Dieser Artikel ist kein Tutorial und enthält zumindest oberflächlich gesehen keine Tipps für Fotografen und Fotodesigner oder die, die es werden möchten. Dies ist ein Erfahrungsbericht oder vielleicht noch besser ausgedrückt: ein kleiner Teil meiner Biografie. Ein kleiner, jedoch für mich wichtiger Teil, der die Schwelle zwischen Versuch (wollen) und Ausführung (tun) beschreibt. Ich erzähle euch von meinen Selbstportraits, einem Teilbereich meiner Fotografie. Wie ich dazu gekommen bin und wieso ich das überhaupt mache.
Der Anfang
Als ich vor ungefähr 2 Jahren diese Kamera das erste Mal in meinen Händen hielt, kamen mir die Tränen, sowie den umstehenden Menschen um mich herum, meinen Freunden. Sie schenkten mir zu meinem 22. Geburtstag eine Canon EOS 350d. Vorerst ohne Objektiv, aber dieses Problem war schnell beseitigt, denn ich hatte noch zwei alte Analogobjektive bei mir zuhause “herumliegen”.
Damit waren aber noch keine Selbstportraits möglich, denn ich musste die Objektive ohne Adapter lose vor die Kamera halten, damit kein Licht zwischen Objektiv und Gehäuse gelangt. Ein paar Wochen später kam dann nun endlich das bestellte Objektiv von Tokina mit Lichtstärke 2.8 und einer Brennweite von 24-40mm – optimal. Los ging’s.
Die Erfahrungen
Viele Menschen haben mich in der Vergangenheit gefragt, ob ich mich “so toll” oder “so hübsch” finde, da ich bisher so viele Portraits von mir selbst gemacht habe. Ich antworte daraufhin immer dasselbe und diese Antwort möchte ich euch ebenfalls nicht vorenthalten und möchte damit auch gewisse Vorurteile beseitigen:
Nein, ich finde mich nicht toll oder dergleichen, jedoch versuche ich mit jedem weiteren Selbstportrait unter anderem mein Ich zu finden, es zu akzeptieren und vielleicht sogar zu mögen.
Etwas Schönes aus etwas Unschönem oder leerem, wie beispielsweise einer Leinwand, zu erschaffen: das ist es, was mich dazu brachte immer wieder den Selbstauslöser zu betätigen. Auch die Nachbearbeitung war und ist für mich essentiell, um das hervorzuheben, was ich anfangs nur mir selbst versucht habe zu zeigen.
Ich versuchte meine Gedanken, Gefühle und Erfahrungen anstatt auf ein Blatt Papier (Tagebuch) durch ein Portrait zu ordnen und auch zu vereinigen. Da kommt mir dieser Spruch gerade recht: “Ein Bild sagt mehr als tausend Worte”. Genau so war das für mich. Ich konnte und kann viel mehr durch Selbstportraits los werden als durch Geschriebenes, das in einem alten Buch in der Ecke vor sich hin schlummert.
Ich schrieb meine Gedanken bis vor drei Jahren regelmäßig auf. Seit zwei Jahren mache ich das nicht mehr. Das ist für mich der beste Beweis dafür, dass die Fotografie für mich in diesem Bereich wie eine Art Therapie ist. Und diese Therapie teile ich.
Die Veränderung
Da erhält “Link teilen” mit einem Mal eine etwas andere Bedeutung. Als ich die ersten Selbstportraits in einem Abstand von zwei bis drei Wochen auf DeviantArt veröffentlichte, erfuhr ich zunächst nur reges Interesse von den Mitgliedern dieser Community. Jedoch war das nebensächlich.
Allein das Gefühl diese Bilder veröffentlicht zu haben, sozusagen “etwas los geworden bin”, hat mich erleichtert und war natürlich ein Stück mehr Selbsttherapie. Inspiriert von ein paar Fotografen dieser Community ging ich meinen Weg weiter und experimentierte viel mit Licht, Schatten, Körperbemalung und bei der Nachbearbeitung mit Texturen, Kontrasten und Retuschierung. Ich erhielt mehr Klicks, mehr Kommentare, mehr Kritik und mehr Aufmerksamkeit. Das war für mich eine Art Bestätigung von außen – natürlich.
Aber das war nicht das ausschlaggebende, warum ich weiter gemacht habe. Die Selbstportraits erfüllten einige Menschen ebenfalls mit gewissen Gefühlen. Ein paar von ihnen schrieben und sagten mir, was die Bilder in ihnen auslösten und das gab mir etwas, nein, machte mich glücklich:
Andere Menschen durch meine ursprünglich negativen Gedanken und Gefühle durch Betrachten meiner Portraits zu positiven Emotionen bewegen zu können. Davon wollte ich nach und nach immer mehr, so wie es für Menschen wahrscheinlich typisch ist: Aus Schlechtem etwas Gutes zu machen. Zu reparieren. Freude zu schenken und zu bekommen. Jawohl.
Die Zukunft
Andere Menschen zu fotografieren – das gehört inzwischen fest zu einem Teil meiner Selbständigkeit. Die Vorarbeit war das Portraitieren von mir selbst, durch das ich einiges über Bildbearbeitung und Möglichkeiten der Fotografie gelernt habe (und nie auslernen werde). Ich mache das nicht, weil ich damit Geld verdiene – das ist natürlich ein positiver Nebeneffekt. Ich mache das primär, weil es mein Leben ist. Vielleicht das, wofür ich hier bin: Den Menschen eine etwas andere Seite von sich selbst zu zeigen. Ihr Selbst.
Ich werde weiter machen, denn für mich gibt es fast nichts erfüllenderes, als die positive Reaktion und das Lächeln im Gesicht meiner Kunden, wenn sie sich selbst sehen – sich wahrhaftig sehen.
Jetzt und hier
… lebe ich mich aus und tu nicht das, was andere von mir erwartet haben, sondern was ich wirklich selbst will. Ich bin sehr froh, dass ich die Möglichkeit ergriffen habe und wünsche allen, die ähnliches tun oder tun werden viel Erfolg und Kreativität.
Ich möchte mich noch herzlichst bei Martin Gommel bedanken, der es mir ermöglicht hat, hier auf seinem Fotografie Blog einen leisen Schrei los zu werden 🙂
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KWERFELDEIN | Digitale Fotografie