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Alvin Langdon Coburn und die Suche nach Schönheit

14 Dec

© Alvin Langdon Coburn

Ein Beitrag von: Laura Su Bischoff

„Es war einmal ein kleiner Junge namens Alvin“, schreibt Alvin Langdon Coburn in der ersten Hälfte der 1960er Jahre in seinem Haus im walisischen Küstenort Rhos-on-Sea, wo er seinen Lebensabend verbringt. Er, der schon früh als Meister der Fotografie gilt, blickt dort auf seine lebenslange Suche nach der Schönheit zurück: Er denkt an den Piktorialismus, jenes fotografisches Genre, das mit seiner bildhaft-symbolischen Ausgestaltung für die Anerkennung von Lichtbildern als Ausdruck der „schönen Künste“ kämpfte.
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Transzendenz oder der Blick nach innen

17 Jul

Ein seltsames Wesen im Dunkeln.

Der Begriff „Transzendenz“ tauchte schon sehr früh in meinem Wortschatz auf. Ich glaube mich zu erinnern, ihn aus dem Mund meines Großvaters gehört zu haben, als ich mit ihm und meiner Großmutter wieder einmal in der Messe saß. Was meine Eltern als versierte Wissenschaftler übrigens gar nicht so toll fanden, mich aber mitgehen ließen, weil die Atmosphäre des alten Kirchenschiffs und der Duft nach Weihrauch eine zu große Fasziniation auf mich ausübten.
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Eine naive Reise nach Island

05 May

Ein Haus an der Küste Islands

Ein Beitrag von: Brenning Hughes

Fotografie und Island sind gleichermaßen wichtig für mich und untrennbar mit meinem Leben verbunden. Aber das war nicht immer so. Während unseres letzten Jahres an der High School entschieden ein Freund und ich uns dazu, nach Abschluss der Prüfungen etwas zu unternehmen. Zuerst alberten wir herum, planten, Raumfahrer zu werden, uns nach Nordkorea zu schleusen oder Blauwale zu reiten. Das Übliche eben. Schließlich schlug ich vor, Island zu besuchen.
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Die Suche nach Anerkennung

02 Mar

Die Sucht nach Likes © Kat Kapo

Kwerfeldein publiziert eine mehrteilige Serie über „Reflexionen zur Fotografie“. Folgende Fragen stehen im Mittelpunkt: Warum machen wir bestimmte Bilder? Welche Bilder machen wir nicht und warum? Was motiviert Menschen dazu, sich mit Fotografie zu beschäftigen? Und was ist eigentlich gute Kunst? In unserem ersten Teil beschäftige ich mich damit, was es mit der wachsenden Bilderflut auf sich haben könnte, ob Fotografie ein Mittel zum Ausgleich eines Anerkennungsdefizits sein kann und welche Folgen die Suche nach Anerkennung für die Fotografie hat.
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Nach dem Horizont greifen

18 Sep

Ein Beitrag von: Tanner Stewart

Das „Shoot The Skies“-Projekt startete 2012 mit einer einfachen Idee: Ein 365-Tage-Projekt durchführen und daraus ein Buch machen, um das öffentliche Bewusstsein für Menschenhandel zu steigern. Die Profite aus dem Projekt wollte ich zu diesem Zweck komplett spenden.

Eine Schneelandschaft mit beeindruckenden Wolken

Nach drei Monaten hatte ich einige Vorstellungsgespräche und musste das Projekt leider aus finanziellen Gründen aufgeben. Einen Monat später ergab sich die Gelegenheit, kostenlos nach Bulgarien zu fliegen, um Freiwilligenarbeit für die NGO „The A21 Campaign“ zu leisten. Diese NGO war der Grund, warum ich mich ursprünglich erst entschieden hatte, Geld sammeln zu wollen.

Da ich das Projekt stoppen musste, entschied ich mich dazu, stattdessen mit Arbeit und Zeit zu helfen. Einfach die eigene Zeit investieren und so einen Beitrag leisten. Als ich in Bulgarien war, warf mich allerdings ein Ereignis wieder aus der Bahn: Während ich in einem Dorf Fotos machte, versuchte ein Zigeuner, mir sein sechs Monate altes Baby für 50 Dollar zu verkaufen.

Ein gigantischer roter Fels

In diesem Moment habe ich verstanden, dass ich gegen das Problem Menschenhandel einen größeren Beitrag zu leisten hatte und dass es immer noch die Gelegenheit gab, mit eigenen Bildern einen Unterschied zu machen. Das Baby war die Inspiration und sein Gesicht, das ich nie vergessen werde, half mir, das „Shoot The Skies“-Projekt doch noch durchzuziehen.

Eine Schlucht in Schwarzweiß

Also begann ich das Projekt am 1. Januar 2013 neu. Ich war die ersten Monate an der nordwestlichen Pazifikküste in Amerika unterwegs, aber ich wusste, dass ich so viel mehr reisen musste, um die besten Fotos zu machen. Deswegen habe ich mein Appartement in Seattle gekündigt, alles außer meiner Kamera verkauft und mein Leben in einen Koffer und ein altes Auto von 1988 gepackt.

Von April bis Dezember reiste ich durch die USA und durch Europa. Ich fuhr 12.000 Meilen, besuchte 20 Nationparks, elf Staaten, fünf Länder. Ich habe im Auto geschlafen, auf Couches und auf dem Boden bei Freunden und in ein paar Fällen auch bei Fremden übernachtet. Einmal, in der Wüste von Arizona, fing mein Auto Feuer und ein völlig Fremder bezahlte mir drei Tage Aufenthalt im Hotel, während es repariert wurde.

Blitze über einem Berg und einem Kornfeld

Die Reise war das Abenteuer meines Lebens und ich war in der Lage, in einem Jahr mehr Orte zu besuchen, als viele Menschen in ihrem ganzen Leben. Und ich habe es geschafft, alles zu fotografieren. Ich bezahlte die Reisen aus meiner eigenen Tasche und fotografiere unterwegs Hochzeiten und Portraits, um die Rechnungen zu bezahlen, die allerdings gering waren: Ich musste nur mein Telefon, Flugtickets und mein Essen bezahlen.

Die Milchstraße über einem Berggipfel

Fertig wurde ich mit „Shoot The Skies“ genau am 31. Dezember 2013 gegen 12 Uhr und fing sofort an, ein Video für die Crowdfunding-Kampagne zu drehen, um das Buch in Eigenregie veröffentlichen zu können. Am 1. Februar startete ich eine 60-Tage-Kampagne, um zu versuchen, 1.000 Exemplare des Buches mit 400 Seiten für jeweils 45 Dollar zu verkaufen.

In jedem Buch sollten alle 365 Bilder und die Geschichten dazu enthalten sein, jedes Exemplar signiert. Das Ziel waren 45.000 Dollar – alles oder nichts. Der Druck auf mich war damals extrem hoch. Ich verbrachte in der Zeit acht bis zwölf Stunden am Tag damit, Medien zu kontaktieren, Blogs, Fotografen, Bekannte und Familie. Am Ende hatte ich fast 1.800 Vorbestellungen und konnte 79.000 Dollar einsammeln.

Ein Canyon aus rotem Stein

Das Beste daran ist, dass ich über 50.000 Dollar von dem Geld direkt für die A21-Kampagne gesammelt habe. Dieses Geld wird dazu verwendet, Opfern von Menschenhandel überall auf der Welt zu helfen. Aber das ist noch nicht die ganze Geschichte.

Ich hörte damit auf, das Buch weiter zu verkaufen und verbrachte zwei Monate mit Design und Schreiben. Ein Video über das Buchprojekt wurde gemacht, das ich auf Reddit postete und die Huffington Post wurde darauf aufmerksam. Sie schrieben einen Artikel über „Shoot The Skies“, veröffentlichten das Video und es bekam noch einmal mehr als 1 Million Views in vier Tagen.

Ich bekam so viele E-Mails zu dem Projekt, dass ich die Kampagne wieder aufmachen musste und weitere 20.000 Dollar in vier Tagen einnehmen konnte. Momentan stehe ich bei 98.000 Dollar, um das Buch zu publizieren – das Doppelte meines ursprünglichen Ziels. Jetzt kann ich 65.000 Dollar für die A21-Kampagne spenden und habe 2.200 Bücher in 30 Länder verkauft. Das Buch erscheint diesen Herbst.

Die Milchstraße über einem Gipfel

Meine Bilder wurden alle mit der Fotostitching-Technik gemacht und in jedem Foto sind ungefähr 15 Bilder zusammengestitcht. Ich fotografierte alle Bilder in dem Projekt mit einer Nikon D300S (mit bereits 350k Auslösungen) und einer Sammlung von Nikon-Objektiven. Mein Equipment war minimalistisch, ich wartete einfach auf das beste Licht und reiste viel.

Fast jedes Foto wurde mit Blende f/8 oder mehr geschossen (außer die Sternenbilder) und ich fing mit „Photomerge“ in Photoshop an und merkte erst nach der Hälfte des Projektes, dass ich über 1000 Stunden Arbeit hätte sparen können, wenn ich sofort Auto Pano verwendet hätte. Vorher dauerte es vier bis sechs Stunden, jedes Bild fertigzustellen, aber mit Auto Pano konnte ich die Zeit auf ein bis zwei Stunden reduzieren. Nach der Fertigstellung des Stitchens benutzte ich Lightroom mit verschiedenen Plugins wie VSCO und Alien Skin Exposure.

Eine Bergkette über einem See

Außer den großen Fotostitches ist es vor allem der Blickwinkel, der die Fotos auszeichnet. Ich kletterte oder versuchte, dorthin zu gehen, wo noch niemand war, ich kletterte die Aurora Brücke in Seattle in der Mitte runter und machte daraus ein 40-Bilder-Panorama (180° in beide Richtungen).

Ich stand am Rand der Yosemite Falls in 2.500 Feet Höhe, bin auf den Buzludzha in Bulgarien geklettert, war die ganze Nacht draußen in den Bergen, fand die versteckten Wälder der Titanen in den Redwoods, kletterte über Zäune und Bäume und begab mich zu oft in Gefahr, um es zu zählen.

Ich mag das Adrenalin, aber was ich herausfand, war, dass ich ein Foto manchmal zu sehr mochte wegen der Arbeit und nicht wegen des Ergebnisses. Einige Bilder hätte ich vielleicht nicht veröffentlichen sollen, aber ich mochte die Entstehungsgeschichte – eine schwierige Gratwanderung. Das ist einer der Kämpfe, den jeder Fotograf mit sich austragen muss, aber es gehört mit zum Abenteuer Fotografie. Und ich mag das Abenteuer!

Ein verscheiter Berggipfel

Ein 365-Tage-Projekt ist schon eine Herausforderung, aber Bilder zu machen, auf die man stolz sein kann und die auch zu einem Buch werden können, das erhöht noch mal die Schwierigkeit. Jedenfalls war die Herausforderung sehr motivierend und sorgte dafür, dass ich mich noch mehr in Fotografie generell verliebte, weil mir klar wurde, das etwas so Einfaches wie ein Foto extrem viel erreichen kann.

Die Bilder in „Shoot The Skies“ repräsentieren etwas, das wir alle tun können, um die Welt besser zu machen. Wir haben alle eine Stimme und meine ist die Fotografie. Ich will kein Schulterklopfen, aber ich will Menschen inspirieren, etwas zurückzugeben, egal, wie viel man hat. Das Projekt startete mit nichts, ich war ein obdachloser Fotograf, der in seinem Auto lebte, mit einer alten und abgenutzten Kamera fotografierte und der eine verrückte Idee hatte.

Steilküsten in Irland

Jetzt, zwei Jahre später, habe ich fast 100.000 Dollar gesammelt und ein Buch mit meinen Bildern trägt ein Stückchen dazu bei, moderne Sklaverei zu bekämpfen. Jetzt seid Ihr dran: Geht raus und macht die Welt zu einem besseren Ort mit einer Leidenschaft, die Ihr habt.

Anmerkung der Redaktion: Das Buch zum Projekt „Shoot the Skies“ kann auf der Projektwebseite zum Preis von 50 USD via Paypal weiterhin vorbestellt werden.

Dieser Artikel wurde für Euch von Sebastian Baumer aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.


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Auf der Suche nach dem ursprünglichen Afrika

11 Jun

Ein Beitrag von: Dennis Wehrmann

Als wir mit ein paar hundert Mann in unserer Boeing von Johannisburg zur Landung auf dem Windhoek International Airport ansetzen und ich verschlafen – mir die Augen reibend – aus dem Fenster schaue, kann ich es zuerst kaum glauben: Wir sind tatsächlich in der Wüste.

So weit das Auge reicht, nichts außer dem roten Sand der Kalahari-Wüste und ein wenig später ein aus der Luft nur als Bretterbude zu identifizierendes Gebäude am Boden nebst einer kleinen Landebahn. Das sieht mir ganz verdächtig nach einem Sportflughafen aus – definitiv nichts für Pauschalreisende. Ich atme beruhigt auf, denn wir sind auf der Suche nach einem möglichst ursprünglichen Afrika.

Die auf einem 1600 m hohen Plateau liegende Hauptstadt mit seinen etwa 200.000 Einwohnern bietet sich strategisch als Ausgangs- und insbesondere einem der wenigen Verpflegungspunkte an für die bevorstehenden Weiten Namibias mit seinen insgesamt nur ca. 2,1 Millionen Einwohner. Dabei ist Namibia mehr als doppelt so groß wie Deutschland und hat damit gerade einmal 2,6 Einwohner pro km². Im Vergleich zu den 227 Einwohner pro km² in Deutschland also Einsamkeit pur.

Blick über eine Stadt.

Die Arbeitslosenquote der seit 1950 unabhängigen Republik liegt bei sagenhaften 51%, dabei erscheinen die Einwohner dennoch zufrieden, besonders zuvorkommend, freundlich und aufgeschlossen. Immer wieder werden wir auf unserer Reise von Einheimischen nach unserer Herkunft und ob uns Namibia gefällt befragt. Insgesamt haben wir uns die gesamte Reisezeit über, selbst an den entlegensten und ärmsten Orten, sicher gefühlt.

Unsere erste Etappe führt uns in die Kalahari-Wüste. Diese Sandwüste verläuft in Süd- Nordrichtung durch Südafrika, Namibia, Botswana bis nach Angola und Sambia hinein. Der westliche Teil Namibias ist durchzogen von den roten Paralleldünen der Kalahari, in deren geschützten Senken zwischen zwei Dünenkämmen sich eine erstaunliche Vielfalt an Flora und Fauna findet.

Einzigartig ist der Moment, in dem der erste Dünenhügel mit dem Auto erklommen ist und den Blick in die leichte, sanft begrünte Senke freigibt, von der aus sich der feine rote Sandboden wieder bis zur darauffolgenden Dünenreihe anhebt – zwischen den Dünenkämmen eine Herde rennender Strauße.

Steppe in Gelb- und Rottönen mit Büschen und einigen Bäumen vor blauem Himmel.

Gerade in den Wüstenregionen sind die Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht besonders extrem. Insbesondere in den Wintermonaten Juni bis August ist Nachfrost durchaus üblich. Ab Anfang September (unsere Reisezeit) beginnt der Frühling in Namibia und die Tagestemperaturen steigen deutlich.

Der frühe Frühling und der späte Herbst bieten sich als ideale Reisezeit an. Es ist besonders an den touristischen Attraktionen wesentlich einsamer und die Sonne steht tiefer, sodass das unglaublich helle Licht in den Morgen- und Abendstunden weich wird und die prächtigen Farb- und Schattenspiele noch imposanter und länger erscheinen.

Besonders leer und klar ist die Luft im Winter, doch leider sind die Tage dann auch am kürzesten und die Temperaturen empfindlich niedrig. Diese Nachtkälte der Wüste haben auch wir auf unserer ersten Tour in die Kalahari vor dem Sonnenaufgang erfahren dürfen – und dann geht die Sonne auf.

Sonnenaufgang über der Steppe in glühenden Rottönen.

Auf diese Schönheit in der Einsamkeit war ich nicht vorbereitet: Wie die Sonne sich langsam über die Savanne erhebt, das Gras in ein Farbenmeer aus Gelb-, Orange- und Rottönen taucht und die Baumkronen streichelt.

Dies ist definitiv einer der Momente im Leben, den ich nie vergessen werde: Wir allein mit unserem Guide auf dem Dünenkamm, halb erfroren, einen heißen Kakao in der Hand und dann dieses Licht in fast unberührter Natur.

Besonders haben es mir die Kameldornbäume, die zu den Gehölzen der Akazien gehören und hauptsächlich in den trockeneren Gebieten von Südafrika, Botswana, Angola, Zambia, Zimbabwe und natürlich Namibia vorkommen, angetan.

Baum mit einer großen Stadt aus Vogelnestern in den Zweigen.

Kameldornbäume haben extrem tiefe Wurzeln, die oftmals bis zum Grundwasser reichen und den Bäumen so eine durchgängige Wasserversorgung sichern. Die Dornen stellen einen effektiven Schutz vor Fressfeinden dar – nur Giraffen sind hartleibig genug, sich dieser Herausforderung zu stellen.

Diese „Wunderbäume“ haben eine eigene unglaubliche Art der Reaktion: Frisst eine Giraffe an den Blättern, so werden diese nach kurzer Zeit bitter und die Giraffe zieht weiter. Aber damit ist es noch nicht genug: Der Baum sendet Warn-Duftstoffe mit dem Wind aus. Gelangen diese zu einem benachbarten Kameldornbaum, so nimmt dieser die Duftstoffe wahr, ist gewarnt vor eventuellen Fressfeinden und reagiert mit ebenfalls bitter schmeckenden Blättern.

Für mich ist die Natur Namibias nur mit dem Wort unglaublich zu beschreiben. Teilweise staune ich mit offenem Mund angesichts der Schönheit und des Einfallsreichtums und ich komme gar nicht zum Fotografieren – miteinander kommunizierende Bäume!

Baum mit einer großen Stadt aus Vogelnestern in den Zweigen.

Aber noch nicht genug der Faszination Kameldornbaum: In ihren Ästen bauen Webervögel ihre Nester, die zu Beginn einzeln in der Krone hängen und im Laufe der Zeit zu einem einzigen riesigen Nest – einer Stadt – verschmelzen, je mehr Webervögel sich in der Baumkrone einnisten.

Der untere Teil eines „Stadt-Nestes“ ist optisch von unzähligen Löchern dominiert, den Nesteingängen, die der unglaublich schnelle und bewegliche Weber mühelos anfliegt.

Je weiter wir uns von Windhoek entfernen, umso wilder, unbekannter und unvorstellbarer wird die Landschaft. Ein erstes Anzeichen dafür ist die nicht mehr vorhandene Asphaltierung der Straße. Stattdessen fahren wir von nun an auf sogenannten Pads, die sich in Kategorien B bis D und Offroad einteilen lassen.

Staße durch eine karge Steppe vor leerem, blauem Himmel.

Straße durch eine karge Steppe, die auf einen Berg zuführt.

Zum Glück haben wir einen Geländewagen gemietet. Die Umstellung ist gewöhnungsbedürftig, aber nach kurzer Zeit hat uns die „Pad-Sucht“ voll in ihren Bann gezogen.

Langsam fühlen wir die Weite und Einsamkeit Namibias. Andere Fahrzeuge begegnen uns immer seltener, manchmal fahren wir stundenlang ohne jeglichen Kontakt zu anderen Autos, geschweige denn Menschen oder Häusern in der skurrilen „Mond-Landschaft“ im dünn besiedelten Süden Namibias.

Konstant ziehen wir eine Staubwolke hinter unserem Geländewagen her. Das einzige Zeichen von Bewegung und Leben, auch Tiere haben diese lebensfeindlich erscheinende Landschaft nur bedingt für sich erobert.

Jedes Aufeinandertreffen zweier Geländewagen wird mit freundlichem Winken respektvoll gewürdigt. So langsam realisieren wir, was es wirklich bedeutet, auf sich gestellt zu sein. Im Falle einer Reifen- oder schlimmeren Panne wird sich wirklich zeigen, wie sattelfest wir sind.

Verrostetes Auto in der Wüste vor blauem Himmel.

Sehr schnell wächst unsere Demut gegenüber der lebensfeindlichen und unglaublich beeindruckenden Naturlandschaft. Wir reduzieren uns sehr schnell auf unsere absolut essentiellen Bedürfnisse:

Die Bewältigung unserer Tagesstrecke vor Einbruch der Dunkelheit und somit der Sicherung eines Schlafplatzes und einem Abendessen, der ausreichenden Bevorratung mit Wasser und Benzin. Ist all dies sichergestellt und es gibt dann noch eine eiskalte Flasche „Windhoek Lager“ nach der Ankunft im Camp, bin ich absolut zufrieden und ausgeglichen.

Höhepunkt des Südens ist, neben der Fahrt entlang des Orangerivers, dem Grenzfluss zu Südafrika, der Fish River Canyon, dem zweitgrößten Canyon der Welt. Heute fließt hier nur noch ein armseliges Rinnsal im Vergleich zu den früheren Naturgewalten, die diesen Canyon geformt haben. Er zeugt jedoch von der ursprünglichen Fruchtbarkeit des Landes, die sich auch mit jedem Tropfen Wasser und insbesondere am Orange River besonders offenbart.

Canyonlandschaft vor blauem Himmel.

Fish River Canyon

Panorama eines Flusses mit grüner Umgebung in sonst trockener Steppe.

Grenzfluss Orange River

Auf unserer Weiterfahrt gen Norden an den Rand der Namib-Wüste erfahren wir, wie problematisch die Versorgungssituation sein kann: In unserem letzten Camp war der Diesel ausgegangen und wir haben nur noch einen halbvollen Tank! In Europa kein Problem, in Namibia schon, denn hier können es auch mal 700 km bis zur nächsten Zapfsäule sein – die dann hoffentlich nicht leer gelaufen ist.

So ertappe mich dabei, wie ich „Stoßgebete“ zum Himmel schicke und hoffe, dass wir unser Ziel Aus bald erreichen und es dort Diesel gibt, ansonsten sind wir geliefert, denn unser Tank ist mittlerweile definitiv auf dem Tiefstand.

An den Ausläufern der Namib-Wüste angekommen, haben wir eine Begegnung der besonderen Art: Wir haben das Glück, die äußert seltenen Namib-Pferde zu sehen, die sich perfekt an die lebensfeindlichen Bedingungen in der Wüste angepasst haben.

Es gibt diverse Theorien über die Herkunft der Namib-Wildpferde, insbesondere ist die genaue Zahl der Tiere unbekannt. Geschätzt wird die Population auf 250 bis 300 Tiere, die sich den Lebensbedingungen in der Namib-Wüste angepasst haben.

Der wahrscheinlichsten Theorie zufolge bildet den Ursprung der Namib-Wildpferde eine entlaufene Herde einer Pferdezucht der südafrikanischen Armee. Es wird vermutet, dass Namib-Pferde etwa sechs Tage ohne Wasser auskommen können, während ein nicht-adaptiertes Pferd maximal drei Tage ohne Wasser aushält.

Wüstenlandschaft mit einzelnen Plateaus vor blauem Himmel.

Wüstenlandschaft mit einzelnen Plateaus vor blauem Himmel.

In der Nähe unseres Nachtlagers in Aus mache ich eine weitere unvergessliche Erfahrung der unglaublich vielfältigen, beeindruckenden Landschaft Namibias: Der Campbesitzer fährt mit uns abseits jeglicher Wege querfeldein in die Steppe der Namib und steuert auf einen massiven Berg zu, der wie ein riesiges, halb in der Erde versenktes Ei aussieht und eine vollkommen glatte Steinoberfläche hat.

Wie sollte es anders sein, als dass er beginnt, dieses monströse Ei hochzufahren – mit dem lapidaren Kommentar, ein Namibianer versucht immer, so weit und hoch wie irgend möglich mit seinem Geländewagen zu kommen. Den anderen und mir rutscht das Herz währenddessen in die Hose, der Ausblick aber entschädigt uns für den Angstschweiß.

Sonnenaufgang über einer hügeligen Landschaft.

Der weitere Verlauf unserer Strecke führt uns weiter gen Norden, unweit der Atlantikküste in die Namib-Wüste mit dem Ziel der Sossusvlei-Dünen. Die Namib ist nicht die größte, aber mit ca. 5 Millionen Jahren die älteste Wüste und dehnt sich auf 700 km in Nord- und Südrichtung entlang des Atlantischen Ozeans aus. Dabei ist sie „nur“ maximal 160 km, oft aber auch nur 70 km breit.

Die Begründung dafür liegt in der Art der Namib-Wüste. Ws handelt sich um eine Küstenwüste, eine der ungewöhnlichsten Wüsten der Erde. Das Klischee der „Wüste“ erfüllt die Namib bei Leibe nicht, denn sie ist weder trocken noch heiß, viel mehr eher kalt und feucht und trotzdem fast niederschlagsfrei. Die Namib verdankt ihre Existenz der Aridität durch den kalten und küstenparallelen antarktischen Benguelastrom an der Atlantikküste Südafrikas.

Steppenlandschaft mit gelbem Gras vor einem Gebirge.

Steppenlandschaft mit gelbem Gras vor einem Gebirge.

Eine Herde Oryxe im hohen, gelben Gras vor einem Gebirge.

Die Felsformationen entstehen durch die Versteinerung von Wanderdünen, wenn die Bewegung der Dünen zum Erliegen kommt. Plötzlich erscheint eine Oryx-Herde vor einer atemberaubenden Kulisse aus dem Nichts.

Die Dünen der Sossusvlei-Wüste, die wir am folgenden Tag zum Sonnenaufgang zumindest teilweise erklimmen, sind eine der beeindruckendsten Landschaften, die ich je besuchen durfte. Der Aufstieg ist schweißtreibend aufgrund des feinen Sandes, in dem meine Stiefel mühelos versinken und der mich immer wieder abrutschen lässt. Außerdem gilt es, dem Wind und Sandkornflug zu trotzen.

Als sich schließlich die Sonne binnen Minuten am Horizont emporhebt, beginnt ein unglaubliches Farbspiel des gesamten vorstellbaren Rotspektrums, das die von der Nacht noch unberührten Dünen leuchten lässt. Dank der Morgensonne färbt sich der Horizont noch kurze Zeit blau, bevor er für den Rest des Tages infolge der immensen Helligkeit komplett weiß erscheint.

Dünenlandschaft mit Fußspuren im Vordergrund.

Dünenlandschaft mit einem Reiter am Horizont.

Mitten im Sossusvlei liegt das Deadvlei eingeschlossen als von roten Sanddünen umschlossene Ton-Pfanne. Berühmt geworden ist das Deadvlei aufgrund der abgestorbenen und sehr gut erhaltenen Akazienbäume, die vertrockneten, als der Tsauchab-Fluss seinen Flusslauf infolge der Versperrung des ursprünglichen Flussbetts durch Wanderdünen änderte. Einige der Akazienbäume im Dead Vlei sind bereits über 500 Jahre alt und verrotten nur sehr langsam.

Die Temperaturen hier im Deadvlei schwanken zwischen 50 °C am Mittag und 0 °C in der Nacht – unvorstellbar. Dem Oryx als Nationaltier der Namibier machen diese Temperaturschwankungen nicht so zu schaffen, da er seine Körpertemperatur über seine Nüstern reguliert und somit diesen extremen Temperaturen trotzen kann.

Rote Dünenlandschaft mit abgestorbenen Bäumen.

Das Deadvlei ist ein unglaublicher Ort, der mich persönlich auf der gesamten Reise am meisten berührt hat. Wenn diese Idylle und der Frieden doch nur den ganzen Tag anhalten könnten. Sobald die ersten Touristenscharen sich mit der Nationalparköffnung zum Sonnenaufgang bis hierher vorgearbeitet haben, gehört die Einsamkeit und Idylle der Vergangenheit an.

Das Sossusvlei ist eine von Dünen umschlossene Lehmsenke, in der sich äußerst selten (etwa alle sechs bis acht Jahre) ein See bildet, wenn sich Regenwasser stärkerer Regenfälle in der Senke sammelt oder der Tsauchab-Fluss Wasser bis in das Vlei hinein gespült hat. Glücklicherweise auch zu dem Zeitpunkt, an dem wir diesen Ort besucht haben.

Blick üder die Oberfläche eines Sees vor oranger Dünenlandschaft.

Flamingos in einem See vor roter Dünenlandschaft.

Der See in der Wüste wirkt absolut surreal, dicke Lehmplacken bilden das Ufer und in der Mitte vergnügen sich Flamingos. Ich kann diese Konstellation bis heute kaum fassen und jedes Mal, wenn ich diese Bilder betrachte, bin ich wieder restlos begeistert.

Unser nächstes Etappenziel ist das wesentlich kältere Swakobmund, die erste Stadt seit der Ankunft in Windhoek. Auf dem Weg machen wir noch einen Zwischenstopp an der legendären Namib-Tankstelle Solitaire, die mehr als den einen für Namibia üblichen Quoten-Oldtimer beherbergt.

Der Moment, als die vor Swakobmund beginnende Teerstraße durch den mittlerweile gelben Wüstensand der Namib über eine Hügelkuppe führt, die den Blick auf den Atlantik freigibt und dabei die Sandböen vor uns über die Straße wehen, ist beeindruckend.

Gelbe Wüste.

Die so karg erscheinende Wüste ist voller Leben, was sich jedoch nur bei genauerem Hinsehen zeigt. Dabei entdeckt man zum Beispiel das Chameleon, das für mich eines der interessantesten Tiere der Wüste ist.

Von Swakobmund geht es direkt am Atlantischen Ozean entlang weiter nach Norden zur Skeleton Coast bis nach Terrace Bay, der einzigen Übernachtungsmöglichkeit in diesem Naturschutzgebiet.

Die Skeleton Coast ist für mich einer der merkwürdigsten Orte, den ich jemals besucht habe. Der Sand der Namib-Wüste wird überdeckt von einer leichten, schwarz oxidierten Sanddecke. Dieser Park erscheint einem wirklich als das „Ende der Welt“, hier kommt Endzeitstimmung auf.

Einfahrt zu einem Hof in der Wüste, am Tor das große Bild eines Totenschädels.

Schon der Eingang zu diesem Park ist mit seinen Totenköpfen absolut filmreif. Die Skelette stammen übrigens überwiegend von Fischen, einige sind jedoch auch menschlich. Die Stürme und die Brandung an der Skeleton Coast sind bis heute berüchtigt, wovon die vielen Schiffswracks zeugen.

Überlebende Schiffbrüchige sind auf der Suche nach Wasser entweder nach Norden oder Süden gewandert, jedoch selten nach Westen – dies hätte ihre Überlebenschancen gesteigert, da der Wüstenstreifen hier nur etwa 60 km breit ist.

Am nächsten Morgen freuen wir uns, die trostlose Landschaft der Skeleton Coast zu verlassen. Auch, wenn wir hier die freundlichsten Menschen unserer Reise treffen durften. Das Damaraland mit seinen berühmten Steingravuren von Twylfontein ist unser Ziel und letzter Stopp vor Erreichen des Etosha-Nationalparks.

Steppenlandschaft, im Hintergrund mit Hügeln und Gebirge.

Damaraland

Im Etosha-Park angekommen, sind wir von der Landschaft, aber vor allem durch die Allgegenwart der wilden Tiere beeindruckt. Ähnlich wie der Krueger-Nationalpark in Südafrika ist auch der Etosha-Park eingezäunt und wird von vielen Touristen besucht, was das Erlebnis in der Hauptsaison definitiv wesentlich einschränkt.

In der Nebensaison ist der Etosha aber ein empfehlenswertes Ziel, insbesondere wegen der erreichbaren unerschlossenen Teile. Zentral im Etosha befindet sich eine riesige Salzpfanne. In der Mittagshitze wird es so warm, dass alle Tiere Schatten suchen, selbst den Vögeln ist es zu heiß.

Eine Giratte und eine Herde Oryxe stehen im Schatten eines Baumes, auf dessen Spitze ein Vogel sitzt.

Elefanten schützen sich vor der Hitze und der extremen Sonneneinstrahlung, indem sie sich selbst mit Schlamm bewerfen. Sie scheinen dieses Bad der besonderen Art wirklich zu genießen und nebenbei hilft es auch, lästige Moskitos fernzuhalten.

Zebraherden jeglicher Größe bis zu mehreren hundert Tieren durchstreifen die Steppe. Nur in der Herde haben sie eine Überlebenschance, wenn sie abwechselnd Ausschau nach Gefahren halten, während die anderen der Herde trinken oder fressen.

Giraffen sind die graziösesten und anmutigsten Tiere unter den Vegetariern, Körperhaltung und Gesichtsausdruck sprechen Bände. Auch sie leben in Herden, bei Einzeltieren handelt es sich überwiegend um Jungbullen.

Eine Giraffe schreitet durch die Steppe.

Besonders vorsichtig und wachsam sind Giraffen aufgrund ihrer Verletzlichkeit an Wasserlöchern. Zum Trinken müssen sie ihre Vorderbeine auseinanderspreizen, bis sie die Wasseroberfläche erreichen. Eine sehr verletzliche Lage, in die man sich am besten nur ohne Fressfeinde in der Nähe begibt.

Löwen sind ein besonderer Anziehungspunkt für die meisten Besucher. Natürlich sind auch wir beeindruckt von einem sich auf der Jagd befindendlichen Löwenrudel, bestehend aus sechs Löwinnen. Der Löwe lässt fagen und döst meistens faul in der Sonne.

Die Selbstverständlichkeit der Kommunikation, die alle Tiere zur richtigen Zeit an den richtigen Ort führt, um die Jagd zum Erfolg zu führen, ist sehr beeindruckend, ebenso wie ihre muskulösen, sehnigen und geschmeidigen Körper, der absolute Überlebenswille in den Augen funkelnd.

Eine Oryxantilope in der Steppe.

Eine Löwin der Steppe.

Unsere letzte Etappe führt uns zum Waterberg-Plateau, bevor es bereits wieder nach Windhoek geht und der Abschied von Namibia naht. Es war ein unglaublicher Urlaub, in dem ich mein Herz an diese vielfältigen und bezaubernden Landschaften Namibias, die Ursprünglichkeit, Freiheit und Einsamkeit verloren habe.


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Mit Schwung nach oben

25 Apr

Dass Treppen nicht bloß funktional dazu dienen, um in Gebäuden von einer Etage auf die nächste zu kommen, hat der Fotograf Steve Simon verstanden. Als architektonische Elemente werden sie mitunter räumlich als materialisiertes Sinnbild für Bewegung inszeniert.

Welche ästhetische Qualität dieses Spiel hat, zeigt uns Steve anhand seiner Serie, deren Leitbild die Konzentration auf die wesentlichen Formen ist. Mit weitwinkligen Perspektiven entlang der Treppenachsen erzeugt er eine Dynamik, die die „eingefrorene“ Bewegung betont.

Wenn er auf seiner Suche nach neuen dankbaren Exemplaren fündig wird, wählt er für seine Aufnahmen nicht selten den Blick von unten nach oben. Da die Ausbeute an natürlichem Licht im Erdgeschoss der Treppenhäuser mitunter recht spärlich ist, wird fast immer die Nutzung eines Stativs notwendig.

Manchmal legt er sich aber auch auf den Boden, um den am besten geeigneten Blickwinkel zu finden. Bei so viel Hingabe hat er dann nicht selten die erstaunten Blicke Treppensteigender auf seiner Seite.

© Steve Simon

© Steve Simon

© Steve Simon

© Steve Simon

© Steve Simon

© Steve Simon

© Steve Simon

© Steve Simon

Mehr von Steves Treppenbildern sowie weitere seiner Arbeiten findet Ihr auf seiner Webseite.


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Schrei nach Veränderung. Eine Wegbeschreibung.

30 Dec

Es ist Weihnachten 2005. Meine Freundin drückt mir ihre Digitalkamera in die Hand und bittet mich, ihre Familie zu fotografieren. Ab jetzt wird sich mein Leben von Grund auf verändern.

Die nächsten fünf Jahre lerne ich zu fotografieren. Ich möchte Landschaftsfotograf werden. Und die Bilder von David Nightingale und Kathleen Connally inspirieren mich dazu.

Meine Bilder werden stetig populärer. Auf Flickr und in meinem Fotoblog flattern die Kommentare nur noch so herein und 50 Favoriten pro Bild sind die unterste Grenze.

Ein Bekannter meint: „Dein Selbstbewusstsein muss ja von Tag zu Tag wachsen.“

Ich liebe das. Diese Dramatik. Der nicht abreißende Strom lobender Hymnen auf „meine“ Landschaften. Menschen schreiben mir, dass sie heute an mich gedacht haben, weil der Himmel so blau war wie auf meinen Fotos.

Doch ab 2009 werde ich dem überdrüssig. Ich hinterfrage das, was ich tue und merke, dass ich eigentlich gar keine Lust mehr auf Landschaftsfotografie habe. Und dass die Kommentare für mich nicht mehr das sind, was sie einst waren.

Die Situation schreit nach Veränderung.

2010 traue ich mich und beginne, mich ganz der Straßenfotografie zu widmen. Das fühlt sich richtig an. So angenehm alltäglich. Unaufgeregt. Doch ich hänge immer noch am Lob der anderen und reagiere verletzt, wenn mich jemand kritisiert.

Ich denke immer wieder über die Frage der Persönlichkeitsrechte nach, lese viele Artikel dazu und hole mir Rat von anderen Straßenfotografen. Obwohl es unpopulär ist, entscheide ich mich dafür, zu fotografieren. Menschen mit Gesichtern.

Ich möchte außerdem weg von all dem Aufgeregten. Ich habe mich satt gesehen an Bildern, bei denen alles stimmt und es sich gerade deshalb so anfühlt, als ob überhaupt gar nichts stimmt.

Und 2013 stelle ich fest, dass ich immer noch an den Sternen und Kommentaren der Leute hänge. Werden meine Bilder gemocht, geht es mir gut, wenn nicht, bekomme ich schlechte Laune.

© Martin Gommel

Irgendetwas mache ich falsch. Es kann doch nicht sein, dass ich mich bis zum Ende meines Lebens von den Vorlieben anderer Menschen derart kontrollieren lasse.

Dazu fühlt sich alles an wie festgefahren. Mir fehlen die Ideen. Die Wertschätzung der Fotografie.

Stopp. Halt. Momentchen, Martin. Mach Dich nicht verrückt. Wer sagt denn, dass Du bis in alle Ewigkeiten so weitermachen musst?

Also nehme ich mir eine Auszeit und veröffentliche drei Monate lang kein einziges Foto. Dem Hunger nach Liebe durch Bestätigung wird jetzt erst einmal ein Ende gesetzt.

Dabei bin ich noch genauso oft draußen. Und suche in der Stadt nach Motiven. Bearbeite Bilder, speichere sie ab und… lasse sie auf der Festplatte schlummern.

Entschleunigt. Ent-emotionalisiert. Entspannt.

Durch diese Arbeitsweise bin nicht sofort der Kritik anderer Menschen ausgesetzt. „Das schärft den eigenen Blick ungemein“, meint eine weise Person und ich spüre, dass sich das für mich als Wahrheit herausstellt.

So fotografiere ich in aller Seelenruhe vor mich hin. Und merke von Tag zu Tag, dass sich in mir etwas öffnet, das ich bisher gar nicht kannte. Es ist unendlich und irgendwie tief.

Und auf einmal sehe ich Möglichkeiten, die ich zuvor noch nicht einmal im Ansatz bedacht hatte. Ich wechsle meine Kameras, probiere jetzt mehr aus und hänge nicht mehr so sehr daran, meinen Stil zu finden.

© Martin Gommel

Meine Bilder verändern sich. Und: Ich verändere mich.

Und mir wird klar: Ob meine Bilder heute oder morgen gemocht werden, ist mir mittlerweile sehr, sehr unwichtig geworden.

Im Gegensatz dazu wird der Wunsch stärker, etwas Bleibendes zu schaffen.

Karlsruhe – meine Heimatstadt – zu dokumentieren und damit Menschen, die die Fotos in 30 Jahren sehen werden, das Gefühl zu geben: „Ah, früher sah Karlsruhe so aus. Siehst Du die Baustellen? Die Fußgängerzone? Die Pyramide? Schau mal hier, so haben sich die Menschen damals gekleidet.“

Ich möchte etwas tun, was über den jetzigen Moment hinaus geht. Darüber hinaus, ob Leute nun meine Fotos liken oder in der Luft zerreißen. Ob sie die Bilder loben oder sie grässlich langweilig finden.

Eine neue Vision

Es ist das Ende des unbewussten Tauschhandels: Ich poste ein geiles Bild und Ihr liket es dafür und schreibt mir, wie geil das Bild ist.

Nach den drei Monaten beginne ich erneut, Bilder zu posten.

Mein Kopf ist frei geworden. Frei vom Trubel des Internets. Frei von der Sehnsucht nach Dramatik und Anerkennung. Es ist etwas Neues entstanden. Eine neue Vision. Ein neuer Weg.

Jetzt ist Dezember und ein neues Jahr bricht an. Im Bauch kribbelt es, wenn ich daran denke, was ich noch alles entdecken kann.

Und wenn ich wieder bemerke, dass irgend etwas nicht stimmt, werde ich mich wieder zurückziehen. Vielleicht ist auch das meine Art, mit den Dingen umzugehen.


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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Als die Kunst nach Abertillery kam

03 Sep

Ein Beitrag von: Kicktplate Project

Dies ist die Geschichte von Dafydd und Zosia, die sich trauten, einer Idee Raum zu geben und einem kleinen und verschlafenen Ort in Wales etwas Kostbares schenkten.

Im August hatte ich das erste Mal Kontakt mit Dafydd und Zosia. Sie fragten mich, ob ich Lust hätte, vier Bilder meiner Serie „Metamorphose“ in einer kleinen Galerie in Wales zu zeigen.

Nach und nach erfuhr ich immer mehr über die Hintergründe dieser Anfrage und fand allein die Idee und die Energie, die beide in ihr Projekt steckten so wärmend, das ich sie um ein Interview bat, um sie Euch heute hier vorstellen zu können.

aussicht © Kickplate Projekt
eine Stadt mit guter Aussicht

Wer oder was ist das Kickplate-Projekt? Erzählt ein wenig über die Hintergründe.

Wir sind Dafydd und Zosia, autodidaktische Fotografen, die das Kickplate-Projekt im Juli dieses Jahres als Kunstkollektiv gegründet haben.

Wir haben uns vor vier Jahren in Neapel, in Italien getroffen und sind seitdem mindestens ein Dutzend Mal umgezogen. Nachdem wir zwei Jahre in Polen und Italien lebten und rumgereist sind, sind wir nach Abertillery, Dafydds Heimatstadt in den Valleys, einer Region im Süden von Wales, zurückgekehrt.

Aus persönlichen und ökonomischen Gründen waren wir zu dieser Zeit auch ziemlich aufgeschmissen. Das Leben in einer post-industriellen Stadt, die außer schönen Aussichten nicht viel zu bieten hat, kann ziemlich langweilig und überwältigend sein. Wir vermissten die Dinge, die wir so genossen hatten, als wir in den großen Städten gelebt hatten: Zu Ausstellungen gehen und mit anderen Menschen interagieren.

Wir hatten schon immer davon geträumt, eine Kurzzeit-Galerie zu haben, aber wir hatten nie in Erwägung gezogen, sie hier umzusetzen. Und als wir dann eines Tages Ende Juni durch die Stadt gingen, sahen wir es – einen kürzlich aufgegebenen Friseursalon.

So begann das Kickplate-Projekt als Kurzzeit-Galerie in einem ehemaligen Friseursalon in Wales – sie hat ihren Namen von den Metallplatten, die immer noch an ihrem Platz sind und an die Vergangenheit unserer Galerie erinnern.

kickplate

Kickplate: Stoßblech – Substantiv. Eine am unteren Ende von Türen angebrachte Metallplatte gegen Stöße und Kratzer.

Oder: Metallplatten, die an den Wänden von Friseursalons angebracht sind, um zu verhindern, dass ungeduldige Kunden die Wände mit ihren Schuhen zerstören, während sie ihren Haarschnitt bekommen.

Sie dienen auch dazu, Fotos an der Wand unserer Kurzzeit-Galerie aufzureihen.

Unser Ziel ist es, qualitativ hochwertige internationale Fotografie an einen Ort zu bringen, der keine ständige Galerie besitzt. Zu zeigen, dass Kunst nicht einer sozialen Gruppe vorbehalten ist und neue Künstler zu fördern.

Erzählt uns doch auch noch ein wenig mehr über Euch selbst. Wer seid Ihr?

Wir wurden beide an entgegen gesetzten Enden des Jahres 1984 geboren, aber etwa auf dem gleichen Breitengrad.

Dafydd kommt aus Wales und hat als Grafikdesign-Praktikant, Verwalter einer Putzfirma, eines Finanzunternehmens und des Gesundheitsdienstes, sowie als Englischlehrer, Korrekturleser, Hostel-Rezeptionist sowie autodidaktischer, experimenteller Fotograf gearbeitet. Nun ist er nur noch ein experimenteller Fotograf und Kamera-Bauer und hofft, dabei auch zu bleiben. Er hat in Polen und Italien gelebt, ist aber kürzlich in sein Heimatland zurückgekehrt.

Dafydd hat vor ein paar Jahren begonnen, analoge Fotos zu machen und seitdem einige Kameras umgebaut. Etwa hat er eine Holga in eine doppelseitige Kamera mit einer Lochkamera auf der Rückseite verwandelt, zwei Großformat-Fachkameras gebaut und arbeitet an seiner dritten. Er genießt es, neue Techniken auszuprobieren und hat am (vielleicht ersten) Polaroid-Filmtausch mit einem österreichischen Fotografen teilgenommen.

Außerdem hat er an „Pray for Japan by the 101“ teilgenommen, einem Projekt, das Geld für die Tsunami-Opfer in Japan sammelt. Eines seiner visuellen Gedichte war Teil eines Buches von Hanan Kazma. Im Jahr 2012 hat Dafydd sein erstes Buch, „peculiar truths“, veröffentlicht.

z and d © Kickplate Projekt
Dafydd und Zosia

Zosia Krasnowolska kommt aus Polen, ist studierte Kulturwissenschaftlerin, Übersetzerin, Filzerin und lebenslang Kamerasüchtige. Sie arbeitet fast ausschließlich mit abgelaufenem Film oder solchem aus dem Supermarkt und benutzt meistens ihre Lieblingskamera, eine Praktica mtl50.

Zosia dokumentiert leere Räume, das Vergehen der Zeit und den Ausdruck der Persönlichkeit von Menschen in eingeschränkten räumlichen Grenzen. Das Format, das sie dabei bevorzugt, sind „natürliche Diptycha“, also ein Bild, das aus zwei aufeinanderfolgenden Bildern desselben Filmstreifens besteht – manchmal geplant, manchmal zufällig.

Zosia ist besonders interessiert an Feminismus und Frauenrechten. Im letzten Jahr nahm sie an „The Interpersonally Happy“ teil, einem Projekt, das ins Leben gerufen wurde, um das Bewusstsein für häusliche Gewalt zu schärfen

gallery outside © Kickplate Projekt
Blick von der Church Street in die Galerie

Die einzige Galerie in einer Stadt. Wie genau sieht das Konzept des Kickplate-Projekts aus?

Für uns ist das Kickplate-Projekt ein Weg, um gegen die Kleinstadt-Langeweile zu kämpfen, die Zielgruppe von Kunst in Frage zu stellen und dieses Publikum zu erweitern. Kunst direkt in die Leben und Gemeinden der Menschen zu bringen, denen in der Vergangenheit gesagt wurde, dass Kunst nichts für sie ist.

Wir glauben stark an die Wichtigkeit des alltäglichen Kontaktes mit Kunst und glauben, dass es das Leben der Menschen bereichert, ihre Sensibilität schärft und ihnen dabei hilft, unterschiedliche Aspekte der Existenz zu erfahren. Besonders in einer post-industriellen Stadt, der sonst eine ständige Galerie fehlt.

Kunst ist im Vereinigten Königreich sehr elitär geworden. Im Bezug darauf, wer ein Künstler werden kann ebenso wie darauf, für wessen Augen Kunst gemacht ist. Wir denken, das ist falsch und führt nirgendwohin – außer in die Auktionshäuser!

Von Kunstgalerien sollte nicht erwartet werden, Geld zu machen, um öffentlich gefördert zu werden, das widerspricht der ganzen Idee von öffentlicher Förderung. Das ist ein sehr ernstes Problem in einer Zeit, die geprägt ist von einer Sparpolitik, die darauf ausgerichtet ist, die Uhr ein paar hundert Jahre zurückzudrehen.

Was habt Ihr bereits erreicht und was ist in Zukunft geplant?

Bis jetzt haben wir zwei internationale Fotoausstellungen organisiert.

„Visitors“ präsentierte acht Künstler aus Litauen, dem Libanon, Frankreich, Österreich, Ungarn, Polen und Wales, die eine breite Palette von Stilen und Techniken der Fine-Art-Fotografie zeigten.

„behind her ‚I’s“, das wir am 3. August eröffneten, zeigt Bilder von Frauen, aufgenommen von fünf Fotografinnen aus Georgien, dem Libanon, Deutschland und Kaliningrad. Es ist darauf ausgerichtet, der Art, wie Frauen normalerweise in den Medien und Künsten portraitiert werden, etwas entgegenzusetzen.

Wir planen, in diesem Raum mindestens drei weitere Ausstellungen zwischen September und Dezember abzuhalten und versuchen im Moment, dafür eine Finanzierung zu erstellen – bisher haben wir alle Kosten selbst getragen.

visitors panorama © Kickplate Projekt
Panorama der Ausstellung „Visitors“

behind her Is © Kickplate Projekt
Panorama der Ausstellung „behind her ‚I’s“

Wegen des nomadischen Charakters unseres Lebensstils und der relativ zeitgenössischen Natur der Galerie würden wir das Kickplate-Projekt gern auch an andere Orte bringen, wobei Neapel und Warschau die nahegelegendsten Stationen sind – aber wir sind gespannt, Deine Vorschläge zu hören! Wir hoffen, dass das, was wir bisher getan haben, eine nachhaltige Auswirkung auf die lokale Gemeinde sowie die kulturelle Politik hat und dass es ähnliche Initiativen in der Zukunft ermutigen wird.

Wie und wo sucht Ihr nach Künstlern für Eure Galerie?

Wir haben versucht, Leute über Online-Plattformen zu finden, wir haben auch Online-Galerien und Fotoprojekte durchsucht, die wir interessant finden. Wir arbeiten auch mit Mundpropaganda, den Empfehlungen von Künstlern, die wir kennen. Wir mögen es besonders, Künstler zu finden und auszustellen, die anders vielleicht nicht die Chance gehabt hätten, ausgestellt zu werden, weil sie ihre Fotos vielleicht in einer sehr ungewöhnlichen Art herstellen.

Wir versuchen, Künstlern die Möglichkeit zu geben, die Hürde zu umschiffen, dass man „ausgestellt haben muss, um ausgestellt zu werden“, eine wirklich bizarre Schwelle, die die meisten Kunstanstalten aufrecht erhalten.

Besucher © Kickplate Projekt
Neugierde und reges Interesse zeigten die Besucher der Ausstellung.

Wir glauben daran, dass man, um bedeutsame und qualitativ hochwertige Kunst zu machen, nichts Künstlerisches studiert haben muss. Eine Idee, die sich, trotz der Existenz zahlreicher berühmter Gegenbeispiele, immer noch hartnäckig in der Kunstwelt hält.

Aus dem selben Grund sind wir auch keine großen Freunde davon, die Künstler Statements schreiben zu lassen. Wir glauben, dass gute Kunst für sich selbst sprechen kann – außer, ein Kommentar ist Teil des Projektes. Das heißt, wir hören gern zu, aber wir zwingen nicht jeden dazu, einen Kommentar zu seiner ihrer Arbeit abzugeben, wenn er es nicht möchte – das ist doch immer noch die Aufgabe von Kunstkritikern!

Ebenfalls aus diesem Grund denken wir auch nicht, dass Fotos immer in Form von Serien kreiert werden müssen – wir sind vollkommen glücklich damit, Einzelbilder zu betrachten. Wir würden gern Künstler aus Ländern finden, die künstlerisch übersehen werden oder im Westen unterrepräsentiert sind.

Zum Abschluss erzählt uns noch ein wenig über die Resonanz Eurer Besucher. Wie fielen ihre Reaktionen im Speziellen aus?

Die Reaktionen waren überwältigend positiv. Abgesehen von guten Rezensionen haben wir Geschichten über fotografische Erfahrungen, Lieblingskameras und Familienfotos gehört – und wir wurden umarmt! Viele Menschen waren überrascht und sagten, dass es Zeit war, eine Fine-Art-Ausstellung in Abertillery zu sehen.

Die zentrale Lage unserer Galerie macht es der breiten Öffentlichkeit zugänglich und während einige Leute am Anfang scheu waren, wurde ihre Neugier doch bald offensichtlich. Wir haben keine Rezeption, daher war es offensichtlich, dass die Ausstellung kostenlos zu sehen ist und es fühlte sich einfach wie ein weiterer Laden auf der Straße an. Viele Besucher kamen mehr als einmal wieder, um sich ihre Lieblingsfotos anzusehen. Wir waren froh, zu sehen, wie die Menschen auf die sehr unterschiedliche Auswahl der Fotos reagierten, was interessant für beide Seiten war.

opening 7 © Kickplate Projekt

Ich danke Zosia und Dafydd für ihre Zeit und Geduld. Ich hoffe, dass ihr Projekt eine Zukunft hat und andere ermutigt, Ähnliches zu realisieren oder solche Projekte zu unterstützen.

Wer das Kickplate-Projekt unterstützen möchte, ist herzlich eingeladen bei der Kickstarter-Kampagne des Projektes vorbeizuhuschen.


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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Von Frankreich über Spanien nach Skandinavien – Teil 2

08 Feb

Ein Beitrag von: Ronny Behnert

Die Sonne hatte den Horizont noch nicht erreicht und ich machte mich nach meiner Reise durch Frankreich auf den Weg durch die Dunkelheit zu meinem neuen Ziel: Bilbao. Oder viel mehr dem architektonischen Glanzpunkt dieser Stadt: Dem Guggenheim Museum.

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Bilbao, die größte und wichtigste Stadt im Baskenland genießt leider einen zweifelhaften Ruhm als eine der unattraktivsten Städte Spaniens. Das Guggenheim Museum, das sich mir schon von Weitem zeigte, machte dieses Negativurteil aber nach Erblicken wieder wett.

Die Sonne ging gerade auf, als ich mich an die Arbeit machte und die fast organischen, glänzenden Formen dieses architektonischen Meisterwerkes fotografierte. Frank O. Gehry hat sich, und das behaupte ich ruhigen Gewissens, mit diesem Gebäude selbst übertroffen. Mit etwas Geduld und Umblick habe ich mir weitere interessante Standorte gesucht, um das Museum aus ein paar anderen Blickwinkeln zu portraitieren.

Die lebendigen Formen ließen mich das Gebäude als eine Art „schwarze Königin“ erleben, die sich unter ihrer dunklen Krone mit der Sonne erhebt und im heller werdenden Sonnenlicht erstrahlt, um sich abends dem immerwährenden Zyklus hinzugeben und die Krone im Akt einer architektonischen Inthronisation im Dunkel der Nacht abzulegen.

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Um die Mittagszeit machte ich mich – wieder im strahlenden Sonnenlicht – auf den Weg in den Küstenort Zumaia, nördlich der Stadt Bilbao, kurz vor der französischen Grenze. Zumaia ist bekannt für einen schmalen, kurzen Küstenabschnitt, der so abenteuerlich zerklüftete Felsen aufweist, die sich wie Speere in den Atlantischen Ozean schneiden, dass man meinen könnte, man befände sich auf dem Mond.

Nach einer längeren Suche hatte ich den kleinen Abschnitt dann entdeckt und wurde nicht enttäuscht. „That’s one small step for mankind, one giant leap for me“, um dabei an Neil Armstrong zu denken.

Die vom Wasser geschliffenen, spitzen und teils merkwürdig geformten Vorsprünge zogen sich weit in den Ozean und es war möglich, auf ihnen zu klettern, um gute, eher seltene Blickwinkel dieses Phänomens zu erhalten. Mit nassen (wirklich sehr nassen) Füßen machte ich mich anschließend auf den Weg zurück nach Biarritz, um mich auf meine Rückreise gen Deutschland vorzubereiten.

~

Ein paar schöne und vor allem eindrucksvolle Tage gingen zu Ende und ich flog trotzdem mit zwei lachenden Augen zurück in die Heimat. Kopenhagen und Malmö standen kurz bevor und ich freute mich auf ein spannendes Äquivalent zu Frankreich.

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So ging es nur kurze Zeit später mit dem Flieger in die dänische Haupt- und Hafenstadt Kopenhagen, die mich in herrlichstem Sonnenschein empfing. Wer meine Arbeiten schon eine Zeit lang verfolgt, wird mittlerweile wissen, dass ich selten bei hartem Sonnenlicht fotografiere und strenge Licht- und Schattenbildungen vermeide, um meinen Arbeiten ein homogenes, weiches Äußeres zu verleihen.

Der Tag verging also, indem ich mir geeignete Orte zum Fotografieren suchte, um bei geeignetem Wetter direkt dort beginnen zu können. Am nächsten Morgen war das Wetter so, wie ich es bestellt hatte! Wolken. Graue, dicke, schnell vorbeiziehende Wolken.

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Mein erstes Ziel, auf das ich mich festgelegt hatte, war die Øresundsbron zwischen Dänemark und Schweden, mit fast 8 Kilometern Länge die weltweit längste Schrägseilbrücke. Die einfachste Möglichkeit, in die schwedische Hafenstadt Malmö zu gelangen, ist die Fahrt mit einem der stündlich abfahrenden Züge vom Kopenhagener Hauptbahnhof oder direkt vom Flughafen Kastrup. Weitere Möglichkeiten bestehen darin, die Brücke mit dem Auto zu überqueren oder eine etwas längere, dafür aber idyllischere Fahrt mit der Fähre über den Øresund.

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Ausgestiegen am ersten Bahnhof auf dem schwedischen Festland und euphorisiert von der Tatsache, dass ich die Brücke in nur wenigen Minuten fotografieren könnte, lief ich flotten Schrittes in Richtung Küste. Der Bus benötigt vom Bahnhof bis zur Brücke etwa acht Minuten. Da kann ein Fußmarsch nicht ewig dauern.

Der Schein trügte, denn nach zwei Stunden Marsch durch die schwedische Einöde war ich noch immer nicht am Ziel und hatte mich trotz GPS im Telefon verlaufen. Die Schweden – und diese Tatsache finde ich ausgesprochen vorbildlich – sprechen ein perfektes Englisch und sind sehr hilfsbereit, so dass man einen zufällig vorbeikommenden Radfahrer oder Fußgänger einfach fragen kann, wie man auf schnellstem Wege zur Brücke kommt.

Nach zweieinhalb Stunden mit kiloweise Gepäck auf dem Rücken, gelangte ich zur Öresundbrücke. Das Wetter war noch immer perfekt. Graue, dicke Wolken zogen sich über den Horizont, der Wind blies mäßig, die See war ruhig. Den Bogen, den die Brücke an der höchsten Stelle bildet, fand ich ausgesprochen fotogen.

Auch hier, wie schon bei der Pont de l’Île de Ré, erinnerte mich das Bauwerk aufgrund der vier Pfeiler in der Mitte der Brücke an ein gigantisches, versteinertes Urgetüm, das sich streckt und spannt, um die Weite der Bucht zu überwinden. Überwältigend! Ein Meisterwerk, das sich vor meiner Linse räkelte und mir die Chance gab, meine Langzeitbelichtungen zu machen.

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Malmö bietet aber auch sonst ein paar absolute Highlights: Der Turning Torso von Calatrava und das westliche Hafengebiet mit vielen Motiven und Objekten, die sich gerade für Langzeitaufnahmen eignen, so dass ich ein paar Tage später beschloss, ein zweites Mal nach Malmö zu fahren.

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In Zentrum Kopenhagens locken Gebäude wie der Rundetårn, der das älteste Observatorium Europas beherbergt. Über einen in Spiralen nach oben gezogenen Gang gelangt man nach siebeneinhalb Drehungen im Zentrum des Turms auf eine Plattform und kann von dort einen wundervollen Blick über Kopenhagen und Umgebung genießen. Erst von oben kann man erkennen, wie weitläufig sich diese Stadt in die Breite zieht und dass zahlreiche interessant verzierte Kirchtürme zwischen den sonst eher flachen Gebäuden aufragen.

Im „runden Turm“ hielt ich mich vergleichsweise lang auf, da Licht und Kontraste in dort schwer zu bewältigen waren. Verfügbares Licht fällt ausschließlich durch winzige Fenster nach innen, so dass der Gang des Turms meist im Dunkeln liegt und teilsweise eine ungünstige Schattenbildung produziert.

Das Licht der Fenster reflektierte an den weißen Wänden allerdings so stark, dass eine harmonische Belichtung viel Zeit in Anspruch nahm. Hat man den perfekten Standpunkt gefunden, hieß es nur noch, auf den passenden Moment zu warten, um Architektur und Leben in Form einer sich im Bild bewegenden Person miteinander in Verbindung zu bringen. Ein Statist, der die sonst eher statische Dynamik des Turm aufhebt, aber nicht unterwirft.

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Ein eher ungeplantes Motiv befindet sich ständig vor den Augen vieler Nutzer der öffentlichen Verkehrsmittel, wird aber wohl eher unbemerkt hingenommen: Die Kopenhagener Metro hat den Vorteil einer führerlosen Fahrt, so dass es dem Fahrgast ermöglicht wird, von vorn nach hinten durch die Bahn zu schauen und den Transport durch die Tunnelsysteme unterhalb der Stadt – nur durch eine Front- und Heckcheibe getrennt – zu genießen.

Mit etwas Geschick und Geduld schafft man es, freihand so nah an die Scheibe zu gelangen, dass die Spiegelung der Beleuchtung im Sucher verschwindet und eine Aufnahme von 1/5 oder 1/6 s möglich wird, die eine spannende Dynamik mit scharfen Linien im Foto zeigt und den Tunnel, der hinter einem verschwindet, zusätzlich in die Länge zieht.

Man hat schnell den Dreh raus und ist meist ungestört, da ein Großteil der Kopenhagener Bevölkerung eher auf das Fahrrad als allgemeines Transportmittel zurückgreift und die Metro somit zum Glück mäßig besetzt ist.

Mein Fazit des fünftägigen skandinavischen Besuchs, dessen Fotos in der Werkgruppe Øresund zusammengefasst wurden: Lohnenswert! Weitere Fotostrecken und Werkgruppen befinden sich gerade in Planung, also haltet Ausschau nach weiteren Håggards, die Euch hoffentlich genauso gefallen.


kwerfeldein – Fotografie Magazin

 
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