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Kritik an der Kritik: Plädoyer für ein respektvolles Miteinander – Ein Kommentar

01 Oct



Hobbyfotografie passiert nicht nur vor Ort an der Kamera – sondern auch am Rechner und in diversen Communities: Foren, Blogs, Flickr, FC, Ipernity und so weiter. Viele ambitionierte, junge Fotoleute melden sich dort an, zeigen ihre Fotos und kommentieren die anderer Leute. So auch hier – ein im Grunde alltäglicher Vorgang, um den man sich eigentlich viel zu selten Gedanken macht.

Meisst passiert es dann, wenn einem Blogger mal wieder das Fass überläuft und er in den Kommentaren oder per Artikel “Jetzt reichts!” zu verlauten gibt oder in Magazinen einzelne Wortmeldungen schlichtweg mit der Bemerkung: “Bitte äußern sie sich sachlich und konstruktiv” gelöscht werden. Oder sich jemand aus einer Community mit “Nein, Danke” verabschiedet. Passiert nicht selten.

Dann fragt sich so mancher, was ein guter Weg sein kann, sich miteinander über ein Bild auszutauschen bzw. sich gegenseitig zu unterstützen und die Lust am Fotografieren zu teilen vs. auszubremsen.

Auch hier auf kwerfeldein.de wurde dieses Thema schon von vielen verschiedenen Seiten beleuchtet. Mal sarkastisch, mal direkt, mal etwas analytischer. Der heutige Anlass ist der, dass ich schon länger einige Beobachtungen anstelle und selbstverständlich auf diesem meinen Blog auch meine Meinung kundtun möchte.

Dies geschieht nicht aus einem Zorn auf Einzelne heraus – denn, was das Kommentarverhalten auf kwerfeldein.de im Allmeinen betrifft, habe ich eigentlich keinen Grund zu meckern. Denn wir haben es geschafft, hier in einem freundlichen Spirit miteinander umzugehen.

Und trotzdem gibt es immer wieder Einzelfälle – wie gesagt nicht nur hier – bei denen mir der Gedanke kommt, das erneut aufzugreifen.

Denn die Situation ist meist folgende – und der Ablauf häufig überraschend gleich:

Person A stellt ein Bild vor und schreibt ein paar Gedanken dazu. Sie umreisst ihre Beweggründe, und warum sie sich für diese Perspektive, Brennweite, Verschlusszeit oder anderes entschieden hat. Manchmal wird das durch eine Information über die Bildbearbeitung ergänzt – manchmal fällt sogar beides weg und es ist nur ein Bild zu sehen. Ort der Veranstaltung: Beispielsweise hier, auf Flickr oder im eigenen Photoblog.

Person B sieht das Bild und schreibt folgenden Kommentar dazu:

“Pah! Was für ein schwaches Bild. Das macht ja gar keinen Sinn. Ich finde, Du hättest wesentlich länger belichten müssen und die Blende hätte ich an Deiner Stelle nicht so aufgerissen. Komisches Foto. Wäre bei mir allenfalls schnell im Mülleimer gelandet”.

Hätte, hätte, Fahrradkette.

Mancher möchte da antworten: Hey, kann es sein, dass Du diesen Artikel mit dem “Sag mir, was Du an meinem Bild doof findest – Thread verwechselt hast”?

Wie wirkt das wohl auf Person A? Wir werden es nicht wissen, denn jeder nimmt solche Kommentare individuell auf. Doch weitere Fragen lassen sich stellen, die wir evtl. beantworten können.

  • Möchte die Person Feedback auf ihr Bild? Ja, sonst hätte sie es nicht auf eine Seite gestellt, die über Kommentare verfügt.
  • Hat die Person um eine Kritik gebeten? Nein.
  • Hat die Person A direkt Person B aufgefordert, eine möglichst harte Stellungnahme abzugeben? Auch nicht.
  • Ist es denkbar, dass Person A mit dem Foto abgeschlossen hat und damit zufrieden ist? Ja.

Ungebetene Kritik dieser Art hat – zumindest auf mich – meist einen faden Beigeschmack und überschreitet eine gewisse Grenze der Achtung und des Respektes voreinander.

Übrigens ist es völlig egal, in welchem Kontext ungebetene Kritik dieser Art vollzogen wird; sie wird immer deplatziert und destruktiv wirken. Auch ausserhalb der Kunstkritik.

Es gibt in der Hardcoreszene einige Leute, die unter Hardcore “Support, support, support” verstehen und das auch so leben. Da wird gegenseitig geholfen und unterstützt, wo es nur geht. So lernte ich jemanden kennen, der mich lange Zeit mit kwerfeldein.de so gut unterstützt hat, wie es in sein Handlungsspielraum zulies. Als ich gefragt habe, warum er das mache, meinte er: “Hey, Support, support, support. Das ist doch das Normalste, oder?”

Vieles im Leben hat mich geprägt – aber dieses wohlwollende Haltung des gegenseitigen Unterstützens ist etwas, was ich mir schon immer für kwerfeldein.de gewünscht habe. Support, support, support. Gegenseitig unter die Arme greifen, fragen, wo man helfen kann und nicht nur sein eigenes Ding machen.

Letzteres heisst für mich nicht, dass  Kritik verboten ist. Nein, es ist für mich eine Frage der Haltung. Und schon mein Vater hat mir zu seinen Lebzeiten immer wieder gesagt: Der Ton macht die Musik. Gerade weil wir übers Internet ausschließlich Worte haben – und eben keinen Tonfall des Gesagten hören, keine Gestik und keine Mimik sehen gibt das Konstrukt eines Kommentares in seiner Ganzheit eine Stimmungsbild ab, das wie im oberen Beispiel kaum zu übersehen ist.

Hingegen wäre es ja auch mal interessant, zu fragen: “Hey, ich sehe, dass Du Dir Gedanken um Dein Foto gemacht hast und habe ein paar kritische Gedanken dazu. Wärst Du daran interessiert, dass ich sie mit Dir teile?”

Klingt erstmal ganz anders, oder? Warum? Weil der Kommentar den Bildautor in seiner Rolle respektiert und nicht völlig überfährt. Er lässt Raum, die Kritik anzunehmen oder nicht. Und wenn der Autor die Einladung sie annimmt, dann ist die Kritik eben nicht mehr ungebeten, sondern gewollt. Was gleichzeitig auch die Chance um ein Mehrfaches erhöht, dass die Kritik auch gehört wird und ankommt- was ganz im Interesse des Kritisierenden liegt.

Natürlich muss eine Kritik nicht genau so klingen – aber eine verlustfreie Formulierung wird ganz andere Reaktionen auslösen und mit hoher Warscheinlichkeit auf offenere Ohren treffen als eine “Ach scheißegal, ich sag halt was ich denk, mir doch wurschd”-Pfeife.

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Ich habe oft mitbekommen, dass Leute hohen Wert auf  “meine ehrliche Meinung sagen” legen. Es sei dann nicht mehr echt, wenn sie irgendwelche Floskeln vorschieben würden.

Ein kurzer Satz dazu: Ich bin froh, dass nicht jeder von uns immer und jederzeit 100% ehrlich sagt, was er denkt. Gut, dass wir auch noch ein Hirn haben, das uns reflektieren lässt, ob das jetzt gerade ein guter Zeitpunkt ist und wie wir das, was wir denken, passend ausdrücken können. Alles andere nenne ich jetzt mal doof, den vor lauter “ich ich ich” vergisst man gerne vor lauter Authenitizität, dass man auch mit einer anderen Person spricht.

Sich in die Schuhe des Anderen begeben, die Frage stellen: “Wie könnte das beim anderen ankommen” kann dabei hilfreich sein, eine Bildkritik zu schreiben, wenn man nicht direkt gefragt wurde. Ist gleich: Empathie. Ich finde das wichtig.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich bin nicht der Meinung, dass man sich beim Betrachten eines Fotos nur mit Wattebäuschchen bewerfen und in Seide packen sollte. Auch ich bin jemand, der Kritik von anderen braucht. Direkt und unverblümt, so, wie es die Person sieht. Doch diese Person(en) suche ich mir explizit aus und bitte sie um ein Feedback. Dann hat alles seinen Rahmen und die Kritik ist sehr gewollt.

Und ich glaube auch, dass jeder, der weiterkommen möchte, solche Kritiker braucht – und auch einiges aushalten muss. Kritik ist nicht gleich Lob.  Doch jeder wird sich diese Kritiker selbst raussuchen. Vom Social Web zu erwarten, diese Rolle zu erfüllen, ist meiner Meinung nach verständlich, aber kaum erfüllbar. Denn im Netz gibt es jede Meinung zu jedem Thema.

Da macht es wesentlich mehr Sinn, sich jemanden herauszusuchen, der auf dem betätigten Gebiet kompetent ist und auf eine gewisse Erfahrung zurückgreifen kann. DAS ist nämlich für eine gute Kritik ein wichtiger Punkt.

Um das wieder auf unserer Situation anzuwenden: Person A wird sich vielleicht den Link zur Webseite des Kommentators (wenn einer da ist und nicht anonym kommentiert wurde) anschauen und überprüfen, ob die Person B auch auf diesem Gebiet etwas zeigen kann. In kurz: Wer so weit den Mund aufmacht, sollte auch darüber nachdenken, worauf er selbst sein Häusschen gebaut hat. Kann jedenfalls nicht schaden.

~

Natürlich kann jeder zu jedem Bild eine eigene Meinung haben. Sicher. Manchmal kann das Feedback eines unbekümmerten Neueinsteigers wertvoller sein, als eines sogenannten Profifotografen mit X-Jahren Erfahrung, weil der Einsteiger weniger betriebsblind ist. Doch auch da macht der Ton die Musik.

Zum Schluss noch eine Sache:

Es gibt Situationen, in denen jemand ein Foto ins Netz stellt und mit dem Prozess des Schaffens fertig ist. Heisst: Zufrieden ist, mit dem, was er gemacht hat und keinerlei Absicht hat, jetzt irgendwas zu erreichen, sondern einfach das Foto zeigen will. Wenn das Foto Leuten gefällt, schön. Wenn nicht, auch gut. Ich kenne genügend Leute, die das so machen.

Wenn dann ein jovialer Sprücheklopfender daherkommt, und das Bild wie oben buchstäblich auseinandernimmt, könnte das dem Fotografen herzlich “egal” sein, weshalb er auch nicht auf die Kritik reagieren wird.

Ich glaube auch, dass diese Haltung ein gewisses Level von Reife vorweisst. Jemand, der weiß, was er will, der wird nicht jedem dahergeflogenem Vogel recht geben, nur weil dem ein Bild nicht in den Kram passt oder irgendein Schönheitsfehler auffällt.

Vor allem nicht dann, wenn die Kritik wie oben ausfällt. Auch deshalb plädiere ich dafür, rücksichts- und respektvolle Worte zu wählen, die beim Anderen nicht gleich verletzend oder beleidigend wirken.

Support, support, support.

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KWERFELDEIN | Digitale Fotografie

 
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