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Stephen Leslie und sein Tagebuch

18 Oct

Ein Beitrag von: Stephen Leslie

Soweit ich es verstanden habe, ist eine der Hauptfunktionen des menschlichen Gehirns, die Menge an Informationen, die wir empfangen, zu filtern. Es ist unmöglich, alle Impulse, die auf uns an einem einzigen Tag einprasseln, zu verarbeiten und deshalb selektiert das Gehirn, was wichtig ist und verwirft den Rest. So ungefähr sehe ich die Fotografie.

Damit filtere ich vom alltäglichen Wirrwarr und Chaos das heraus, was für mich interessant ist. Ich versuche, aufgrund meines Instinktes das zu fotografieren, was nur für kurze Zeit zu sehen ist.

Busted at the bus stop © Stephen Leslie

Wenn das Foto funktioniert – wunderbar. Dann habe ich ein Bild, das ich in den kommenden Jahren studieren und mich daran erfreuen kann. Wenn es missraten ist, bleibt es einfach weiter Teil des üblichen Chaos.

Das ist auch der Grund, warum ich noch immer auf Film fotografiere und ich mag es, darauf zu warten, bis die Bilder entwickelt sind. Digital würde ich dieses nervöse Gefühl der Antizipation vermissen und das könnte dem gesamten Prozess die Magie rauben.

Multiplicity © Stephen Leslie

Vor ungefähr 14 Jahren begann ich, ein visuelles Tagebuch zu führen. Das bedeutete, jeden Tag ein Foto zu machen.

Weil das alles noch vor dem Internet war – oder zumindest vor Massen-Fotoseiten wie Flickr – druckte ich jedes Foto aus und klebte es in ein kleines schwarzes Buch, gespickt mit Aufnahmedatum und ein paar Notizen über das Foto: „Selbstportrait auf der Toilette“ oder „Tollwütige Katze attackiert Schulpicknick“.

Alle drei Monate fertigte ich ein neues Buch an und machte weiter. Für ganze zwei Jahre habe ich so mein Leben dokumentiert. Am Ende der Zeit war ich zwar fertig mit dem Projekt, jedoch ganz und gar der Fotografie verfallen – hauptsächlich der Straßenfotografie.

This can only end badly © Stephen Leslie

Obwohl ich mich aktuell nicht mehr diszipliniere, jeden Tag ein Foto zu machen, gehe ich niemals ohne Kamera aus dem Haus und sehe meine Fotos immer noch als Tagebuch. Sie zeichnen mein Leben auf; nichts davon ist gestellt oder geplant und ich fotografiere einfach, was mir begegnet.

Vielleicht ist das auch der Grund dafür, warum ich selten speziell unterwegs bin, um zu fotografieren. Die große Mehrheit meiner „Arbeit“ mache ich, während ich auf dem Weg zur Arbeit bin, einkaufen gehe, reise oder mit meinem Sohn zum Spielplatz gehe.

Almost... © Stephen Leslie

Ich hänge niemals herum oder warte ab, dass irgendwas passiert. Sondern ich halte fest, was ich sehe, während ich unterwegs bin.

Außerdem arbeite ich nicht wirklich an spezifischen Projekten, obwohl sich über die Jahre bestimmte Themen und Besonderheiten aufgetan haben: Große Oberlippenbärte, Dinos, Hunde, alte Menschen, alles Bizarre oder was offensichtlich fehl am Platze ist.

He's in for a long wait © Stephen Leslie

Ich strebe immer an, dass das Foto einen zentralen Bezugspunkt hat und, falls möglich, witzig ist. Auf Flickr gebe ich allen meinen Aufnahmen Titel und manche Leute denken, dass das vom Bild ablenkt, aber ich möchte das Foto aufwerten und eine zusätzliche Bedeutungsebene oder Humor einbauen.

Sobald wir ein Foto aufnehmen, arbeiten wir an der Realität und für mich ist das Hinzufügen eines Titels schlicht die Fortführung dieses Vorgangs.

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Vor Kurzem habe ich angefangen, Portraits auf der Straße mit einer Mittelformatkamera aufzunehmen. Ich mag diese plötzliche Formalität verglichen mit üblicher Straßenfotografie. Es bringt einen dazu, mit den Menschen zu interagieren und fordert heraus, was immer eine gute Sache ist.

Street Portrait © Stephen Leslie

Obwohl ich das alles nun 14 Jahre lang mache, sehe ich mich immer noch als Einsteiger. Obwohl mein größter Wachstums-Schritt ist, es auch zu schätzen, ein Foto nicht zu machen. Dies ist ein weiterer Vorteil der Arbeit mit Film: Es ist teurer und so denkt man mehr über jedes einzelne Foto nach.

Dieser Artikel wurde von Martin Gommel aus dem Englischen übersetzt.


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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