1976 wurde Roger Minick eingeladen, auf dem Ansel-Adams-Workshop am Yosemite Nationalpark Fotografie zu unterrichten. Dort machte er eine Feststellung, die seine Arbeit fortan veränderte und vier Jahre später in einem seiner verheißungsvollsten Projekte mündete.
Minick, geboren 1944 in Ramona, Oklahoma, entdeckte nichts Neues, sah aber mit neuen Augen: Amerikanische Touristen. In beachtlichen Massen reisten sie heran, um die Aussicht zu genießen und das obligatorische Foto ihrer selbst vor der Berglandschaft des Yosemites aufzunehmen.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Minick bei Naturfotografien Touristen stets aus Aufnahmen ausgeklammert, doch in diesem Moment imponierte ihm ihr Anblick und ganz unerwartet verspürte er das Bedürfnis, diese Sorte Menschen zu fotografieren. Drei Jahre später begann er eine Tour mit seiner Frau und dokumentierte auf dieser Touristen vor allerlei weltbekannten Sehenswürdigkeiten in Amerika.
Zunächst in schwarzweiß, bis er merkte, dass irgendetwas fehlte. In den frühen 1980ern hatte er dann ein ausgereiftes Konzept und fotografierte fortan mit einer Mittelformatkamera, bestückt mit Blitz und auf Farbfilm mit ISO 400. Minick sprach Touristen direkt und freundlich an, erklärte sein Vorhaben und bat als Dankeschön ein Polaroid der Personen vor ihrerem Lieblingshintergrund an.
Ende der 1990er Jahre vollendete Roger Minick sein Projekt, das den Titel Sightseer bekam. Die Aufnahmen zeigen einwandfrei ausgeleuchtete Personen, die in ihrer Urlauber-Montur farbenfroh das jeweilige Zeitkolorit präsentieren. Kräftige Kontraste bringen sowohl Landschaft als auch die Eigenartigkeit der von Minick ausgesuchten Personen fabelhaft zum Tragen.
Obwohl sämtliche Aufnahmen gestellt sind, entsprechen sie dennoch dem Flair gängiger Straßenfotografie. Die „Originale“ und der eingesetzte Aufhellblitz bewirken eine sowohl angenehme als auch ulkige Stimmung, die weder kritisch noch romantisierend das Gesamtbild bewerten lässt.
Roger Minick hat geschafft, was nicht viele schaffen: Unverwechselbare Aufnahmen. Auf seine Weise hat er ein Umfeld sondiert, eine (offensichtliche) Besonderheit herausgegriffen und diese zu dem Thema deklariert. Konsequent blieb er bei seinen Instrumenten, sodass eine kohärente Serie entstand.
„Sightseer“ wurde sehr erfolgreich und in Ausstellungen, Büchern und auf Titelseiten exponiert. Der entsprechende Bildband ist auf Blurb zu finden, für den die namenhafte Kunsttheoretikerin und Kuration Lucy Lippard das Vorwort geschrieben hat.
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