Das dicke Märchenbuch der Gebrüder Grimm war während meiner Kindheit fast wie ein zweites Kopfkissen in meinem Bett. Märchenlesen war ein festes Einschlafritual und bis heute haben sie für mich ihre Fazination nicht verloren. Immer wieder tauchte das Thema in meinen Fotografien auf, bis ich endlich beschloss, eine reine Grimm-Serie zu machen.
Im Netz schwirren natürlich schon unzählige fotografische Umsetzungen der Märchen herum und ich wollte trotzdem meinen eigenen Ansatz finden. Schließlich beschloss ich, einen Ausschnitt aus dem Schlüsselmoment des jeweiligen Märchens darzustellen. Die Szene, an der jeder das Märchen wiedererkennt – kompakt, mit so wenig Mitteln wie möglich.
Da ich sonst bei meinen Bildern meistens den Fokus auf das Gesicht der dargestellten Person lege, war es spannend, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Ich habe mir davor wenig Gedanken darüber gemacht, etwas mit Händen und Füßen auszudrücken. Fast schon war es eine kleine Studie über Hand- und Fußhaltungen.
Viel mehr als sonst habe ich auch bei der Bildkomposition überlegt und ausprobiert. Manche Bilder habe ich sogar mehrmals geschossen, weil ich schon so ein genaues Bild im Kopf hatte und das auch so im finalen Foto sehen wollte.
Manche ließen sich schnell und einfach umsetzen. Alten Holzboden suchen, Apfel anbeißen, hinlegen und schon ist das Bild so gut wie fertig. Andere waren da schon etwas kniffliger. Man muss erst einmal eine alte Mauer finden und jemanden mit langen blonden Haaren, der sich dann dort drüberhängt.
Es war toll, sich zu jedem Bild zu überlegen, was essentiell dafür ist. Wie viel lasse ich weg? Wie nah zoome ich hinein? Erkennt man das so?
Natürlich hätte man das auch noch auf die Spitz treiben und nur noch eine goldene Kugel, einen angebissenen Apfel und einen fallenden Schuh zeigen können, aber es geht in den Märchen nun einmal vor allem um die Menschen. Außerdem brachten die Füße und Hände für mich erst die Bewegung und die Aktion in die Bilder.
Es macht einfach Spaß, sich noch einmal in viele Märchen hineinzudenken und sich zu überlegen, wie man sie für diese Serie darstellen könnte. Welche Märchen kommen überhaupt in Frage? Was ist umsetzbar, was ist komprimierbar?
Das Beste ist jedenfalls, dass bei über 200 Grimm-Märchen der Stoff für diese Serie noch eine Weile lang nicht ausgeht. Ich plane schon, welche Märchen als nächstes in Angriff genommen werden und wie und vor allem woher ich die benötigten Märchen-Accessoires bekomme.
Welches Märchen welches ist, muss ich bestimmt nicht dazuschreiben. Für die meisten ist es wahrscheinlich ein Kinderspiel. Aber wenn dann als nächstes Schneeweißchen und Rosenrot, Brüderchen und Schwesterchen, das tapfere Schneiderlein, Daumesdick und der gestiefelte Kater kommen, wird es bestimmt schon etwas schwieriger.
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