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Probieren geht über studieren! Oder?

26 Aug
Tobias Kappel ist 22 Jahre alt und studiert an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel. Er beschäftigt sich erst seit 2 Jahren mit der Fotografie, wobei viele seiner Arbeiten analog entstehen.

Der folgende Erfahrungsbericht soll euch einen Einblick in das Studium in Kommunikationsdesign mit dem Schwerpunkt Fotografie geben. Vielleicht kann das hier dargestellte aber auch für den ein oder anderen eine Anregung sein, mal wieder analog zu fotografieren.

Wo fängt der Himmel an…

Die Faszination war meine größte Motivation und so suchte ich nach einem Weg, der mir eine Zukunft im Bereich oder mit der Fotografie ermöglichte. Klar dachte ich zuerst an ein Studium in Fotografie selbst. Ich wollte mich jedoch nicht nur auf dieses Medium festlegen und wusste, dass ein Studium in Kommunikationsdesign mir fotografisch gesehen keine Grenzen aufzeigen würde. Ich denke, Niemand kann im Zuge der digitalen Revolution sagen, was morgen ist. Mein Studium bietet mir die Chance Crossmedial zu arbeiten, weshalb meine Entscheidung gegen die Fotografie, auch eine für sie war.

und wo hört er auf?

Thematisch gesehen sollten wir uns im ersten Semester mit dem klassischen Portrait beschäftigen. Hierzu musste jeder unterschiedliche Personen vollformatig portraitieren und das sowohl mit einem Tele- als auch mit einem Normalobjektiv. Insgesamt sollten am Ende mindestens 6 Aufnahmen gezeigt werden, wobei 3 handwerklich anspruchsvoll ausgearbeitet sein mussten.

Die verbleibenden Bilder konnten mit dem klassischen Handwerk brechen und daraus ihre Kraft schöpfen (sog. Punkfotografie). Darüber hinaus sollte mit einem Weitwinkelobjektiv ein Halbakt-Portrait vor Ort und nicht im Studio erstellt werden. Realisiert wurde das Thema mit Hilfe der analogen s/w-Technik.

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In den ersten Tagen des Studiums wurde ich mit Namen konfrontiert, die ich vorher noch nie gehört hatte. Richard Avedon, Nobuyoshi Araki, Robert Mapplethorpe oder Wolfgang Tillmans, um nur einige zu nennen. In unserer hochschuleigenen Bibliothek konnte ich Bildbände wälzen, die ich hätte niemals bezahlen können. Darüber hinaus widmete ich mich, schon in die Tage gekommener Pflichtlektüre, von Amsel Adams – Die Kamera / Das Negativ / Das Positiv.

Anfangs stand das Verstehen der Technik im Vordergrund. Wir besuchten parallel zur Fototheorie einen Grundlagenkurs in Gerätetechnik. Vielen war die Auseinandersetzung mit der Technik einfach zu komplex. Als man uns dann lediglich das Entwicklungsverfahren für einen Kodak T-Max 100 erklärte wobei es draußen so langsam Winter wurde, wandten sich viele ab. Probieren ging also erstmal über studieren 😉

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Schnell äußerte sich allerdings auch ein Unverständnis gegenüber dem analogen Verfahren. Welchen Mehrwert sollte diese in die Jahre gekommene Technik schon haben? Viele von uns besaßen keine analoge Kleinbildkamera, die Kosten für Chemie und Papier förderten den Missmut nur.

Meine Erfahrung ist es, dass ich durch den Umgang mit analoger Technik gelernt habe, anders zu sehen. Darüber hinaus bin ich offener gegenüber experimenteller Fotografie, da diese sich durch das häufige Scheitern fast selbstständig ergibt. Heute versuche ich so oft wie möglich analog zu arbeiten. Ich nehme mir demzufolge die Zeit, die Fotografie mit Hilfe ihrer Vergangenheit zu verstehen.

Klassik vs. Punk

Die hier gezeigten Fotos sind das Ergebnis meiner Abschlusspräsentation im ersten Semester. Lediglich das Halbakt-Portrait wird hier nach Absprache mit der abgebildeten Person nicht gezeigt. Alle Arbeiten wurden auf Ilford Multigrade IV RC Deluxe Papier / 24×30,5cm vergrößert. Ich selbst erwartete von mir, mich jeder Aufgabe zu stellen.

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Ich fotografierte dementsprechend mit einem alten 50mm f/2.8 Tessar von Zeiss, dem 85mm f/1.8 Nikkor und lieh mir manchmal eine Leica R4. Die ersten Bildbesprechungen mit meinem Professor verliefen anders als erwartet. Schnell wurde klar, für jedes gezeigte Bild einstehen zu müssen. Kritisiert wurde alles.

Nebenbei fielen immer wieder Bemerkungen zur Fotografie an sich. Wir müssten uns ihr bewusst werden gleichzeitig aber unsere Rolle als Fotograf dem gegenüberstellen. Was ist überhaupt ein Foto? Eine Momentaufnahme der Realität, die Interpretation der Kamera oder doch das, zu was es der Fotograf gemacht hat?

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Beeindruckt von diesen kritischen Anmerkungen zum fotografischen Prozess, begann ich die Fotografie zu hinterfragen, bevor ich sie überhaupt verstand. Während der ersten Monate versuchte ich, Aufnahmeverfahren die ich schon digital angewandt hatte analog zu übertragen.

Konsequenz waren die klassisch angelegten High- und Low-Key Portraits. Das hier gezeigte Low-Key entstand mit Hilfe einer Studioblitzanlage und einem hochauflösenden Orthopan Ur ISO 20 Film von SPUR. Ich wollte dieses Foto unbedingt. Ich entschied mich also bewusst für die langweilig anmutende Schlüssellochperspektive, die Ausarbeitung der Hauttöne sowie dem Model. Als Kritik bekam ich lediglich “langweilig” zu hören.

Ich wusste nicht damit umzugehen, nahm das Foto aber trotzdem in meine Präsentation auf und orientierte mich um. Das nicht betitelte, sich in Unschärfe auflösende Portrait einer Kommilitonin war ein Ergebnis dieses Prozesses. Die Anregung für das Spiel zwischen Unschärfe und Bokeh lieferte mir übrigens ein Beitrag zum Lens-Tilting hier auf kwerfeldein.de.

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Das Semester näherte sich dem Ende entgegen und ich konnte mich einfach nicht mit der Punkfotografie identifizieren. Andere zerkratzten ihre Bilder, bemalten sie oder vergrößerten sie durch einen Teebeutel hindurch. Und ich? Ich wollte dem Medium entgegen treten.

Mich hatten schon immer Fotos gereizt, die Verwitterungsprozessen ausgeliefert waren. Hierbei empfand ich die dem Prozess geschuldete Ästhetik als eine Auseinandersetzung der Natur mit dem Medium. Ich selbst fand darin meine Inspiration. Meine Vorstellung war es, den Film so weit wie möglich aufzulösen bzw. anzugreifen ohne die abgebildeten Personen zu stark zu deformieren.

Das Ergebnis ist eine Serie bestehend aus 3 Bildern (von ca. 50) die durch Wärme und Kälte verfremdet wurden. Bedingt durch den Zustand der Negative können diese niemals wieder so vergrößert werden.

Ist der Himmel die Grenze?

Auf mich warten in den folgenden Semestern Aufgabenstellungen zur narrativen Fotografie, inszenierter und manipulierter Fotografie sowie der angewandten Fotografie. In Zukunft werden wir die Technik zur Umsetzung unserer Arbeiten frei wählen können.

Was haben das analoge Mittel- oder Großformat für Potential? Wäre es zu früh, sich schon dem Digitalen hinzugeben? Ich kann euch diese Frage heute noch nicht beantworten aber vielleicht können wir auch weiterhin hier auf Kwerfeldein darüber in einen Dialog treten.

Bei Fragen und Co hinterlasst einfach einen Kommentar!

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KWERFELDEIN | Digitale Fotografie

 
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