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Im Gespräch mit Przemek Strzelecki

08 Mar

Schräg, komisch, absurd – das sind die Adjektive, mit denen sich Przemek Strzeleckis Fotografien beschreiben lassen. Sie sprühen zugleich vor Lebensfreude und zeigen das ausgeprägte Feingefühl für Situationskomik ihres Uhrhebers. Ich habe den Meister des Moments zu einem Gespräch eingeladen.

Hey Przemek. Schön, dass ich Dich für ein Interview gewinnen konnte. Deine Fotos sind – wie soll ich es sagen? – extrem erfrischend. In jedem steckt immer irgendwie ein Grinsen. Seit wann fotografierst Du und wie hast Du gemerkt, dass die Fotografie das richtige Medium für Dich ist?

Zuerst einmal danke, dass Du mich hierzu eingeladen hast. Schön, dass Du diese zwei Worte gesagt hast: Erfrischend und Grinsen.

Mit dem Grinsen hast Du etwas in meinen Bildern erkannt, das immer in mir steckt. Und erfrischend gefällt mir, weil ich vor ein paar Jahren meine Denke über Fotografie geändert habe. Ich habe angefangen, nach etwas Neuem und Frischem zu suchen, nach etwas Anderem und Unkonventionellem.

Mongolia 2012 © Przemek Strzelecki

Ich mache schon ziemlich lange Bilder und kann mich sogar noch an meine erste Smena – eine alte russische Kamera – erinnern und haha an meine ach so tollen Fotos von Vogelnestern.

Dann hatte ich eine ganze Menge Zenit-Kameras, zwei davon habe ich immer noch, bis mir meine Eltern damals meine erste Canon kauften. Eine EOS 5000, glaube ich.

Vor ungefähr sechs Jahren erst habe ich erkannt, worum es bei der Fotografie wirklich geht und bin inzwischen total verrückt danach.

Mongolia 2009 © Przemek Strzelecki

Mir gefällt die Ironie, mit der Du auf Deine früheren Bilder schaust. Du sagtest, Du hast erkannt, worum es bei der Fotografie geht. Worum denn Deiner Meinung nach?

Wenn man feststellt, dass das Leben eigentlich ein großer Witz und voller Ironie ist, warum soll man dann nicht auch versuchen, Ironie in Bildern zu finden?

Vor einigen Jahren habe ich aufgehört, typische Touristenfotos zu machen. Ich mag solche Bilder, wie sie die meisten Leute von ihren Reisen mitbringen, nicht.

„Hier bin ich am Denkmal, neben dem Denkmal, vor dem Denkmal …“ – und so weiter.

Solche Bilder bringen einem nichts bei. Ich habe meine Sicht auf die Welt geändert, habe angefangen, Stereotypen zu durchbrechen und meinen eigenen Stil zu entwickeln.

Mongolia 2012 © Przemek Strzelecki

Aber es ist schwierig zu erklären, was Fotografieren bedeutet, weil es für jeden etwas anderes ist. Für mich hat es viel mit Gefühl und Intuition zu tun.

Ich muss nur einen Blick auf ein Foto werfen, um zu wissen, ob es mir gefällt oder nicht, aber ich kann nicht sagen, warum. Es ist schwierig, das zu definieren. Es ist eher wie Poesie.

Du fotografierst nach wie vor analog. Entwickelst Du selbst?

Ja, ich nutze immer noch Film, den ich der Digitalfotografie vorziehe. Ich entwickle Schwarzweißnegative selbst, scanne sie ein und drucke sie dann aus.

Mein Traum ist eine eigene Dunkelkammer, aber das ist leider nicht billig.

Egypt 2008 © Przemek Strzelecki

Poland 2012 © Przemek Strzelecki

Welche sind Deine Lieblingsfotografen? Hast Du Vorbilder?

Hier ist eine Liste meiner Lieblingsfotografen:
• Josef Koudelka
• Alex Webb
• Jindrich Streit
• Anders Petersen
• Larry Towell
• Marry Elen Mark
• Ragnar Axelsson
• Nikos Economopoulos
• Junku Nishimura
• Pentti Sammallahti
• Kim Thue

Und noch viele, viele mehr.

Besonders zwei von ihnen finde ich einfach irre: Josef Koudelka und Alex Webb. Ich versuche, eine Sammlung wie ihre zu erreichen.

Mongolia 2006 © Przemek Strzelecki

Du reist sehr oft, oder? Was motiviert Dich dazu?

Ja, ich reise, aber eigentlich nicht sehr viel. Pro Jahr mache ich normalerweise eine große Reise in die Mongolei und einen kürzeren Trip – meist mit dem Fahrrad – an irgendeinen Ort in Osteuropa.

Ich unternehme auch sehr viele Wochenendtrips in die Slowakei oder nach Tschechien, weil es mir dort einfach sehr gefällt.

Ich stecke mir immer etwa 25 Euro ein, das reicht dann für drei Tage. Ich schlafe im Wald oder in verlassenen Häusern, bewege mich zu Fuß oder mit dem Fahrrad und trinke viel Bier mit den Einheimischen, was mir Gelegenheit gibt, eine Menge guter Bilder zu machen.

Und meine Motivation? Ich werde mal die Worte eines unbekannten Autors verwenden, um den zweiten Teil Deiner Frage zu beantworten: „Reise weit. Bleib lange. Schau genau hin. Und möge die Sonne zwei Mal aufgehen, bevor Du schlafen gehst.“

Mongolia 2011 © Przemek StrzeleckiMongolia 2012 © Przemek Strzelecki

Dass Du den Menschen nahe bist, spiegelt sich sehr gut in Deinen Bildern wider, insbesondere in Deinen Fotos aus der Mongolei. In ihnen steckt eine gewisse Vertrautheit. Was ist es, das Dich Jahr für Jahr immer wieder zurück in dieses Land führt?

Die Mongolei ist ein Ort, an dem man sich absolut frei fühlen kann. Ich habe dort alles gefunden, was ich in all den Jahren des Reisens gesucht habe.

Wenn ich dort bin, fühle ich mich, als wäre mein Traum wahr geworden. Ein Traum, den ich als Kind hatte, wenn ich bis spät in die Nacht Bücher von Jack London las, die mir mein Vater gegeben hatte.

Für mich ist die Mongolei einer der letzten Orte auf der Erde, an denen man Stille und Weite finden kann, raue Menschen und einen so klaren Sternenhimmel, dass man den Eindruck hat, die Sterne seien so nah wie Äpfel an einem Baum. Das ist wirklich erstaunlich.

Mongolia 2011 © Przemek StrzeleckiMongolia 2011 © Przemek Strzelecki

Das klingt fantastisch. Würdest Du Dich selbst als Romantiker bezeichnen?

Ich find’s eher schwierig, mich selbst zu beschreiben. Romantiker? Vielleicht, ja, doch, ich denke schon. Ich lebe in einer Welt von Träumen und ich wurde zu spät geboren.

Die Zeit der großen Abenteuer und Entdeckungen ist längst vorbei. Als ich klein war, habe ich Hunderte Bücher gelesen, die mich verrückt danach machten, etwas Neues zu entdecken und zu erleben. Ich bin immer noch ein Kind im Körper eines fast vierzigjährigen Mannes. Habe die ganze Zeit Tausende neue Ideen.

Mongolia 2011 © Przemek Strzelecki

1993, als ich gerade 16 Jahre alt war, machte ich meine erste große Reise zum Baikalsee. Danach habe ich drei bis vier Jahre lang unter offenem Himmel geschlafen.

Ich habe festgestellt, dass ich krank bin – infiziert mit der Abenteuerkrankheit – und ich hoffe, dass ich niemals geheilt werde. Ich möchte an dieser Stelle Joe E. Lewis zitieren: „Man lebt nur einmal, aber wenn man es richtig anstellt, ist einmal genug.“

Es gibt nichts Schöneres als in einem Schlafsack unter dem Sternenhimmel zu liegen. Egal wo, es geht überall.

Przemek, herzlichen Dank für das Interview und Dir alles, alles Gute für die Zukunft.

Wir haben das Interview auf Englisch geführt. Ich habe es anschließend ins Deutsche übersetzt.


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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