Ein Beitrag von: Holger Weber
??Als wir die Anfrage von Greenpeace bekamen, ein Kubikfoto zum Thema Braunkohletagebau zu produzieren, war das natürlich extrem cool. ?Man denkt sofort an riesige Maschinen, gigantische Löcher in der Landschaft, trashige Dörfer und skurrile Bewohner – ein gefundenes Fressen für jeden Fotografen!? Da unsere Produktionen extrem konzeptabhängig sind und jede Szene mit anderen Szenen verknüpft werden muss, steht vor der Fotografie (ja, ist natürlich immer so) sehr pingelige Recherche.
Kubikfotos sind übrigens auf Fotos und Film basierende, wirklich interaktiv erlebbare Welten, durch die sich der Betrachter nahezu frei bewegen kann. Wir haben dafür ein eigene Software entwickelt, die es uns erlaubt, auch sehr große und komplexe Projekte zu realisieren und alles an Funktionalitäten des Web 2.0 einzubinden.
Aber zurück zum Anfang. Da Greenpeace ebenfalls extrem genau und wahrheitsgemäß arbeiten muss, verbrachten wir die ersten Tage vor dem Rechner, dann weitere Tage vor Ort, um zu gucken, wo man was fotografieren kann, welche Leute etwas sagen wollen und wie das Thema überhaupt aussehen kann.
?Und plötzlich waren da keine tollen riesigen Maschinen mehr, sondern stählerne Monster, keine gigantischen Löcher, sondern die totale Zerstörungen einer wunderschönen Landschaft, keine trashigen Dörfer, sondern uralte gewachsene Kulturen und keine skurrilen Bewohner, sondern liebenswerte Menschen, die um ihre Heimat kämpfen müssen und das gegen die Regierung, eine steinreiche Lobby und die Behörden.
Der Tagebau Welzow-Süd, ein Ende der Grube sucht man am Horizont vergeblich.
Kein Tornado. Diese Katastrophe ist dauerhaft, allein in den drei Kraftwerken in der Lausitz werden jährlich über 52 Millionen Tonnen Braunkohle zu CO2 verwandelt.
Kippengelände: Hier wird über viele Generationen kein Mensch mehr leben können.
Eines von vielen Dörfern, die durch den Tagebau zum Geisterdorf werden.
In Atterwasch wurde die Installation einer Solaranlage auf einem unter Denkmalschutz stehenden Gebäude nicht genehmigt – ist ja auch verständlich – allerdings soll das gesamte Dorf inklusive der über 700 Jahre alten Kirche nebst Friedhof dem Tagebau weichen.
Proschim setzt schon lange und voll auf nachhaltige Energien und kann mit Solar-, Wind- und Biogasanlagen komplett die umliegenden Dörfer und Städte mit Strom versorgen. Proschim kommt natürlich auch unter den Bagger. Nein, das ist leider kein Witz.
Der Tagebau Nochten mit dem Kraftwerk Boxberg. Was aussieht wie ein Acker sind mehrere Meter hohe und kilometerlange Kippenfurchen.
Der Tagebau Jänschwalde. Würde man die Förderbrücke aufstellen, würde sie den Eiffelturm um 180 m überragen.
Das Rot kommt nicht aus Photoshop, sondern zeigt die durch den Tagebau entstehende extreme Verockerung, die sich auf den Spreewald zubewegt und alles Leben im Fluss über Jahrzehnte vernichtet.
Mitten im Märchenwald: Der Weißwasserurwald. Die Naturfotografen werden ihn kennen. Wer ihn sehen will, kann das nur noch hier, weil …
… er direkt hinter uns abgeräumt wurde. Diese Eiche war locker 300 Jahre alt.
Schön warme Hände sind garantiert, wenn man mit Stahl- und Alustativen arbeitet.
Beim ersten Locationcheck bei -12 °C ohne Türen in der Cessna.
Für einige der Bilder haben wir uns tief in das „Betreten verboten“-Gelände gewagt, aber die Mitarbeiter von Vattenfall haben uns meistens sehr großzügig übersehen.
?Die Produktion lief über ein gutes halbes Jahr mit mehreren Aufnahmeterminen vor Ort. Wir haben insgesamt 271.000 MB Rohmaterial und 12.550 Dateien produziert, die wir zu einer 80 Szenen, 350 Dateien und 264 MB umfassenden Welt zusammengebaut haben. Das Ergebnis ist jetzt unter www.braunkohle.info explorierbar.
kwerfeldein – Fotografie Magazin
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