small-Talk. Yeah.
Schon wieder so etwas, was man ja eigentlich nicht mag, oder? So als tiefgründiger Emo, da steht man auf tiefgründige Gespräche. Ja ja. Tief.
Das kann aber auch nerven. Und ja, ab und zu ein Small-Talk mit Augenzwinkern? Sehr gut. Das Beste.
Und dann gibt es die, die nicht bei C&A einkaufen, sondern sich mit Geschmack sehr individuell anziehen. Sie stellen einfach jeden Achtzehnjährigen mit Pseudo-Iro, Karottenhosen und Alibikamera (aber Bushido hören) in den Schatten.
Sie legen immer noch Wert auf ihr Äußeres. Sie haben nicht aufgehört, sich fein zu kleiden und wenn es nur für einen kurzen Einkauf in der Stadt ist.
Sie tragen feine Halstücher, hübsche Hüte und achten darauf, dass alles farblich zusammenpasst. Sie tragen feine Schuhe, nicht diese „neumodischen Dinger“, und oft müssen sie schlimme Schuhe wegen der Gesundheit tragen.
Aber was andere davon halten, ist ihnen mittlerweile völlig Banane.
Die meisten älteren Damen und Herren entschuldigen sich bei mir, wenn sie mir – ihrer Meinung nach – ins Bild gelaufen sind. Wenn ich Ihnen dann sage, dass ich genau auf sie gewartet habe, können viele es gar nicht glauben.
Viele raten mir, doch junge Menschen zu fotografieren. „Die sind doch schöner!“ Doch ihre Augen beginnen, leuchtend aufzuflackern, wenn ich ihnen sage, dass die jungen mich nicht interessieren und ich lieber alte Menschen fotografiere.
Wenn ich ihnen dann das gemachte Foto zeige, müssen sie schmunzeln. „Ja, doch! Das bin ich!“ Was sie nicht wissen: Ich bin es, der diese Momente am meisten genießt.
Alte Menschen. <3
kwerfeldein – Fotografie Magazin | Fotocommunity
You must be logged in to post a comment.