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App Review: Bluristic für iPhone

31 Oct

Die iPhone-App „Bluristic“ verspricht echte Langzeitbelichtungen für experimentelle Fotografie mit dem iPhone. Doch wie gut funktioniert das Konzept wirklich? Ich habe die App auf Herz und Nieren getestet.

Konzept

Der grundsätzliche Ansatz von Bluristic ist nicht nur sehr gut, sondern tatsächlich einmalig unter den vielen Foto-Apps im Store: Die App macht Langzeitbelichtungen und trackt dabei die fokussierten Subjekte, sodass durch Bewegung des Smartphones oder des Subjekts Wisch- und Mitziehereffekte auf dem Hintergrund erzeugt werden.

Bluristic setzt dabei nicht auf einen Filter, det nachträglich einen Effekt auf das Bild setzt, sondern nutzt einen Umweg, um echte Langzeitbelichtung zu ermöglichen: Über die Video-Funktion des iPhones werden je nach Belichtungszeit sehr viele Bilder hintereinander aufgenommen, sodass man am Ende ein kombiniertes Bild aus sehr vielen Einzelbildern erhält.

Endlich kann man, so zumindest die Theorie, auch mit dem iPhone ein bisschen experimentellere Fotografie betreiben, die nicht nur durch Nachbearbeitung glänzt.

Foto eines statischen Objekts mit Bluristic, nachbearbeitet in Photoshop

Foto eines statischen Objekts mit Bluristic, farblich nachbearbeitet in Photoshop

Design

Die designtechnische Ausarbeitung von Bluristic muss im negativen Sinne als „rudimentär“ beschrieben werden: Abgesehen davon, dass es in der App lediglich einen Landscape-Modus mit einigen wenigen und sehr einfachen Icons gibt, nutzt Bluristic auch generell nur wenige Gestaltungselemente, die zum einen Teil mit Apple-eigenen Standard-Tables und -Tabellen abgebildet werden, zum anderen Teil mit recht amateurhaften Grafiken daherkommen.

Eigene Akzente in Sachen Design setzt Bluristic kaum, wenn überhaupt, dann fällt nur das sehr markante App-Icon und der dazu passenden Start-Screen positiv auf. Auch der Sound ist nicht gerade sonderlich vertrauenserweckend: Ein ansteigendes Surren verkündet den Verlauf einer Aufnahme, der umgekehrte Ton beendet sie. Mit bekannteren Foto-Apps hat das alles nur sehr wenig zu tun.

Das sehr minimalistische User-Interface bei der Aufnahme

In Sachen Design ist auf allen Ebenen dringend Nachbesserung gefragt: Momentan hat Bluristic nur wenig Wiedererkennungswert und wirkt stellenweise wie eine unprofessionell zusammengeschusterte Bastler-App.

Usability/UX

Die gute Nachricht ist: Bluristic ist nicht so schwer zu bedienen, wie man es zu Beginn vermuten mag. Die schlechte Nachricht ist: So leicht allerdings auch nicht. Die Bilder werden gemacht, indem man im Aufnahmemodus den Bildschirm berührt, gedrückt hält und die Kamera dabei bewegt.

Die Schwierigkeit dabei ist es, einen roten Punkt auf dem Screen innerhalb eines Quadrats zu behalten, der wie eine Wasserwaage das getrackte Subjekt fixiert. Anders ausgedrückt: Wenn man das iPhone während der Aufnahme zu stark bewegt und rotiert, dann verliert die App auch das Subjekt, das man eigentlich fotografieren will und man bekommt ein vollständig verwaschenes Bild.

Foto eines sich bewegenden Objekts, nachbearbeitet in Photoshop.

Foto eines sich bewegenden Objekts, farblich nachbearbeitet in Photoshop

Für Einsteiger gibt es dazu ein kleines Tutorial beim ersten Einstieg in die App, sonst hat Bluristic lediglich ein paar Einstellungsmöglichkeite und eine sehr abgespeckte interne Galerie für die Aufnahmen. Insgesamt kann man sagen, dass Bluristic nach einiger Einarbeitungszeit durchaus schnell zu bedienen ist. Richtig Freude mag bei der Nutzung aber nicht aufkommen, dafür wirkt die App insgesamt zu unfertig.

So muss etwa irritierenderweise vor jeder Aufnahme ein Play-Button gedrückt werden, selbst wenn man sich bereits auf dem „Capture“-Tab befindet und die Bilder können nur in einer recht kleinen Auflösung exportiert werden, beides höchstwahrscheinlich ein Resultat dessen, dass man technisch betrachtet bei der Aufnahme ein Video dreht.

Die Galerie-Ansicht. Viel mehr gibt es in der App auch nicht zu sehen.

Die Galerie-Ansicht. Viel mehr gibt es in der App auch nicht zu sehen.

Fazit

Kommen wir zur entscheidenden Frage: Wie sind die Ergebnisse mit Bluristic denn jetzt eigentlich? Wie brauchbar sind die Bilder, die man mit der App macht und wie sehr entsprechen sie den gezeigten Promo-Bildern im App-Store?

Sofern man nicht die Qualität von Mitziehern einer DSLR erwartet, erfüllt Bluristic sein Versprechen wirklich gut: Bei statischen Objekten sind die Ergebnisse und der Effekt entfernt vergleichbar mit dem Lensbaby – in der Mitte scharfe Bilder, die zu den Rändern hin verwischen und verschwimmen.

Mit etwas Übung kann man mit Bluristic durchaus spannende Experimente und Fotos aufnehmen, die sich sehen lassen können. Durch die echte Langzeitbelichtung lassen sich außerdem erstmals bewegte Objekte verschwimmen, Passanten verschwinden lassen und auch echte Mitziehereffekte kreieren.

Freilich müsste man für die exakte Anwendung der App und einige Aufnahmearten wieder ein Stativ verwenden, was den Sinn einer Smartphone-App zum Mitnehmen und aus der Hand schnell Fotos machen konterkariert, aber auch so sind die Bluristic-Ergebnisse durchaus sehenswert.

Portrait in Bewegung, nachbearbeitet in Photoshop.

Portrait meiner Herzdame in Bewegung, farblich nachbearbeitet in Photoshop.

Trotz all der Schwächen und Schwierigkeiten der App kann man Bluristic vor allem für den niedrigen Preis von unter einem Euro durchaus weiterempfehlen, denn das Programm ist sehr originell und tut, was es verspricht.

Wenn am ganzen Drumherum (und vielleicht auch am Aufnahmeprozess selbst) noch ein paar Verbesserungen geschehen, dann wird Bluristic vielleicht irgendwann ein richtig gutes Tool fürs iPhone. Bis dahin ist es zumindest für alle, die gern mal herumexperimentieren, im Sinne einer Lomo-App durchaus zu empfehlen.


kwerfeldein – Fotografie Magazin | Fotocommunity

 
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